mitten im Frühling hat der Schlussverkauf begonnen: Aber nicht der von T-Shirts, Turnschuhen und Bademoden, sondern der von Dax-Konzernen und familiengeführten Unternehmen des Mittelstandes. Die Nebenwirkungen der Pandemie-Bekämpfung haben die Preise für die deutschen Unternehmen radikal gesenkt.
► ThyssenKrupp ist nur noch ein Schatten seiner selbst. 4,93 Euro wurde zuletzt pro Aktie aufgerufen, das bedeutet eine Marktkapitalisierung von 3,1 Milliarden Euro. Im Januar 2018, als der Konzern seine höchste Marktkapitalisierung der vergangenen Jahre vorweisen konnte, war das Unternehmen noch das Sechsfache wert. Vergangenheit vergeht.
► Beim Düngemittelkonzern K+S sieht es nicht besser aus. Lag die Marktkapitalisierung im Juni 2015 noch bei 7,4 Milliarden Euro, sind es mit einem Wert von einer Milliarde Euro heute 85 Prozent weniger. Der Abstieg eines Superstars.
► Der Modekonzern Boss kam im August 2015 noch auf einen Marktwert von 7,7 Milliarden Euro, gestern waren es nur noch 1,7 Milliarden – ein Minus von 78 Prozent. Die Amerikaner würden von einem blowout sale sprechen: Alles muss raus.
Eine Infografik mit dem Titel: Wirtschaft im Schlussverkauf
Marktkapitalisierung ausgewählter Konzerne zum Höchststand in den vergangenen fünf Jahren und heute, in Milliarden Euro
Insgesamt haben die Dax-gelisteten 30 Unternehmen seit dem Höchststand am 19. Februar dieses Jahres 21,5 Prozent ihrer Performance verloren. Und das ist nur der Durchschnittswert, der durch erfolgreiche Unternehmen wie SAP und Linde nach oben frisiert wird. Übernahmekandidaten erkennt man daran, dass sie weit überdurchschnittlich verloren haben und heute oft weniger wert sind, als der Buchwert in der Bilanz ausweist:
► War Daimler am 21. Mai 2015 noch 96,7 Milliarden Euro wert, waren es mit Börsenschluss gestern Abend nur noch 33,1 Milliarden Euro – ein Wertverfall von rund 66 Prozent.
© imagoÜberall da, wo kein starker Ankeraktionär vor feindlicher Übernahme schützt, wirken diese Schnäppchenpreise am Unternehmensmarkt wie ein Köder für ausländische Investoren. Dem aufmerksamen Chef des Kartellamtes sind die Begehrlichkeiten nicht entgangen. Im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ sagt Andreas Mundt:
Es kann durchaus eine Übernahmewelle geben.
© Marco UrbanDas wird kein Gang durch den Rosengarten. Denken sie an sogenannte Sanierungsfusionen, wenn Unternehmen in großer Not übernommen werden. Oder denken Sie an mögliche Übernahmen durch ausländische Großunternehmen, etwa durch chinesische Staatsunternehmen.
Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet ist in Sorge. Das Tafelsilber der Republik will er nicht freiwillig herausrücken. Beim Besuch auf der ThePioneer One sagte er gestern:
Wir sehen, dass es Übernahmen mittelständischer Betriebe gibt, insbesondere aus China. Da muss man einen sorgsamen Blick drauf haben.
Ein Algorithmus hat kein Coronavirus, der rechnet weiter. Er weiß genau, welches Unternehmen jetzt gefährdet ist, und darauf müssen wir einen Blick richten, dass nicht die Substanz unserer Volkswirtschaft ausverkauft wird.
Fazit: Das Virus hat die Probleme der deutschen Traditionsunternehmen nicht ausgelöst, nur sichtbar gemacht. Hierzulande spricht man gern von Industrie 4.0 und meint damit: Alles bleibt wie früher, nur besser. In Wahrheit aber lautet die Kapitelüberschrift im beginnenden 21. Jahrhundert: Digitalisierung 1.0.
