Grüne: Klimasturz

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Guten Morgen,

Wahlkämpfe bedeuten einzigartige Stressmomente für die Spitzenkandidaten, weshalb diese weniger über den Gegner, als über die eigenen Beine stolpern. Unvergessen der sich sprachlich selbst überholende Unions-Spitzenkandidat Edmund Stoiber (...die gludernde Lot, die lodernde Flut) oder SPD-Kanzlerkandidat Rudolf Scharping, der im Eifer des Gefechts Brutto und Netto nicht auseinanderhalten konnte. Auch der damalige grüne Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Jürgen Trittin, der im Juli 2013 medienwirksam zu einer Paddeltour geladen hatte und dann auf der Werra über Bord ging, sorgte für Spott.

Jürgen Trittin in der Werra © dpa

Annalena Baerbock mag sich also damit trösten, dass sie nicht die erste und nicht die letzte Wahlkämpferin ist, die mit eigenen Unzulänglichkeiten zu kämpfen hat. Ihre in dieser frühen Wahlkampfphase erfolgten Patzer – die nicht gemeldeten (aber versteuerten) Nebeneinkünfte und der Lebenslauf mit Föhnfrisur – werden in der heißen Phase allerdings keine Rolle mehr spielen. Dafür sind die Ereignisse politisch nicht relevant genug. Unter dem Vergrößerungsglas der Medien – das in Wahlkampfzeiten besonders stark vergrößert und auch vergröbert – sieht die Mücke schnell aus wie ein Elefant.

Annalena Baerbock © dpa

Das für die Grünen bedrohliche und für alle anderen Parteien der Mitte erfreuliche Phänomen ist dabei in der öffentlichen Debatte zu kurz gekommen: Die Klimakatastrophe als Wahlkampfthema zieht nicht. Die Erwärmung der Welt wird von einer Mehrzahl der Wählerinnen und Wähler nicht geleugnet, aber in der Bedeutung für ihr politisches Denken und Handeln stark relativiert.

Eine Infografik mit dem Titel: Klima gewinnt, aber nur langsam

Antworten auf die Frage, wieviel Prozent der Deutschen Umwelt- und Klimaschutz auf den Positionen 1 und 2 ihrer politischen Agenda sehen

Konkret: Für 28 Prozent aller Wähler rangiert dieses Thema entweder auf Position eins oder zwei ihrer persönlichen Agenda, meldet der ARD-DeutschlandTrend. Aber interessant ist der Umkehrschluss, also das Dia-Negativ der öffentlich verbreiteten Meinungsbilder: 72 Prozent der Wähler, also eine Zweidrittelmehrheit, messen diesem Thema demnach keine Priorität zu. Trotz professionell inszenierter Apokalypse (Greta Thunberg: „Our house is on fire”) und dem Pathos der grünen Spitzenkandidatin („Die große Aufgabe unserer Zeit ist das Abwenden der Klimakrise”) löst das Thema Klima keinen emotionalen Hitzeschub aus, der eine Mehrheit der Wähler in Wallung versetzen würde.

Eine Infografik mit dem Titel: Migration verliert an Relevanz

Antworten auf die Frage, wieviel Prozent der Deutschen Zuwanderung auf den Positionen 1 und 2 ihrer politischen Agenda sehen

Betrachten wir den Wahlkampf 2017, so stechen die Unterschiede unverzüglich ins Auge. Eine fast doppelt so hohe Zahl der Bürger hielt damals das Thema Migration für prioritär. Auf den Wellen dieser Empfindung wurde die AfD zur stärksten Oppositionspartei und deklassierte damals die Grünen. Die Erderwärmung und auch kein anderes Umweltthema rangierte 2017 laut ARD-DeutschlandTrend unter den Top 4 der politischen Agenda der Deutschen.

Das bedeutet zweierlei: Erstens ist der dramatische Rückgang derer, die dem Thema Migration heute noch Priorität einräumen, der Vorbote eines deutlichen Verlustes der AfD bei der Bundestagswahl. Den Rechtspopulisten ist die öffentlich empfundene Brisanz des Themas abhanden gekommen und auch die zunehmende Zufriedenheit der Bundesbürger mit der Coronapolitik der Kanzlerin wirkt für sie nicht gerade förderlich. Die Folge: Ihre Parzelle in der politischen Landschaft versteppt. Die Botaniker unter uns würden wahrscheinlich sagen: Hier wachsen nur noch Zwergsträucher und Krüppelkiefern.

