das für Morgen geplante Treffen der Automobilindustrie im Kanzleramt wird von Prognosen überschattet, die mit dem Optimismus des Wirtschaftsministers nichts gemeinsam haben:
Die Autoindustrie steht erstmals nach einem Jahrzehnt wieder vor spürbaren Personalanpassungen und wird als Wachstumslokomotive für den Standort Deutschland zunächst ausfallen.
So steht es in einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die heute vorab im „Handelsblatt“ veröffentlicht wird.
Eine Infografik mit dem Titel: Autobauer unter Druck
Daimler-Jahresgewinn 2015 bis 2019 und Quartalsergebnisse 2020, in Milliarden Euro
Vor allem die Situation der einstigen Industrieperle Daimler ist prekär. Es fehlen Umsätze, Gewinne und Ideen. Der Stuttgarter Automobilkonzern, der neben Mercedes auch die Marken Smart und Maybach produziert, hat aktuell drei Probleme:
Erstens: Die neue S-Klasse wirkt nicht neu, sondern alt. Vollgestopft mit digitaler Technik, die keiner braucht, zum Beispiel beheizbare Kuschelkissen und aufdringliche Duftwelten, gibt es das Auto derzeit nur als Verbrenner. Voluminös, luxuriös, adipös, spottet der „Spiegel“.
© dpaFür die „Süddeutsche Zeitung“ ist dieses Auto eine „Innovation mit Makel“:
Bereits der kleinste Motor stößt mindestens 169 Gramm CO2 pro Kilometer aus. Das Topmodell mit 500 PS 181 Gramm CO2. Der europäische Flottengrenzwert liegt damit für beide in unerreichbarer Ferne: Er beträgt 95 Gramm CO2 pro Kilometer.
Zweitens: Damit bedeutet dieses Auto am Vorabend einer schwarz-grünen Bundesregierung und an der Schwelle zum Zeitalter der Elektromobilität einen politischen Reputationsschaden. Der Vorstand nimmt ihn sehenden Auges in Kauf und hofft, dass wenigstens die Verkaufszahlen stimmen. Vorstandschef Ola Källenius sagt:
Die S-Klasse ist das Herz unserer Marke.
Eine Infografik mit dem Titel: Im Zickzackkurs nach unten
Verlauf der Daimler-Aktie seit April 2015, in Euro (Verlust in Prozent)
Drittens: Das erste Modell aus Daimlers vollelektrischer EQ-Familie ist technologisch und bei den Händlern keine Erfolgsgeschichte. Die ersten Testberichte lesen sich wie eine Gruselgeschichte von einem der auszog, aber nicht ankam. Der „Welt“-Redakteur und Autotester Nando Sommerfeldt schreibt in seinem Bericht:
Es kann nicht sein, dass ich mit Tempo 180 nur ungefähr 90 Kilometer weit komme.
Ich habe bei Nando Sommerfeldt angerufen, um mich mit ihm über seine Erfahrungen mit dem über 400 PS starken EQC zu unterhalten. Er schildert, wie seine Testfahrt zur Mutter in Mecklenburg-Vorpommern – das Auto war mit seiner fünfköpfigen Familie gut besetzt – zur Zitterpartie wurde:
Man kommt nicht wirklich weit mit diesem Auto, wenn man den Alltagstest aus Kurzstrecke, Langstrecke sowie Autobahn macht und relativ zügig fahren möchte.
Während der Fahrt musste Nando Sommerfeldt kontinuierlich das Tempo drosseln, um die Reichweite des Autos zu erhöhen:
Mit Tempo 150 wäre ich wahrscheinlich gerade so angekommen. Aber das will man natürlich nicht. Man will nicht zitternd im Auto sitzen und hoffen, dass die Energie noch reicht.
Ich muss ganz klar sagen: Wenn ich 180 gefahren wäre, wäre ich nicht angekommen.
