an der europäischen Außengrenze ist die Lage angespannt wie nie zuvor. Entlang des Grenzstreifens zwischen der Türkei und Griechenland stehen sich Flüchtlinge und Polizisten feindselig gegenüber. Es herrscht nach Reporterberichten von CNN und WELT-TV, die beide im Morning Briefing Podcast zu Wort kommen, eine explosive Stimmung. Die Menschen sind verzweifelt und teils aggressiv. Die Grenzschützer gehen mit großer Härte vor:
► Die EU-Grenzschutzagentur Frontex hat mittlerweile die Alarmstufe für alle EU-Grenzen zur Türkei auf „hoch“ gesetzt.
► Auch Griechenland verstärkte seine Einheiten entlang der Grenze zur Türkei.
Eine Infografik mit dem Titel: Auf der Flucht nach Europa
EU-Außengrenzen zur Türkei
► Die Polizei setzte am Sonntag schwere Wasserwerfer und Tränengas ein, um Menschen am illegalen Grenzübertritt zu hindern.
© dpa► Allein am Fluss Evros stoppte die griechische Polizei der Deutschen Nachrichtenagentur zufolge knapp 10.000 Migranten.
► Nach UN-Angaben harren rund 13.000 Fluchtwillige auf der türkischen Seite der türkisch-griechischen Landgrenze bei Kälte aus.
© imago► Am Grenzübergang „Pazarkule“ halten Flüchtlinge Schilder mit der Aufschrift „Merkel help!“ in die Höhe.
► EU-Migrationskommissar Margaritis Schinas forderte eine baldige Sondersitzung der EU-Innenminister.
Heute Morgen ist noch kein Fazit möglich. Geschichte wird gemacht.
Die neue Situation treibt CDU und Grüne auseinander, noch bevor es zu einer ersten schwarz-grünen Koalition im Bund kommt. Die CDU möchte auf keinen Fall das Trauma von 2015 wiederholen. Unionsfraktionsvize Thorsten Frei bringt Grenzschließungen ins Gespräch:
Wir können nicht weiter so tun, als ginge uns das nichts an.
Menschen wählen am Wahltag nicht nur Menschen, sondern auch politische Narrative. Ein Narrativ ist die Erzählung von einer Reise, die Wähler und Politiker gemeinsam unternehmen wollen. Ein erfolgreiches Narrativ muss a) gut erzählt, b) glaubwürdig und c) für den Wähler und dessen Zukunft gewinnbringend sein.
Die Obama-Erzählung von „Hope and Change“ traf nach Irak-Feldzug und globaler Finanzkrise das Bedürfnis seiner Zeit, das ein Bedürfnis nach Neuanfang war. Das Trump-Narrativ versprach amerikanische Größe – „Make America great again“ – nachdem Obama in der Wirtschaftspolitik (Handelsbilanzdefizit gegenüber China) und in den Außenbeziehungen (Syrienkonflikt, Iran-Deal, Putin) nicht geliefert hatte.
© dpaDas Gegennarrativ der heutigen Demokraten dagegen verfing nie. Trump sei von Putin ferngesteuert, erzählten sie. Das glaubte kein Mensch. Trump habe seinen persönlichen Wohlstand nur gerbt, sei eigentlich ein Pleitier, der von Wirtschaft nichts verstehe. Beschäftigtenzuwachs und Börsenboom haben dieses Narrativ in den Augen der Mehrheit widerlegt.
Der Präsident missbrauche die ukrainische Regierung für Zwecke der Wiederwahl und müsse daher mit Amtsenthebung bestraft werden – erzählten die Demokraten. Nur hörte eine deutliche Mehrzahl der Wähler nicht zu, weil sie das politisch für zu durchsichtig und persönlich nicht für relevant genug erachteten.
Im deutschen Vorwahlkampf beobachten wir dasselbe Spiel: Falsche Narrative oder solche, die vom Publikum nicht als relevant empfunden werden, sind Vorboten krachender Niederlagen.
© dpaDas Narrativ, die Merkel-Jahre seien für das Land gefährliche Jahre gewesen, weil die Kanzlerin mit ihrer Migrationspolitik Tür und Tor für fremde Mächte und Kulturen geöffnet habe, wirkt – aber nur bei rund 15 bis 20 Prozent der Wähler. Diese neigen der AfD zu. Viele andere stößt diese Erzählung eher ab. Ein CDU-Kandidat, der vor allem auf diesem Thema seine Kampagne aufbaut, ist zum Scheitern verdammt.
© dpaDas Narrativ, die Armen würden ärmer und die Reichen reicher, ist nicht falsch, kann aber nach einer Dekade der Hochkonjunktur mit steigenden Löhnen, steigender Beschäftigungsquote und steigenden Immobilienpreisen keine Breitenwirkung entfalten. SPD und Linkspartei planen ihre Wahlkämpfe im politischen Niemandsland.
