Klimapaket: Zwickt, aber schmerzt nicht

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 © ThePioneer

Guten Morgen,

das Klimaschutzpaket der Großen Koalition erfreut sich großer Unbeliebtheit – und zwar auf allen Seiten des politischen Spektrums. Das wiederum könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Dosierung gelungen ist. Das Paket zwickt, aber schmerzt nicht. Es gibt tausend giftige Kritiker, aber unter den Kernwählern von Union und SPD keine Opfer.

Am effektivsten für den Klimaschutz dürften jene Punkte sein, die mit finanzieller Bestrafung der Bürger zumindest drohen:

CO2 bekommt einen Preis der Kleidergröße Super-Small. Wer durch den Verbrauch von Benzin, Diesel, Heizöl oder Erdgas Kohlendioxid in die Luft bläst, muss ab dem Jahr 2021 dafür bezahlen – zehn Euro pro Tonne CO2 werden zunächst fällig. Bis 2025 soll der Betrag auf 35 Euro steigen.

Eine Infografik mit dem Titel: Kleiner Preis, kleine Wirkung

DIW-Prognose für jährliches CO₂-Ersparnis bei einem Preis von 10 Euro/Tonne und Einsparziel der Bundesregierung von 115 Tonnen bis 2020.

► Der Liter Kraftstoff soll zunächst um drei Cent teurer werden, 2025 dürften es etwa zwölf Cent sein. Die Autofahrer, die sich schon von der rot-grünen Ökosteuer in Höhe von 20 Milliarden Euro jährlich nicht haben erschrecken lassen, werden diesen Aufschlag kaum spüren.

► 2021 will die Regierung auch die Kfz-Steuer anpassen: Autos mit höherem CO2-Ausstoß sollen stärker besteuert werden als andere. In der Vorstellung des Kabinetts werden dadurch neue Anreize für E-Autos geschaffen, für die auch die Dienstwagensteuer gesenkt wird. Falls die Batterien leistungsfähiger und die Ladestationen häufiger werden, könnte dieser Plan aufgehen. Elektro ist der neue Diesel.

► Auch im Flugverkehr zieht die Regierung die Preise an: Die Luftverkehrsabgabe soll moderat erhöht werden. Zudem will die Große Koalition festlegen, dass die Flugpreise zukünftig mindestens so hoch sind wie Gebühren, Steuern und andere Entgelte der Fliegerei. Beim Ticket-Dumping wird damit eine Untergrenze eingezogen.

 © dpa

Keine Strafe ohne Belohnung. Denn um die Bilanz für das politische Klima in Deutschland ausgewogen zu halten, hat das Klimakabinett im selben Atemzug auch ökologische Wohltaten beschlossen:

► Flüge werden teurer, damit die Bahn günstiger werden kann. Die Senkung der Mehrwertsteuer auf Bahntickets im Fernverkehr soll den ICE attraktiver machen als die Auto- und die Landebahn. Der Staatskonzern muss die zehnprozentige Preissenkung vollständig an die Kunden weitergeben und auf eine Preiserhöhung im nächsten Jahr verzichten.

► Zudem erhält die Bahn über die Erhöhung des Eigenkapitals bis 2030 einen jährlichen Zuschuss von einer Milliarde Euro, um sich zu modernisieren. Plus elf Milliarden: Das ist keine Kleinigkeit.

► Während der Sprit teurer wird, soll der Pendler entlastet werden. Autofahrer dürfen zukünftig 35 statt 30 Cent pro Kilometer Pendlerpauschale absetzen, allerdings erst ab dem 21. Kilometer und nur in den nächsten sechs Jahren. Der sozial- oder christ-demokratische Stammwähler im ländlichen Raum darf aufatmen.

Eine Infografik mit dem Titel: Strompreise auf Rekordniveau

Durchschnittlicher Strompreis für Privathaushalte, in Euro-Cent

► Um gegenüber Gas und Öl konkurrenzfähiger zu werden, soll der Strompreis sinken. 2021 und 2022 will man die Umlage aus dem Gesetz für erneuerbare Energien um jeweils 0,25 Cent pro Kilowattstunde absenken. 2023 um insgesamt 0,625 Cent. Die Umlage liegt derzeit bei 6,4 Cent pro Kilowattstunde und macht gut ein Fünftel des Strompreises aus.

Es ist diese Balance, die Kanzlerin Angela Merkel mit ihrem Satz „Politik ist das, was möglich ist“ gewürdigt sehen will. Es ist zugleich jene Ausgewogenheit, die den Sturmtrupp der grünen Revolution zur Raserei treibt. Die aktivistischen Wissenschaftler überboten sich übers Wochenende in der Ablehnung des Klimapakets.

Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung kritisiert:

Das Eckpunktepapier ist ein klares Politikversagen. Wir brauchen jetzt keine politischen Kompromisse, sondern Reduktionen.

Georg Teutsch vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig bemängelt:

Es gibt vielen Einzelmaßnahmen, von denen heute kein Mensch sagen kann, wie sie in der Summe wirken werden.

Brigitte Knopf, Generalsekretärin des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change, wendet ein:

Die Regierung hat es verpasst, hier einen großen Wurf vorzulegen.

Eine Infografik mit dem Titel: CO₂-Ausstoß: Realität und Vision

Entwicklung der deutschen Treibhausgasemissionen seit 2005 und Ziele der Regierung, in Millionen Tonnen

Fazit: Die Regierung kann weder diesen hehren noch ihren eigenen Ansprüchen genügen. Sie hat ja schon Probleme, den Flugverkehr von Kanzlerin (Ziel: New York City) und Verteidigungsministerin (Washington D.C.) klimaschonend zu koordinieren, weshalb nun zwei Airbus-Maschinen hintereinander in die Staaten flogen.

Die neuzeitliche Flugscham jedenfalls hat das Kabinett noch nicht erreicht. Der alte Sponti-Spruch musste in seiner Neuinterpretation wie folgt lauten: Ist der Ruf erst ruiniert, fliegt es sich ganz ungeniert.

Wie aber sieht die Mobilität der Zukunft aus: Was tritt neben Auto, Flugzeug, Bus und Bahn? Andreas Scheuer, der seit 17 Jahren für die CSU im Bundestag sitzt und seit anderthalb Jahren das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur leitet, hat eine Vorstellung – jenseits der diskursiven Verbotszonen. Seine Leidenschaft, das wird im Gespräch für den Morning Briefing Podcast deutlich, gehört den neuen Technologien – und nicht der verkehrspolitischen Repression:

Manche wollen ihren Lebensstil anderen aufdrücken. Ich finde es weniger gut, wenn irgendein Aktivist mir ein Transparent hinhält und sagt, was ich darf und was nicht.

Scheuer, der den E-Scooter und den Taxi-Dienstleister Uber auf die deutsche Straße brachte, will den innerstädtischen Raum auch künftig für neue Mobilitätsanbieter öffnen – etwa für das Lastenfahrrad, das Hoverboard, das Flugtaxi und die Drohne. Für den Transport zwischen den Metropolen möchte er gern den Hyperloop ausprobieren, einen in den USA entwickelten Hochgeschwindigkeitsschlitten im unterirdischen Tunnel:

Wir müssen über neue Formen der Mobilität reden.

Das Klimapaket der Großen Koalition („Jedem Recht getan ist eine Kunst, die niemand kann“) verteidigt er auch mit Blick auf die geplanten Investitionen in die Bahn. Denn mit 86 Milliarden Euro für die kommenden zehn Jahre und nun weiteren elf Milliarden handle es sich um das größte Investitionsprogramm der Bahn seit ihrem Bestehen.

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Wir haben eine klare Botschaft an die Bahn, nämlich eine starke Schiene, eine wahre Bürgerbahn, nicht nur im Fernverkehr mit der Mehrwertsteuerreduzierung, sondern gepaart mit einem Elektrifizierungsprogramm auch für Nebenstrecken. Das ist das größte Investitions- und Wachstumsprogramm in der 180-jährigen Bahngeschichte.

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Auch über den letzten BMW von Franz Josef Strauß, der sich heute in Scheuers Passauer Privatgarage befindet, haben wir gesprochen. Manchmal ist Fortschritt eben nur ein anderes Wort für Abschied. Die Mobilität der Gegenwart jedenfalls (siehe Bild) hätte ein „Easy Rider“ wie Peter Fonda noch als Freiheitsberaubung empfunden. Gut, dass er den modernen Mann auf dem E-Scooter nicht mehr erleben musste.

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Donald Trump weiß: Von allen demokratischen Präsidentschaftsbewerbern ist Joe Biden sein gefährlichster Rivale. In aktuellen Umfragen liegt Biden mit rund 53 Prozent vor Trump, der derzeit nur rund 41 Prozent der Wähler erreicht.

Eine Infografik mit dem Titel: Biden vorn

Real Clear Politics-Index für ein Präsidentschaftsduell Joe Biden vs. Donald Trump

Nun sorgen Medienberichte für Wirbel in Washington: Ihnen zufolge soll Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Telefon aufgefordert haben, die Staatsanwaltschaft anzuweisen, eine geschlossene Akte wieder zu öffnen. In den Unterlagen der ukrainischen Ermittler nämlich findet sich der Name von Hunter Biden, Joe Bidens Sohn.

