Zerstörung der CDU als Reality TV

Teilen
Merken

Guten Morgen,

„Die Zerstörung der CDU“ hieß das Video des YouTubers Rezo, das die bürgerlich-konservative Regierungspartei tief verunsichert hat.

Es war bös und ironisch, es war der erste Wirkungstreffer im Vorfeld eines Wahlkampfes, der schließlich mit dem CDU-Machtverlust endete. Dieses Video haben bis heute 19,4 Millionen Menschen auf YouTube angeschaut.

Armin Laschet  © Anne Hufnagl

Nun wird es wegen des großen Erfolges als Reality-TV neu verfilmt. In der Hauptrolle sehen wir den tragischen Helden Armin Laschet, der im gut ausgeleuchteten TV-Beichtstuhl von Sandra Maischberger nach Schuld und Sühne sucht und sie – darin liegt die Pointe des Drehbuchs – nicht bei sich, sondern bei Markus Söder in Bayern findet. Der Wahlverlierer hofft auf öffentliche Absolution. Ihn dürstet nach Gerechtigkeit – und nach Rache.

Der Mann aus Nürnberg, sagt der Mann aus Aachen, wäre genauso untergegangen: „Die ganze Republik hätte nicht von links bis rechts gesagt ‚Bitte werde Bundeskanzler‘. Es sei daher nur theoretisch zu fragen: „Hätte ein anderer das besser gemacht?“

Armin Laschet © dpa

Laschets Antwort auf diese theoretische Frage ist die Antwort eines historischen Materialisten, der an die Schwerkraft der Geschichte glaubt, gegen die der einzelne Mensch, insbesondere der vereinzelte Kanzlerkandidat, schlechterdings nicht wirksam sein kann:

Das würde ja unterstellen, dass ein anderer der Superstar gewesen wäre, der gewonnen hätte. Den sehe ich nicht.

Kurz und gut: Er, Laschet, sei das Opfer der dramatischen Ereignisse, nicht der Täter. Der Partner habe ihn – den Gläubigen, der in diesem Fall ein Leichtgläubiger war – hinter die Fichte geführt:

Mich hat es erstmal überrascht, dass er überhaupt antrat, weil er ein Jahr lang das Gegenteil gesagt hatte.

Markus Söder © dpa

Im Wahlkampf dann sei der CSU-Bruder Kain über den CDU-Bruder Abel regelrecht hergefallen, habe mit rhetorischen Steinen nach ihm geworfen, erst spielerisch, dann immer fester.

Armin Laschet, jetzt ganz mit der Opferrolle verschmolzen, spielt die melodramatische Schlüsselszene im TV-Studio nach:

Markus, lass es. Markus, warum sagst du jetzt wieder das?

 © pa

Der andere habe seine Unschuld beteuert, aber weiter Steine geworfen. Schließlich im Interview mit der „SZ“ auch diesen Brocken:

Ich glaube nicht, dass es klug ist, nach den progressiven Merkel-Jahren eine Politik ‚Helmut Kohl 2.0‘ aus der Vergangenheit zu machen. Das wäre viel zu altmodisch. Keiner will die alte Union aus den 90er-Jahren zurück. Wir brauchen einen politischen New Deal statt Old School.

Der Kanzlerkandidat sackte unter der Wucht der Angriffe schließlich zusammen. Tief traumatisiert kam er erst im TV-Studio wieder zu sich. Über sein Vertrauensverhältnis zum CSU-Bruder spricht er nur noch in der Vergangenheitsform:

Ich habe ihm wirklich viel geglaubt.

Friedrich Merz © dpa

Nach diesem vielversprechenden Auftakt der Staffel „Selbstzerstörung der CDU. Die Neuverfilmung“, freut sich das Publikum schon auf die Fortsetzung. Friedrich Merz, Jens Spahn und Norbert Röttgen warten ungeduldig auf ihren Einsatz. In München wird noch an den Dialogen gefeilt.

Doch immerhin: Die Dramaturgen haben im Alten Testament, 1. Buch Mose, bereits die biblische Schlussszene gefunden. Dort verflucht der Herr den Brudermörder Kain:

Wenn du den Acker bebauen wirst, soll er dir hinfort seinen Ertrag nicht geben. Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden.

Der Herr spricht zu Kain nach dem Mord an Abel © IMAGO

Friedrich Merz und Jens Spahn © dpa

Auf der Nebenbühne werden derzeit Frauen als Komparsen gecastet. Sowohl Norbert Röttgen als auch Friedrich Merz sollen in den vergangenen Tagen CDU-Politikerinnen angerufen haben, um sie als Unterstützerinnen anzuwerben, etwa CDU-Vizechefin Silvia Breher aus Niedersachsen und die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien. Das Bild der fünf Musketiere aus NRW – Merz, Röttgen, Spahn, Brinkhaus, Linnemann – soll ins Feministische abgerundet werden.

