Gewinner & Verlierer der Pandemie

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Guten Morgen,

die Corona-Krise spaltet nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die weltweit aktiven Regierungschefs in Gewinner und Verlierer. Die Pandemiebekämpfung wird in den Augen der Wähler zur Königsdisziplin, die manche meisterlich beherrschen und bei der andere jämmerlich versagen.

Eine Infografik mit dem Titel: Vertrauen verspielt

Anteil der Briten, welche die Politik von Premierminister Boris Johnson befürworten oder ablehnen, in Prozent

Zu den großen Verlierern gehört der britische Premierminister Boris Johnson. Seit Juni lehnen immer mehr Briten seine Politik ab, im September waren es fast 60 Prozent. Der oft putzige und meist sprunghafte Tory-Politiker hat durch eine Vielzahl von Richtungsänderungen ein regelrechtes Pandemiechaos ausgelöst und damit das Vertrauen der Bürger verloren.

Eine Infografik mit dem Titel: Wachsende Ablehnung

Anteil der Spanier, welche die Politik von Ministerpräsident Pedro Sánchez befürworten oder ablehnen, in Prozent

Auch der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez gehört zu den Verlierern. Seit Ende Juli rutschen seine Beliebtheitswerte in den Keller. Mittlerweile sind 55 Prozent der Spanier der Überzeugung, dass er und seine Regierung in der Krise versagt haben. Anfangs führte sein zögerliches Agieren zur Überlastung des Gesundheitssystems. Jetzt versucht er mit immer neuen Regeln und Verboten eine Imagekorrektur.

Eine Infografik mit dem Titel: Macrons Bewährungsprobe

Anteil der Franzosen, welche die Politik von Präsident Emmanuel Macron befürworten oder ablehnen, in Prozent

Eine Infografik mit dem Titel: Trump kämpft bis zum Schluss

Anteil der Amerikaner, welche die Politik von Präsident Donald Trump befürworten oder ablehnen, in Prozent

Emmanuel Macron und Donald Trump können in der Krise ebenfalls nicht überzeugen. Die Wählerinnen und Wähler bewerten ihre Fähigkeiten als Krisenmanagern negativ. Die hohe Zahl der COVID-19-Toten hat beiden politisch schwer geschadet- und womöglich politisch bereits das Genick gebrochen.

Eine Infografik mit dem Titel: Der Corona-Aufschwung

Anteil der Deutschen, welche die Politik von Kanzlerin Angela Merkel befürworten oder ablehnen, in Prozent

Die eindeutige Gewinnerin dieser dramatischen Zeit heißt Angela Merkel. Die Krisen-Kanzlerin schafft es, in der Pandemie nicht nur ihre persönlichen Umfragewerte zu steigern, sondern befördert auch die CDU in verloren geglaubte Höhen. Lag die Partei Anfang März bei 26 Prozent, schnellte der Wert Ende April auf 39 Prozent und erreichte damit den Stand vom August 2017, kurz vor der letzten Bundestagswahl. Nach wie vor sind 72 Prozent der Deutschen mit ihrer Politik zufrieden.

Eine Infografik mit dem Titel: Der Krisen-Profiteur

Anteil der Kanadier, welche die Politik von Premierminister Justin Trudeau befürworten oder ablehnen, in Prozent

Gesellschaft in der Klasse der Krisengewinner leistet ihr der kanadische Premierminister Justin Trudeau. Überwog bis Ende März die Ablehnung seiner Politik, stiegen die Zustimmungswerte ab April kontinuierlich und lagen Mitte Mai bei fast 65 Prozent. Durch sein couragiertes Handeln konnte der 48-Jährige Vertrauen zurückgewinnen. Er bewies Stehvermögen.

Fazit: Der Wähler weiß zu unterscheiden. Wobei auch die hohen Zustimmungswerte zur Regierungspolitik in Kanada und Deutschland keine Garantie auf Dauerhaftigkeit besitzen. Sie sind das, was die Amerikaner als “snapshot on a moving target” bezeichnen.