© dpaDas Greta-Narrativ, das für Deutschland eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz sieht, obwohl das Land nur für zwei Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich ist, erreicht das Stadtpublikum und wirkt auch bei Journalisten, weil die meisten Journalisten zugleich Alarmisten sind. Aber: Dieses Narrativ begründet für die Mehrheit keine Nummer-1-Priorität und taugt daher nicht zur Eroberung des Kanzleramtes.
© dpaDas im Moment stärkste deutsche Narrativ ist die Erzählung vom gespaltenen Land, das dringend wieder mit sich versöhnt werden müsse. Es kommt der deutschen Sehnsucht nach Maß und Mitte entgegen und hat den Vorteil, unspezifisch zu sein. In ökonomisch guter Zeit dient es als Wohlfühlerzählung mit starker Happy-End-Ambition.
Verändern sich die Zeiten – siehe oben – verändert sich auch die Durchschlagskraft der verschiedenen Narrative, womit wir bei Corona-Epidemie, Börsenabsturz und Flüchtlingchaos an der europäischen Außengrenzen gelandet wären:
Eine tiefe Rezession mit Jobverlusten nutzt Friedrich Merz. Eine neue Flüchtlingskrise begünstigt die AfD. Die Grünen könnten im Wahlkampf einen Sahara-Sommer mit Ernteausfällen gut gebrauchen. Die Interpreten des nordrhein-westfälischen Coversongs „Versöhnen statt spalten“ leben dann am besten, wenn der Status quo – gute ökonomische Lage, miese politische Stimmung – sich verlängert.
Das Gras wachsen zu hören, sei ein eigener Berufszweig, schreibt schon Botho Strauß in „Der Fortführer“: „Das zum Hier und Heute Festgestellte ist selten fest genug. Es zeigt die ersten Spuren des Hinfälligen meist schon im Formulierungsgestus.“
Der Wettstreit um den CDU-Vorsitz hat sich in die Hinterzimmer der Landesverbände und Bezirksgremien vorgearbeitet. Das Ziel der jeweiligen Büchsenspanner: Sie wollen die öffentliche Empfehlung der Einflussreichen für ihre Kandidaten erreichen.
Armin Laschet und Jens Spahn haben sich das Votum ihres Landesvorstands bereits abgeholt, die ebenfalls aus NRW stammenden Norbert Röttgen und Friedrich Merz waren nicht anwesend und durften ihre Kandidatur nicht erläutern. „Mehr als peinlich“, sagt Thorben Meier, Mitglied der Jungen Union in NRW.
© imagoDafür allerdings hat Merz seine Freunde im Landesverband Baden-Württemberg für sich gewinnen können. Und: Sein Weggefährte Roland Koch verhinderte im hessischen Landesvorstand einen Beschluss zugunsten von Laschet.
Der örtliche CDU-Chef und Koch-Nachfolger Volker Bouffier musste sein Ansinnen – eine Wahlempfehlung zugunsten des NRW-Ministerpräsidenten – in letzter Minute abblasen. Entscheidend dürften für alle Bewerber die Stimmen der Frauen sein, die ein Drittel der Delegierten auf dem Parteitag stellen.
Deshalb haben die männlichen Bewerber ein Wettbuhlen begonnen. Röttgen erklärte, dass die nächste Person in seinem Team eine Frau sein soll, auch Laschet will neben Spahn mindestens drei Stellvertreterinnen installieren, sollte er gewinnen. Merz ließ die Social-Media-Kampagne „Wir Frauen für Merz“ initiieren. Angela Merkel, so viel sei verraten, ist nicht dabei.
Für den Morning Briefing Podcast hat sich unser Redaktionsteam bei Christdemokratinnen im Land umgehört. Wen würden sie wählen? Und warum?
Kristina Schröder, frühere Bundesfamilienministerin und hessische CDU-Delegierte beim Parteitag:
Konservative und liberale Positionen waren in der Vergangenheit nicht immer deutlich vernehmbar. Das hat uns geschadet und mit dazu beigetragen, dass die AfD wieder stark wurde. Ich sehe die Notwendigkeit einer Kurskorrektur. Deshalb unterstütze ich Friedrich Merz.
Anders sieht das die 29-jährige Diana Kinnert, Unternehmerin, Buchautorin („Das Zukunftsmanifest“, Rowohlt) und einst Mitglied der CDU-Reformkomission des Adenauer-Hauses:
Die Hauptaufgabe besteht jetzt darin, die Partei zu einigen. Dafür braucht es Personen an der Spitze, die die Glaubwürdigkeit und Autorität eines ehrlichen Vermittlers und Maklers besitzen. Das traue ich Armin Laschet und Jens Spahn besonders zu.
Dagmar Schipanski, 76 Jahre alt, Mitglied des Bundesvorstands, frühere Präsidentschaftskandidatin der Union, blickt aus Thüringen auf den Wechsel in der Spitze. Sie sagt über Merz:
© imagoEr ist ein sehr kluger Mann. Er ist ein sehr strategisch denkender Mann. Aber ich glaube, ihm fehlt manchmal die Besonnenheit.
