Greift China nach Daimler?

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Guten Morgen,

rund um den Daimler-Konzern ist ein lautloser Machtkampf im Gange, der nicht auf der Chefetage ausgetragen wird, sondern am Kapitalmarkt. Dort nämlich ringen zwei chinesische Investoren um Einfluss und Prestige. Ziel ist es, die Dominanz über eine Stilikone der Deutschland AG zu gewinnen.

Einheimische Politiker, Betriebsräte und die deutsche Kapitalseite schauen gebannt auf jede Bewegung des Aktienkurses, die Auskunft geben könnte über Tempo und Umfang einer lautlosen chinesischen Invasion. Zwei chinesische Eigentümergruppen stehen sich gegenüber, die im Heimatmarkt Konkurrenten sind und angeblich keinerlei gemeinsame Pläne hegen.

Da ist einerseits die Beijing Automotive Group (BAIC). Das Staatsunternehmen stieg im Juli 2019 als Investor bei Daimler ein. BAIC sicherte sich fünf Prozent der Anteile. Das Volumen von 2,4 Milliarden Euro, das die Anteile zu diesem Zeitpunkt wert waren, hat sich mittlerweile auf 1,74 Milliarden Euro reduziert.

 © imago

Auf der anderen Seite befinden sich der chinesische Autobauer Geely und sein Gründer Li Shufu. Der hatte Anfang 2018 über seine Kapitalbeteiligungsgesellschaft Tenaciou3 Prospect Investment knapp zehn Prozent der Daimler-Anteile erworben. Der Konzern des Milliardärs Li Shufu ist seither größter Einzelaktionär der Stuttgarter und besitzt in Europa zusätzlich noch den Autobauer Volvo, die London Taxi Company mit den berühmten Black Cabs sowie eine Mehrheit am Sportwagenbauer Lotus.

Eine Infografik mit dem Titel: Der Wertverlust

Börsenwert der Daimler-Anteile ausgewählter Investoren, in Milliarden Euro

Dem Finanzdienst Bloomberg zufolge bezahlte Li Shufu damals rund 7,5 Milliarden Euro. Seine Anteile von 9,7 Prozent sind bei der derzeitigen Marktkapitalisierung nur noch 3,38 Milliarden Euro Wert. Der Mann hat also 54,9 Prozent seines Investments verloren.

 © imago

Das bedeutet: Jetzt zu verkaufen macht für keinen der beiden chinesischen Investoren Sinn. Das hieße, Verluste zu realisieren. Oder andersherum gedacht: Wer jetzt nachkauft, kann den Stückpreis der Aktie signifikant verringern und sein Investment vielleicht doch noch veredeln.

Eine Infografik mit dem Titel: Chinesischer Einfluss

Aktionärsstruktur von Daimler zum 31.3.2020, in Prozent

Dazu passt: Bereits im Dezember vergangenen Jahres berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, dass BAIC seine Anteile an Daimler erhöhen und mit dann insgesamt zehn Prozent am liebsten Geely-Chef Li Shufu als größten Einzelaktionär ablösen würde. Unterstützt wird BAIC von der britischen Großbank HSBC, die dem Konzern bereits beim Einstieg bei Daimler half.

Eine Infografik mit dem Titel: Daimlers Abstieg

Marktkapitalisierung zum Höchststand und aktuell, in Milliarden Euro

Den Wahrheitsgehalt der umlaufenden Börsengerüchte zu taxieren, ist derzeit schwer möglich. Fest steht allerdings: So günstig war Deutschlands Juwel unter den Automarken noch nie. Insgesamt hat Daimler seit dem Höchstkurs rund 66 Prozent seines Börsenwerts verloren und gilt damit für Käufer, die sich im Herzen der Deutschland AG festsetzen wollen, als Trophäe mit Corona-Rabatt. Gelegenheit macht Diebe.

