Lichtblick im Lockdown

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Guten Morgen,

die Regierung hat sich im Irrgarten ihrer Inzidenzwerte verlaufen. Wie in Trance taumeln die Funktions- und Würdenträger in Berlin von einem Lockdown in den nächsten. Ein gestern Abend emittiertes Papier des Kanzleramtes schlägt ab einem Inzidenzwert von 100 eine nächtliche Ausgangssperre vor. Nur noch Menschen mit Passierschein dürften dann vor die Tür.

Mit den eigenen Verfehlungen in Sachen Corona-App, der nie umgesetzten Test- und der verpatzten Impfstrategie ist die Regierung großzügig, während sie das Volk auf immer neue Zumutungen einschwört: Wer jetzt Osterurlaub mache, so Olaf Scholz am Wochenende in der „Bild am Sonntag“, „gefährdet den Sommerurlaub von uns allen“. So wird der Bürger vom Opfer der Verhältnisse zu ihrem Täter umdefiniert.

Olaf Scholz © dpa

Und dennoch: Draußen im Land öffnet sich ein Reich der Möglichkeiten, in dem das Hoffen wieder erlaubt ist. Regional werden neuerdings unterschiedlichste Strategien probiert, die sich vom permanenten Lockdown spürbar unterscheiden:

So empfingen die Berliner Philharmoniker und das von Bertolt Brecht gegründete Berliner Ensemble am Wochenende erstmals wieder Gäste. Die Zuschauerränge waren im Sinne der Abstandsregeln ausgedünnt, jeder Besucher musste aus dem nahe gelegenen Testzentrum einen frischen Corona-Test vorlegen. Zuvor hatten Wissenschaftler der Charité ein Lüftungsskonzept für die beiden Spielstätten erarbeitet.

 © dpa

Im Berliner Ensemble wurde „Panikherz“ von Benjamin von Stuckrad-Barre aufgeführt und die Philharmoniker unter Leitung von Stardirigent Kirill Petrenko spielten Werke von Tschaikowsky und Rachmaninow.

Auch aus Rostock erreichten uns Bilder einer neuen Normalität. Der dortige Bürgermeister Claus Ruhe Madsen, ein Verfechter der No-Covid-Idee, ließ im Stadium die Vereine FC Hansa Rostock und den Halleschen FC spielen vor genau 777 glücklichen Zuschauern. Mit Unterstützung der eigenen Fans – das Anfeuern war erlaubt – siegte Rostock 1:0.

 © dpa

Tübingen, ebenfalls ein Ort, in dem noch selbst gedacht und gehandelt wird, zeigt, dass es anders geht: Es werden täglich 4000 Tests durchgeführt, die Zahl der Stationen erhöht sich ständig. Für die Bürgerinnen und Bürger mit negativem Test-Ergebnis stehen Geschäfte, Außengastronomie und sogar das örtliche Theater offen.

Boris Palmer © dpa

Im Interview mit ThePioneer-Vize-Chefredakteur Gordon Repinski erläutert der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer seine Strategie. Er sagt:

Wenn ich in der Stadt unterwegs bin, treffe ich glückliche Leute, die sagen, ich kann endlich mal wieder einen Tag richtig genießen.

Für Palmer sind die gegangenen Schritte auch wirtschaftlich logisch.

Gerade Kino, Theater und die Kultur haben am meisten gelitten.

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Palmers Fazit:

Es ging mir immer darum, den besseren Weg durch die Pandemie zu finden.

Boris Palmer © dpa

Das deutsche System, alles zu planen, zu genehmigen, zu bürokratisieren, stößt an seine Grenzen.

Die Kurzversion des Interviews hören Sie heute im Morning Briefing Podcast. Die Langfassung gibt es exklusiv auf ThePioneer.de.

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 © dpa

Der Unmut über die Regierenden entwickelt sich derzeit parallel zum Infektionsgeschehen exponentiell. Die Meinungsumfragen – zuletzt die von YouGov – zeigen deutlich den Stromabriss. Das sinkende Vertrauen in die Staatskunst der Regierung reflektiert vor allem die Unfähigkeit, eine schlagkräftige Impfkampagne zu organisieren.

