Hammer-Lockdown: Dokument des Scheiterns

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Guten Morgen,

vom „Vorbild Deutschland“ spricht nur noch die Regierung. In Wahrheit aber ist der deutsche Vorsprung bei der Bekämpfung der Pandemie dahin. Der erneute Holzhammer-Lockdown, der ab Mittwoch weite Teile des öffentlichen Lebens einfrieren soll, ist das Eingeständnis eines Scheiterns. Die Regierung besitzt – dank der Geschlossenheit in der GroKo – eine politische Taktik, aber keine medizinische oder ökonomische Strategie, die über den Neujahrstag hinausreicht:

  • Die digitale Verfolgung der Infektionsketten ist hierzulande technologisches Stückwerk geblieben. Die Corona-App war ein PR-Erfolg, aber brachte angesichts der Datenschutz-Restriktionen keinen Durchbruch.

 © imago
  • FFP2-Masken stehen für die Risikogruppen in Gänze nicht zur Verfügung. Eine lückenlose Durchführung von Schnelltests in den Altersheimen und Senioreneinrichtungen ist bis heute nicht gewährleistet.

  • Der Impfstoff wurde in Deutschland entwickelt und besitzt hierzulande bis heute keine Zulassung.

  • Die Todeszahlen sind dramatisch gestiegen. Mehrheitlich betroffen: Menschen älter als 70 Jahre und Menschen mit Vorerkrankungen, ohne dass die Politik auf diese Risikokonzentration mit einer strategischen Fokussierung reagiert hätte.

Ökonomisch steht unser Land schlechter da als die USA und China, wie Ifo-Präsident Clemens Fuest im Morning Briefing Podcast erklären wird. Alle positiven Prognosen des Wirtschaftsministers und des Sachverständigenrates über den Konjunkturverlauf 2020 und 2021 sind mittlerweile im Altpapier gelandet.

Eine Infografik mit dem Titel: Wirtschaft unter Schock

Quartalsweise BIP-Veränderung in Deutschland 2020, in Prozent

Die namhaften Ökonomen des Landes fallen der Regierung nicht in den Rücken, bringen aber ihre Zweifel an der Nachhaltigkeit der Verbotspolitik zum Ausdruck. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, schreibt auf Twitter:

Die Politik muss nun eine hohe Akzeptanz dafür schaffen, um die 2. Welle zu stoppen, denn ein Shutdown über den 10.1. hinaus würde einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden verursachen.

Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, sagte der „Welt“:

Die Beschlüsse sollen die Überforderung des Gesundheitssystems verhindern. Kurzfristig mag dies wirken, für eine nachhaltige Eindämmung der Neuinfektionszahlen sind angesichts der Erfahrungen anderer Länder eher Zweifel angebracht.

IW-Direktor Michael Hüther © dpa

Auch der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft Gabriel Felbermayr wird deutlich: Deutschland könne den harten Lockdown wirtschaftlich und gesellschaftlich nicht monatelang aushalten. Es müsse deshalb endlich gelingen, vulnerable Personen, etwa in Altersheimen, wo sehr viele Infektionen erfolgen, wirksam zu schützen:

Das Schließen der Einkaufsstraßen hilft diesen Personen überhaupt nicht.

Für die Konjunktur prophezeit Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters nichts Gutes:

Die Strategie des bloßen Dichtmachens ist teuer. Wir brauchen dringend tägliche Tests in Altenheimen, eine schlagkräftige Corona-App sowie Hygienekonzepte im öffentlichen Nahverkehr und Schulbussen.

Fazit: Mit dem Lockdown hat die Politik Zeit gekauft. Diese Zeit sollte genutzt werden – und zwar für einen Strategiewechsel. Wie der aussehen kann, hat Prof. Julian Nida-Rümelin am Samstag im Morning Briefing Sonder-Podcast – hörbar auf ThePioneer.de – und gestern bei „Anne Will“ skizziert.

Im Morning Briefing Podcast, der übrigens auch in 2020 seine Position als No.1 Politik-Podcast in den Apple-Charts halten konnte, erwartet Sie ein Interview mit Prof. Jonas Schmidt-Chanasit von der Universität Hamburg. Er sagt über die Beschlüsse vom Sonntag:

Ein Lockdown ist eine Notbremse, die für mich in einer Pandemie nicht nachhaltig ist. Eigentlich müssten wir ab morgen intensiv überlegen, was wir ab dem 10. Januar anders machen und vor allem: Was wir dann überhaupt machen.

