Inflation: Die unbequeme Wahrheit

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Guten Morgen,

Hund beißt Frauchen – das ist keine Schlagzeile wert. Denn das passiert täglich. So, wie die Medien die Europäische Zentralbank kritisieren. Auch das gehört zur Routine.

Aber jetzt beißt das Frauchen zurück, und zwar herzhaft. Dieses bissige Frauchen sieht in unserem Fall aus wie Prof. Isabel Schnabel aus dem EZB-Direktorium. Namentlich attackiert sie „Bild“, „Wirtschaftswoche“, „Spiegel“, „Tagesspiegel“ und „Focus Online“ für deren Berichterstattung zur Inflation: „Die Medien“, sagte sie im Rahmen des Baden-Badener Unternehmergesprächs, „verstärken die Ängste der Menschen – ohne jede Erklärung“. Dazu wurden die genannten Titel als Chart eingeblendet.

Das bedeutet in der Beziehung zwischen EZB und Medien eine Premiere. Natürlich kann man die Furcht vor der Inflation kritisieren. Erst recht, wenn sie historische Analogien zur großen Geldentwertung in der Vor-Hitler-Zeit sucht. Doch Isabel Schnabel, die einst dem Rat der Wirtschaftsweisen angehörte und binnen kürzester Zeit zur Chef-Propagandistin der EZB-Politik aufstieg, muss sich an den Fakten messen lassen. Ihre pro-europäischen Gefühle sind innig, aber deshalb noch nicht wissenschaftlich. Die Ängste der Menschen sind real. Man wünschte, sie wären unbegründet. Aber das sind sie nicht.

Isabel Schnabel © dpa

Sie sagt:

Es gibt nicht den geringsten Hinweis darauf, dass die aktuelle Geldpolitik zu permanent höherer Inflation oberhalb von zwei Prozent oder gar zu einer Hyperinflation führen wird.

Hier acht Fakten, warum Schnabels Prophezeiung eine Hoffnung beschreibt, aber eben keine Gewissheit.

1. Sie sagt:

Als Zentralbank mit einem klaren Mandat der Preisstabilität betreffen uns diese Sorgen unmittelbar. Eine sachliche Einordnung der Gründe für die jüngsten Preisanstiege und eine Einschätzung der zukünftigen Risiken sind wichtig.

Richtig wäre zu sagen: Aus dem Auftrag der EZB leitet sich nicht zuvorderst eine Erklärfunktion ab, sondern eine Aufforderung zum Handeln.

Das Instrument der Stunde ist nicht Public Relations, sondern ist die Zinspolitik.

Eine Infografik mit dem Titel: Die Inflationsgeschichte

Inflationsrate im Euroraum, jährliche Veränderung in Prozent

2. Sie sagt: Der wahre Grund einer Nichtreaktion der EZB sei die Furcht, eine Zinserhöhung könnte den weniger leistungsfähigen Volkswirtschaften, die auf das billige Geld angewiesen sind wie der Süchtige auf sein Heroin, Probleme verursachen.

Eine verfrühte Straffung der Geldpolitik in Reaktion auf einen vorübergehenden Inflationsanstieg wäre Gift für den derzeitigen Aufschwung und würde gerade denen noch mehr schaden, die auch unter dem jetzigen Inflationsanstieg leiden.

Dem EZB-Auftrag angemessen wäre es, die europäischen Bürger zu retten, nicht die Finanzminister in Rom, Lissabon, Athen und Madrid.

3. Sie sagt: 13 Jahre nach dem Ausbruch der globalen Finanzkrise liege die Arbeitslosenquote vielerorts noch immer über dem Niveau vor der Krise und biete den Firmen damit kaum Spielraum, ihre Kosten auf die Konsumenten überzuwälzen. Was für eine Fehleinschätzung.

Fakt ist: Auf breiter Front geben die Unternehmen die Preissteigerungen weiter, vom Holz bis zum Benzin.

Eine Infografik mit dem Titel: Kostensteigerung für den Kunden

Einkaufsmanagerindex für den Euroraum: Output-Preise

4. Sie glaubt, die Arbeitsmärkte würden so kurz nach der Krise keine Lohnsteigerungen erlauben. Fakt ist: Das Arbeitskräftepotential der führenden Industriestaaten schrumpft. Den verbleibenden Arbeitnehmern verschafft das eine stärkere Position. Die Lohnpreisspirale ist längst in Gang gekommen.

