Der Impfgipfel: Interview mit Bayer-Chef Werner Baumann

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Guten Morgen,

die gute Nachricht lautet: Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten haben verstanden, dass ihre bisherige Bummelei bei der Impfstoffbeschaffung kein gutes Ende nehmen wird – nicht für das Land und nicht für sie persönlich. Europa darf nicht die Ausrede für nationales Nichtstun sein. Das haben die Bürger – vermittelt über die sozialen, nicht die klassischen Medien – den Amtsinhabern mitgeteilt.

Die schlechte Nachricht: Die Fehler einer apathischen EU-Bürokratie und ihrer zögerlichen Vertragspolitik lassen sich nicht über Nacht ungeschehen machen. „Wunder werden da jetzt nicht passieren”, fasste Merkel die Gespräche beim Impfgipfel zusammen.

Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder übte sich in Wahrhaftigkeit:

Im ersten Quartal gibt es nicht mehr an Impfstoff. Das steht fest. Wir werden den Rückstand gegenüber den anderen nicht aufholen.

 © dpa

Aber: Der Weckruf hat dennoch positive Folgen für den weiteren Verlauf der Pandemiebekämpfung. Die Politik kümmert sich mittlerweile intensiv um die Erhöhung der Impfdosen, wie aus einer Übersicht des Gesundheitsministeriums hervorgeht:

  • Für das laufende Quartal sind 18,3 Millionen Dosen vorgesehen.

  • Im zweiten Quartal sollen laut Schätzungen 77,1 Millionen Dosen folgen.

  • Im dritten Quartal könnten 126,6 Millionen Dosen verschiedener Hersteller hinzukommen.

Eine Infografik mit dem Titel: Wer bekommt was?

Anzahl der Impfdosen je Bundesland, kumuliert bis Ende Februar, in Tausend

  • Im vierten Quartal werden – wenn die entsprechenden Zulassungen erteilt werden – nochmal 100,2 Millionen Dosen folgen.

  • Wenn im Dezember die Bayer AG in die Produktion des CureVac-Impfstoffes einsteigt (der bisher noch nicht zugelassen ist), dann ist in 2022 mit weiteren 160 Millionen Impfdosen allein aus dieser Kooperation zu rechnen.

Fazit: Die Kritik am „Placebo-Gipfel“ („Spiegel“) ist unlauter, denn das Impftempo dürfte in absehbarer Zeit deutlich erhöht werden. Das Präzisionsuhrwerk der Bürokratie, angetrieben von aufgeschreckten Politikern und einer innovationsfreudigen Pharmawirtschaft, ist angesprungen. Der geballte Unmut von gestern schafft den Durchbruch von morgen.

Der (Krisen-)Impfplan

Biontech will mehr Impfdosen liefern. Wir haben in die Präsentation vom Impfgipfel geschaut.

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Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Michael Bröcker Gordon Repinski .

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 © dpa

Die Verliererin des Impfgipfels ist EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Sie soll nach dem Willen der Union im Bundestag dem Gesundheitsausschuss Rede und Antwort stehen. Der Ausschuss-Vorsitzende Erwin Rüddel (CDU) begründet die Forderung im Gespräch mit ThePioneer so:

Um den gesamten Prozess aufzuarbeiten und Transparenz zu schaffen, halten wir es für wichtig, Informationen aus erster Hand zu bekommen.

Ursula von der Leyen ist über diesen Wunsch bereits informiert: „Die CDU/CSU-Fraktion möchte noch im Laufe dieser Woche oder zu Beginn der kommenden Woche ein Gespräch mit der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, führen“, heißt es in einer E-Mail des Ausschusssekretariats, die ihr übermittelt wurde. Defacto handelt es sich um eine Vorladung.

 © imago

Wenige Stunden vor dem Impfgipfel zeigte sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn an der Seite von CDU-Chef Armin Laschet auf einer digitalen Pressekonferenz mit dem Vorstandsmitglied des Pharmariesen Bayer, Stefan Oelrich, und dem CEO des Tübinger Unternehmens CureVac, Franz-Werner Haas. Der Hintergrund: Bayer steigt massiv in die Impfstoffproduktion ein. Laschet sagte:

Es ist etwas Besonderes, was wir heute als Zusage bekommen.

Über diese Besonderheit, nämlich eine deutsche Impfstoff-Allianz, spreche ich im Morning Briefing Podcast mit Bayer-Chef Werner Baumann. Er sagt:

Der Bedarf ist riesig und er wird unserer Einschätzung nach auch in den nächsten Jahren anhalten. Möglicherweise sind wir bereits zum Jahresende in der Lage, die ersten Impfstoff-Dosen auszuliefern.

Die Aufgabenteilung ist klar: CureVac forscht, Bayer produziert und vertreibt:

Wir haben die Möglichkeit, in alle Länder dieser Welt zu liefern. Wir haben die entsprechenden medizinischen Abteilungen, die Nebenwirkungen aufnehmen können. Wir haben die Abteilungen, die in der Regulierung bei der Zulassung unterstützen können. Wir füllen auch ab. Aber in der Produktion ist es tatsächlich ein neuer Schritt, bei dem wir uns erst überzeugen mussten, dass wir es können.

