Harris vs. Pence: Die Rückkehr der Debattenkultur

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Guten Morgen,

das nächtliche Gespräch zwischen US-Vizepräsident Mike Pence und Kamala Harris, der demokratischen Kandidatin für das Amt der Vize-Präsidentin, hat die Ehre der amerikanischen Debattenkultur gerettet. Anderthalb Stunden wurde gerungen, nicht gehetzt. Die üblichen Stereotypen des politischen Diskurses – Demokraten erhöhen Steuern, Trump ist der Anti-Christ – wurden zwar wiederholt, aber diesmal durchsetzt mit Argumenten. Man hatte das wohlige Gefühl: Die Aufklärung hat Amerika erreicht. Fünf Anmerkungen:

1. Es gibt einen Trumpismus ohne Trump. Der bisher eher unauffällige Stellvertreter des Präsidenten brachte eine gedankliche Ordnung in das politische Geschehen der vergangenen vier Jahre, das oft erratisch, meist planlos und in Summe damit unpolitisch wirkt. Man konnte den größeren Kontext hinter der täglichen Konfusion erkennen. Mike Pence war der glaubwürdige Interpret eines Präsidenten, der am liebsten ohne Noten spielt.

Kamala Harris und Mike Pence © imago

2. Auf Seiten der Demokraten wurde zum ersten Mal in diesem Wahlkampf deutlich, dass es nicht allein um die Ablösung von Trump geht. Kamala Harris war das freundliche Gesicht einer amerikanischen Zukunft, die klimafreundlicher, sozialer und in den auswärtigen Beziehungen verlässlicher sein will. Joe Biden ist der Mann, der die Asche der Obama-Jahre bei sich trägt; sie verkörpert das Feuer des Zukünftigen. Wer durch das wächserne Gesicht des Kandidaten Biden schaut, der am Tag der Amtseinführung 78 Jahre wäre, kann die Umrisse einer neuen Zeit erkennen.

Kamala Harris © imago

3. Wir haben die Rückkehr einer zivilisierten Debattenkultur erlebt. Man kann Trump bekämpfen, ohne ihn zu hassen. Man kann die Demokraten stellen, ohne sie zu verhetzen. Gelassenheit und Respekt sind die Wirkstoffkombination, die im Zeitalter der Polarisierung und Banalisierung wie ein Gegengift wirkt. Amerika könnte eine höhere Dosis davon vertragen.

4. Die Unterschiede wurden dennoch deutlich. Die Demokraten setzen auf Umweltschutz, Sozialpolitik und die Rückkehr zu den von Trump suspendierten internationalen Verträgen wie dem Iran-Deal und dem Klimaschutzabkommen von Paris. Die Republikaner wollen ihre aggressive Außenpolitik gegenüber China fortsetzen und sich im Innern als die Partei der Wirtschaft positionieren, Steuersenkungen für Firmen und Besserverdiener inklusive.

Mike Pence © dpa

5. In einem bis dahin auf beiden Seiten grobschlächtig geführten Wahlkampf feierte die Nuance ihr Comeback. Kamala Harris bezeichnet die weltweite Erwärmung als „existenzielle Bedrohung“. Mike Pence: „Das Klima verändert sich.“

Kamala Harris und Mike Pence © imago

Fazit: Spätestens als der amtierende Präsident vom Krankenbett aus twitterte, sie sei eine „Ausrutscher-Maschine“, wusste man, dass sie ihre Sache gut gemacht hatte. Amerika ist nicht so alt und einfältig wie es bis dahin schien. Die Wahl ist damit nicht entschieden, aber immerhin: Die Amerikaner haben jetzt eine Wahl. Und womöglich haben wir heute Nacht eine Präsidentin im Werden gesehen.