Silvia Breher, stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende. © dpa

Ministerin Karin Prien © dpa

Eine kleine Gruppe von Politikern sucht noch nach einer dritten Lösung, wie unser Hauptstadt-Team herausfand.

Für sie verkörpern weder Röttgen noch Merz die Zukunft der CDU: „Das ist alter Wein in alten Schläuchen“, heißt es dort.

Details zu den Aktivitäten in der Kulisse lesen Sie im Newsletter Hauptstadt – Das Briefing.

Auch bei der SPD bewegt sich was: Michael Bröcker und Gordon Repinski haben hinter den Vorhang geschaut.

Neuanfang mit Formfehlern

Esken bleibt, Klingbeil steigt auf, Kühnert vielleicht. Die SPD stellt sich für die Kanzlerzeit auf.

Briefing lesen

Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Michael Bröcker Gordon Repinski .

Briefing

Jens Spahn © dpa

„Schützt Dich und mich. Lg Jens“, eine vermeintlich pikante SMS-Nachricht von Jens Spahn an die CSU-Politikerin und Tochter von Franz Josef Strauß Monika Hohlmeier aus dem Mai 2020 wurde gestern vom Recherchenetzwerk der „Süddeutschen Zeitung“ veröffentlicht.

Der Hintergrund: Hohlmeier beschwerte sich bei Spahn, dass das Gesundheitsministerium dem Maskenlieferanten Emix für die Lieferung von Corona-Schutzkleidung noch 168 Millionen Euro schulde. Spahn reagierte abweisend. Das wörtliche Zitat seiner Antwort lautet:

Es wird meinerseits keine politische Einflussnahme geben. Schützt Dich und mich. Lg Jens

Monika Hohlmeier © dpa

Die CSU-Politikerin erwies mit ihrem Drängen bei Spahn ihrer Freundin Andrea Tandler, der Tochter des Ex-CSU-Generalsekretärs, die heute eine PR-Agentur betreibt, einen Freundschaftsdienst. Die Agentur nahm eine Provision für die Maskendeals und kassierte laut der „SZ“ ordentlich ab. Ein Untersuchungsausschuss im bayerischen Landtag wird viele Fragen klären müssen:

  • Welche Leistung erbrachte Tandlers Agentur?

  • Welche Rolle spielten Hohlmeier und die ehemalige bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml?

Und Jens Spahn? Sollte nicht als Beschuldigter, sondern als Zeitzeuge geladen werden. Alle Maskendealer der Union finden sich im Zweifelsfall alphabetisch sortiert auf seinem Handy.

Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft © dpa

Die Grünen sind bei der Bundestagswahl deutlich unter ihren Erwartungen geblieben. Einer von ihnen hat jedoch einen beachtlichen Sieg erzielt: Cem Özdemir.

In seinem Wahlkreis, der Autostadt Stuttgart, entfielen 40 Prozent der Erststimmen auf Özdemir. Das macht den selbsternannten „anatolischen Schwaben“ zum erfolgreichsten direkt in den Bundestag gewählten Grünen-Abgeordneten.

Cem Özdemir und Constance Arndt  © dpa

Özdemir ist weit über das Grünen-Milieu hinaus beliebt und bekannt, und über politische Erfahrung verfügt der langjährige Abgeordnete und Parteichef auch.

In jeder anderen Partei würde dies Özdemir wohl zum idealen Kandidaten für ein Ministeramt qualifizieren – nicht aber bei den Grünen.

Ausgerechnet die Partei, die von anderen Vielfalt fordert, hadert damit, dem Mann eine prominente Rolle im Ampel-Bündnis zu überlassen. Unsere Hauptstadt-Korrespondentin Marina Kormbaki kennt die Hintergründe.

Was wird aus Cem Özdemir?

Er ist beliebt, erfahren und steht für Vielfalt. Dennoch muss der Grüne um Einfluss kämpfen.

Artikel lesen

Veröffentlicht von Marina Kormbaki .

Artikel

Herbert Diess © dpa

Vor rund 7.000 Volkswagen-Beschäftigten sowie versammelter Aufsichtsratsprominenz – dazu zählten unter anderem IG-Metall-Chef Jörg Hofmann und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil – kam es gestern in Halle 11 des Wolfsburger Stammwerks zum offenen Showdown zwischen Volkswagen-Chef Herbert Diess und Betriebsratschefin Daniela Cavallo. Weitere 50.000 Mitarbeiter verfolgten die Reden vor ihren Computerbildschirmen.