Es geht um einen alten Korruptionsverdacht, konkret um Geschäfte eines ukrainischen Gasunternehmens, für das Hunter damals arbeitete. Die Staatsanwaltschaft ermittelte, stellte ihre Untersuchungen 2015 aber ein. Der US-Vizepräsident zu dieser Zeit hieß Joe Biden. Trumps böser Verdacht: Der Demokrat könnte seine damalige Position ausgenutzt haben, um Druck auszuüben und so seinen Sohn zu schützen. Jetzt allerdings wird Trump selbst des Machtmissbrauchs bezichtigt.

Im Morning Briefing Podcast fasst unser US-Korrespondent Peter Ross Range die Affäre zusammen. Seine Kernaussage:

Der Fall könnte verheerend für Trump sein. Er hat den ukrainischen Präsidenten immerhin acht Mal dazu aufgefordert, eine Anti-Korruptionskampagne gegen Joe Bidens Sohn zu starten.

Viele in den USA, darunter wichtige Kolumnisten, sind jetzt ins Lager derer gewechselt, die ein Amtsenthebungsverfahren fordern. Das hat für großes Aufsehen in Washington gesorgt.

CSU-Europapolitiker Manfred Weber © dpa

Manfred Weber, gescheiterter Kandidat bei der Wahl zum EU-Kommissionschef und Vize-Vorsitzender der CSU, hat sich nach seiner Niederlage in der „Welt am Sonntag“ zurückgemeldet – neuerdings trägt er Großstadtbart und grüne Trachtenjacke. Nun fordert er für das Jahr 2021 eine schwarz-grüne Bundesregierung. Ein solches Bündnis würde einer aktuellen Forsa-Umfrage zufolge auf 49 Prozent der Zweitstimmen kommen. Weber sagt:

Ich bin davon überzeugt, dass Schwarz-Grün das eigentliche Zukunftsmodell für Deutschland ist.

Fazit: Die neue schwarz-grüne Marschroute von CSU-Chef Markus Söder setzt sich durch. Weber will erkennbar nicht der Letzte in der Kompanie sein – und marschiert beherzt voraus. Und wie nebenbei sorgt er so für seine eigene Anschlussfähigkeit. Ein Mann von gestern auf der Flucht nach vorn.

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Die Rettung von Thomas Cook ist gescheitert. Während sich derzeit weltweit rund 600.000 Kunden des britischen Reiseveranstalters im Urlaub befinden, hat das Management einen Insolvenzantrag gestellt. Der Betrieb wurde in Großbritannien mit sofortiger Wirkung eingestellt. Konzernchef Peter Fankhauser sprach in einer Erklärung von einem „tief traurigen Tag“ für den Konzern.

Die Cook-Pleite hat bereits jetzt eine historische Dimension: Nach Angaben des Senders BBC hatte die zivile Luftfahrtbehörde CAA für den Notfall am Sonntag zahlreiche Flugzeuge bereitgestellt. Damit laufe die „größte zivile Rückholaktion überhaupt“ an, um rund 150.000 Urlauber aus verschiedenen Ländern nach Hause zu holen.

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Es ist der erste messbare Erfolg des neuen britischen Premierministers Boris Johnson. Sein politischer Gegner Jeremy Corbyn liegt am Boden.

► In Umfragen rangiert dessen Labour-Partei bei nur noch 22 Prozent – und damit 15 Punkte hinter den regierenden Tories.

► Der 70-Jährige fährt in der Brexit-Frage einen Schlingerkurs, der niemanden überzeugt. Nur 31 Prozent der Befragten finden die Position von Labour in der Brexit-Frage klar. Bei den Tories sind es 76 Prozent.

► Engste Anhänger verlassen Corbyn: Gerade erst kündigte mit Andrew Fischer einer seiner Berater: „Ich glaube nicht mehr daran, dass wir erfolgreich sein werden.“

Die Alleingänge des Labour-Chefs werden ihm auch auf dem gerade begonnenen Parteitag angekreidet. Corbyn ist der Solist eines Parteikollektivs, das Alleingänge hasst. Oder um es mit Winston Churchill zu sagen: „Demokratie ist die Notwendigkeit, sich gelegentlich den Ansichten anderer Leute zu beugen.“

Ich wünsche Ihnen einen schwungvollen Start in diese neue Woche. Es grüßt Sie auf das Herzlichste Ihr

Pioneer Editor, Gründer & Herausgeber The Pioneer
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