Schon vor Beginn des Rededuells stand fest: Diese Debatte wird als die wichtigste ihrer Art in die amerikanische Geschichte eingehen. Denn Biden (77) und Trump (74) sind die ältesten Kandidaten, die sich je auf die Präsidentschaft beworben haben. Und Trumps Corona-Infektion hat den Wählern ein neues Bewusstsein für die Bedeutung des Amtes des Vizepräsidenten gegeben. Immerhin neun Mal wurde der Vize auch tatsächlich Präsident. Drei prominente Beispiele für einen ungeplanten präsidentiellen Machtwechsel aus der Vergangenheit:

Harry S. Truman © dpa

Am 12. April 1945 starb mit Franklin D. Roosevelt ein historischer Staatsmann: „FDR“ war der erste und einzige US-Politiker, der vier Präsidentschaftswahlen gewinnen konnte. Nach seinem Tod wurde aus dem ungeschriebenen Gesetz, dass jeder Präsident nur acht Jahre im Amt sein soll, ein Verfassungszusatz. Roosevelts Nachfolger Harry S. Truman trat in große Fußstapfen. Er blieb bis 1953 im Amt.

Lyndon B. Johnson bei der Vereidigung an Bord der Airforce One © dpa

Am 22. November 1963 wurde der Vize-Präsident Lyndon B. Johnson in der Airforce One vereidigt, noch in Dallas, wo zwei Stunden und acht Minuten vorher sein Chef John F. Kennedy erschossen worden war. Lyndon B. Johnson holte bei der nächsten Präsidentschaftswahl mit 61,1 Prozent das beste Stimmergebnis der Demokraten aller Zeiten.

Gerald Ford © imago

Am 9. August 1974 rückte Gerald Ford ins Weiße Haus ein. Sein Chef Richard Nixon, Spitzname „Tricky Dicky“, hatte sich nach dem Aufliegen der Watergate-Affäre dem Amtsenthebungsverfahren durch Rücktritt entzogen. Ford regierte zwei Jahre und wurde danach von den Wählern in den Ruhestand geschickt.

Die Frau des heutigen Tages ist eindeutig Kamala Harris. Sie ist aus dem Schatten von Biden herausgetreten; daher ihr Leben in Stichworten:

Geboren wurde Harris am 20. Oktober 1964 in Oakland im Bundesstaat Kalifornien. Sie ist die Tochter eines Jamaikaners und einer Inderin. Harris’ Mutter, Shyamala Gopalan, war nicht nur Krebsforscherin, sondern auch Bürgerrechtlerin. Ihr Vater Donald J. Harris arbeitete als Wirtschaftsprofessor an der Stanford-Universität.

Kamala Harris als Kind in den Armen ihrer Urgroßmutter Iris Finegan  © dpa

Sie selbst ist eine Elitistin, studierte an der afroamerikanischen Privatuniversität Howard in Washington D.C. Politikwissenschaft und Wirtschaft, in Kalifornien später dann Rechtswissenschaft. 2003 wurde sie zur Bezirksstaatsanwältin von San Francisco gewählt.

Von 2011 bis 2017 war sie Attorney General von Kalifornien. In erster Linie hatte sie auf diesem Posten die Funktion eines Generalstaatsanwalts, allerdings übernahm sie auch Aufgaben einer Justizministerin.

Kamala Harris als kalifornische Staatsanwältin © dpa

Als zweite Afroamerikanerin wurde sie im Jahr 2016 in den US-Senat gewählt. Ihr Lieblingsthemen dort: Recht und Justiz.

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Ihre auffälligste Eigenschaft ist die Fähigkeit, Härte und Zielstrebigkeit in der Sache mit Empathie und Charme im Ton zu verbinden. Sie ist ein weiblicher Obama, auch wenn sie politisch rechts von ihm steht.