 © dpa

Der Dax-Aufsteiger Delivery Hero weiß, wie man Geschichten erzählt und damit die eigene Aktie verkauft.

Der Essenslieferdienst – der auf seiner Internetplattform schlecht bezahlte Fahrradkuriere mit Restaurants und Fastfood-Ketten verbindet – hat im dritten Quartal den Umsatz um 99 Prozent auf 776 Millionen Euro gesteigert. Bereinigt um Währungseinflüsse erreichte das Wachstum sogar märchenhafte 110  Prozent.

Was der Konzern in seinem vorgelegten Zahlentableau verschweigt: Der Verlust wächst mit. Es gelingt dem Unternehmen offenbar nicht, Wachstum in Profitabilität zu übersetzen. Bisher ergeben sich keine signifikanten Skaleneffekte.

 © imago

Vorsichtshalber wurden keine Zahlen zu den Verlusten mitgeliefert. Damit sind die Aussagen zum Umsatzwachstum für die Anleger nahezu wertlos. Der Konzern trägt Burka. Man sieht die Augen, aber das Gesicht erkennt man nicht.

Rätselhaft bleibt, warum der Vorstand der Deutschen Börse AG aus der Wirecardpleite, die sich auch unter seinen Augen abgespielt hat, keine Schlussfolgerung gezogen hat. Seit wann darf ein Dax-Konzern Quartalszahlen melden, die keine Hinweise auf Gewinn oder Verlust enthalten? Der Grundsatz der Transparenz wird sonntags versprochen – und im Alltag gebrochen.

Paul Achleitner, Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank © dpa

Die Verkrustung der Deutschland AG schreitet voran. Ein Viertel aller Aufsichtsräte verbringt eine zu lange Zeit auf seinem Posten und wird damit zum Teil des Systems. Das ergibt eine Analyse von 160 Unternehmen aus Dax, MDax und SDax, die Wirtschaftsprofessor Michael Wolff (Uni Göttingen) im Auftrag des Handelsblatts durchgeführt hat.

 © dpa

Der 69-jährige Karl-Ludwig Kley kontrolliert BMW bereits seit 2008, außerdem steht er an der Spitze des Eon-Aufsichtsrats. Deutsche-Bank-Chefaufseher Paul Achleitner beaufsichtigt Bayer bereits seit 18 Jahren. Daimler hat allein vier Kontrolleure, die bis zu 14 Jahre dabei sind, darunter der Vorsitzende Manfred Bischoff.

Durch die lange Zeit, in der Vorstandschef und oberste Aufseher miteinander arbeiten, entstehen zum Teil symbiotische Verhältnisse – so wie zwischen Manfred Bischoff und Daimler-Chef Dieter Zetsche. Alle Fehler wurden gemeinsam begangen. Bischoff war für Zetsche nicht Kontrolleur, sondern Kamerad. Seriöse Investoren wie die DWS Group drängen auf eine Höchstgrenze für Aufseher von zehn Jahre.

 © dpa

Es gibt unabhängige Wirtschaftswissenschaftler. Und es gibt Gabriel Felbermayr, den Präsidenten des Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Der Mann vollzieht – und zwar immer im Gleichschritt mit der Regierung – eine Kehrtwende nach der anderen. Als die Bundesregierung das V-Szenario prognostizierte, also die kurze Rezession mit anschließendem Schnellstart in den Aufschwung, lieferte Felbermayr die wissenschaftliche Hintergrundmusik für den Regierungsoptimismus.

Wir unterstellen ein V-Szenario – also einen drastischen Einbruch in den ersten beiden Quartalen, auf den dann allerdings ein schneller Aufschwung folgt.

Als es – angesichts fehlender Impfstoffe und einer globalen Turbulenz in der Lieferkette – anders kam, zog er hastig zurück. Im Mai sagte er dem „Spiegel“:

Wir müssen unsere Prognosen vom Beginn der Krise revidieren. Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass wir auch im dritten Quartal nicht zum Normalniveau zurückfinden. Dafür sind wir zu tief gefallen.

