Laschet im 2-Frontenkrieg

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Guten Morgen,

die Union führt Wahlkampf gegen sich selbst. Wichtige Spieler wie Friedrich Merz, Ralph Brinkhaus und Jens Spahn sind zwar nicht zufrieden, aber für den Moment befriedet. Das Problem ist die CSU, die mit Markus Söder an der Spitze nicht auf das gegnerische, sondern auf das eigene Tor stürmt.

Markus Söder und Markus Blume © dpa

„Natürlich stünden wir mit Markus Söder besser da“, sagte erst gestern CSU-Generalsekretär Markus Blume. Und er hat damit zumindest die demoskopische Wahrheit auf seiner Seite:

  • Laut der aktuellsten Forsa-Umfrage würde Söder bei einer Direktwahl des Bundeskanzlers 38 Prozent der Stimmen erhalten und damit das Rennen für sich entscheiden. Laschet kommt nur auf neun Prozent.

Eine Infografik mit dem Titel: Kanzlerfrage: Söder vorn

Umfragewerte zur Direktwahl des Bundeskanzlers, wenn Markus Söder Unions-Kandidat wäre, in Prozent

  • Im ARD-Deutschlandtrend schafft es der Mann aus Bayern auf Platz drei jener Politiker, mit denen der Bürger am zufriedensten ist. Vor ihm rangieren Angela Merkel und Olaf Scholz. 54 Prozent der Befragten schätzen seine Arbeit – die von Armin Laschet nur 20 Prozent.

  • Vor allem bei Führungskräften genießt Söder starken Rückhalt. Laut dem Allensbach-Führungskräfte-Panel von Januar dieses Jahres zogen 80 Prozent der Wirtschaftselite Söder als Kanzler vor.

Armin Laschet und Markus Söder © dpa

Diese Umfragen verwandelt einer wie Söder in jene Munition, die er wie eine guided missile ins Adenauer-Haus steuert. Sein Ziel ist nicht Olaf Scholz. Sein Ziel ist der verrutschte Kanzlerkandidat Armin Laschet. Söder hat weniger den 26. September im Auge als den Tag danach. Denn dann werden drei Dinge passieren:

1. Auch die CSU wird sich öffentlich rechtfertigen müssen für ein Wahlergebnis, das bundesweit nach jetzigem Stand keine fünf Prozent für den Bayern-Ableger der Konservativen bedeutet. Söder braucht dafür eine Erklärung. Laschet ist der perfekte Sündenbock.

Eine Infografik mit dem Titel: Der Absturz

Umfragewerte der Union zur Bundestagswahl seit dem 9. Januar 2021, in Prozent

2. Der in diesen Wochen verdeckt geführte Machtkampf der Schwesterparteien wird sehr bald und womöglich noch am Wahlabend auf offener Bühne zum Ausbruch kommen. Söder ist bereit, das bürgerliche Lager aus den Niederungen der Niederlage herauszuführen. Sein neues Ziel ist das alte: das Bundeskanzleramt. Laschet ist aus seiner Sicht kein Kanzler, sondern ein Hindernis, das es im zweiten Anlauf, also ab dem 27. September, zu überwinden gilt.

3. Sollte die Laschet-CDU – wider vielen Erwartungen und dank politischer Raffinesse – eine Koalition mit wem auch immer bilden können, wird die CSU auf eine dominante Rolle bestehen: Söder will und muss seinen eigenen Leuten zeigen, dass er auch in Berlin Beute machen kann.

Armin Laschet © dpa

Fazit: Armin Laschet hat einen komplizierten 2-Frontenkrieg zu bestehen. Der bereits sichtlich verwundete Kandidat wird von fremden Truppen und Teilen der eigenen Generalität angegriffen. Rund ums Konrad-Adenauer-Haus haben die Bayern Stolperdraht gespannt. Vor dem Kanzleramt warten die Scharfschützen des Olaf Scholz. Das heimliche Motto von Söder und Scholz lautet: getrennt marschieren, vereint schlagen.

Wenn Armin Laschet und Markus Söder auf dem CSU-Parteitag am Wochenende einander die ewige Treue schwören, sollten wir den Fernsehbildern misstrauen. Die Wahrheit liegt nicht in, sondern hinter den Bildern. Oder wie Oscar Wilde einst sagte:

Eine Maske verrät uns mehr als ein Gesicht.