Die Betriebsratschefin nutzte das Heimspiel für eine Abrechnung mit dem Konzernvorstand. Vor allem die folgenden Kritikpunkte sprachen der Belegschaft aus der Seele:

IG Metall-Chef Jörg Hofmann © dpa

Die Konzernspitze verspreche viel, aber liefere wenig. Im Stammwerk sei kein einziger der Beschäftigten überflüssig:

Hier ist nicht ein Mensch zu viel an Bord. Nicht eine Stelle können Sie zusätzlich mit uns verhandeln!

Daniela Cavallo  © dpa

Die Halbleiterkrise sei nichts weiter als eine Ausrede. Cavallo argumentierte:

Das, was wir bei den Halbleitern sehen, ist ein Armutszeugnis. Es ist ein Armutszeugnis für einen Weltkonzern! Und es ist die Verantwortung von ihnen, sehr geehrte Konzernvorstände!

Elon Musk © dpa

Herbert Diess’ Kommunikationsstil treffe nicht den richtigen Ton. Er würde vor allem seinem kalifornischen Vorbild Elon Musk hinterherlaufen:

Die Faszination, die Sie offenbar gegenüber Herrn Musk empfinden, und den Elan, den Sie in die Kontaktpflege mit ihm stecken, das würden wir Beschäftigten uns auch für unsere aktuell großen Herausforderungen im Konzern wünschen.

Herbert Diess und Elon Musk © dpa

Daniela Cavallo wurde mit stehendem Applaus vom Rednerpult verabschiedet. Diess zeigte sich unbeeindruckt. Der Konzernchef mobilisierte zum Gegenangriff:

Sie als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben bei Volkswagen so viel Macht und Mitspracherecht wie in keinem anderen Unternehmen auf der Welt.

Der Chef erinnerte an die Wirkungsmechanismen der Marktwirtschaft:

Nicht Herbert Diess oder Daniela Cavallo entscheiden darüber. Die Kunden entscheiden, indem sie entweder ein Auto aus Brandenburg oder ein Auto aus Wolfsburg kaufen.

An dem im Anschluss geplanten Austausch mit der Belegschaft nahm Herbert Diess „aus Termingründen“ nicht mehr teil.

COP26: Bürgermeister im Kampf gegen den Klimawandel

Warum die nationalen Regierungen im Kampf gegen die Klimakrise auf die Städte setzen sollten.

Artikel lesen

Veröffentlicht in The Pioneer Expert von Frans TimmermansMike Bloomberg.

Artikel

Naz Masraff © Anne Hufnagl

Wohin steuert Europa? Mit dieser Fragestellung befasst sich auch die von Bestsellerautor Ian Bremmer gegründete Eurasia Group. Sie ist eine international tätige Beratungsfirma mit Hauptsitz in New York City. Das Unternehmen erstellt Studien und Prognosen vor allem für Hedgefonds-Manager und Private-Equity-Gesellschaften zur Lage in Europa und Deutschland.

Die Europa-Direktorin der Eurasia Group heißt Naz Masraff. Die studierte Philosophin hat an der Oxford-Universität gelernt und an der London School of Economics promoviert. Im heutigen Morning-Briefing Podcast spricht sie über die Spannung zwischen der EU und Polen:

Meine Befürchtung ist, dass sich die Spannungen eher noch verschlimmern werden, bevor ein neuer Kompromiss gefunden werden kann. Es wird wahrscheinlich zunächst zu einer Eskalation kommen.

Christian Lindner © dpa

Neben der Europapolitik haben wir auch über die von manchen Investoren gepflegte Sorge vor einem Finanzminister Christian Lindner und einer deutschen Politik der fiskalischen Strenge gesprochen:

Ich denke, dass die Marktbeobachter in der EU dies wahrscheinlich als ein negatives Ereignis für den Markt ansehen würden. Ich sehe das nicht als ein systemisches Risiko für die Eurozone.

Klick aufs Bild führt zur Podcast-Page

Commerzbank © dpa

Unter anderem folgende Unternehmen haben jetzt ihr Zahlenwerk für das dritte Quartal vorgelegt:

Die Commerzbank überrascht mit einem Nettogewinn von 403 Millionen Euro – nach einem Verlust von 60 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Besonders von geringeren Kreditausfällen und der Reduktion der Risikovorsorge profitierten die Frankfurter. Das Bankhaus prognostiziert nun wieder schwarze Zahlen für das laufende Geschäftsjahr, 2020 hatte es noch einen Verlust von 2,9 Milliarden Euro zu melden.