 © dpa

Während die deutsche Wirtschaft wieder ihren Betrieb aufnimmt, drückt die EZB mit düsteren Analysen auf die Stimmung: Die Zentralbank hat die Finanzstabilität der Eurozone überprüft und warnt vor Bedrohungen:

► So könnte die Rentabilität der Banken durch weiter niedrige oder sogar negative Zinssätze leiden.

► Die steigende Schuldenlast und fragile Märkte würden zudem für höhere Risiken im Unternehmenssektor sorgen. Drohende Herabstufungen der Bonitäten könnten zu höheren Finanzierungskosten führen.

► Durch große Vermögensabflüsse werde zudem die Liquidität von Fonds und Versicherern auf die Probe gestellt, die zudem mit Gewinneinbrüchen zu kämpfen hätten.

► Die EZB erwartet, dass die Verschuldung der Eurostaaten von 86 Prozent im Vorjahr auf 103 Prozent des BIP ansteigen wird.

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EZB-Vizepräsident Luis de Guindos sagt:

Die Auswirkungen der Pandemie auf die Rentabilitätsaussichten der Banken und die mittelfristigen öffentlichen Finanzen müssen angegangen werden, damit unser Finanzsystem die wirtschaftliche Erholung weiterhin unterstützen kann.

Doch die Wahrheit ist: Nichts wird angegangen. Alle Probleme des Bankensektors und der öffentlichen Haushalte werden verschärft. Und die Pointe der Geschichte: Die EZB, die mit Negativ-Zinspolitik und Geldmengen-Expansion selbst die Probleme verschärft, ängstigt sich vor sich selbst.

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Die ökonomische Lage der Deutschen Bahn treibt den Bundesrechnungshof um. Die Bundesregierung plant zwar, das Eigenkapital der Bahn um 6,9 bis 8,4 Milliarden Euro zu erhöhen.

Doch die staatliche Kontrollbehörde fordert, die bundeseigene Bahn nicht weiter zu pampern, sondern sie endlich zu disziplinieren. Das geht aus einer 62-seitigen Analyse des Bundesrechnungshofs für den Haushaltsausschuss hervor, die meinen Kollegen vom Hauptstadt-Newsletter vorliegt. Dort heißt es:

Die unternehmensinternen Möglichkeiten zur Verbesserung der Ertrags- und Liquiditätslage sollten konsequent ausgeschöpft werden.

Angesichts der „wirtschaftlichen Defizite und Fehlentwicklungen des Konzerns“ dürfe es keinesfalls so weitergehen wie bisher. Statt einfach wahllos Kapitalhilfen zu beantragen, müsse die Bahn fortan „Liquiditätsbedarf getrennt nach ihren einzelnen Geschäftstätigkeiten nachweisen“.

Das Fazit der Rechnungsprüfer:

Die finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie wären beherrschbarer gewesen, wenn die Bundesregierung den seit Jahren bekannten (…) unternehmerischen Fehlentwicklungen des Konzerns entgegengewirkt (…) hätte.

 © dpa

Im Mai hat sich die Stimmung deutscher Unternehmen leicht erholt, nach dem historischen Tiefstand von 74,2 Punkten stieg das Ifo-Klima-Barometer nun wieder auf 79,5 Punkte an. Als zumindest aufgehellt kann man auch die Stimmung von Roland Mack beschreiben. Der 70-Jährige besitzt und leitet mit dem Europa-Park in Rust Deutschlands größten Freizeitpark. Nachdem der Familienunternehmer Ende März nicht wie geplant in die Saison starten konnte, soll der Betrieb am Freitag dieser Woche wieder anlaufen – unter dem Regime der Corona-Benimmregeln.

 © imago

Im Morning Briefing Podcast spreche ich mit Mack über die harten Wochen, in denen er einen Großteil seiner über 4000 Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken und versuchen musste, die laufenden Kosten eines Freizeitparks – als da wären Instandhaltung, Neuinvestitionen, Löhne und Strom – zu drosseln.