Nadine Schön ist Saarländerin, Mitglied der Frauen-Union und stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag:
Wir müssen uns als Zukunftspartei aufstellen, als Partei, die die Themen der Jungen, der nächsten Generation verkörpert.
Das Coronavirus ist weiter auf dem Vormarsch. Ein Ende der Infektionswelle ist nicht in Sicht. Innenminister Horst Seehofer:
Ich rechne damit, dass wir erst zum Jahreswechsel einen entsprechenden Impfstoff zur Verfügung haben.
Bis dahin müsse man das Virus mit den Mitteln des Seuchenschutzes bekämpfen. Auch die Absperrung von Regionen oder Städten schloss Seehofer nicht aus – als letztes Mittel. Der Stand heute Morgen:
► 3044 Tote sind laut dem „Center for Systems Science and Engineering“ der Johns Hopkins Universität zu beklagen.
► 89.072 Menschen in 69 Ländern haben sich infiziert.
► In Europa leidet Italien mit 1694 Infizierten derzeit am heftigsten.
► In Deutschland wurden dem Robert-Koch-Institut zufolge 129 Fälle von Infizierten bestätigt, davon 74 in NRW.
► Das Virus hat das Potenzial, den Bahnverkehr hierzulande lahmzulegen: Sobald ein Reisender als möglicher Infizierter auffällt, kann jeder Zug unmittelbar gestoppt werden.
Eine Infografik mit dem Titel: Wo sich das Coronavirus besonders stark ausbreitet
Anzahl von Infizierten* in ausgewählten Ländern
► Millionen Kinder in China, Hongkong und Korea werden derzeit per Video-Konferenz unterrichtet. Die Schulen bleiben geschlossen.
► Die heimliche Gewinnerin der Epidemie ist Greta Thunberg: Vor allem in China ging die Luftverschmutzung infolge geschlossener Produktionsstätten, der Quarantäne von Millionen Menschen und amtlichen Fahrverboten deutlich zurück. Der Mensch leidet, aber die Natur dankt es ihm.
Der Ökonom Dr. Daniel Stelter widmet sich heute in der neuesten Folge seines Podcasts „Beyond The Obvious“ den wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus. Mit Stelter habe ich vorab über mögliche Konsequenzen für unseren Staat, unsere Jobs und die Börse gesprochen. Er sagt:
Wir haben vergessen, dass wir in der Weltwirtschaft angeschlagen waren, schon vor dem Virus, weil wir eben seit zehn Jahren die Finanzkrise nicht bewältigt haben.
Eine potenziell drohende Rezession dürften wir nicht ausschließen:
Stellen Sie sich folgendes Bild vor: Ein voll beladener Jumbo, mit viel Treibstoff von den Notenbanken befeuert, hat es nicht geschafft, in den vergangenen Jahren eine ausreichende Flughöhe zu erreichen. Jetzt haben wir ein Luftloch. Die Frage ist: Kommen wir da schnell wieder raus oder ist es wie ein U geformt? Dann könnte es gefährlich werden. Dann könnten, wenn wir nicht hoch genug fliegen, die Berge ziemlich nah kommen.
Kurz vor den Vorwahlen am „Super Tuesday“ zieht der moderate Kandidat Pete Buttigieg seine Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur der US-Demokraten zurück. Am Samstag hatte der 38-Jährige bei der bislang letzten Vorwahl der Demokraten im US-Bundesstaat South Carolina mit enttäuschenden 8,3 Prozent abgeschnitten.
© dpaVorne liegt bei den Vorwahlen und in landesweiten Umfragen weiterhin Senator Bernie Sanders, der sich selber als einen „demokratischen Sozialisten“ bezeichnet.
Nur 15 Prozent der jungen Unternehmen werden von Frauen geführt. Mit Blick auf Europa ist Deutschland damit lediglich Durchschnitt. In Frankreich und Großbritannien gibt es mehr Gründerinnen. Spitzenreiter ist Polen. Vielleicht auch deshalb, weil man dort erkannt hat, dass gemischte Führungsteams zu 20 Prozent mehr Umsatz führen können, wie ich im neuen Tech Briefing Podcast gelernt habe.
Denn dort ist Lea-Sophie Cramer zu Gast bei Christian Miele. Cramer ist eine Vorzeige-Gründerin, die 2015 ihren Erotikspielzeug-Händler Amorelie an ProSiebenSat1 verkaufte. Die Gründerin will mehr Frauen zur Unternehmensgründung motivieren. Sie sagt
Männliche Investoren sollten sich bewusst machen, dass sie befangen sind.
Es geht nicht darum, gegen Männer zu sein, sondern für Frauen. Das macht unsere Gesellschaft besser.
Das ganze Interview hören Sie im aktuellen Tech Briefing Podcast – den Sie direkt hier starten können. Prädikat: unterhaltsam und erkenntnisreich.
Ich wünsche Ihnen einen schwungvollen Start in die neue Woche. Es grüßt Sie herzlichst Ihr