„ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus“, hieß es im Kommunistischen Manifest von 1848. Und weiter:
© dpaAlle Mächte des alten Europa haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dies Gespenst verbündet, der Papst und der Czar, Metternich und Guizot, französische Radikale und deutsche Polizisten.
Diese Gespensterjagd sah die damalige Linke – das Wort PR war noch nicht erfunden – als höchste Form der Auszeichnung an. Mit stolzer Brust notierten Karl Marx und Friedrich Engels im Manifest:
© dpaDer Kommunismus wird bereits von allen europäischen Mächten als eine Macht anerkannt.
Ähnliche Gefühle des Stolzes könnten die bundesdeutschen Linken in der heutigen Debatte empfinden. Kein Tag vergeht, an dem nicht vor ihnen gewarnt wird. Die Linken sind – auch weil sich die SPD weigert, eine Koalition mit ihnen auszuschließen – von der Peripherie ins Zentrum des Wahlkampfes gerückt. Das Gespenst lebt und je näher man ihm kommt, desto furchteinflößender sieht es aus – zumindest für alle Nicht-Kommunisten. Wer sich gruseln möchte, muss nur einen Blick auf Personal und Programmatik der Linken werfen:
Ein Bekenntnis zur NATO lehnt man ab. Die Co-Chefin der Linkspartei, Susanne Hennig-Wellsow, sagt:
© imagoEin klares Bekenntnis zur Nato würde heute bedeuten, einem Kriegsbündnis die Stimme zu geben.
In ihrem Wahlprogramm fordern die Linken die Abschaffung des westlichen Verteidigungsbündnisses. Putin kommt aus dem Nicken gar nicht mehr raus.
Die Linkspartei möchte, dass die Löhne steigen und das Arbeitsvolumen sinkt. Der Mindestlohn soll auf 13 Euro angehoben und die Normalarbeitszeit im Gegenzug auf 30 Stunden reduziert werden. Den gesetzlichen Urlaubsanspruch der Arbeitnehmer will man auf 36 Tage erhöhen: Freizeitpark Deutschland.
Rentner sollen mehr Geld bekommen – unabhängig davon, wie lange sie gearbeitet haben. Die Linke fordert eine sogenannte solidarische Mindestrente in Höhe von 1200 Euro netto im Monat, finanziert aus der Steuerkasse, die sich wiederum bei den Besserverdienern schadlos hält.
Denn: „Es gibt in diesem Land Geld wie Heu“, sagt Janine Wissler, die Spitzenkandidatin der Linken für die Bundestagswahl. Doch das Heu lagert in der falschen Scheune, weshalb es dringend umverteilt werden muss.
Ab einem Einkommen von 260.000 Euro jährlich soll eine Reichensteuer von 60 Prozent anfallen. Plus: Vermögensabgabe. Plus: erhöhte Erbschaftssteuer. Der Unternehmer ist für die Linkspartei ein gieriges Wesen, das sie wahlweise „Heuschrecke“, „Spekulant“ oder „Miethai“ nennt.
Dem Wohnungsmarkt würden die Linken mittels Enteignungen gern „den Markt“ austreiben, sodass nur noch Wohnungen übrigbleiben. Hier sind die Feindbilder intakt: „Konzerne, die nicht sanieren, die Mieten hochtreiben oder ihre Mieter*innen schikanieren, müssen enteignet werden.“ Denn: „Mit Wohnen darf kein Profit gemacht werden.“
In der Energiepolitik zeigen die Linken dem Kohlekumpel mal so richtig, wie Disruption funktioniert. Der Ausstieg aus der Kohleverstromung soll nach den Beschlüssen der anderen Parteien bis 2038 erfolgen. Die Linken sagen: 2030 wäre besser. Oder wie die Co-Vorsitzende Hennig-Wellsow sich ausdrückt:
Nur radikale Klimapolitik ist realistische Klimapolitik.