Eines der großen Probleme der Deutschen bei der Elektromobilität ist die Reichweitenangst. Die Leute haben einfach Angst, dass sie nicht ankommen. So ein Auto fördert das und behindert dadurch den Durchbruch der Elektromobilität. Gerade dann, wenn ein so prominenter Akteur wie Mercedes dieses Auto platziert.
Fazit: Der Daimler-Vorstand sollte aufwachen, bevor es zu spät ist. Die Welt braucht Elektro-Autos, die im Alltag überzeugen und nicht nur auf den Power-Point-Charts der Vorstandssitzung.
Einst hatte Olaf Scholz eine klare Meinung zu den sogenannten Cum-Ex-Geschäften:
Cum-Ex war eine Riesenschweinerei. Aufwendige Modelle zu konstruieren, um sich Steuern rückerstatten zu lassen, die man nie gezahlt hat – mir ist völlig schleierhaft, wie man das für legal oder auch nur irgendwie für legitim halten konnte.
Das klingt nach einer standhaften Haltung. Doch das Rückgrat des heutigen Finanzministers war womöglich im Alltag des damaligen Ersten Bürgermeisters von Hamburg beweglicher als ihm heute guttut. Die Hamburger Privatbank M. M. Warburg wurde in seiner Amtszeit vor einer hohen Steuerrückzahlung bewahrt, womöglich dank seiner Protektion. Das legen Recherchen des ARD-Magazins Panorama in Kooperation mit der ZEIT nahe. Die Steuerrückzahlung hätte die Bank an den Rand des Bankrotts gebracht. Scholz traf den damaligen Bank-Chef Christian Olearius mehrfach im Hamburger Rathaus und sprach mit ihm am Telefon. Die Bank durfte schließlich die 47 Millionen Euro behalten, die eigentlich in die Staatskasse gehört hätten.
Pikant daran: Scholz behielt die Gespräche mit dem Bank-Chef lieber für sich, statt sie den Mitgliedern des Finanzausschusses mitzuteilen. Auch auf mehrmalige Nachfrage des Linken-Fraktionsvize Fabio De Masi hat Scholz im Finanzausschuss nicht die Wahrheit gesagt.
Er offenbarte die Treffen nicht, verwies auf das Steuergeheimnis und teilte mit, es gäbe über die bekannten Medienberichte hinaus nichts zu berichten.
Die mittlerweile beschlagnahmten Tagebücher des Bank-Chefs erzählen eine andere Geschichte. Dort wird folgendes berichtet: Olearius überreicht Scholz den Entwurf eines Briefes an die Hamburger Finanzbehörden. Darin stellt er die Warburg-Geschäfte als rechtmäßig dar und weist darauf hin, dass die Bank in ihrer Existenz gefährdet sei, sollten Millionenrückzahlungen fällig werden.
© dpaAm 9. November habe sich Scholz laut der Tagebuchnotizen von Olearius am Telefon gemeldet und gesagt wie dieser weiter verfahren sollte:
Schicken Sie das Schreiben ohne weitere Bemerkung an den Finanzsenator.
Drei Tage später notiert der Bankchef:
Die Zuständigen der Finanzbehörde haben zusammengesessen. Man sieht keine neuen Tatsachen und widerruft nicht die Kapitalertragssteuer-Erstattung.
Fazit: Das Parlament und zur Not auch die Gerichte müssen diesen eklatanten Fall von Steuerungleichbehandlung aufklären. Bis dahin gilt: Scholz ist verdächtig, aber nicht schuldig.
Bei Union Investment, der Investmentgesellschaft der DZ-Bank, hat ein Fondsmanager sein Insiderwissen zum privaten Vermögensaufbau genutzt. Durch ein trickreiches System von Depots außerhalb des eigenen Unternehmens hat er nach Schätzungen der Staatsanwaltschaft sich selbst einen Vermögensvorteil von rund neun Millionen Euro verschafft.