Eine Infografik mit dem Titel: Zurück in den Urlaub

Umfragewerte zur Öffnung von Hotel- und Beherbergungsbetrieben in Deutschland, in Prozent

Eine Infografik mit dem Titel: Zurück ins Restaurant

Umfragewerte zur Öffnung von Restaurants und Kneipen in Deutschland, in Prozent

Würde in der Bundesrepublik mit gleicher Schlagzahl wie in den USA geimpft, wäre das Land bereits immunisiert. Zum Vergleich: In den USA wurden – Stand heute Morgen – 124,481,412 Millionen Impfdosen verabreicht; in Deutschland nur 10.473.852 – Stand 20. März.

 © New York Times

Fazit: Die dysfunktionale Staatlichkeit der USA, von der hierzulande oft die Rede ist, hat sich als leistungsfähiger erwiesen. Nicht mal mehr unsere Feindbilder funktionieren.

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Heute um 14 Uhr schalten sich die Ministerpräsidenten erneut mit der Bundeskanzlerin zusammen. Es deutet sich folgende Frontstellung an:

  • Angela Merkel will die Notbremse ziehen und Öffnungen zurücknehmen. Der Hintergrund sind die steigenden Infektionswerte. Ihr Stichwort lautet: Dritte Welle. Ihre Antwort: Lockdown plus Ausgangssperre.

  • Die SPD-regierten Länder Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und das CDU-geführte Schleswig-Holstein verweisen auf die regional sehr unterschiedliche Entwicklung des Infektionsgeschehens und drängen in Regionen mit niedrigen Inzidenzwerten auf weitere Öffnungsschritte, auch mit Blick auf Gartenlokale, Biergärten und Campingplätze. Ihr Stichwort: „Kontaktfreier Urlaub“.

Alle Details lesen Sie im Newsletter: „Hauptstadt – Das Briefing“ oder auf ThePioneer.de.

Willkommen im Jo-Jo-Lockdown!

Ausgangssperre, Reiseeinschränkungen: Bei der Ministerpräsidentenkonferenz drohen harte Einschnitte.

Briefing lesen

Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Michael Bröcker Gordon Repinski .

Briefing

Die Lage heute Morgen:

  • Die deutschen Gesundheitsämter haben dem Robert-Koch-Institut (RKI) in den vergangenen 24 Stunden 7709 Corona-Neuinfektionen gemeldet, zudem 50 weitere Todesfälle.

  • Die Sieben-Tage-Inzidenz steigt bundesweit auf über 100.

  • Mit mehr als 3000 belegten Betten liegt die Belastung der deutschen Intensivstationen – ein Parameter dafür, wie gut oder eben schlecht die Pandemie beherrscht wird – im Moment erneut so hoch wie zu den Spitzenzeiten in der ersten Welle im Frühjahr 2020.

Eine Infografik mit dem Titel: Die bunte Republik

Bestätigte Neuinfektionen je 100.000 Einwohner der vergangenen sieben Tage in deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten

  • Die EU wird laut der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorerst keinen Impfstoff für ärmere Länder zur Verfügung stellen. Sie sagt:

Jetzt gibt es erstmal einen ziemlichen Druck in den Mitgliedstaaten, selbst Impfstoff zu bekommen.

Ursula von der Leyen © dpa
  • In vielen europäischen Städten soll es am Mittwoch um zwölf Uhr mittags eine gemeinsame Schweigeminute im Gedenken an die Corona-Opfer geben.

Corona-Schock für Deutschlands Rentner

Analyse: Wie sich die Altersbezüge 2021 entwickeln.

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Veröffentlicht von Rasmus Buchsteiner.

Artikel

Alfred Sauter, 2000 © dpa

Der ehemalige bayerische Justizminister Alfred Sauter hat nach dem Auffliegen seiner Beteiligung an der Maskenaffäre alle (ehrenamtlichen) Parteiämter aufgegeben und lässt seine (Diäten erwirtschaftende) Mitgliedschaft in der Landtagsfraktion ruhen.

Die Generalstaatsanwaltschaft München führt gegen Sauter Korruptionsermittlungen, da er Geldbeträge von mehr als einer Million Euro durch Maskengeschäfte erhalten haben soll. Die Vorwürfe stehen im Zusammenhang mit den Geschäften des inzwischen aus der CSU ausgetretenen Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein, der wie Sauter aus dem schwäbischen Landkreis Günzburg stammt.