Fazit: Das Gespenst geht wieder um. Und viele in der SPD-Führung flirten mit ihm. Sie fühlen sich von ihm nicht abgestoßen, sondern erregt. Wenn es rechnerisch am Abend des 26. September für eine Liaison reicht, sind sie willig. Ihr Patron heißt dann nicht mehr Olaf Scholz, sondern Oscar Wilde:
Versuchungen soll man nachgeben. Wer weiß, ob sie wiederkommen.
Die Unionsparteien führen den bisher schwierigsten Wahlkampf ihrer Geschichte. Programm und Kandidat zünden nicht. Die bürgerliche Mitte ist interessiert, aber nicht elektrisiert. In dieser Situation rät der ehemalige EU-Kommissar und frühere baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger zur Kurskorrektur – weg vom Kuschel-Wahlkampf, hin zu den klassischen Themen der Union:
Wir müssen die Debatte auf die wesentlichen Fragen der Zukunft lenken. Afghanistan und die aktuellen Wirtschaftsdaten zeigen doch: Wir sind nicht gut aufgestellt. Wir brauchen dringend einen Reformkurs, eine Agenda 2030.
Er plädiert für weniger Staatsgläubigkeit und mehr Leistung und wünscht sich eine Union, die das auch klar artikuliert:
© imagoJetzt ist mehr soziale Marktwirtschaft, mehr Leistungsprinzip, mehr Eigenverantwortung und auch mehr Zumutung geboten. Genau das kann ein Programm sein, mit dem CDU und CSU eher verbunden werden als andere Parteien.
Grundlage einer solchen Kurskorrektur in der Wahlkampfstrategie müsse die präzise ökonomische Lageanalyse sein. Oettinger:
Deutschland und Europa sind Absteiger. Wir reden sonntags über Innovation und Modernisierung, aber machen überall das Gegenteil. Deshalb laufen wir Gefahr, dass wir der Freizeitpark der Welt werden und nicht der Innovations-Kontinent.
Das ganze Klartext-Interview hören Sie im heutigen Morning Briefing Podcast. Ein „Must-Listen“, wie man auf neudeutsch sagt, für den Kanzlerkandidaten der Union.
Für Unruhe in Politik und Wirtschaft sorgen die aktuellen Zahlen zur Inflationsentwicklung in Deutschland: Die Verbraucherpreise legten im August um 3,9 Prozent im Jahresvergleich zu, wie das Statistische Bundesamt gestern mitteilte – ein 28-Jahres-Hoch.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatte bereits im Juli prognostiziert:
© imagoMeine Fachleute erwarten für Deutschland zum Jahresende Raten, die in Richtung fünf Prozent gehen könnten.
Nur: Weidmann und die Europäische Zentralbank sprechen von vorübergehenden Effekten, die durch Lieferengpässe und Nachholeffekte beim Konsum, aber auch durch die Rücknahme der Mehrwertsteuersenkung aus dem vergangenen Jahr verursacht seien. Sie glauben an die Kurzfristigkeit der Inflation – auch weil sie daran glauben müssen.
Denn: Eine Geldentwertung deutlich oberhalb der Zwei-Prozent-Marke müsste zur Zinserhöhung führen. Doch ein Ende des billigen Geldes wird in Deutschland gefürchtet und in Südeuropa gehasst.
Bahnstreik 3.0. Die Lokführergesellschaft GDL hat einen erneuten Streik vom 1. bis 7. September angekündigt. Laut GDL soll der Güterverkehr ab Mittwoch um 17 Uhr und der Personenverkehr ab Donnerstag um zwei Uhr lahmgelegt werden. Ein Ende dieses Streikzyklus ist für Dienstag, den 7. September um zwei Uhr morgens vorgesehen.
Der angekündigte Streik wäre somit der längste seit Mai 2015, als der Personenverkehr ebenfalls sechstägig lahmgelegt war.
© dpaBahn-Chef Richard Lutz hat außer Verdruss nicht viel zu bieten:
© dpaWie Herr Weselsky in dieser Situation agiert und vor allem wie er redet, ist Gift für die Zusammengehörigkeit der Eisenbahnerfamilie.