Bei seinem Besuch auf unserem Redaktionsschiff ThePioneer One hat Armin Laschet gestern nicht nur über das Verhältnis zu China gesprochen, sondern auch über seine politischen Prioritäten, die in der Corona-Krise seit Wochen von der Linie der Bundeskanzlerin abweichen. ThePioneer-Chefredakteur Michael Bröcker und ich wollten vom amtierenden NRW-Ministerpräsidenten und Kandidaten für den CDU-Vorsitz wissen, ob es sich um einen kalkulierten Rollenwechsel handelt, welche Parameter er an die Pandemie-Politik anlegt und wie er sich die Zukunft des Landes vorstellt.
Über die Positionierung gegenüber der Kanzlerin spricht er im Morning Briefing Podcast von einem Unterschied „in einer Sachfrage; das ändert nichts an der Wertschätzung. Ich habe einen etwas anderen Akzent gesetzt, den inzwischen ja viele Kollegen teilen.“
Über die Pandemie-Politik von Bund und Ländern sagt er:
Ich glaube, dass man die Maßnahmen alle machen musste, aber dass wir eine Menge Schäden in der Gesellschaft angerichtet haben, und dass man früh auch über diese Schäden sprechen musste. Das war mein Anliegen, um zu einer ausgewogenen, abgewogenen Entscheidung zu kommen.
Eine Infografik mit dem Titel: Die Corona-Pandemie in Deutschland
Anzahl der Infizierungen insgesamt, der Genesenen, der aktuell Erkrankten und der Todesfälle
Die Corona-Politik könne nicht nur eine medizinisch-wissenschaftliche sein, so Laschet:
Es ist nicht nur eine virologische Frage, es ist auch eine ökonomische, eine ethische, eine soziologische, eine psychologische. Es hat also viele Wirkungen in der Gesellschaft – und das muss man dann am Ende zu einer Entscheidung führen.
Über die Beweggründe, eine allmähliche, aber eben doch spürbare Rückkehr zur Normalität einzuleiten, sagt er:
Am Anfang stand der Gedanke: Wenn man das macht, braucht man Maßstäbe, wie man auch wieder rauskommt.
© Marco UrbanUdo Di Fabio hat bei uns im Expertenrat gesagt: Die Grundrechtseinschränkungen waren begründbar mit der Drohung einer Katastrophe. Wenn aber die Infektionszahlen Woche für Woche niedriger sind, kann man nicht mehr in dem Maße Grundrechte einschränken. Und in der Phase sind wir jetzt, dass wir Grundrechtseingriffe wieder zurückfahren.
Wer für die billionenschweren Konjunkturprogramme am Ende zahlen wird, daraus macht Laschet keinen Hehl:
Die zahlt die nächste Generation.
Wer im Feuer steht – und das trifft auf Armin Laschet unbestritten zu – der kann verglühen. Die Hitze kann einen Politiker aber auch härten, was der Kanzlerwerdung nicht abträglich sein muss. Frage: Traut sich Armin Laschet auch das internationale Parkett zu, auf dem ihm nicht Landräte, Elternvertreter und IHK-Präsidenten gegenüber stehen, sondern Erdogan, Putin und Trump? Antwort Laschet:
© Marco UrbanBisher haben wir es ganz gut geschultert und ich glaube, auch andere Aufgaben kann man schultern.
Auffällig war, dass die rheinische Frohnatur Armin Laschet zwar auch diesmal nicht aufgeregt oder gar übellaunig wirkte, aber doch von tiefer Ernsthaftigkeit durchdrungen:
Jetzt ist keine Zeit für Fröhlichkeit.
Ein Begleitvideo vom Besuch Laschets auf der ThePioneer One finden Sie jetzt bei Twitter, Linkedin und Facebook. Der Klick lohnt sich!
Wir feiern aktuell die Wiedergeburt einer besonderen Spezies: die des Spinners. Rainald Becker vom Südwestrundfunk hat die Spinner zuerst entdeckt – im Umfeld der Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen:
All diesen Spinnern und Corona-Kritikern sei gesagt: Es wird keine Normalität mehr geben wie vorher.
Und auch der alte Waidmann der „Süddeutschen Zeitung“, Willi Winkler, zeigt Interesse an dieser Spezies. Er schaut ins Fernglas und sieht:
Es ist eben eine große Weltverschwörung, die von Bill Gates ausgeht. Und dafür gibt es so viele Anhänger, dass man nur den Kopf schütteln kann.