Beide bestreiten den Vorwurf illegal gehandelt zu haben und pochen auf die Unschuldsvermutung. Sauter beruft sich in seinem Schreiben an den CSU-Fraktionschef im Landtag Thomas Kreuzer auf seine anwaltliche Schweigepflicht. Beide Männer sind Juristen. Sauter schreibt:

Aufgrund Deiner eigenen Sachkunde weißt du, dass eine Befreiung von dieser Pflicht nicht in meiner Hand liegt und ich diesbezüglich auch nicht unter Druck gesetzt werden darf.

Joe Biden © dpa

In der Beziehung China/USA haben sich die Gewichte verschoben. Beim ersten amerikanisch-chinesischen Gipfeltreffen der Ära Biden/Harris war das zu hören und zu spüren:

Es trafen der chinesische Außenminister Wang Yi und der Außenbeauftragte der Kommunistischen Partei Yang Jiechi in Alaska mit dem Nationalen Sicherheitsberater der USA Jake Sullivan und dem neuen US-Außenminister Antony Blinken zusammen.

 © dpa

In den einleitenden Minuten, die Kameras waren noch zugelassen, drückte US-Außenminister Blinken seine „große Besorgnis“ gegenüber der chinesischen Außenpolitik aus. Er nannte die Cyberangriffe auf die USA, die Situation in Hongkong und Taiwan und die Unterdrückung der Uiguren. Seine Begründung:

Jede dieser Aktionen bedroht die regelbasierte Ordnung, die die globale Stabilität stützt. Sie sind deshalb nicht nur innere Angelegenheiten.

Antony Blinken © dpa

Was folgte, war eine 16-minütige Replik von Yang. Selten hat ein Diplomat die USA so öffentlich und so scharf attackiert. Er sprach Blinken direkt an und sagte:

Viele Bürger der USA haben wenig Zutrauen in die amerikanische Demokratie.

Was die Menschenrechte betrifft, sollten die USA zunächst ihre eigene Geschichte betrachten:

Die Menschenrechtsvorfälle (laut offizieller Übersetzung: ‚issues‛) der Vereinigten Staaten sind tief verwurzelt. Das gab es nicht erst in den letzten vier Jahren. Das Abschlachten von Afro-Amerikanern war schon immer ein Problem.

Yang Jiechi © dpa

Die US-Seite ist nicht qualifiziert, solche Vorwürfe zu machen. Sie waren es auch vor 20 oder 30 Jahren nicht. Das ist nicht die Art, wie man das chinesische Volk behandelt.

Und weiter:

Die USA repräsentieren nicht die Welt. Sie repräsentieren nur ihre Regierung.

Fazit: China betrachtet sich erkennbar nicht mehr als moralisches Entwicklungsland, sondern nun auch als Weltmacht der Werte. Diese Selbstermächtigung ist für die Experten der Machtpolitik eine logische, doch für die Freunde der bürgerlichen Freiheitsrechte keine gute Nachricht.

William Shatner als Captain Kirk und Leonard Nimoy als Spock © dpa

William Shatner wird heute 90. Berühmt wurde der kanadische Schauspieler durch die Rolle des Captain Kirk in „Raumschiff Enterprise“ Mitte der 60er. Geliebt wird der Raumschiffkapitän für seine lässigen Sprüche:

Risk is part of the game if you want to sit in that chair.

Die Serie spielte im 23. Jahrhundert. Auf der Erde wurden soziale und wirtschaftlich Spannungen überwunden und die Erforschung fremder Galaxien weckt einen neuen Entdeckergeist. Kirk sagte auf dem Weg zu neuen Abenteuern stets:

Where no man has gone before.

Die Crew der USS Enterprise, 1966 © dpa

Das bekannteste Zitat des coolen Kapitäns – das seine Renaissance immer dann erlebt, wenn die Verhältnisse auf der Erde einfach zu verrückt sind – lautet:

Beam me up, Scotty.

 © imago

Zu einer Zeit, in der Firmenchefs oft selbstgefällig, autoritär, vorsätzlich unnahbar und wenig empathisch waren, verkörperte Captain Kirk eine Sehnsuchtsfigur des Kommenden. Er lebte im „Raumschiff Enterprise“ das vor, was uns Erdlinge erst eine Galaxie später erreichte: die faire und im Kern menschliche Unternehmensführung, die dem Andersdenkenden, dem Andersgläubigen und dem Andersfarbigen nicht als Gegner, sondern als Freund begegnet.

Oder um es in seinen Worten zu sagen: „I love the concept of togetherness.“

Ich wünsche Ihnen einen erhabenen Start in diese neue Woche. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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