Die Grünen dagegen verzeichnen gegenüber der 2017er Wahl eine deutlich günstigere Themenkonjunktur. Das bedeutet, sie dürfen auf jeden Fall mit Zugewinn rechnen. Aber dieser Zugewinn wird sie – siehe die oben genannten Zahlen – nicht an die Spitze aller anderen Parteien und damit ins Kanzleramt befördern.

Eine Infografik mit dem Titel: Keine Gnade beim Benzinpreis

Umfrage: Gehen die Maßnahmen zum Klimaschutz in die richtige Richtung? Antworten in Prozent

Aus allen verfügbaren Umfragen lernen wir: Die Deutschen sind ob des Klimawandels besorgt, aber nicht panisch. Sie wollen von der Politik beschützt, aber nicht therapiert werden. Wenn sie sich zwischen dem Einzug in das grüne Häuschen von Annalena Baerbock und einem Leben mit Grillparty, Carport und gelegentlicher Mallorca-Reise zu entscheiden hätten, wüsste die Mehrheit, was zu tun ist.

Für diese bürgerliche Mehrheit gilt: Mit Annalena Baerbock wird geflirtet. Gegessen wird zu Hause.

Beim Parteitag am Wochenende © dpa

Das Medienecho fiel ernüchternd aus, was angesichts der Tatsache, dass die grüne Kanzlerkandidatin ihre eigene Rede anschließend gegenüber Habeck als „Scheiße“ klassifizierte, wenig verwundern kann. Die Tagesschau beobachtete:

Ihre Nervosität ist spürbar. Mehrfach verspricht sie sich. Die vergangenen Wochen haben ihre Spuren hinterlassen.

Der Spiegel spielt Habeck gegen sie aus:

Habeck hatte seine Rede groß angelegt, mit einem klaren Motiv: ‘Wer das Klima schützt, schützt die Freiheit’, das war sein Merksatz. Freiheit sei nicht Regellosigkeit, das war seine Antwort auf alle, die die Grünen mit Verbotsvorwürfen traktieren. Habeck hält die Kanzlerrede, sie (Baerbock) die einer Fachpolitikerin. Jedenfalls nicht die Rede ihres Lebens.

Die FAZ schüttelt den Kopf und führt die Ordnungspolitik gegen die Grünen ins Felde:

Die Grünen wollen das Unmögliche möglich machen. Sie stehen sich dabei mit ihrem planwirtschaftlichen Erbe selbst im Wege.

Auf dem Parteitag mag eine Linksverschiebung verhindert worden sein – ein linkes Programm, das von SPD und Linkspartei nur schwer zu überbieten ist, war es aber schon im Entwurf.

Auch der Deutschlandfunk, der in der Regel fest an der Seite der Grünen steht, war nicht so begeistert wie sonst:

Die Fehler der vergangenen Wochen räumte sie mit den ersten Worten ab, es hätten dazu aber gerne drei Sätze mehr sein dürfen.

Fazit: Die Begeisterung der hundert Jubelperser, die von der Parteitagsregie in die Halle geführte wurden, findet in den Medien heute Morgen keine Entsprechung. Die Grünen beginnen ihren Wahlkampf mit den Mühen der Ebene.

Reinhold von Eben-Worlée © dpa

Der Parteitag der Grünen ist kein Thema allein für Fans und Freaks, sondern angesichts der noch immer relativ guten Umfragezahlen muss sich auch die deutsche Wirtschaft mit der Umweltpartei und ihren Plänen befassen. Als Regierungspartei im Wartestand werden die Grünen ernst genommen. Auch Reinhold von Eben-Worlée, Präsident aller Familienunternehmer in Deutschland und natürlich auch selbst einer, hat genau hingehört. Im Morning Briefing Podcast sagt er:

Der linke Flügel hat offenbar verstanden, dass er mit überzogenen Forderungen das Kanzleramt verspielt.

Den Steuerplänen der Grünen steht Eben-Worlée skeptisch gegenüber. Denn diese würden Investitionen verhindern, sagt er:

Zumindest werden wir nicht mehr so viel Geld zur Verfügung haben, um Themen wie Digitalisierung oder den Klimawandel nach vorne zu treiben.

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Trotz aller Bemühungen der Grünen, auf die Wirtschaft zuzugehen, trennt die Partei und die Familienunternehmer dieses Landes weiterhin Grundsätzliches:

Die Grünen haben einen sehr dirigistischen Ansatz und wir Familienunternehmer eher einen marktwirtschaftlichen Ansatz. In diesem Fall unterscheiden wir uns und dort werden wir uns dann auch treffen an der Grenzlinie zwischen dirigistischer Freiheit oder marktwirtschaftlicher Freiheit.