Eine Infografik mit dem Titel: Commerzbank im Aufwind

Kursverlauf der Commerzbank-Aktie seit dem 6. August 2021, in Euro

Trotz Chipkrise konnte Toyota einen Anstieg des operativen Gewinns im Jahresvergleich von 48 Prozent auf 750 Milliarden Yen (5,7 Milliarden Euro) verbuchen. Toyota profitierte von einer gestiegenen Nachfrage und dem schwachen Yen. Die Gewinnprognose für das Jahr steigt von 2,5 Billionen Yen auf 2,8 Billionen (21,2 Milliarden Euro). Damit fällt die Umsatzrendite schon wieder fast zweistellig aus. Oder anders gesagt: Toyota kämpft sich in die Normalität zurück.

 © dpa

Die Deutsche Post DHL Group ist weiter auf Rekordkurs. Mit dem gesteigerten Paketaufkommen der Pandemie konnte der Logistikkonzern seinen Umsatz im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal um 23,5 Prozent auf 20 Milliarden Euro steigern. Das operative Ergebnis kletterte gegenüber dem Vorjahr um 28,6 Prozent auf 1,8 Milliarden Euro. Für das ganze Jahr erwartet die Post nun einen Rekord-Betriebsgewinn (Ebit) von 7,7 Milliarden Euro.

Eine Infografik mit dem Titel: Deutsche Post auf Rekordkurs

Betriebsgewinn (Ebit) der Deutschen Post, in Milliarden Euro

Fazit: Das Wappentier von Post-Chef Frank Appel ist nicht die Eintagsfliege, sondern der Fuchs. Das Unternehmen macht Jahr für Jahr fette Beute.

Andrew Bailey, Gouverneur der Bank of England © imago

Unsere Börsenreporterinnen Annette Weisbach und Anne Schwedt analysieren in der heutigen Ausgabe des Investment Briefings die englische Zinsentscheidung. Weiterhin hält die Bank of England an einem Leitzins von 0,1 Prozent fest.

Eine Infografik mit dem Titel: Bank of England: Keine Veränderung

Leitzins der Bank of England seit 1990, in Prozent

Hören Sie den beiden zu, um zu erfahren, wie die Märkte auf die weiterhin lockere Geldpolitik reagiert haben.

Uwe Seeler © celebzgossipz

Am 30. Juli 1966 fällt im Finale der Fußball-Weltmeisterschaft das berühmte „Wembley-Tor“. Der Treffer, der England im Endspiel gegen Deutschland zum Weltmeister aufsteigen lässt, ist einer der umstrittensten Torschüsse aller Zeiten.

Es war ein Lattentreffer, bei dem der Ball nach Kontakt mit dem Torrahmen wieder ins Spielfeld, aber eben nicht über die Torlinie sprang. Dennoch entschieden die Schiedsrichter – damals war der Video-Assistent noch nicht erfunden – für Tor!

Das Tor von Wembley © dpa

Mit dabei in der deutschen Nationalelf: Uwe Seeler. Die Fußball-Legende aus Hamburg nennt die ganze Republik nur liebevoll „Uns Uwe“, denn: Uwe gehört dem Volk. Heute feiert der in seiner Zeit beste Mittelstürmer der Welt seinen 85. Geburtstag.

Über das Tor von Wembley und warum er dieses damals nicht reklamiert habe, sagt er:

Nun ja, die Königin war im Stadion, und da wollte man nicht groß meckern oder Theater machen.

Franz Beckenbauer  © dpa

Der Sportsmann blieb seiner Heimatstadt treu. Von 1954 bis 1972 – 18 Jahre – war er Profispieler beim HSV. Für die Hamburger erzielte er in 579 Spielen 489 Tore und wurde mit seinem Verein einmal Deutscher Meister und Pokalsieger, sowie dreimal Fußballer des Jahres.

Uwe Seeler verkörpert für den HSV das, was Franz Beckenbauer für Bayern München ist.

Doch trotz aller Erfolge blieb ihm die Krone des Fußballs, der Weltmeistertitel, verwehrt. Seeler rät sich und anderen zur Gelassenheit:

Wir wollen das genießen, was wir haben.

Uwe Seeler © dpa

Wir wünschen Uwe Seeler zum Geburtstag alles erdenklich Gute. Ob im Himmel später dann auf ihn die Unsterblichkeit wartet, das wissen wir nicht. Als Fußballer aber hat er sie schon zu Lebzeiten erreicht.

Ich wünsche Ihnen einen ausgeruhten Start in das Wochenende. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

Abonnieren

Abonnieren Sie den Newsletter The Pioneer Briefing