Über den Schutz bestimmter Risikogruppen sagt Prof. Schmidt-Chanasit:

Wir reden die ganze Zeit über Möglichkeiten und Maßnahmen, die wir schon im Mittelalter hatten: wegsperren und zumachen. Nach 500 Jahren sollte man in der Lage sein, die neuesten technischen Möglichkeiten, die wir jetzt im 21. Jahrhundert besitzen, auch einzusetzen. Wenn man das macht, hat man alle Möglichkeiten, diese Gruppen besonders zu schützen.

 © ThePioneer

Außerdem spreche ich im Morning Briefing Podcast mit dem Präsidenten des Münchner Ifo-Instituts Prof. Clemens Fuest über die Auswirkungen des Lockdowns auf die heimische Wirtschaft und ihre Stellung in der Welt:

Die Gewichtsverschiebungen, die wir schon länger beobachten, werden durch die Pandemie beschleunigt. 2022 wird die chinesische Wirtschaft etwa zehn Prozent größer sein, als sie vor der Krise war. Die Amerikaner werden Anfang 2022 das alte Niveau erreicht haben und vielleicht sogar ein paar Prozent darüber liegen. Europa wird zu diesem Zeitpunkt allenfalls das Vorkrisenniveau erreicht haben, vielleicht sogar noch zwei bis drei Prozent darunter liegen. Also: Europa fällt nochmal hinter die USA und insbesondere hinter China zurück.

Eine Infografik mit dem Titel: China kommt am besten durch die Krise

Veränderung des BIP im Vergleich zum Vorjahr*, in Prozent

Fuest sieht ökonomisch keine Vorbildfunktion für Europa mehr:

Wir müssen sehen, dass Europa besonders schlecht durch diese Krise kommt. Wir schauen ja gerne herab auf die Amerikaner. Aber man muss nüchtern feststellen: Selbst unter Führung von Trump, über die man denken kann, was man will, gelingt es den Amerikanern besser, rein wirtschaftlich betrachtet, durch die Pandemie zu kommen.

Auf die Frage, ob eine weltweite Rezession droht, antwortet er differenziert:

Wie nach jeder Rezession wird es zu einer Welle von Insolvenzen kommen. Es wird so sein, dass viele Unternehmen zögerlich investieren, weil sie ihr Eigenkapital verloren haben, weil sie hoch verschuldet sind.

Auf der anderen Seite haben wir im privaten Sektor eine zurückgestaute Kaufkraft durch sehr hohe Ersparnisse. Insofern würde ich keine weltweite Rezession erwarten.

Fazit: Wer Corona leugnet, ist ein Narr. Aber wer die Schwierigkeiten leugnet in die uns die bisherige Corona-Politik gebracht hat, nicht minder. Die Ökonomie der Pandemie spielt gegen Europa.

Der bisherige Teil-Lockdown, der als Wellenbrecher gedacht war, hat die Corona-Welle nicht stoppen können. Das zeigen die täglichen Infektions- und Todeszahlen. Das ist die Lage am heutigen Morgen:

  • Innerhalb eines Tages wurden 16.362 neue Fälle übermittelt, wie das Robert-Koch-Institut bekanntgab. Das sind rund 4000 Fälle mehr als am vergangenen Montag. Die deutschen Gesundheitsämter meldeten zudem 188 neue Todesfälle.

  • Nach einer Notzulassung durch die Gesundheitsbehörde FDA hat gestern die Auslieferung von Corona-Impfstoffen des Mainzer Pharma-Unternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer in den USA begonnen.

 © dpa
  • Pfizer und Biontech hatten auch bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (Ema) die Zulassung des Corona-Impfstoffs beantragt; eine Entscheidung darüber steht noch aus.

  • Gesundheitsminister Jens Spahn ist darüber nicht glücklich. Er drängt auf eine schnellstmögliche Zulassung durch die Ema. In der gestrigen Telefonkonferenz der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten sagte er:

Jeder Tag, den wir früher beginnen können, mindert Leid.

Lockdown Nummer 2 hinterlässt Bremsspuren in der Haushaltsplanung des Finanzministers. Die Überbrückungshilfen III sollen verlängert und ausgeweitet werden – sie kosten 11,2 Milliarden Euro pro Monat, wie aus einer internen Regierungsunterlage hervorgeht.

Neue Jobs gibt es derzeit nur bei der Job-Agentur. Die Bundesagentur für Arbeit soll im kommenden Jahr 5500 neue Vermittler und Berater bekommen, auch das hat die Regierung nun entschieden.

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Der heutige Montag ist für die CDU ein wichtiger Tag. Am Abend stellen sich alle drei Bewerber um den Parteivorsitz einer Diskussionsrunde. Am Vormittag tagen Vorstand und Präsidium, um den Termin für den Parteitag festzulegen. Mein Kollege Rasmus Buchsteiner, Chefkorrespondent von ThePioneer, hat zur Sache und zu den Personen mit Susanne Eisenmann gesprochen. Die baden-württembergische Kultusministerin tritt als CDU-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl im März an. Ihre Erwartungen an die Partei und wer ihr Lieblingskandidat ist, verrät sie uns hier: ThePioneer.de nachhören.