Markus Söder als Ludwig II © dpa

Am Samstagmorgen beginnt die Deutschland-Expedition der PioneerOne in Ludwigshafen: BASF-Chef Martin Brudermüller wird unser erster Gast sein.

Es folgen wichtige Politiker, Schriftstellerinnen und Wirtschaftsgrößen. In Köln steigt Bayer-Vorstandschef Werner Baumann dazu, in Wolfsburg VW-Konzernchef Herbert Diess.

Und Chelsea Speaker wird – vor Publikum und damit live – zusammen mit Sigmar Gabriel eine neue Folge des World Briefing produzieren.

Das ganze Team freut sich unfassbar auf die vielen spannenden Gäste und auf den Austausch mit unseren Pioneers. Unser Motto haben wir bei Hannah Arendt entliehen: Wahrheit gibt es nur zu zweien.

Armin Laschet © dpa

Die Social-Media-Aktivitäten eines Politikers spiegeln selten seine wahren Absichten wider. Aber sie zeigen zumindest seine Ambition. Und diese Ambition – das kann man auf Facebook und Instagram verfolgen – lässt nach. Der Kandidat Laschet glimmt noch, aber er brennt nicht mehr.

Eine Infografik mit dem Titel: Kampagne im Abklingen?

Facebook-Posts pro Woche von Armin Laschet in den vergangenen zwölf Wochen

Die Untypische

Unangepasst, direkt, offen. Silvia Breher ist die Überraschung im Zukunftsteam von Armin Laschet.

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Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Michael Bröcker .

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Olaf Scholz © dpa

Den Kurznachrichtenkanal Twitter könnten sich die Politiker auch schenken. Das ergibt eine Erhebung der Medienanalysefirma Unicepta im Auftrag von ThePioneer:

  • Der gebeutelte Laschet wird hier keine Linderung seiner Schmerzen erfahren: 37,5 Prozent der Äußerungen, die den Unions-Kandidaten thematisch aufgreifen, tauchen ihn in ein negatives Licht. Lediglich 8,3 Prozent reden positiv über den Unions-Kandidaten.

Eine Infografik mit dem Titel: Twitter: Netzwerk der Negativisten

Stimmung der Twitter-Posts in Bezug auf die Kanzler-Kandidaten, in Prozent

  • Auch Annalena Baerbock und Olaf Scholz erfahren im Twitter-Feed keine nennenswerte Unterstützung. Im Urteil überwiegen die negativen Töne.

Fazit: Die Twitter-Community in Deutschland zeichnet sich vor allem durch ihre Übellaunigkeit aus. Hier will man nicht fair, sondern gemein sein. Twitter ist, der Werber Jean-Remy von Matt hat es prophezeit, die Toilettentür des Politikbetriebes.

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Anthony Fauci © dpa

Die USA läuft Gefahr, sich zu einem Brutkasten für tödliche Virusvarianten zu entwickeln, erklärt Anthony Fauci, Präsident Bidens medizinischer Chefberater. Rund 160.000 tägliche Neuinfektionen – Tendenz steigend – zählen die Amerikaner derzeit. Eine Zahl, mit der das Land nicht leben könne, so Fauci.

Obwohl immer mehr Menschen – die vollständige Impfquote liegt in den USA bei 54 Prozent – vor einem ernsthaften Krankheitsverlauf geschützt seien, dürfe man beim Impfen nicht ins Stocken geraten. Fauci warnt: Je länger die Pandemie anhält, desto wahrscheinlicher wird es, einer „Monster-Variante“ zu begegnen – resistent gegen den derzeitigen Impfstoff und einfacher übertragbar. Nach Angaben des Centers for Disease Control and Prevention haben 27 Prozent der anspruchsberechtigten US-Bevölkerung im Alter von über zwölf Jahren noch keine Impfung erhalten.

Joe Biden © dpa

Daher greift Präsident Joe Biden jetzt zu aggressiven Maßnahmen: Gestern verlangte er per Durchführungsverordnung, dass die große Mehrheit der Bundesbediensteten und Auftragnehmer, die mit der Regierung zusammenarbeiten, gegen das Coronavirus geimpft werden müssen. Dazu gehören auch Mitglieder der Streitkräfte. Insgesamt geht es um über vier Millionen Menschen. Für sie und andere gilt: Der Impfzwang kommt nicht durch die Hintertür, sondern durch die Hauptpforte.