Der Bayer-CEO über seine Ambition:

Für 2022 ist es unser Ziel, 160 Millionen Dosen zu liefern.

Über die Möglichkeiten und die Grenzen der Kooperation sagt er:

BioNTech, Moderna oder CureVac arbeiten seit fast 20 Jahren an dieser Technologie und haben da hervorragende Expertise. Die nutzen wir. Selbst überlegen wir derzeit nicht, in diese Technologie aktiv und im großen Stil einzusteigen.

Werner Baumann, CEO von Bayer AG © dpa

Der Pharmariese aus Leverkusen verfolgt andere Prioritäten. So setzt man nach der im August 2019 erfolgten Übernahme des amerikanischen Zelltherapieentwicklers BlueRock Therapeutics auf einen Durchbruch im Kampf gegen die Schüttelkrankeit Parkinson, an der weltweit rund 4,1 Millionen Menschen leiden. Wie nebenbei kündigt Werner Baumann eine Sensation an:

Wir haben über die Akquisition das erste Medikament, was jetzt auch am Menschen getestet werden kann, das gegebenenfalls Parkinson heilen kann. Wir reden nicht davon, einen chronischen Krankheitszustand in der Therapie etwas zu verbessern und die Symptome zu lindern, sondern wir reden möglicherweise von echter Heilung. Und das in einem Krankheitsgebiet, indem es seit 60 Jahren keine Innovationen gegeben hat.

Fazit: Die deutsche Pharmaindustrie – die kleinen Start-ups und der Riese – sind auf Zack. Die Impfstoffversorgung wird gelingen. Es ist an der Zeit, Zweifel in Zuversicht zu verwandeln.

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An den Börsen steht CureVac ebenso wie die Biotechnologiefirma BioNTech hoch im Kurs, während ihre Produktions- und Vertriebspartner Pfizer und Bayer kaum profitieren. Das liegt vor allem an der unterschiedlichen Relevanz der Impfstoffproduktion für das jeweilige Geschäftsmodell.

Eine Infografik mit dem Titel: Die deutsche Impf-Allianz

Kursentwicklung der Bayer- und CureVac-Aktie seit dem 5. Januar, indexiert in Prozent

CureVac beispielsweise ist eine Forschungsfirma mit rund 500 Mitarbeitern, die bis heute kein verkaufsfähiges Produkt am Start hat. Bayer ist ein diversifiziertes Unternehmen, das mit weltweit 100.600 Mitarbeitern in drei Geschäftsfeldern und 87 Ländern forscht und produziert. Die Leverkusener führen keinerlei Impfstoffe im Sortiment und werden für die Kooperation mit CureVac maximal 1000 Mitarbeiter, also nur ein Prozent der Belegschaft, abstellen. Das bedeutet: Die Impfstoffproduktion ist gesellschaftlich relevant, aber nicht betriebswirtschaftlich.

Eine Infografik mit dem Titel: Der amerikanische Freund

Kursentwicklung der Pfizer- und BioNTech-Aktie seit dem 5. Januar, indexiert in Prozent

BioNTech zählt derweil 1300 Mitarbeiter. Seit Dezember vergangenen Jahres werden die Impfstoffe der Mainzer erfolgreich verabreicht. Der Kooperationspartner Pfizer ist ein weltweiter Pharmakonzern mit über 90.000 Mitarbeitern und bringt ein Netzwerk für klinische Studien, ausreichend Kapital und globale Produktionskapazitäten mit. Kerngeschäft bildet jedoch weiterhin die Produktion von mehr als 130 Medikamenten – vom Potenzmittel Viagra bis zum Krebsmedikament Ibrance – die in 156 Länder geliefert werden.

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Veröffentlicht von Paul Welfens .

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Knapp acht Prozent aller Wahlberechtigten in Deutschland vertreten „manifest rechtsextreme Einstellungen”. Bei Anhängern der AfD ist der Anteil fast viermal so hoch. Das ist das Ergebnis einer von der Bertelsmann-Stiftung in Auftrag gegebenen und vom Meinungsforschungsinstitut YouGov durchgeführten Umfrage.

Um rechtsextreme Einstellungen zu messen, wurden 10.055 Wahlberechtigte aufgefordert, sich zu Aussagen wie „Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert“ oder „Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet“ zu positionieren. Die Antwortmöglichkeiten reichten von „lehne ich völlig ab“ über „teils/teils“ bis zu „stimme voll und ganz zu“. Die abgegebenen Antworten wurden im Anschluss über einen Index in die Kategorien „manifest“ und „latent“ beziehungsweise „nicht rechtsextrem“ unterteilt.

Die wichtigsten Ergebnisse:

  • „Manifest rechtsextreme“ Einstellungen finden sich demnach bei 29 Prozent der Befragten, die beabsichtigten, AfD zu wählen. Heißt konkret: Fast jeder dritte Wähler der AfD besitzt ein rechtsextremes Weltbild.