Doch Vorsicht: Wurde nicht schon beim Gründungsparteitag der Grünen im Januar 1980 viel wirres Zeug geredet:
© dpaWir fordern die Abschaffung der Schulpflicht.
Und Vorsicht auch beim Blick auf die Kunst. Wir kennen alle die Schlangen, die sich dreimal ums Museum wickeln, wenn Bilder von Vincent Van Gogh ausgestellt werden, einem Mann, der versucht hat, sich im Wahnsinn das eigene Ohr abzuschneiden.
Und wenn man auf die Gründung der Vereinigten Staaten schaut, dann war aus dem Blick vieler Engländer die Besatzung der Mayflower ein Haufen voller Spinner: religiöse Fanatiker, Separatisten und Anti-Royalisten.
Angesichts der öffentlichen Einheitsfront gegen das Potpourri der Corona-Demonstranten sollten wir uns selbst zur Gelassenheit ermuntern. Und vielleicht hat ja nicht die Kaste der politisch Hyperkorrekten recht, sondern der Schriftsteller George Bernard Shaw:
Was wir brauchen sind ein paar verrückte Leute, seht euch an, wohin uns die normalen gebracht haben.
Andrea Nahles soll ab August neue Präsidentin der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation werden, wie Leser des neuen Newsletters Hauptstadt - Das Briefing gestern als erstes erfahren konnten. Die Reaktionen auf die mit 150.000 Euro pro Jahr dotierte Anschlussverwendung der ehemaligen SPD-Chefin und Bundesarbeitsministerin, die sie ihrem Genossen und amtierenden Finanzminister Olaf Scholz zu verdanken hat, fallen verhalten aus.
Dieser Vorgang, so er vollzogen wird, würde sich in eine schier unendliche Geschichte von SPD-Versorgungsfällen einreihen,
kommentiert Thomas Sigmund im „Handelsblatt“.
Gegenüber dem „Tagesspiegel“ kommentiert der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke:
So sehr ich Andrea Nahles als führungsstarke Persönlichkeit kennengelernt habe, so sehr habe ich das Gefühl, dass diese Entscheidung, nach dem Wehrbeauftragten, ein weiteres sozialdemokratisches Rettungspaket ist.
Für Fahrgäste der Deutschen Bahn sind es Zeiten mit ungewohnt viel Reisekomfort: die Züge leer, sauber und pünktlich wie lange nicht. Doch das ist nur ein Teil der Corona-Wahrheit: Die kaum besetzten Züge stürzen den Staatskonzern in eine Finanzkrise.
Erst voriges Jahr hatte sich der Bund durchgerungen, die Bahn mit Milliarden zu päppeln – dem Klima zuliebe. Nun, im Zeichen der Pandemie, sieht sich die Regierung zur Nothilfe gezwungen. Weitere Milliarden sollen fließen.
© dpaAn diesem Freitag tagt der Aufsichtsrat. Dann geht es auch um das Hilfskonzept. In dem Papier von Verkehrs- sowie Finanzministerium wird für den Konzern aus heutiger Sicht ein Corona-Schaden von 11 bis 13,5 Milliarden Euro angenommen.
Der Bund plant demnach eine Eigenkapitalerhöhung beim größten Staatskonzern. Zwischen 6,9 und 8,4 Milliarden Euro könnten fließen. Außerdem soll dem hoch verschuldeten Konzern erlaubt werden, noch mehr Verbindlichkeiten anzuhäufen. Wir lernen: Das Sorgenkind der deutschen Verkehrspolitik ist nicht verschwunden, nur groß geworden.
Der Bahn-Vorstand und die Ebenen darunter sollen ebenfalls einen Beitrag zur Bewältigung der Krise leisten. „Beim Personalaufwand der Führungskräfte wird der Konzernvorstand für das Jahr 2020 keine variable Vergütung (Bonus) erhalten“, heißt es im Konzeptpapier, das meinen Kollegen vom Newsletter Hauptstadt - Das Briefing vorliegt. So sollen in diesem Jahr 150 bis 180 Millionen Euro eingespart werden.