Vor einem zweiten Lockdown zur Bekämpfung der Corona-Pandemie hat er, ganz im Gleichklang mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier bis vor wenigen Tagen noch gewarnt:

Wenn es wieder zu einem Herunterfahren des öffentlichen Lebens kommt, drohen wirtschaftliche Schäden im gleichen Ausmaß wie im Frühjahr.

 © imago

So sprach er vor dem Münchner Club der Wirtschaftspresse.

Kaum hat die Regierung gestern einen zweiten Lockdown beschlossen, ist Felbermayr mit neuer Tonalität auf dem Markt der Meinungen zu vernehmen: Jetzt wird nicht mehr kritisiert, sondern relativiert.

Die Schäden werden kleiner ausfallen als in den Monaten März und April.

Fazit: Die Wirtschaftsforschungsinstitute sollten ihrem Namen gerecht werden – und forschen. Die Regierung braucht Experten, keine Bauchredner.

In der neuen Episode unseres Podcasts „Race to the White House“ diskutieren Julius van de Laar und ThePioneer-Vizechefredakteur Gordon Repinski die Ausgangsposition von Donald Trump und Joe Biden unmittelbar vor dem Wahltag. Darüber hinaus analysieren Julius und Gordon die Situation von Corona in den Swing States und schauen auf die politische Bedeutung der Entscheidung für die neue Supreme Court Richterin.

Ab 17 Uhr finden Sie die neue Episode hier.

 © dpa

Die europäische Wirtschaft setzt gegen den globalen Trend zwei positive Nachrichten:

  • Volkswagen hat die Folgen des Corona-Einbruchs besser verkraftet als andere. Der weltgrößte Autobauer meldete für Juli bis September eine spürbare Belebung des Autoabsatzes: Der Nettogewinn liegt nun bei 2,6 Milliarden Euro; im zweiten Quartal hatte es einen Verlust von 1,6 Milliarden Euro gegeben. Der Umsatz lag im dritten Jahresviertel mit 59 Milliarden Euro nur noch um 3,4 Prozent unter Vorjahresniveau.

Angetrieben wird das Geschäft vom China-Geschäft, das mehr als 1,2 Milliarden Euro zum Gewinn des VW-Konzerns im dritten Quartal beisteuerte. China scheint Covid überwunden zu haben. Man sitzt nicht im Lockdown, sondern wieder hinterm Steuer eines Automobils.

Guillaume Faury © Credit: Anne Hufnagl
  • Airbus-Chef Guillaume Faury darf aufatmen. Im dritten Quartal lieferte der Konzern wieder mehr Flugzeuge aus als in den ersten Monaten der Pandemie. Zudem konnte das Management den Geldabfluss im laufenden Geschäft stoppen.

So verbuchte das Unternehmen vor Übernahmen und Kundenfinanzierungen einen Mittelzufluss von 0,6 Milliarden Euro. Für das vierte Quartal peilt Faury mindestens eine ausgeglichene Entwicklung an. Dank der verlängerten Kurzarbeitsregeln sollen deutlich weniger als die zunächst geplanten 15.000 Jobs wegfallen.

Die Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck © dpa

Die Grünen wollen 2021 regieren. Trotz Pandemie, gemeinhin die Stunde der Exekutive, liegen die Grünen stabil bei 17 bis 20 Prozent, doppelt so hoch wie am Tag der vergangenen Bundestagswahl. Union und Grüne hätten – Stand heute – eine solide Mehrheit. Nur: Wer sind die Grünen von heute?

In dem neuen Buch „Avantgarde oder Angepasst?“ von Michael Wedell und Georg Milde skizzieren 20 Autoren, darunter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Ex-Außenminister Joschka Fischer, ihre Gedanken zur Regierungsfähigkeit der Partei. Die Buchvorstellung fand auf der Pioneer One statt, die Stimmen dazu hören Sie im Morning Briefing Podcast.

 © Anne Hufnagl

Bettina Jarasch, Tochter eines bayerischen Unternehmers und Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken, verkörpert den Wandel der Grünen. Sie ist Spitzenkandidatin in Berlin und will Regierende Bürgermeisterin werden. Im Morning Briefing Podcast Interview sagt sie:

Wenn wir den Titel Avantgarde verdienen, dann müssen wir neue Wege denken. Wir wollen Veränderungen.