Die Stimmung war schon sehr gedrückt. Viele meiner Mitarbeiter konnten ja gar nicht in den Park kommen.

Wir sprechen auch über die Neueröffnung, nach der er vorerst nur 10.000 Menschen pro Tag, und nicht die sonst mögliche Spitzenlast von 60.000 Besuchern, hinein lassen wird.

Auf diese Besucherzahl haben wir uns selbst beschränkt.

Im Morning Briefing Podcast spreche ich auch mit der Unternehmerin Antje von Dewitz. Sie ist Gesellschafterin und Geschäftsführerin des Bergsport- und Outdoor-Ausstatters Vaude. Von Dewitz berichtet über eine leichte Rückkehr des Geschäftes und beobachtet eine steigende Nachfrage vor allem rund ums Radfahren. Auch wenn das stationäre Geschäft nach den ersten Lockerungen noch „schwierig“ laufe, wie sie berichtet, ist sie mit den Entscheidungen der deutschen Politik zufrieden.

Wir kommen in Deutschland besser raus als erwartet.

Ihre Erwartungen an die Politik ist, dass man der reinen Gegenwartsgier widersteht:

Ich erwarte, dass die Konjunkturpakete, die jetzt geschnürt werden, langfristig gedacht sind und nicht nur kurzfristig gedachte Abwrackprämien beinhalten.

Fazit: Die namhaften und über Jahrzehnte erfolgreichen Familienunternehmen haben auch diese Krise überlebt. Der Neustart beginnt in diesen Tagen. Zuversicht ist im deutschen Mittelstand ein nachwachsender Rohstoff.

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SPD auf Abwegen: Kaum kehrt Deutschland zu einer Art Normalität zurück, regt sich in der SPD die alte Lust am Postengeschacher. Die beiden SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken, die immerhin einsehen, dass sie selbst als Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl nur bedingt vorzeigbar sind, bemühen sich um einen ihnen genehmen Kandidaten links der Mitte. In Fraktionschef Rolf Mützenich glauben sie, ihn gefunden zu haben.

 © dpa

In vertraulichen Gesprächen mit Mützenich, über die zuerst das Magazin „Cicero berichtete, konnte bisher kein Durchbruch erzielt werden. Der Kandidat fühlte sich zwar geschmeichelt, durchschaute aber die Absicht, ihn als Pappkameraden aufzubauen und zierte sich entsprechend: Er dementiert den Bericht zwar nicht, betont aber, eine Entscheidung stehe „zurzeit überhaupt nicht an“.

Esken und Walter-Borjans aber lassen sich davon nicht entmutigen. Sie wittern Morgenluft, was vor allem daran liegt, dass sie die Umfrageergebnisse der Meinungsforschungsinstitute falsch lesen. Dort steht für den flüchtigen Leser geschrieben, dass ihre Agenda im Moment hochgradig populär ist:

► Die neue Grundrente findet weithin Zustimmung.

► Einer Umfrage des Software-Unternehmens Asana zufolge würden 36 Prozent der befragten Deutschen auch nach der Pandemie gerne weiterhin von zu Hause aus arbeiten. Der SPD-Arbeitsminister möchte ein Recht auf Homeoffice durchsetzen.

► Den Mietendeckel in Berlin halten sieben von zehn Befragten (71 Prozent) für eine gute Idee. Das ergab eine Umfrage von Infratest dimap für den ARD-Deutschlandtrend.

► Auch die Pläne der SPD für eine Vermögenssteuer finden bei den Deutschen Anklang. Dem ARD-Deutschlandtrend zufolge stimmen 72 Prozent der Befragten für die Einführung einer Vermögensteuer.