Eine Infografik mit dem Titel: Demografie als Inflationstreiber

Erwarteter Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (16-64 Jahre) von 2020 bis 2035, in Prozent

5. Sie sagt: Alles halb so wild, die Inflation sei „zurzeit wesentlich von statistischen Effekten getrieben.“ Sie glaubt:

Vereinfacht ausgedrückt ist die Inflation heute vor allem deshalb so hoch, weil sie im Vorjahr so niedrig war.

Fakt ist: Selbst wenn man die heutigen Preise mit dem Vor-Corona-Jahr 2019 vergleicht, bleibt es ein Faktum: Die Preise steigen. Sie sind heute 2,8 Prozent höher 2019.

6. Schon die EZB-Berechnung der Inflation ist fragwürdig, weil sie einen der stärksten Preistreiber, die gestiegenen Immobilienpreise für die Käufer der selbstgenutzten Immobilie, nicht berücksichtigt. Plus zehn Prozent in Deutschland. Die Finanzierungskosten sind die neue Miete. Prof. Schnabel wischt das Argument zur Seite.

Die Berücksichtigung der Kosten des selbstgenutzten Wohneigentums verändert die Einschätzung der Preisdynamik nicht grundlegend.

Eine Infografik mit dem Titel: Durch die Decke

Jährliche Preisveränderung von Wohnimmobilien in Deutschland und der Eurozone, in Prozent

7. Sie sagt: Bei den Preiserhöhungen handele es sich um Nachholeffekte aus der Zeit der unterbrochenen Lieferketten. Fakt ist: Die Produzentenpreise steigen derzeit so stark wie seit 1975 nicht mehr. Kleinlaut räumte sie in Baden-Baden ein:

Mit weiteren Preissteigerungen der Unternehmen ist in der nahen Zukunft zu rechnen.

Eine aktuelle Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags ergab, dass nur etwa ein Fünftel der knapp 3.000 befragten Unternehmen mit einer Entspannung der Situation noch in diesem Jahr rechnet.

Eine Infografik mit dem Titel: Teuerung für die Produzenten

Jährliche Veränderung der Erzeugerpreise in Deutschland (gesamte Industrie ohne Baugewerbe; Inlandsmarkt), in Prozent

8. Und natürlich sind in den jetzigen Preissteigerungen die wirklichen Effekte der Klimapolitik, die eine kontinuierliche Erhöhung der Energiepreise anstrebt, nicht berücksichtigt. Schon jetzt sind die Energiepreise – plus 12,6 Prozent im Jahresvergleich – der Haupttreiber. Frau Schnabel weiß das natürlich. In ihre Projektionen fand das bisher keinen Eingang, in ihre Rhetorik neuerdings schon:

Der CO2-Preis wird in der Zukunft weiter steigen müssen und damit vermutlich der Inflation Auftrieb geben.

Fazit: Die EZB-Frau folgt dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung.

Sie braucht die Inflations-Übertreiber der Medien – die es gibt – um die Inflations-Verharmlosung zu kaschieren, die sie betreibt. Ihr und allen anderen im EZB-Tower, die eine wahrhaftige Inflationsprognose fürchten, sei Max Frisch empfohlen:

Die beste und sicherste Tarnung ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit. Komischerweise. Die glaubt niemand.

EZB © dpa
Armin Laschet (CDU) auf der PioneerOne © Anne Hufnagl

Eine Hundertschaft von Pioneers im voll besetzten Medienschiff erlebte gestern in Köln einen kampfeslustigen Unionskandidaten.

Armin Laschet schaut mittlerweile durch die Depeschen der Demoskopen hindurch in die Gesichter der Bürgerinnen und Bürger. Und was er da sieht, stimme ihn zuversichtlich, sagte er:

Die Mehrheit der Deutschen will keinen Kurswechsel nach links. Und das spüren wir.

Armin Laschet © Anne Hufnagl

Der SPD traut er vieles zu, auch, dass sie am Tag nach der Wahl eben doch ein Linksbündnis schmiedet:

Ich bin fest davon überzeugt: Wenn es für Rot-Grün-Rot reicht, wird die SPD dieses Bündnis eingehen.

Die Schnittmengen seien hoch:

Es geht darum, was hat die Linke im Programm. Wenn man sich das anschaut, dann ist das sehr ähnlich mit dem, was SPD und Grüne wollen.

