Grand Design: Staat spielt Unternehmer | 5-Sterne-Gehälter für ARD-Chefs | Großbritannien stürzt ab

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Guten Morgen,

die Vertreter der Staatlichkeit spielen Unternehmer. So hatte sich der Vater der sozialen Marktwirtschaft, Ludwig Erhard, die Führung der Regierungsgeschäfte nicht vorgestellt. Er legte Wert auf eine klare Arbeitsteilung zwischen Privatwirtschaft und Staat:

Ebenso wie beim Fußballspiel der Schiedsrichter nicht mitspielen darf, hat auch der Staat nicht mitzuspielen.

Doch diese Arbeitsteilung gilt heute als altmodisch. Der Staat tut mittlerweile beides: Er pfeift ein Spiel, in dem er selbst versucht die Tore zu schießen.

Auf allen Positionen findet man mittlerweile staatliche Bedienstete: Der Staat sitzt bei der Lufthansa im Cockpit; er steuert und feuert bei der Commerzbank, er betätigt sich als Kreditgeber und Retter bei Thyssen Krupp, TUI und Tausenden privaten Unternehmungen im Lande. Der „animal spirit“, den John Maynard Keynes einst als konstituierend für die Marktwirtschaft empfand, ist vielerorts dem Geruch von Bohnerwachs und Aktenordner gewichen.

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Die neue Übergriffigkeit wurde durch die Pandemie befördert, aber nicht durch sie hervorgebracht. Seit der großen Finanzkrise, die als Ursünde des Finanzkapitalismus gilt, ist der Staat nicht mehr der alte. Linke und rechte Regierungen sind überall auf der Welt in Staatsgläubigkeit vereint.

  • Um im Kampf um die digitale Vorherrschaft der Welt zu bestehen, dringt das Amerika des Donald Trump tief in die Wertschöpfungsketten der globalen Wirtschaft vor. China wird gezielt aus dem produktiven Kern der USA hinaus gedrängt.

  • Der Streit um das russische Gas, das künftig nach Deutschland strömen soll, offenbart ebenfalls die industriepolitische Absicht der USA. Freier Wettbewerb - wir sprachen gestern darüber - gilt Amerikas Konservativen nicht mehr als Gewinn, sondern als Verrat.

  • In Deutschland setzt sich die Idee durch, dass Vater Staat vom Stahlkonzern über den Busunternehmer bis zum Reisebüro alle retten muss, denen die Moderne übel mitgespielt hat. Private Verantwortung und privates Risiko werden zusehends entkoppelt mit dem Ergebnis, dass nahezu alle großen Lebensrisiken auf den Steuerzahler umgebucht werden.

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  • Die Europäische Zentralbank unter Leitung von Christine Lagarde kümmert sich nicht mehr in erster Linie um die Geldwertstabilität, sondern will im Kampf gegen die Klimaerwärmung eine führende Rolle spielen. Sie rückt vom bisherigen Prinzip der Marktneutralität ab und kauft Anleihen und Aktien, wenn der Emittent sich als ökologisch wertvoll darstellen kann. Das Ziel: Die Industriegesellschaft soll mit den Mitteln der Geldpolitik umgebaut werden.

  • Auch die Angleichung der Lebensverhältnisse innerhalb der Europäischen Union wird nun als Staatsaufgabe mit höchster politischer Priorität empfunden. Mit gezielten Injektionen will man die Staatsfinanzierung im südlichen Europa unterstützen. 390 Milliarden Euro werden nun erstmals als Zuschüsse an Italiener, Spanier, Portugiesen, Griechen und andere vergeben. „Transfers sind ein Rezept für dauerhaftes Siechtum, aber nicht für ein dynamisches Europa“, sagt Professor Sinn - und wird mit seiner Kritik geflissentlich überhört. Die Transferunion gilt auch Angela Merkel nicht mehr als Unding, sondern als Notwendigkeit.

Fazit: Die Stunde des Staates hat geschlagen. Hohe Beamte und Politiker übernehmen Risiken, die sie selbst gar nicht tragen können. Wenn Sie - liebe Leserin und lieber Leser - heute Morgen in den Spiegel schauen, sehen Sie jenen geheimnisvollen Dritten, der für diese Exzesse später wird aufkommen müssen.

