Führungsversagen bei SAP

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Guten Morgen,

wer derzeit die Entwicklung von Deutschlands einzigem Software-Giganten SAP beobachtet, fühlt sich unwillkürlich an Napoleon Bonaparte erinnert:

Es gibt keine schlechten Mannschaften. Es gibt nur schlechte Offiziere.

SAP leidet derzeit nicht an falschen Produkten, zögerlichen Kunden und auch nicht an Corona, sondern an einem Führungsvakuum. Mehrere falsche Führungsentscheidungen in Folge reichten aus, um Deutschlands Vorzeigeunternehmen aus dem Tritt zu bringen.

Eine Infografik mit dem Titel: Die McDermott-Ära

Kursentwicklung der SAP-Aktie seit dem Antritt von McDermott und Snabe am 01.02.2010 sowie unter McDermott, in Euro

Seit dem abrupten Abschied des legendären Vorstandsvorsitzenden Bill McDermott im Oktober 2019 schwankt der Börsenkurs der Firma wie die Bojen vor Helgoland. Viele Analysten empfehlen die Aktie weiterhin - nur diesmal zum Verkauf.

Die neue Doppelspitze bestehend aus Jennifer Morgan und Christian Klein war politisch korrekt, hielt aber im Alltag aber nur sechs Monate. Bereits am 21. April dieses Jahres gab Jennifer Morgan ihren Abschied bekannt. SAP brauche “schnelles und entschlossenes Handeln und eine sehr klare Führungsstruktur”, sagte Klein anschließend in einer Telefonkonferenz. Damit konnte er zumindest SAP-Gottvater Hasso Plattner überzeugen, der noch immer sechs Prozent der Anteile hält und damit der größte Einzelaktionär des Softwarekonzerns ist.

Eine Infografik mit dem Titel: Der SAP-Kurssturz

Kursentwicklung der SAP-Aktie seit dem Antritt von Morgan und Klein am 11.10.2019 sowie unter Klein, in Euro

Seither versucht der mittlerweile 40-jährige Christian Klein, dessen Leben bei Wikipedia in wenige Zeilen passt, das Unternehmen zu steuern, was vor allem kommunikativ bisher in die Hose ging. Ein abrupter Strategieschwenk - Klein möchte die unter McDermott zugekauften Cloud-Unternehmen ihrer Selbständigkeit berauben und stärker in den Konzern integrieren - ließ die Investoren ratlos zurück. Zudem gab es in kurzer Zeit zwei Gewinnwarnungen.

Für Verstimmung sorgte auch die Verschiebung der mittelfristigen Ziele. Die Projektion von Umsatz und Gewinn für das Jahr 2023 soll nun erst 2025 erreicht werden. Das EBIT fiel im dritten Quartal um zwölf Prozent auf 1,47 Milliarden Euro.

 © dpa

Das Unternehmen verlor seit September fast ein Drittel (32,86 Prozent) seines Wertes, rund 56 Milliarden Euro Börsenwert wurden vernichtet, gut dreimal so viel, wie die Deutsche Bank wert ist. Davon hätte man fast fünf Mal den Sportartikelhersteller Puma aus dem MDax kaufen können. „Glanzlos“ nannte UBS-Analyst Michael Briest das Zahlenwerk von SAP.

Eine Infografik mit dem Titel: Schrumpfender Börsenwert

Vergleich der Marktkapitalisierung von SAP am 02.09.2020 und am 10.11.2020, in Milliarden Euo

Konkurrent Marc Benioff, Mitgründer und CEO von Salesforce, kann seine Schadenfreude nur schwer unterdrücken: SAP habe „bedeutende Probleme durch den Wechsel an der Vorstandsspitze“, sagte er kürzlich. Es klingt wie eine Polemik und ist doch nichts als die Wahrheit, wenn er feststellt:

Der Übergang läuft nicht rund.

Dass es inmitten der Pandemie anders geht, beweist ausgerechnet Bill McDermott. Der Mann mit der Sonnenbrille, der SAP auch in Amerika zu Respekt und Relevanz verhalf, liefert seit Anfang November 2019 beim deutlich kleineren kalifornischen Softwareanbieter ServiceNow eine Performance, die in der Finanzwelt begeistert. Der Börsenkurs hat sich seit Amtsantritt von McDermott verdoppelt - genau wie er es am ersten Arbeitstag versprochen hatte, nur schneller.