Klick aufs Bild führt zur Podcast-Page

Nicht mal eine Führung durch die Union werde Olaf Scholz davon abhalten, eine für ihn günstige Konstellation zu nutzen:

Die größere Gefahr ist, dass wir auf Platz eins liegen und es dennoch eine rot-rot-grüne Mehrheit gibt.

Eine Infografik mit dem Titel: Offenes Rennen

Aktuelle Umfrage zur Bundestagswahl, in Prozent

Christian Lindner, das wurde deutlich, ist der Partner seiner Wahl:

Christian Lindner ist ein guter Freund, aber im Moment ist er ein Wettbewerber.

Das wurde spätestens bei der Debatte zur Wirtschaftspolitik deutlich. Laschet zeigte sich als Freund des Mittelstandes:

Die Wettbewerbsfähigkeit stellen wir dadurch her, dass wir keine Steuern erhöhen und keine neuen Vorschriften machen. Und für jede neue Vorschrift schaffen wir eine andere ab: one in one out.

Wirtschaft findet in der Wirtschaft statt, hätte man diesen Teil des Gesprächs auch überschreiben können:

Entfesselung, Freiräume schaffen, Vorschriften zurückdrehen. Die Unternehmen einfach mal machen lassen.

Gordon Repinski und Michael Bröcker im Gespräch mit Armin Laschet © Anne Hufnagl

Michael Bröcker und Gordon Repinski haben mit dem Kanzlerkandidaten, assistiert von den Fragen der Pioneers, 60 Minuten die Lage des Landes analysiert und seinen Modernisierungseifer hinterfragt.

Laschet war bei vielen Fragen beweglich, nur bei der Zuständigkeit für die Bildung ließ er nicht mit sich reden. Der Satz des Abends für mich:

Sie können selbst mit einem Abitur aus NRW Bundeskanzler werden.

Abendimpressionen am Rhein © Jette Froberg
Köln: Landesvater Laschet und die Trendwende vom Rhein?

Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet im Interview und ein überraschendes Geständnis von Gabor Steingart.

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Veröffentlicht in The Pioneer Briefing Business Class Edition von Noemi MihaloviciJette Froberg.

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Die Bundeswehr bei ihrer Evakuierungsmission auf dem Flughafen in Kabul. © dpa

Als Kabul fällt, muss die junge Afghanin Tamina Ahmadi flüchten. Sie ist eine Ortskraft der Bundeswehr – für die Taliban also eine Verräterin. Als unseren Investigativreporter Christian Schweppe ihre Nummer erreicht, sitzt sie bereits fest. Es beginnen sieben dramatische Tage – 1.243 Textnachrichten später steht Ahmadis Schicksal fest. Ob ihre Flucht gelungen ist und was sie inmitten der historischen Krise als Zeitzeugin erlebte, lesen Sie in Schweppes Reportage.

Franz-Werner Haas, Vorstandsvorsitzender von CureVac © dpa

Bei CureVac verabschiedet man sich offenbar von dem Gedanken, doch noch erfolgreich in den Impfstoffmarkt einzudringen. Wie das Tübinger Unternehmen gestern mitteilte, habe man die ersten Produktionspartnerschaften mit den Herstellern Wacker – vereinbart war die Produktion von 100 Millionen Impfdosen in diesem Jahr – und Celonic – 50 Millionen Dosen – gekündigt und sich damit auf eine geringere Vakzin-Nachfrage eingestellt.

In der entscheidenden klinischen Studie erreichte der CureVac-Impfstoff im Juni nur eine Wirksamkeit von insgesamt 48 Prozent. Die Europäische Arzneimittelbehörde prüft noch immer, ob eine Zulassung erteilt werden kann – wann und ob dies jemals geschieht, ist offen. Nur eins ist klar: Den Anschluss an die erste Corona-Impfwelle hat man in Tübingen verpasst.

CureVac © imago

Apple-Chef Tim Cook © dpa

In Cupertino zaubern die Ingenieure von Apple jährlich neue Produkte aus dem Labor – zur großen Freude der Kunden, die den Bestand der Kalifornier in nur wenigen Tagen aufkaufen. Gestern Abend war es wieder so weit. Tim Cook, der erst vor wenigen Wochen sein zehnjähriges Jubiläum als Firmenchef feierte, kündigte eine Reihe neuer Produkte an, darunter auch eine Neuausgabe des iPhones:

  • Das neue iPhone 13 sieht von außen – bis auf eine neu angeordnete Kamera und eine buntere Farbauswahl – dem Vorgänger verdammt ähnlich. Neu: Der A15 Bionic Chip soll 50 Prozent schneller sein als das alte Modell. Die Kamera bekommt einen 12-Megapixel-Hauptsensor und eine Ultraweitwinkel-Optik. Die Batterie werde 2,5 Stunden länger halten als beim Vorgänger, heißt es.