Die Gewinnerin des Dauerstreiks ist die Kanzlerin, die gerade versucht, die Schaffner zu Corona-Polizisten umzuprofilieren. Mit dem erliegenden Bahnverkehr reduziert sich das Infektionsrisiko in den Zügen. Im menschenleeren Bahndepot hat das Virus keine Chance.
Flughafen in Kabul unter Beschuss: Bis zu fünf Raketen sollen laut US-Angaben am Montag auf den Flughafen abgefeuert worden sein. Allerdings konnten die Raketen durch das Raketenabwehrsystem C-Ram abgefangen werden.
Bundesaußenminister Heiko Maas will sich weiterhin für die Ausreise afghanischer Ortskräfte einsetzen – nur fehlen ihm dafür jetzt die Bundeswehr-Flugzeuge. Auf der Liste des Auswärtigen Amtes stehen derzeit mehr als 10.000 Personen aus Afghanistan – darunter Ortskräfte und besonders gefährdete Personen, wie Menschenrechtsaktivisten.
Am gestrigen Abend verließen die letzten amerikanischen Truppen Afghanistan – pünktlich zur heute ausgelaufenen Deadline. Das bestätigte US-General Kenneth McKenzie, der das US-Zentralkommando Centcom führt. Damit ist der amerikanische Einsatz nach fast 20 Jahren beendet.
Afghanistan könnte ein „neues Nest für islamistischen Terror“ werden, so der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger.
Für ein klares Lagebild der afghanischen Gefährdung sorgt im Morning Briefing Podcast der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes, August Hanning. Er sagt:
© imagoAfghanistan hat immer eine Rolle gespielt als Unterkunft für terroristische Organisationen. Die Sorge besteht, dass Organisationen wie ISIS oder auch Al-Kaida in Afghanistan wieder eine sichere Heimat haben.
Noch sei unklar, wie stark sich der Flüchtlingsstrom aus dem Land in Richtung Europa entwickeln werde. Hanning sagt:
Es hängt davon ab, ob es den Taliban gelingt, eine wirtschaftliche Stabilisierung herbeizuführen. Wenn nicht, rechne ich mit einer großen Fluchtwelle. Ich glaube, wir reden dann von Millionen Menschen.
Die erste Liga am deutschen Aktienmarkt bekommt in dieser Woche Zuwachs: Der Dax wird von bislang 30 auf künftig 40 Unternehmen erweitert. Die zehn neuen Mitglieder werden am 3. September nach US-Börsenschluss veröffentlicht und ab dem 20. September in Frankfurt als neue Dax-Mitglieder gehandelt. Die wichtigsten Veränderungen im Überblick:
Parallel zur Dax-Erweiterung schrumpft der MDax von heute 60 mittelgroßen Unternehmen auf dann 50 Mitglieder.
Die Deutsche Börse plant, in Zukunft nur noch profitable Unternehmen in den Dax aufzunehmen. Wer beitreten will, muss auf Basis des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) in den vorhergehenden beiden Geschäftsjahren profitabel gewesen sein.
Damit reagiert die Börse AG auf den Jahrhundertfehler, nach der Wirecard-Pleite ein hochdefizitäres Unternehmen ohne funktionierendes Geschäftsmodell in den Dax aufgenommen zu haben. Zur Erinnerung: Am 24. August 2020 nahm Delivery Hero den Platz von Wirecard im Dax ein; im vergangenen Halbjahr verbuchte der Lieferdienst 918 Millionen Euro Verlust.
Eine Infografik mit dem Titel: Der alte Dax
Marktkapitalisierung der Dax-30 am 30. August 2021, in Milliarden Euro*
Als sicherer Kandidat für den Anschluss gilt der Flugzeughersteller Airbus, ein Schwergewicht auf dem Niveau von Daimler oder der Allianz. Analysten-Schätzungen zufolge könnte die Aktie zukünftig fünf Prozent des Gewichts des Index ausmachen. Die Aufnahme scheiterte bislang daran, dass die Wertpapiere vor allem in Paris gehandelt werden.