Eben-Worlée macht keinen Hehl daraus, für wen sein Herz schlägt:

Armin Laschet ist unser Mann.

 © ThePioneer

Über das Wochenende trafen die G7-Staaten in Cornwall an der Südküste Englands zusammen. Für die anwesenden Staatschefs war es ein Neustart in Richtung Solidarität und Zusammenarbeit nach den spaltenden Jahren unter Donald Trump. In der englischen Sonne verhandelte man vor malerischer Kulisse über die Pandemie, das aggressive China und die wieder eröffnete Weltwirtschaft.

In einem abschließenden Kommuniqué präsentierte die Staatengruppe ihre Verhandlungsergebnisse. Die wichtigsten Beschlüsse aus Cornwall im Überblick:

  • Die Länderchefs unterstützen die globale Mindeststeuer. Demnach soll eine Steuer von 15 Prozent für internationale Konzerne erhoben und das Steuerrecht reformiert werden. Unternehmen sollen auch dort Steuern zahlen, wo sie Geschäfte machen und nicht nur im Land des strategisch platzierten Firmensitzes.

  • Die Staatengruppe fordert eine „zeitnahe, transparente, von Experten geführte und wissenschaftlich basierte Studie“, um den Ursprung des Coronavirus endgültig zu klären. Die Ermittlungen sollen von der Weltgesundheitsorganisation geführt werden.

  • Unfaire Handelspraktiken und Menschenrechtsverletzungen in China will man anprangern. Die zweitgrößte Volkswirtschaft müsse fundamentale Freiheiten achten, heißt es.

  • Auf Drängen des US-Präsidenten Joe Biden haben sich die G7-Staaten als Gegenpol der Wirtschaftsmacht Chinas positioniert. Der Plan „Build Back Better” ist eine Antwort auf Chinas Seidenstraßen-Projekt und soll Entwicklungsländern die Verwirklichung von neuen Bauvorhaben mit westlicher Finanzierung erleichtern.

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Deutschlands führende Ökonomen Lars Feld – bis vor kurzem Chef des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung – und Justus Haucap, der Ex-Chef der Monopolkommission, kennen sich aus dem Studium. Sie lieben die Ökonomie und den intellektuellen Austausch der Argumente. Ab heute analysieren und kommentieren sie gemeinsam Themen aus Wirtschaft, Politik und Finanzen exklusiv bei ThePioneer. In dem Podcast „Feld&Haucap – Das Ökonomie-Briefing“ tauschen sie sich zu den großen Fragen unserer Zeit aus – immer klar, und wenn es sein muss kontrovers.

Lars Feld ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und leitet dort das Walter Eucken Institut für Ordnungsökonomik. Er wird vor allem für Klarheit bei den makroökonomischen Zusammenhängen sorgen. Für die mikroökonomischen Aspekte ist Justus Haucap zuständig, Professor für Wettbewerbsökonomie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Ihr gemeinsames Ziel: Erkenntnisgewinn.

Lars Feld © dpa

In der ersten Folge geht es vorrangig um den G7-Gipfel: Die sich formierende Abwehr gegenüber China und die Sehnsucht nach einer globale Mindeststeuer für Konzerne. Feld sagt:

Dass China zum ersten Mal seit langer, langer Zeit richtig expansiv unterwegs ist, kann man nicht so einfach hinnehmen.

Dabei greife China auf alte Praktiken im neuen Gewand zurück, so Feld:

Gerade wenn man sich anschaut, was China in Afrika unternimmt, dann handelt es sich um eine Form des neuen Kolonialismus.

Allerdings: Spätestens beim Klimaschutz, also einer wahrlich globalen Herausforderung, brauche es laut Haucap die Zusammenarbeit mit China:

Hier sitzen wir ultimativ im selben Boot. China stößt mittlerweile mehr CO2, mehr Treibhausgase aus als alle anderen Industrienationen zusammen.

Auch über den Versuch einer fairen Besteuerung der multinationalen Konzerne haben sich die beiden im Podcast unterhalten. 15 Prozent soll künftig die Mindeststeuer für multinationale Unternehmen betragen. Darauf haben sich die G7-Länder geeinigt.