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Die Zahl der Neuinfektionen steigt und erreicht mit über 4000 Fällen an einem Tag erneut den Stand von Mitte März. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat sich deshalb nach mehreren Monaten wieder für die öffentlichen Pressekonferenzen mit dem RKI-Präsidenten entschieden. Wie die Kollegen des Hauptstadt-Newsletters vorab erfahren haben, geht es nicht nur um den üblichen Appell an die Einhaltung der Corona-Regeln – Abstand, Hygiene und Alltagsmasken. Es geht um neue Belüftungsmaßnahmen für Zuhause, gezielte Teststrategien für Risikogruppen und Warnungen vor Reisen in innerdeutsche Risikogebiete.

Details lesen Sie auf thepioneer.de/hauptstadt.

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Wer unten ist, bleibt unten. Nach Berechnungen der Industrieländerorganisation OECD ist der Aufstieg in Deutschland schwieriger als in fast allen anderen westlichen Staaten. Demnach dauert es bis zu sechs Generationen, bis die Nachkommen einer einkommensschwachen Familie das Durchschnittseinkommen des Landes erreichen. Das sind mehr als 150 Jahre.

Warum gilt das Aufstiegsversprechen nicht bei uns? In einem neuen Buch, herausgegeben von den FDP-Abgeordneten Frank Schäffler und Bernd Reuther, gehen 16 liberale Politiker, Wissenschaftler, Journalisten und Unternehmer dieser Frage nach. Das Essay-Buch trägt den Titel: „Aufstieg – 16 Vorschläge für die Zukunft Deutschlands“.

Gestern präsentierten einige der Autoren das Buch vorab auf der Pioneer One und diskutierten mit ThePioneer-Chefredakteur Michael Bröcker über persönliche Träume und politische Ziele.

 © Credit: Anne HufnaglJohannes Vogel © Credit: Anne Hufnagl

Sarna Röser © Credit: Anne Hufnagl

Michael Bröcker, Johannes Vogel, Sarna Röser und Frank Schäffler © Credit: Anne Hufnagl

Die Veranstaltung können Pioneers hier in voller Länge als Video anschauen. Wer in diesen Herbsttagen Lust auf Zukunft hat, wird hier fündig.

Jens Weidmann © imago

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann ist kein Freund der EZB-Geldflutungspolitik – aber als erklärter Gegner mag er auch nicht in Erscheinung treten. Der Zeitgeist bläst zu stark aus der anderen Richtung. Die Verzinsung einer widerständigen Position, das zeigen die EZB-Kritiker Issing, Stark, Weber, rangiert im negativen Bereich.

Das EZB-Ratsmitglied Weidmann pflegt für das Vortragen seiner Kritik daher nicht den Holzhammer, sondern das Florett. Mit einem Interview, dass er jetzt der „Börsen-Zeitung“ gegeben hat, schaltet er sich mit sanften Tönen in die Debatte zur expansiven Geldpolitik ein. Er warnt vor einer Ausweitung der Ankaufprogramme für Aktien und Anleihen, ohne dass es nach Warnung klingt:

Der geldpolitische Kurs ist zurzeit angemessen.

An die Adresse all jener, die auf jedes Emporschnellen der Infektionszahlen mit neuen Schüben aus der Gelddruckmaschine reagieren wollen, sagt er:

Ein gewisses Wiederaufflackern des Infektionsgeschehens wäre durchaus im Einklang mit unserer Prognose.

Konkret heißt das: Weidmann will nicht, dass die EZB ihr Krisen-Anleihenkaufprogrammm PEPP aufstockt. Es ist inzwischen auf 1,35 Billionen Euro angelegt.

Er will sogar, dass es beizeiten wieder beendet wird, wohin gegen die Hardliner der neuen Geldpolitik die permanente Geldflutung gerechtfertigt finden. Weidmann widerspricht, aber vermeidet Alarmismus:

Wir haben das PEPP als außergewöhnliches Kriseninstrument beschlossen. Das heißt für mich, wenn die Krise vorüber ist, sollte das PEPP eingestellt werden.