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Nichts weniger als ein „neues Land“ wünscht sich die Unternehmerin Verena Pausder. Sie ist derzeit die Expertin, wenn es um die Digitalisierung der Bildung in Deutschland geht.

Verena Pausder hat „Fox & Sheep“ gegründet, eine Firma die Apps für Kinder entwickelt. Sie ist „Young Global Leader“ des Weltwirtschaftsforums in Davos. Der Bildungshackathon der Bundesregierung während Corona geht auf ihre Initiative zurück.

Spitzenpolitiker bei FDP und Grünen, aber auch Kandidaten im Unions-internen Wettbewerb um die Merkel-Nachfolge haben bereits mit Verena Pausder vertraulich gesprochen und vorgefühlt, ob sie für die Politik zur Verfügung stehen würde. The Pioneer-Chefredakteur Michael Bröcker spricht mit ihr im heutigen Morning Briefing Podcast über die Digitalisierung an den Schulen und die Eigenverantwortung der Gesellschaft.

Wir sollten die Verantwortung für die Zukunft unseres Landes nicht nur in die Hände der Politiker und Politikerinnen legen.

Klick aufs Bild führt zur aktuellen Podcast-Folge

Neuer Ärger für Olaf Scholz: Seine Spezialeinheit zur Geldwäschebekämpfung Financial Intelligence Unit (FIU) ist in hohem Maße dysfunktional. Erst 2017 war die Kölner Behörde vom Innenministerium in die Zuständigkeit des Zolls und damit in den Wirkungsbereich des Bundesfinanzministers gerückt.

Olaf Scholz © dpa

Nun zeigt sich: Im Fall Wirecard haben diese Geldwäscheexperten geschlafen, zahlreiche Hinweise auf Betrug wurden viel zu spät an die bayerischen Ermittlungsbehörden weitergereicht. Laut „Süddeutsche Zeitung“ gingen bei der FIU seit 2017 insgesamt rund 1000 Verdachtsmeldungen vor allem von Banken in Zusammenhang mit Wirecard ein, von denen die Fahnder bis zum Zusammenbruch von Wirecard jedoch nur eine Handvoll Hinweise an das LKA Bayern und die Staatsanwaltschaft München I weiterleiteten.

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Ertappt durch die zwischenzeitliche Pleite des Prüfobjekts, geht die FIU die vertraulichen Hinweise von damals erneut durch, diesmal mit dem Fokus auf Verdachtsmerkmale zu Straftaten wie Bilanzfälschung, Betrug, Untreue, Marktmanipulation sowie Insiderhandel. Es seien 97 Meldungen identifiziert worden, „die in möglichem Zusammenhang mit den derzeit erhobenen Vorwürfen“ gegen Wirecard-Mitarbeiter stehen könnten. Inzwischen hat die FIU in mehr als 50 Fällen die bayerischen Ermittlungsbehörden informiert - nachdem der Schadensfall eingetreten ist und sich 20 Milliarden € Anlegergeld in Luft aufgelöst haben.

Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler, nennt den Vorgang eine „sicherheitspolitische Katastrophe“. Es könne als gesichert gelten, dass „zahllose weitere Skandale im Datentopf der FIU stecken“. Mehrere Oppositionspolitiker kündigten bereits an, den Fall in der nächsten Sitzung des Finanzausschusses des Bundestags intensiv besprechen zu wollen.

Fazit: Seinen Start als Kanzlerkandidat hätte sich Scholz sicherlich glamouröser gewünscht. Die Überschrift dieser Kampagne heißt nicht „Soziale Gerechtigkeit“, sondern Selbstverteidigung und Aufklärung.

Ein Unglück kommt selten allein: Coronavirus und Brexit schicken Großbritannien in eine tiefe Rezession. Im zweiten Quartal schrumpfte die Wirtschaftsleistung um 20,4 Prozent im Vergleich zum Vorquartal, wie das nationale Statistikamt mitteilte. Das Land steckt nun offiziell in der schwersten Rezession seit drei Jahrhunderten. Der Einbruch ist doppelt so hoch wie in Deutschland und den USA. Der Wahlkampf Slogan von Boris Johnson „to take back control“ klingt für Millionen Menschen nicht mehr pfiffig, sondern zynisch. Die Börsenzeitung spricht in der heutigen Ausgabe vom „Strömungsabriss“.