Justus Haucap © dpa

Die Mindeststeuer soll nur bei Unternehmen greifen, die mindestens einen Jahresumsatz von 750 Millionen Euro erzielen. Feld prognostiziert:

Diese Unternehmen werden sich jetzt im nächsten Schritt überlegen: Wie schaffe ich es, über eine Steueroase einen solchen Schild vor mich zu setzen, dass keiner weiß, wer der wirkliche Eigentümer ist, der da mit mir verbunden bleibt.

Eine Meinung, die Haucap teilt:

Lass mich mal sarkastisch sein: Das heißt doch, wir machen den Mindeststeuersatz nur für die Unternehmen, die auch wirklich gute Möglichkeiten haben, die Gewinne zu verschieben.

Fazit: Wenn Sie nur einen Ökonomie-Podcast hören, dann unbedingt diesen. Was die beiden Professoren da liefern, ist die geistig hoch angereicherte Grundnahrung für alle ökonomischen Zukunftsdebatten. Die Amerikaner würden sagen: Food for thought.

Der wirtschaftliche Spagat der G7

Mehr Schein als Sein: Debatte um Mindeststeuersatz

Podcast hören

Veröffentlicht in Feld & Haucap - Das Ökonomie Briefing von Lars FeldJustus Haucap .

Podcast mit der Laufzeit von

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  • Die Sieben-Tage-Inzidenz sinkt weiter: Am Sonntag lag der Wert deutschlandweit bei 17,3.

  • 48,1 Prozent der Deutschen haben ihre erste Impfung erhalten und 25,7 Prozent der Bevölkerung genießen bereits den kompletten Impfschutz.

Eine Infografik mit dem Titel: Impfen: Der Weg zur Immunität

Anteil der Personen, die mindestens eine Impfung erhalten haben je Bundesland, in Prozent

  • Die G7-Länder möchten 2,3 Milliarden Impfdosen bis Ende nächsten Jahres an ärmere Länder verteilen.

  • Seit Sonntag sind viele Länder und Gebiete von der Risikoliste gestrichen, darunter die USA, Kanada, Österreich sowie Teile Griechenlands, der Schweiz und Kroatiens. Wer per Landweg aus diesen Ländern nach Deutschland kommt, muss keinerlei Einschränkungen mehr beachten und bei Flügen reicht ein negativer Test.

Hard Rock Cafe © dpa

Heute vor 50 Jahren eröffneten die Amerikaner Isaac Tigrett, damals 22 Jahre alt, und Peter Morton, damals 23 Jahre alt, in London einen Hamburger-Laden, den sie auf den Namen „Hard Rock Cafe“ tauften. Der Vermieter gab ihnen nur einen Vertrag für sechs Monate. Er glaubte nicht an das Konzept.

Doch nachdem der Gitarrist Eric Clapton seinen Stammplatz in London durch das Aufhängen seiner eigenen Gitarre markierte, begannen die Besitzer, Erinnerungsstücke aus der Rock- und Popgeschichte auf Auktionen zu ergattern und diese in ihren Filialen zu platzieren. Neben Jimi Hendrix’ Flying V Gitarre kann man unter anderem Michael Jacksons rote „Beat It“-Jacke sowie die Original-John-Lennon-Brille bestaunen. Das Hard Rock Cafe sieht aus wie ein Museum und funktioniert wie eine Geldmaschine.

Eric Claptons Gitarre (oben rechts) © dpa

Denn unter den Namen Hard Rock Cafe fallen mittlerweile auch Hotels, Casinos, ein Merchandise-Shop und ein Football-Stadion in Miami. Über 262 Standorte in 76 Ländern befinden sich entweder unter eigener Führung oder werden nach einem Franchise-System betrieben. 2007 wurde Hard Rock International für rund 965 Millionen Dollar an das Volk der Seminole-Ureinwohner in Florida verkauft.

Kunden stehen vor dem Hard Rock Cafe Schlange (undatierte Aufnahme) © dpa

Carole King hat dem „Hard Rock Cafe“ 1977 einen eigenen Song gewidmet, den man nur als Liebeserklärung an diese musikbeseelte Zeit verstehen kann. Ein Song für den Rock’n’Roll und gegen die Einsamkeit:

„Downtown anywhere in the USA

You can find yourself a Hard Rock Cafe

Put your money on a number anyone can play

Come on and tell us all about what happened to you today

At the Hard Rock Cafe

come to the Hard Rock Cafe

The regulars can't keep away from the Hard Rock Cafe

And if you feeling just a little bit lonely

don't sit at home just hoping

Come on down to where the spirit flows so free

You know that door is always open.“

Ich wünsche Ihnen einen kraftvollen Start in die neue Sommerwoche. Es grüßt Sie auf das Herzlichste,

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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