 © dpa © dpa

Am morgigen Samstag jähren sich die Terroranschläge auf das World Trade Center und das Pentagon zum 20. Mal. Manche sagen, die Attacken auf die Twin Towers und das US-Verteidigungsministerium hätten die Welt verändert. Der damalige US-Präsident George W. Bush gab noch am selben Abend in seiner Ansprache an die Nation die Marsch- und Denkrichtung vor: Auge um Auge, Zahn um Zahn.

The United States will hunt down and punish those responsible for these cowardly attacks.

George W. Bush am Tag der Terroranschläge in der Air Force One © imago

Die Jagd auf Osama bin Laden begann. Der Kopf der Terrororganisation Al-Qaida, die die Anschläge geplant und durchgeführt hatte, versteckte sich damals unter dem Schutz der Taliban in Afghanistan. Erstmals in der Geschichte wurde der Nato-Bündnisfall ausgerufen. Rund zwei Monate nach dem 11. September erteilte der Bundestag das Mandat für fast 4.000 Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten, an der Operation „Enduring Freedom“ teilzunehmen.

Verteidigungsminister war damals Rudolf Scharping. Wie schaut der 73-Jährige heute auf den 11. September 2001 zurück? Und welche Fehler sind während des Afghanistan-Einsatzes gemacht worden? Darüber hat mein Kollege Gordon Repinski im Morning Briefing-Podcast, der von der „Welt“-Chefredakteurin Dagmar Rosenfeld präsentiert wird, mit dem ehemaligen SPD-Minister gesprochen.

Rudolf Scharping 2001 © dpa

Dass sich die Bundesregierung uneingeschränkt solidarisch mit den USA zeigen würde, war laut Scharping von Anfang an klar:

Wir wussten, das ist ein Angriff auf die Vereinigten Staaten von Nordamerika, das ist der Bündnisfall.

Deutsche Soldaten in Afghanistan © dpa

In Afghanistan ging es den USA und seinen Bündnispartnern nicht nur darum, die Feinde auszuschalten. Sie wollten Nation-Building betreiben, also aus Afghanistan erstmals in seiner Geschichte einen funktionierenden Staat machen. Doch die Ambitionen waren laut Scharping zu hochgesteckt:

Es gab eine sehr klare militärische Analyse, die sagte: Wir können nur Kabul und Umgebung schützen. Irgendwann später ist das dann ausgedehnt und in meinen Augen auch überdehnt worden.

Klick aufs Bild führt zur Podcast-Page

Aus dem Debakel am Hindukusch müsse man laut Scharping das Folgende lernen:

Dass Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nicht etwas ist, was man wie eine Maschine irgendwohin transportieren kann.

Weshalb Wahrheit Verhandlungssache ist

Alev Doğan spricht mit Filmregisseur Johannes Naber

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Veröffentlicht in Der 8. Tag von Alev Doğan.

Podcast mit der Laufzeit von

Francis Fukuyama © imago

Dahinter steckt immer ein kluger Übersetzer: Amerikas Star-Politologe Francis Fukuyama hat in der US-Zeitschrift „American Purpose“ eine Analyse zu den Folgen von 9/11 veröffentlicht, die heute ihren Weg in die FAZ findet.

Fukuyama macht in dem Text nicht den Terror des Osama bin Laden, sondern die Reaktion von US-Präsident George W. Bush auf dessen Terror für den Niedergang Amerikas verantwortlich.

Die langfristigen Folgen der amerikanischen Überreaktion auf die Anschläge vom 11. September sind fatal. Amerika hat Tausende Menschenleben geopfert und Abermilliarden Dollar aufgewendet, um sich vor einer überschaubaren Bedrohung zu schützen.

Auch der Versuch, die Irak-Invasion als Demokratisierung zu rechtfertigen, habe die Demokratie in den Augen vieler Menschen diskreditiert. Durch die Fokussierung auf den radikalen Islam habe Amerika die wachsende Bedrohung durch mächtigere Akteure wie Russland und China ebenso ignoriert wie die Probleme im eigenen Land, die sich in dieser Zeit verschärften.

Die zermürbenden Kriege im Irak und in Afghanistan haben den Populismus in Amerika und anderswo nicht verursacht, aber sie gehören auf die lange Liste von Eliteversagen.

Das Fazit des Francis Fukuyama:

Die daraus resultierende Schwächung des amerikanischen Einflusses in der Welt ist letztlich die wichtigste Hinterlassenschaft von 9/11.

Ich wünsche Ihnen einen nachdenklichen Start in das Wochenende. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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