Mittlerweile sitzt der Aktienprofi in Untersuchungshaft, die Staatsanwaltschaft hat sein Vermögen arrestiert – offenbar sieht die Justiz derzeit eine Flucht- oder Verdunkelungsgefahr. Dem Mann drohen im Extremfall bis zu 15 Jahre Haft. Aufgeflogen ist der Betrug dank aufmerksamer Broker anderer Institute: Ihnen erschienen die Aktiendeals des Profis als so auffällig, dass sie Anzeigen bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erstatteten, die wiederum am 20. August die Staatsanwaltschaft einschaltete. Es kam zu Hausdurchsuchungen in der Privatwohnung des Managers und an seinem Arbeitsplatz bei Union Investment.
Karl Lauterbach ist SPD-Politiker, Gesundheitsökonom und seit Ausbruch der Corona-Pandemie einer der profiliertesten Begleiter der Regierung. Lauterbach wirbt seit dem Frühjahr für strenge Präventionsmaßnahmen im Kampf gegen Covid-19.
Im Gespräch mit ThePioneer-Vize-Chefredakteur Gordon Repinski spricht Lauterbach über die aktuellen Infektionszahlen in Deutschland, persönliche Erfahrungen mit Corona und eigene Fehler in der Bewertung des Virus. Im Morning Briefing Podcast sagt der 57-Jährige:
Die zweite Welle ist nicht vorbei. Wir wissen, dass die eigentliche Herausforderung erst im Herbst kommt, weil das Virus in den Innenräumen 20-mal so ansteckend ist.
Die aktuelle Entwicklung der Fallzahlen in Deutschland kommentiert er so:
Dafür, dass die Bedingungen momentan so ideal sind, auch im Hinblick auf das Wetter, haben wir zu viele Fälle.
Auf die Frage, ob man bei den Fußballspielen wieder Zuschauer zulassen sollte, sagt er:
Das setzt das falsche Signal. Wir würden etwas Neues erlauben, was bisher verboten ist, obwohl die Lage sich in den nächsten Wochen verschlechtern wird.
Die Lage in Schweden sieht er sehr kritisch:
Das Land hat aus meiner Sicht versagt, da es ihm nicht gelungen ist, die Bevölkerung in Pflegeeinrichtungen entsprechend zu schützen.
Fazit: Ein ernstes Gespräch in ernster Zeit. Keine Panik, nur Fakten.
Heute im Briefing aus der Hauptstadt:
Fußball-Fans können – trotz der Ermahnung von Prof. Lauterbach – hoffen. Zahlreiche Bundesländer arbeiten an einer schrittweisen Öffnung der Stadien für Zuschauer. Ihr Argument: Wenn in Sachsen die Landesregierung 2000 Gäste zum Open-Air-Konzert einlädt, können Fußballvereine auch ein paar Tausend Zuschauer mit Abstand und Hygienekonzept ins Stadion lassen. Unter anderem Armin Laschet befürwortet diese Position, aber auch Bundesländer mit geringem Infektionsgeschehen wie Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen.
Den Kollegen vom Newsletter „Hauptstadt – Das Briefing“ liegt das Konzept der Fußballliga und des Deutschen Fußballverbands vor, über das derzeit die Staatskanzlei-Chefs diskutieren. Das Konzeptpapier befindet sich auch auf den Schreibtischen von Kanzlerin und Kanzleramtsminister Helge Braun, die sich inhaltlich noch nicht festgelegt haben.
Außerdem gibt es im Hauptstadt-Newsletter exklusive Zahlen, wie Gutverdiener im kommenden Jahr bei den Sozialversicherungsbeiträgen zur Kasse gebeten werden sollen. Wenn Sie sich den Start in die Woche nicht versauen wollen: Lieber nicht lesen. Wenn Sie tapfer sind, finden Sie alle Details hier: ThePioneer.de/hauptstadt
In NRW findet mit den Kommunalwahlen am kommenden Wochenende ein Stimmungstest statt, der auch Auskunft gibt über den Rückhalt für Ministerpräsident Armin Laschet.