Eine Infografik mit dem Titel: Vertrauen in Union wächst

Umfrage zur politischen Kompetenz: Welche der Parteien* wird mit den Problemen in Deutschland am besten fertig? In Prozent

Doch Vorsicht ist geboten: Diese Wünsche sind kein Indikator für die spätere Kanzlerpräferenz. Die „Überbau-Wünsche“ der Deutschen, so nennt Forsa-Chef Manfred Güllner die beschriebenen Gefühlsregungen, harmonieren nicht mit dem „Unterbau-Verhalten“. Denn spätestens am Wahltag, so Güllner, fragt die Mehrheit der Wähler – und zwar auch die Mehrheit der sozialdemokratischen Wähler – nicht nach Sozialismus und Homeoffice, sondern nach Leadership und Führungscharakter.

Das wiederum ist kein gutes Omen für Rolf Mützenich. Er wäre der Kanzlerkandidat, der die Chance besitzt, die historische Niederlage des damaligen Spitzenkandidaten Martin Schulz (20,5 Prozent) noch zu unterbieten. So gesehen ist die an ihn gerichtete Frage, ob er sich eine Kanzlerkandidatur zutraut oder nicht, eine Art Intelligenztest.

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Heute lesen Sie in unserem Briefing aus der Hauptstadt folgende Exklusiv-Themen:

► Deutschland, Slowenien und Portugal wollen die EU in den kommenden Jahren einer Reform unterziehen. In einem 27-seitigen vertraulichen Arbeitspapier, das maßgeblich in der Bundesregierung erarbeitet wurde, beschreiben die Vorsitz-Länder der Ratspräsidentschaft ihren Masterplan für ein wirtschaftliches Aufbauprogramm. Auffällig oft taucht das Wort „Industriepolitik“ auf.

► Die Regierung treibt die geplante Gutschein-Lösung für zuletzt abgesagte Pauschalreisen weiter voran – mit staatlicher Absicherung gegen eine Insolvenz der Anbieter. Das geht aus einem Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht hervor, der heute vom Kabinett auf den Weg gebracht werden soll.

► Die Pandemie hat massive Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft. Bei der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau sind bislang 50.085 Anträge für Hilfskredite eingegangen, von denen 47.743 bewilligt wurden: Gesamtvolumen der zugesagten Kredite: 25,6 Milliarden Euro. Das geht aus einem vertraulichen Lagebericht von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hervor.

 © ThePioneer

Erstens. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen schien wochenlang auf stumm geschaltet; heute meldet sie sich zurück und hält eine Rede bei einer Sondersitzung des Europaparlaments.

Zweitens. Der Bundestag entscheidet über eine Verlängerung des Bundeswehreinsatzes vor der Küste Somalias im Rahmen der von der Europäischen Union geführten Mission Atalanta. Nach dem Willen der Regierung soll die deutsche Beteiligung um ein Jahr verlängert werden.

Drittens. Spitzenvertreter der Autoallianz von Renault, Nissan und Mitsubishi wollen ab 9 Uhr über neue Projekte berichten. Das Autobündnis war nach dem Fall von Topmanager Carlos Ghosn in eine schwere Krise geraten.

Viertens. Nach knapp neunjähriger Pause sollen erstmals wieder Astronauten von den USA aus zur Raumstation ISS abheben. Um 22.32 Uhr deutscher Zeit gehts los.

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Fünftens. Die legendäre schwedische Popgruppe Abba wird in diesem Jahr zwei neue Songs veröffentlichen, wahrscheinlich nach dem Sommer. Das hat Bandmitglied Björn Ulvaeus jetzt in einem Interview verraten. Gemeinsame Live-Auftritte von Ulvaeus, seiner ehemaligen Frau Agnetha Fältskog sowie Benny Andersson und dessen Ex-Frau Anni-Frid Lyngstad wird es aber nicht geben. Dabei könnten die beiden Scheidungspaare ihren größten Hit jetzt mit biografischer Glaubwürdigkeit zum Vortrage bringen: Waterloo.

Ich wünsche Ihnen einen kraftvollen Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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