Eine Infografik mit dem Titel: Der McDermott-Effekt

Kursentwicklung der ServiceNow-Aktie seit dem Amtsantritt von McDermott, in US-Dollar

Im neuen Jahresgutachten prognostizieren die Ökonomen, dass die Wirtschaft dieses Jahr „nur“ um 5,1 Prozent schrumpft. Damit fiele das Minus geringer aus als nach der Finanzkrise 2008.

Doch ausgerechnet der Virologe Prof. Jonas Schmidt-Chanasit, dämpft die Hoffnungen auf eine baldige Rückkehr zur Normalität. Im Morning Briefing Podcast prognostiziert er auch für 2021 ein Jahr der Entbehrungen:

Das wird nicht der letzte Winter sein, wo wir uns was überlegen müssen.

Die neuen Entwicklungen bei der Suche nach einem Impfstoff seien “eine gute Nachricht”, aber kein Durchbruch:

Der Teufel steckt auch hier im Detail. Man muss jetzt auf die Studien mit den genauen Zahlen warten. In welchen Bevölkerungsgruppen haben wir denn diese hohe Wirksamkeit?

Eine Strategie, die den Bürger von einem Lockdown zum nächsten schickt, hält er für nicht angemessen:

So können wir nicht die nächsten Monate leben, das ist doch jedem klar.

 © dpa

Der Corona-Impfstoff der Pharmafirmen Biontech und Pfizer soll den Menschen in Deutschland und den übrigen EU-Staaten nach der Zulassung rasch zur Verfügung stehen.

  • EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagte, dass der bereits fertig ausgehandelte Liefervertrag über 300 Millionen Impfdosen am heutigen Mittwoch von der EU-Kommission gebilligt werde. Sobald das Serum auf dem Markt sei, werde es überall in Europa verteilt.

Deutschland möchte bis zu 100 Millionen Dosen erhalten. Damit sei die Bundesregierung in den Gesprächen in der EU angetreten, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn. In der EU haben allerdings alle 27 Länder gleichzeitig Zugriff auf erste Lieferungen. Sie sollen nach Bevölkerungsstärke verteilt werden. Deutschland hat hier einen Anteil von rund 19 Prozent. Bei 300 Millionen Impfdosen wären das nur 57 Millionen Dosen.

 © Media Pioneer

Von wegen Landlust. Der tiefe Graben in Deutschland verläuft nicht zwischen arm und reich, rechts und links, sondern zwischen Stadt und Land. Die Rückständigkeiten der ländlichen Räume bei Wirtschaftskraft, medizinischer Versorgung und Einkaufsmöglichkeiten sind gravierend.

Zwei Drittel der Bewohner auf dem Land können ihren Supermarkt nicht mehr fußläufig erreichen. Beim BIP pro Einwohner liegen die Dörfer und Kleinstädte ein Drittel unter der städtischen Wirtschaftskraft. Schnelles Internet gebe es nur für rund 12 Prozent der Landbewohner.

 © dpa

Das geht aus einem Bericht der Bundesregierung hervor, den an diesem Mittwoch Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) dem Kabinett vorstellt. Neugierige können die wichtigsten Details aber auch schon jetzt lesen – direkt im Hauptstadt-Newsletter von ThePioneer.

Eine Woche nach der Präsidentschaftswahl in den USA weigert sich Amtsinhaber Donald Trump, seine Niederlage einzugestehen – und bekommt dabei Rückendeckung von der Führung seiner Partei. Die aktuelle Lage in Washington, D.C.:

  • Der Mehrheitsführer der Republikaner im US-Senat, Mitch McConnell, sieht in der Haltung Trumps keinen Grund zur Beunruhigung:

Das ist nicht ungewöhnlich. Es sollte nicht alarmierend sein.

  • In Großbuchstaben schrieb Trump gestern eine Serie von Tweets, in denen er ohne Belege erneut von Missbrauch bei der Stimmenauszählung sprach und erklärte:

Wir werden gewinnen.

  • Der tatsächlich gewählte Präsident Joe Biden reagierte mit folgenden Worten:

Ich denke, offen gesagt, dass es beschämend ist.

  • Nur vier republikanische Senatoren gratulierten Biden bisher zum Sieg.

 © dpa
  • Außenminister Mike Pompeo will Trumps Niederlage ebenfalls nicht eingestehen. Auf eine Frage, ob sein Ministerium eine Übergabe an Bidens Team vorbereite, sagte Pompeo gestern:

Es wird einen reibungslosen Übergang zu einer zweiten Trump-Regierung geben.