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Der Bau von Schienen, Windrädern, Häfen und Straßen soll durch phlegmatische Behörden und widerborstige Anwohner nicht mehr ins Unendliche verzögert werden. Ein Investitionsbeschleunigungsgesetz, das es gestern durch das Bundeskabinett geschafft hat, sieht deutlich kürzere Verwaltungsgerichtsverfahren vor:

  • Für bestimmte Baumaßnahmen an der Schiene, wie die Elektrifizierung von Bahnstrecken, die Ausstattung mit digitaler Signal- und Sicherungstechnik, den barrierefreien Umbau oder die Erhöhung oder Verlängerung von Bahnsteigen, sollen Planfeststellungsverfahren künftig entfallen.

  • Für überregional wichtige Infrastrukturprojekte kann gesetzlich ein Sofortvollzug angeordnet werden. Die aufschiebende Wirkung von Widersprüchen oder Anfechtungsklagen entfällt.

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  • Richter sollen flexibler eingesetzt werden können, sodass Personalmangel die Verfahren nicht mehr ausbremsen kann.

Der Nachteil des neuen Gesetzes: Der Bundesrat muss auch noch zustimmen. Die Grünen, die in vielen Ländern mitregieren, besitzen de facto eine Vetomacht.

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Die meisten Intendanten der öffentlich-rechtlichen Sender kennen das Wort Reallohnverlust nur aus der Tagesschau. Laut der nun veröffentlichten Gehaltsliste von ARD und ZDF ist WDR-Intendant Tom Buhrow mit 395.000 Euro der Spitzenverdiener in der ARD. Sein Gehalt wurde leicht nach unten korrigiert, um es zu refinanzieren benötigt der Sender 1881 Gebührenzahler.

Eine Infografik mit dem Titel: Der Spitzenverdiener

Gehalt des WDR-Intendanten und derzeitigen ARD-Vorsitzenden Tom Buhrow in Relation zur Anzahl der Gebührenzahler, pro Jahr

An zweiter Stelle liegt BR-Intendant Ulrich Wilhelm, dessen Bezüge von 367.000 Euro im Jahr 2016 auf 388.000 Euro stiegen, ein Plus von 5,7 Prozent. Sein Gehalt wird von 1848 Zahlern gestemmt und übersteigt nunmehr das Salär seiner ehemaligen Chefin, Bundeskanzlerin Angela Merkel. SWR-Intendant Kai Gniffke erhielt 343.000 Euro, sein Vorgänger Peter Boudgoust hatte 2016 noch 338.000 Euro bekommen. Er wird von 1634 fleißigen Zahlern finanziert.

Eine Infografik mit dem Titel: Vize-Spitzenverdiener

Gehalt des BR-Intendanten in Relation zur Anzahl der Gebührenzahler, pro Jahr

Die höchste Gehaltssteigerung erzielte die Radio-Bremen-Intendantin Yvette Gerner: Mit 270.000 Euro bezog sie 13.000 Euro mehr als ihr Vorgänger Jan Metzger 2016. Am meisten ärgern dürfte das die RBB-Intendantin Patricia Schlesinger: Sie verdient mit 261.000 Euro zwar noch immer nicht schlecht, aber in Relation zu ihrer Kollegin in Bremen, die mit 681.202 Einwohnern viel weniger potenzielle Hörer haben dürfte als Schlesinger in Berlin (3,67 Mio. Einwohner) und Brandenburg (2,52 Mio. Einwohner) fällt der Unterschied dennoch erheblich aus.

 © imago

Wir lernen: Die Gehälter an der Spitze von ARD und ZDF sind hoch, aber legal. Die Politiker lassen sich ihre Sender was kosten. Hier wird nicht nur Leistung, sondern auch Loyalität bezahlt.

Ich wünsche Ihnen einen nachdenklichen Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie herzlichst Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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