 © Anne Hufnagl

Annette Schavan, die frühere CDU-Bildungsministerin und Vertraute der Kanzlerin, ist ebenfalls Mitautorin. Im Gespräch mit ThePioneer-Chefredakteur Michael Bröcker erklärte sie ihre These, dass die politische Zeitenwende, die wir erleben, ein idealer Nährboden für eine schwarz-grüne Koalition ist.

Die politische Kultur in der nächsten Dekade wird von kaum einem Thema so bestimmt wie von dem der Ressourcenfrage. Wenn wir weiter so leben wie heute, brauchen wir drei Erdkugeln, wir haben aber nur eine. Die Veränderung der Prioritäten legt nahe, dass sich Union und Grüne füreinander interessieren.

Mit Jürgen Trittin, der ebenfalls über Regierungserfahrung verfügt, sprach ThePioneer-Chefkorrespondentin Alev Doğan über die Grünen zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Er sagt:

Die Grünen haben die Gesellschaft nur deshalb verändern können, weil sie sich selbst verändert haben, weil sie in der Lage waren, aus dem Scheitern zu lernen.

Dann begründete er, welches Scheitern er meint:

Ein Scheitern war 1990 jener historische Tiefpunkt, als sich die Partei nicht entscheiden konnte, in eine Regierung einzutreten. Das hat sie aus dem Bundestag getilgt. Ein anderes Scheitern war der Versuch über Appelle an Dritte die Nutzung der Atomenergie zu beenden. Erst als wir die Dinge selber in die Hand nahmen, haben wir dieses Anliegen umsetzen können.

Das ganze Interview mit den dreien hören Sie auf ThePioneer.de.

„Hauptstadt. Das Briefing“ von ThePioneer berichtet heute über folgende Themen:

  • Der Ex-Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels hat mit Bundeswehr-General a.D. Rainer Glatz Reformvorschläge für die Bundeswehr erarbeitet.

  • Künftig reicht ein Videoanruf beim Arzt für eine Krankschreibung. Das geht aus dem Entwurf für das Digitalisierungsgesetz hervor, der der Redaktion vorliegt.

  • Die SPD will mehr Macht für das Parlament in der Pandemie-Bekämpfung – und dafür auch die Kompetenzen von Jens Spahn stutzen.

 © Der Spiegel

Der „Spiegel“ verneigt sich vor der historischen Wahrheit und räumt erstmals selber ein, dass die vor rund 27 Jahren erschienene Titelgeschichte zum Tod des Terroristen Wolfgang Grams eine Ente war. Die GSG-9 hat den Mann nicht, wie damals berichtet, exekutiert. Die Rücktritte von Innenminister und Generalbundesanwalt waren demnach unnötig.

Im nun veröffentlichten Abschlussbericht heißt es:

Nach vielen Gesprächen mit damals Beteiligten – innerhalb und außerhalb der Redaktion – ist die Kommission zu der Überzeugung gelangt, dass der ,Spiegel’ mit der Berichterstattung über die Abläufe in Bad Kleinen auf Basis einer mangelhaft geprüften und falschen Aussage einen journalistischen Fehler begangen hat.

Und weiter heißt es in dem Bericht:

Der Fehler ist nicht nur Leyendecker anzulasten. Die redaktionellen Kontrollen und die Überprüfung durch die Dokumentation haben versagt; das Justiziariat hat zwar Unstimmigkeiten bemerkt, aber nicht Alarm geschlagen.

Der Autor der damaligen Titelgeschichte „Der Todesschuss“ Hans Leyendecker, findet dieses Re­sü­mee nun seinerseits zu weitgehend:

Seit 27 Jahren entschuldige ich mich dafür, dass ich 1993 die Glaubwürdigkeit einer Quelle falsch eingeschätzt habe. Das war mein Fehler.

Damit ist zu diesem Fall nun alles gesagt, und zwar von allen. Ich wünsche Ihnen ein versöhnliches Wochenende, herzlichst grüßt Sie Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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