Eine Infografik mit dem Titel: EZB im Krisenodus

Anleihenkaufprogramm der EZB (PEPP) und Bundeshaushalt im Vergleich, in Milliarden Euro

Auf die Frage, ob das von Notenbanken praktizierte Instrumentarium des Aktienkaufs für ihn ein Tabu ist, antwortet er:

Die Markteingriffe werden immer verzerrender, je mehr sich die Notenbank von ihrem klassischen Instrumentarium entfernt. Aktienkäufe würden bedeuten, dass sich die Notenbank auf einen ganz bestimmten Kreis von Unternehmen beschränkt und vielleicht sogar ein Stück weit in die Eigentümerrolle schlüpft. Ich finde, das ist mit der Aufgabenstellung des Eurosystems und seiner Unabhängigkeit kaum in Einklang zu bringen.

Fazit: Wer sich im Getöse unserer Zeit ein feines Gehör bewahrt hat, der hört einen Unterton, der von der Sorge um die Geldwertstabilität erzählt.

 © dpa

Im dritten Quartal gibt es in den USA im Luxussegment einen Überraschungssieger: Lexus. Die Toyota-Marke liegt vor den beiden deutschen Konkurrenten Mercedes und BMW. Lexus konnte sich mit seinen Premiummodellen, den SUVs NX und RX, gegenüber dem Vorjahr um zwei Prozent auf 75.285 Fahrzeuge steigern.

SUV RX © dpa © dpa

Bei Mercedes gingen die Verkäufe dagegen um 9,4 Prozent auf 69.631 Fahrzeuge zurück, bei BMW sogar um 16 Prozent auf 69.570 Fahrzeuge. Zuletzt lag Lexus dem Nachrichtendienst Bloomberg zufolge vor einem Jahrzehnt auf Platz eins.

Eine Infografik mit dem Titel: Auf der Überholspur

US-Verkaufszahlen* ausgewählter Premium-Automarken in den ersten drei Quartalen dieses Jahres

Der Grund für den Wechsel an der Spitze der Hitparade ist nach Ansicht der deutschen Autofirmen Corona-bedingt. Mercedes und BMW sind seit Wochen von knappen Lagerbeständen betroffen, da das Coronavirus die Fabriken in Europa und in den USA lange Zeit stillgelegt haben, heißt es.

Hoffentlich ist das der Grund und nicht eine Ausrede. Die Zahlen zum 4. Quartal werden später in den Zeugenstand gerufen.

Herbert Feuerstein © dpa

Bekannt wurde Herbert Feuerstein mit der Sendung „Schmidteinander“ Gestern ist der Satiriker und Humorist im Alter von 83 Jahren in Erftstadt bei Köln gestorben. Der im österreichischen Zell geborene Journalist war 20 Jahre lang Chef des Satire-Magazins „MAD.“ Die Auflage steigerte er von 10.000 auf 400.000. 1985 bekam er mit „Wild am Sonntag“ seine erste eigene TV-Sendung im Ersten.

1990 folgte die Ratesendung „Psssst…“. Feuerstein war Mitglied des Rateteams, Harald Schmidt der Moderator. Das ungleiche Duo – Feuerstein: „Es war Abneigung auf den ersten Blick“ – wurde wenig später mit der Comedy-Sendung „Schmidteinander“ berühmt. Feuerstein gab von 1990 bis 1994 bereitwillig den Prügelknaben für den großen Selbstdarsteller Schmidt – das Konzept für die Show stammte von ihm.

Herbert Feuerstein und Harald Schmidt © dpa

Als Feuerstein im Jahr 2017 seinen 80. Geburtstag feierte, wünschte ihm Harald Schmidt „ewiges Leben“. Das klang nett, war aber als Spitze des praktizierenden Katholiken Schmidt gegen den „gläubigen Atheisten“ Feuerstein gedacht. Schmidts Begründung:

Strafe muss sein.

Ich wünsche Ihnen einen kraftvollen Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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