  • Zudem wurden auch wieder iPhone Pro-Modelle präsentiert. Diese haben eine bessere Kamera, ein besseres Display und einen stärkeren Akku.

Apple Watch Series 7  © dpa
  • Das Einsteiger-iPad ist nun 20 Prozent schneller als sein Vorgänger. Zudem wurde ein neues iPad mini präsentiert.

  • Die Apple Watch Series 7 hat nun ein neues Display und ist bis zu 70 Prozent schneller. Zudem wurde das Betriebssystem überarbeitet.

Fazit: Der Revolutionär ist tot. Es lebe die Reformation.

Anja-Isabel Dotzenrath © dpa

Die Managerin Anja-Isabel Dotzenrath hat einen neuen Arbeitgeber gefunden: Ab dem 1. März 2022 übernimmt sie beim Ölkonzern BP die Aufgabe als Executive Vice President Gas & Low Carbon Energy und wird Mitglied des globalen Vorstands. Ihr Vorgänger Dev Sanyal wird das Unternehmen Ende 2021 verlassen.

Bis Ende August hatte Dotzenrath das Erneuerbare-Energien-Geschäft von RWE geleitet und war zuvor in ähnlicher Funktion für E.on tätig. Ihr Abgang überraschte, da sie erst 2019 den Posten bei RWE übernommen hatte und nun bereits nach eineinhalb Jahren „auf eigenen Wunsch“ wieder ging.

Wie es in Kreisen des Konzerns heißt, strebte die Managerin schon dort in den Vorstand, sei letztlich aber wohl hingehalten worden, wie das „Handelsblatt“ berichtet. Wir lernen: Vielleicht sollten die Großkonzerne die Frauenquote nicht als bürokratische Qual, sondern als Gelegenheit zur Erneuerung begreifen. Wer sie nicht nutzt, hängt sich selber ab.

Anja-Isabel Dotzenrath © RWE
Worin wir Journalisten besser werden müssen

Alev Doğan spricht mit Investigativ-Reporter Yassin Musharbash

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Veröffentlicht in Der 8. Tag von Alev Doğan.

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Alexandria Ocasio-Cortez bei der Met-Gala © imago

Die Met-Gala in New York gilt als das wichtigste Event der Modeindustrie und wird deshalb auch „Oscar der Modebranche“ genannt. Die Besucher tragen meterlange Roben, paillettenbesetzte Kleider oder auch mal einen Hauch von Nichts.

Zwischen all diesen extravaganten Kostümen schaffte es bei der gestrigen Gala ausgerechnet die New Yorker Politikerin Alexandria Ocasio-Cortez mit ihrem Outfit den Kontrapunkt zu setzen. Die Demokratin, die auch AOC genannt wird, trug ein Kleid, auf dessen Rückseite mit roter Schrift geschrieben stand:

Tax the Rich.

Die politische Botschaft, doch den Reichen ins Porte­mon­naie zu greifen, dürfte nicht allen gefallen haben: Das Event ist ein Magnet für Superreiche, das Ticket kostet mindestens 30.000 Dollar.

Tatsächlich aber könnte AOCs Forderung bald schon Realität werden. Denn die Demokraten möchten ein billionenschweres Sozialpaket durch den Kongress bringen und fordern zur Gegenfinanzierung höhere Steuern. Zwar sollen Erbschaften und Vermögen verschont bleiben – Bezos, Gates und Zuckerberg können also aufatmen.

Stattdessen sollen jedoch Vielverdiener verstärkt zur Kasse gebeten werden. Einkommen über 450.000 Dollar, oder 400.000 Dollar für Unverheiratete, sollen demnach mit 39,6 Prozent besteuert werden. Derzeit liegt der Spitzensteuersatz bei 37 Prozent. Der Spitzensteuersatz für Kapitalerträge soll von 20 Prozent auf 25 Prozent steigen.

Die linke Demokratin würde sich bei SPD und Grünen pudelwohl fühlen – und sollte ihr New Yorker Galakleid vielleicht an Saskia Esken weiterreichen.

Tax the Rich - mit Saskia Esken © Montage: imago/The Pioneer

Ich wünsche Saskia Esken und uns allen einen selbstironischen Start in den Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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