In der aktuellen „Spiegel“-Ausgabe loten Grünen-Chef Robert Habeck und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder die Chancen für eine schwarz-grüne Bundesregierung aus. Höhepunkt des Kuschelinterviews ist eine Passage über Tiere, die sich die beiden gegenseitig zuschreiben.

Wenn es überhaupt klug ist, Menschen mit Tierattributen zu belegen, dann braucht es ein Tier, das Kondition und Durchhaltewillen hat. Und da ich Herrn Söder nicht als Lastesel bezeichnen möchte, sage ich Kamel.

 © dpa

Der CSU-Chef wiederum wird später gebeten, dem Grünen einen Tipp zu geben. Söder:

Ich finde es schade, dass er sich jetzt so anpasst und ständig rasiert ist. Mir hat er immer als Ausrede geholfen, wenn ich mich mal nicht rasieren wollte. Daher bedaure ich, dass Herr Habeck jetzt auf diesen Berliner Glattrasierkurs eingeschwenkt ist. Ich dachte früher, er sei als Tier eher so ein Kuschelteddy. Das klingt übrigens viel besser als Kamel. Aber das ist durch die Rasur etwas verloren gegangen.

Markus Söder © dpa

Fazit: Grüne und Konservative sind keine Gegner mehr, sondern Partner in spe. Der andere wird nicht mehr angegriffen, sondern neugierig betastet.

 © dpa

Die Abstimmung der 538 Wahlleute nach einer US-Präsidentschaftswahl ist eine Formalie. Normalerweise. Denn Amtsinhaber Donald Trump weigert sich, seine Niederlage einzugestehen. So richten sich die Augen der Welt heute auf die Wahlfrauen und -männer, die stellvertretend für das Volk über den künftigen Präsidenten abstimmen. Sie votieren bei den Treffen in ihren Bundesstaaten gemäß den dortigen Ergebnissen der Wahl vom 3. November. Den zertifizierten Ergebnissen zufolge entfallen auf den Demokraten Joe Biden 306 und auf Trump 232 Wahlleute. 270 Stimmen reichen zum Sieg.

Eine Infografik mit dem Titel: Biden deutlich vor Trump

Anzahl der bei der US-Präsidentschaftswahl gewonnenen Wahlleute, 270 notwendig zum Sieg

Auch wenn das Ergebnis offiziell erst am 6. Januar im Kongress bekannt gegeben wird, sprechen vor allem zwei Gründe dafür, dass heute Trumps Schicksal als „one term president“ besiegelt wird.

Erstens: Das Gesetz schreibt in 33 Bundesstaaten und in der Hauptstadt Washington, D.C. vor, dass die Wahlleute für den Kandidaten stimmen müssen, für den sie ursprünglich ausgewählt wurden. Der Oberste Gerichtshof hat diese Regelung bestätigt.

Zweitens: Diese Wahlleute sind keine zufällig ausgesuchten Bürger, sondern Aktivisten, Spender oder Männer und Frauen mit engen Kontakten zum jeweiligen Präsidentschaftskandidaten. Ein prominentes Beispiel aus New York ist Hillary Clinton. Sie dürfte nicht in die Versuchung geraten, Trump eine zweite Amtszeit zu ermöglichen.

 © Getty

Mit dem Roman „Der Spion, der aus der Kälte kam“ schaffte John le Carré 1963 den internationalen Durchbruch. Gestern ist der Autor im Alter von 89 Jahren gestorben. Le Carré, der mit bürgerlichem Namen David Cornwell hieß, starb nach kurzer Krankheit an einer Lungenentzündung, wie seine Familie mitteilte.

Der Mann ist ein Beleg dafür, dass auch Belletristen vom Zeitgeist erfasst werden und damit der Disruption unterworfen sind. Mit dem Ende des Kalten Krieges und schließlich dem Fall des Eisernen Vorhangs ging dem Spezialisten für Agententhriller der Stoff aus. Le Carré verzweifelte nicht, sondern sattelte in seinen Büchern um – vom Spionage- und Agentenmillieu auf Pharmaindustrie, islamistischen Terror und Brexit. Das Sujet der Dramatisierung wechselte, die Spannung blieb.

Mit John Le Carré, der erst im vergangenen Jahr noch einen Roman abgeliefert hatte, geht einer der großen Unterhaltungsautoren des 20. Jahrhunderts.

 © dpa

Ich wünsche Ihnen einen gesunden Start in die neue Woche. Es grüßt Sie auf das herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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