In der zweiten Ausgabe des neuesten Newsletters aus der ThePioneer-Familie geht es auch um folgende Themen:
► Kanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron haben sich am Montagabend in einem Telefonat auf einen gemeinsamen Weg bei Lockerungen im deutsch-französischen Grenzverkehr verständigt. Warum aber zögert Horst Seehofer?
► Volker Wissing war FDP-Bundestagsabgeordneter und ist nun Vize-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. Jetzt will er zurück nach Berlin. Die Kollegen wissen, warum.
► Während des Lockdowns waren die Restaurants geschlossen – abgesehen vom Außer-Haus-Verkauf. Den Betrieben will die Regierung nun mit steuerlichen Anreizen helfen. Der Steuerrabatt gilt aber nicht für alles, was Gastronomen und Caterer servieren.
Heute lege ich ihnen den Newsletter noch einmal kostenfrei in ihr Postfach. Ab morgen können Sie den Newsletter Hauptstadt - Das Briefing immer werktags um 6.30 Uhr erhalten, wenn Sie sich als Pioneer angemeldet haben. Infos hier
Erstens. Die EU-Gesundheitsminister beraten ab 10 Uhr über die Arzneimittelversorgung in der aktuellen Ausnahmesituation. Für Deutschland will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn an der Videokonferenz teilnehmen.
Zweitens. In den USA wird sich der Immunologe und Regierungsberater Anthony Fauci Fragen von Senatoren stellen. Nach zwei Covid-19-Fällen im Weißen Haus hat sich Fauci vorsichtshalber in Isolation begeben. Er soll den Senatoren demnach über Videolink Rede und Antwort stehen.
Drittens. Die Verteidigungsminister der EU-Staaten wollen ab 15 Uhr in einer Videokonferenz über sicherheitspolitische Lehren der Pandemie beraten. Konkret soll es zum Beispiel um die Frage gehen, wie Streitkräfte künftig noch besser bei zivilen Krisen helfen können.
Viertens. Der französische Zughersteller Alstom will um 10.30 Uhr seine Zahlen für das Geschäftsjahr 2019/20 (zum 31.3.) präsentieren. Konzernchef Henri Poupart-Lafarge dürfte auch zum Stand der geplanten Fusion mit der Zugsparte des kanadischen Bombardier-Konzerns Stellung nehmen.
Fünftens. Nach zwei Monaten Corona-Pause öffnen ab 10 Uhr in Berlin wieder erste staatliche Museen. Auf der Museumsinsel werden zunächst die Alte Nationalgalerie, das Alte Museum und das Pergamon-Panorama ihre Türen für Besucherinnen und Besucher aufschließen.
Mit großem, zum Teil wirklich enthusiastischem Interesse wurde der Start der neuen Medienmarke ThePioneer zur Kenntnis genommen. Nicht von den etablierten Medien, das wäre zu viel verlangt. Wohl aber von unseren Leserinnen und Lesern, Hörerinnen und Hörern. Die neue Website ThePioneer.de ging denn auch gleich am frühen Vormittag in die Knie.
In dem Video „The opinion of others“ haben meine Tochter Timea und ich versucht, die Mission des ThePioneer-Projekts auf den Punkt zu bringen. Es geht um Toleranz, Meinungsvielfalt und das Aushalten des jeweils Anderen. In Zeiten der Polarisierung ist die Kulturtechnik des Zuhörens aktueller denn je: Die Meinung des anderen gehört nicht verboten, sondern gefeiert. Das Schlüsselwort heißt nicht Zustimmung, sondern Respekt.
In diesem Sinne möchte ich Sie einladen, Teil dieser Reise zu sein. Begleiten Sie ThePioneer-Chefredakteur Michael Bröcker und unser Team. Helfen Sie mit, in Deutschland einen demokratischen Journalismus zu etablieren, der das Wissen und die Erfahrung des Bürgertums fruchtbar macht – und diesen schönen und für die Demokratie wichtigen Beruf des Journalisten für alle öffnet und damit aus seiner Erstarrung befreit.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen kraftvollen Start in diesen neuen Tag. Wenn Sie wollen, schreiben Sie mir: morning-briefing@mediapioneer.com
Es grüßt Sie auf das Herzlichste Ihr