Wolfgang Reitzle © imago

Der Aufsichtsratsvorsitzende des Gasherstellers Linde plc, Wolfgang Reitzle, erhält heute den Nicolaus August Otto Award der Deutz AG. Der Preis ist nach jenem deutschen Pionier benannt, der viele heute noch in Verbrennungsmotoren verwendete Details erfand. Ihm zur Ehre wurde später vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) der Begriff Ottomotor verwandt.

In seiner Dankesrede, die Sie sich hier anschauen können, hält Reitzle ein flammendes Plädoyer für den Energieträger Wasserstoff und kritisiert die Bundesregierung für ihren zu zögerlichen Ansatz bei der Förderung dieser Zukunftstechnologie. Er plädiert für eine Wasserstoff-Gesellschaft:

Wir haben die Erkenntnis, dass es auf der Welt nach heutigem Stand keinen zweiten Energieträger gibt, der leichter zu gewinnen ist, dessen Vorkommen unbegrenzter und dessen Einsatzmöglichkeiten vielfältiger wären.

An die Adresse der Regierung sagt er:

Hätte man statt der einseitigen Festlegung auf die batterieelektrische Mobilität einen technologieoffenen Kurs eingeschlagen und den Wasserstoff-Antrieb für LKW und PKW ähnlich gefördert, wäre man dem Ziel schon ein Stück näher.

Fazit: Es gibt viele Wege zu mehr Klimaschutz. Die Wasserstofftechnologie ist - das weiß man heute - kein Nebenpfad, sondern womöglich der Highway.

 © dpa

Der von der Corona-Krise gebeutelte Reisekonzern Tui – im dritten Geschäftsquartal lag der Konzernverlust bei 1,45 Milliarden Euro – verhandelt erneut über Staatshilfen. Bei Tui hieß es gestern:

Wir ziehen nach den erneuten erheblichen Beschränkungen und Reise-Restriktionen natürlich alle Optionen der Finanzierung für die nächsten Monate und den Winter in Erwägung.

Tui, weltgrößter Reisekonzern, hatte bereits über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds der Bundesrepublik eine Wandelanleihe in Höhe von 150 Millionen Euro gezeichnet. Das war im August eine Voraussetzung für eine weitere Kreditlinie der staatlichen Förderbank KfW. Zusammen mit der Anleihe erhielt Tui so weitere 1,2 Milliarden Euro, um die Folgen der Pandemie zu bewältigen. Zuvor war Tui schon im Frühjahr ein Krisendarlehen über 1,8 Milliarden Euro zugesprochen worden.

Fazit: Dieses Fass hat einen löchrigen Boden. Der Staat versucht eine Normalität zu retten, die nicht mehr zu retten ist - und verpasst so die Zukunft. Deutschland wird durch diese Rettungspolitik nicht modern und nicht digital, nur arm.

Im „8. Tag“ spricht meine Kollegin Alev Doğan mit Frank Eisenhauer. Eisenhauer ist Astrophysiker für extraterrestrische Physik am Max-Planck-Institut und hat zwei der Instrumente gebaut, mit denen das Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße entdeckt wurde. Im „8. Tag“ beschreibt Eisenhauer, worin die Faszination für Schwarze Löcher besteht und was der Nobelpreis für seine Disziplin bedeutet.

 © dpa

Heute feiert Friedrich Merz seinen 65. Geburtstag, wozu wir herzlich gratulieren. Er war und ist Deutschlands unbequemster Politiker, weil er sich mit allen anlegt - auch mit dem oft herrischen Zeitgeist.

Merz pocht auf Geldwertstabilität wo alle anderen vom Geldschein aus dem 3-D-Drucker träumen. Er will noch immer Marktwirtschaft, während seine Partei auf eine Industriepolitik setzt, die heute aus Marketing-Gründen „new green deal“ heißt. Für ihn ist der Unternehmer ein Held und keine Melkkuh, der jeder Abgeordneter nach Belieben ans Euter greift. Das Wortpaar „bedingungsloses Grundeinkommen“ löst bei ihm Fieberschübe aus und keinen Sturm der Begeisterung.

Eine Demokratie in der alle das Gleiche sagen, denken und fühlen, hört auf lebendig zu sein. Deshalb bleibt einer wie Merz so wichtig. Nach 15 Jahren einer im Regierungsalltag geschliffenen Union ist er die letzte scharfe Kante seiner Partei. Genau darin besteht die Verletzungsgefahr. Vor allem für ihn selbst.

Ich wünsche ihm und Ihnen einen beherzten Start in den neuen Tag. Bleiben Sie mir gewogen. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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