Gewählt werden, je nach Wohnort, Oberbürgermeister, Bürgermeister, Landräte sowie Stadt- und Gemeinderäte, Kreistage und Bezirksvertretungen in den kreisfreien Städten. Bei den Wahlen 2014 wurden laut Innenministerium rund 19.350 Mandate vergeben, fast 14,3 Millionen Menschen waren wahlberechtigt. Vor allem die bisherigen CDU-Rathäuser in Bonn, Münster und Aachen müssen sich der grünen Konkurrenz erwehren.
Eine Infografik mit dem Titel: CDU klar vor SPD
Ergebnisse der NRW-Kommunalwahlen 2014, in Prozent
Der Ex-Chefredakteur des „Tagesspiegels“, Stephan-Andreas Casdorff, zieht eine direkte Verbindung von der Kommunalwahl zur K-Frage. Er schreibt:
Die ganze Republik schaut jetzt nach NRW.
Hier zählt jedes Votum – weil es Aufschluss gibt über die, nennen wir es: Siegfähigkeit des Kandidaten.
In eigener Sache: Auch die kommerziellen Aktivitäten unserer Firma Media Pioneer nehmen Fahrt auf. Wenn Firmen, Stiftungen, Kulturschaffende und Nichtregierungsorganisationen interessante Projektideen haben, wenden sie sich neuerdings an uns. Wir nennen es „Business to Society“ – und hören gerne zu. Zwei für die noch junge Unternehmensgeschichte von Media Pioneer wichtige Projekte möchte ich Ihnen kurz vorstellen.
© VodafoneBei diesem „Uncanceled Music Festival“ in Kooperation mit Vodafone bot unser Medienschiff ThePioneerOne sieben DJ-Stars und Newcomer-Bands einen Ersatzort für abgesagte Konzerte. Talentierte Videofilmer nahmen die Auftritte auf und stellten sie Musikfans im Anschluss als geschnittene und komponierte Videofilme zur Verfügung.
© Vodafone © VodafoneDas Redaktionsschiff verwandelte sich in eine schwimmende Festivalbühne – und sah drei Tage lang aus wie ein New Yorker Musikclub. Die Reaktionen der Musikfans waren überwältigend. Wunderbar!
© Anne HufnaglProjekt zwei fand am vergangenen Freitag statt. Es war der „NextGen Digital Summit“ der Privatbank Merck Finck, wo junge Menschen aus allen Teilen der Welt zusammengeschaltet wurden, um über die Trends der Zukunft zu sprechen. Via Live-Streaming konnte man mitdiskutieren. Das Schiff war dieses Mal mit Visagisten, Videofilmern, Moderatoren-Teams und einem professionellen Regisseur in der Rummelsburger Bucht unterwegs und sah auf Unter- und Oberdeck wie ein großes TV-Studio aus. Und in der Konferenzpause auch wie ein Open-Air Fitnessstudio.
Keynote-Speaker des von Daniel Sauerzapf konzipierten Projektes war der aus London zugeschaltete Digital-Vordenker und Systemarchitekt Indy Johar. Sein Thema: „The long wealth“.
© ThePioneerIch möchte Sie mit diesen Bildern inspirieren. Wer Ideen für neue journalistische Konzepte besitzt oder als Experte selbst Texte zu seinem Themengebiet veröffentlichen möchte, der ist bei ThePioneer-Chefredakteur Michael Bröcker und seinem Team an der richtigen Adresse: m.broecker@mediapioneer.com
Wer Ideen für „Business to Society“-Projekte in seinem Herzen bewegt, kann sich damit an unseren Director Strategy & Business Development Michael Iseghohi wenden: m.iseghohi@mediapioneer.com
© Anne HufnaglWir freuen uns über alle, die uns nicht nur fördern, sondern auch fordern.
Ich wünsche Ihnen einen beherzten Start in die neue Woche. Es grüßt Sie auf das Herzlichste Ihr