Eine Infografik mit dem Titel: Airbus: Starker Dax-Kandidat
Kursverlauf der Airbus-Aktie seit dem 4. Januar 2021, in Euro
Auf die weiteren neun Neuzugänge würden nur acht Prozent des neuen Gesamtindex entfallen. Hier die Favoriten:
Der Online-Modehändler Zalando. Der Corona-Gewinner hat seinen Kurs im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt.
Eine Infografik mit dem Titel: Zalando: Der Corona-Profiteur
Kursverlauf der Zalando-Aktie seit dem 4. Januar 2021, in Euro
Siemens Healthineers. Im Frühjahr 2018 von Siemens abgespalten hat die Aktie des Medizintechnikkonzerns vergangene Woche ein Allzeithoch hingelegt.
Eine Infografik mit dem Titel: Siemens Healthineers im Aufschwung
Kursverlauf der Siemens Healthineers-Aktie seit dem 4. Januar 2021, in Euro
Puma. Der Sportartikelhersteller profitierte vom Joggingwahn im Lockdown. In den ersten drei Monaten des laufenden Jahres stieg der Umsatz um mehr als ein Viertel.
Beiersdorf. Im März dieses Jahres rutschte der Nivea-Konzern aus dem Dax, konnte aber seitdem die Umsätze wieder deutlich ankurbeln.
Qiagen. Der Diagnostikkonzern führt im Bereich der molekularbiologischen Testverfahren. Ein Erfolgsunternehmen der New Economy.
Eine Infografik mit dem Titel: Qiagen: Dax-Potential
Kursverlauf der Qiagen-Aktie seit dem 4. Januar 2021, in Euro
Hannover Rück. Der weltweit drittgrößte Rückversicherer ist besser als andere durch das vergangene Pandemiejahr gekommen.
„Diederich Heßling war ein weiches Kind, das am liebsten träumte und sich vor allem fürchtete“, lauten die ersten Worte von Heinrich Manns „Der Untertan“, dessen Verfilmung vor genau 70 Jahren in Ost-Berlin uraufgeführt wurde. Was für ein Politikum!
In dem Buch wird der deutsche Untertanengeist beschrieben, die Liebe zum Autoritären, die Zuneigung für eine Maschinerie, die dem Menschen erst das Denken und dann auch das Fühlen abnimmt:
© imagoDiederich war so beschaffen, daß die Zugehörigkeit zu seinem unpersönlichen Ganzen, zu diesem unerbittlichen, menschenverachtenden, maschinellen Organismus, der das Gymnasium war, ihn beglückte, daß die Macht, die kalte Macht, an der er selbst teilhatte, wenn auch nur leidend, sein Stolz war.
Beim Militär fühlte sich der junge Duckmäuser zwar nicht wohl, aber er entwickelte einen professionellen Opportunismus, der wiederum als typisch für seine Generation galt. Heinrich Mann schreibt:
© dpaEr sei begeistert für die Armee, für das große Ganze und wäre am liebsten ganz dabei geblieben. Man sei da in einem großartigen Betrieb, ein Teil der Macht sozusagen und wisse immer, was man zu tun habe: das sei ein herrliches Gefühl.
Die Produktion galt als Prestigeprojekt des ostdeutschen Filmunternehmens DEFA – und wurde in Westdeutschland schon deshalb als Angriff verstanden, weil just im Erscheinungsjahr des Filmes die deutsche Wiederbewaffnungsdebatte begann.
Der Film wurde als politische Pornografie eingestuft und unterlag zunächst der Zensur. Schließlich wurde er in einer stark gekürzten Fassung freigegeben. Erst zwanzig Jahre nach der Erstaufführung zeigte das westdeutsche Fernsehen die Buchverfilmung in Gesamtlänge. Die junge Demokratie hatte nach heftigen Presswehen das Licht der Welt erblickt. Der Untertan war ihr Geburtshelfer.
Ich wünsche Ihnen einen entspannten Start in den Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste
Ihr