Eine Infografik mit dem Titel: Druck vom rechten Rand

Verteilung von rechtsextremen Einstellungen bei deutschen Wählern, in Prozent

  • Unter den Anhängern von CDU und CSU äußern sich sechs Prozent in ähnlicher Weise. In der Wählerschaft von Linke und FDP liegt der Anteil bei jeweils fünf Prozent. Niedriger war der Wert, der für die Wähler von SPD (vier Prozent) und Grünen (zwei Prozent) gemessen wurde.

Dr. Robert Vehrkamp, Senior Adviser bei der Bertelsmann-Stiftung und Autor der Studie, schätzt die Entwicklung der AfD im Gespräch mit der Morning Briefing Redaktion folgendermaßen ein:

Aus der rechtspopulistischen Mobilisierungsbewegung der Bundestagswahl 2017 ist vor der Bundestagswahl 2021 eine mehrheitlich von latent oder manifest rechtsextremen Einstellungen geprägte Wählerpartei geworden.

Die Unterstützer, die die AfD jetzt verlassen, sind eher die populistisch mobilisierten Wähler aus der Mitte. Sie wechseln zurück in das Segment der Nichtwähler oder zu den etablierten Parteien.

Schlussfolgerung 1: In diesen Daten manifestiert sich die Selbstradikalisierung der AfD, die von einem Drittel der Wähler begrüßt und damit zugleich befördert wird. Ein Björn Höcke ist im Zuge dieser Entwicklung vom Rand ins Zentrum seiner Partei gerückt.

Schlussfolgerung 2: Für CDU, CSU und FDP bedeutet das: Finger weg von jeglicher Form der Zusammenarbeit. Mit dieser AfD ist ein Staat zu machen – aber kein demokratischer.

Schlussfolgerung 3: Die AfD ist rechts, aber ihre Themen – Integrationsprobleme, innere Sicherheit und Geldwertstabilität – sind es nicht. Die bürgerliche Mitte sollte sich der AfD verweigern – aber nicht den Problemen, die sie groß gemacht haben.

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Der Höhenflug des Silberpreises hält an: Am Montag verteuerte sich das Edelmetall zwischenzeitlich um über acht Prozent auf ein Acht-Jahres-Hoch von 30,03 Dollar je Feinunze (rund 31,1 Gramm). Allein seit Ende vergangener Woche hat der Silberpreis rund 15 Prozent zugelegt.

Wie zuvor bei GameStop wurde der Kurs von Hobby-Spekulanten auf der Onlineplattform Reddit angetrieben, die sich im Forum „Wallstreetbets“ organisierten. Der Aufruf auf der Plattform lautete übersetzt:

Der größte Short Squeeze auf der Welt, Silber von 25 auf 1000 Dollar.

EZB © dpa

Die Europäische Zentralbank (EZB) finanziert in mittlerweile erheblichem Umfang den italienischen Staat. Allein im Januar hat die europäische Notenbank im Zuge ihres Staatsanleihekaufprogramms überdurchschnittlich viele italienische Staatstitel erworben. Der Anteil öffentlicher Anleihen aus Italien am gesamten Kaufvolumen lag laut den nun veröffentlichten Daten der EZB bei 28,4 Prozent. Der Anteil Italiens am Kapitalschlüssel der EZB beträgt dagegen nur 17,0 Prozent.

Fazit: Eher legt sich ein Hund einen Wurstvorrat an, als dass Italien auch nur einen Euro spart.

 © dpa

Fast zwei Jahrzehnte leitete Dieter Kosslick mit der Berlinale eines der größten Filmfestivals der Welt. Jetzt hat der 72-Jährige seine Memoiren geschrieben. „Immer auf dem Teppich bleiben. Von magischen Momenten und der Zukunft des Kinos“ erscheint am heutigen Dienstag.

Kosslick, der seine Karriere als Redenschreiber des Ersten Hamburger Bürgermeisters Hans-Ulrich Klose begann und später als „Konkret“-Redakteur fortsetzte, leitete die Filmfestspiele von 2001 bis 2019. Der Schal und der Hut wurden seine Erkennungsmerkmale. In diesem Aufzug nahm er viele Schauspieler, Politiker und Kulturschaffende in Empfang. Darunter zum Beispiel im Jahr 2008 die Musiker der Rolling Stones.

Deren Management verlangte beim Berlin Aufenthalt absolute Ruhe für die Band. Als es in der Nähe des Hotels plötzlich eine Baustelle gab, und zwar die Großbaustelle des Humboldt-Forums, musste Kosslick ran. In seinen Memoiren schreibt er:

Ich griff zum Telefon, bestellte Bier für die Bauarbeiter-Mannschaft, und das „Regent” lieferte seine berühmten Sandwiches. Das war der Deal: Essen und Trinken und die Baustelle pausierte, wenn die Stones im Hotel waren.

Wird das Kino die Krise überstehen? „Ich glaube schon“, sagte Kosslick:

Viele Leute bemerken jetzt Dinge, die sie vorher vergessen haben. Ob das nun das Kochen ist oder die Kultur.

Ich wünsche Ihnen einen beherzten Start in den Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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