Prof. Lauterbach: Die 1-Mann-Corona-Partei

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Guten Morgen,

die folgende Erkenntnis verdanken wir nicht Karl Lauterbach, sondern Karl Valentin, einem Bruder des SPD-Politikers, zumindest einem Bruder im Geiste:

Jedes Ding hat drei Seiten. Eine positive, eine negative und eine komische.

Karl Lauterbach und Olaf Scholz © imago

Und die komische Seite dieser Ernennung des künftigen Gesundheitsministers liegt in der subversiven Kraft des Populismus, der hier in seiner friedlichsten und fröhlichsten Ausprägung zum Tragen kommt. Denn die Ernennung von Karl Lauterbach zum neuen Gesundheitsminister ist genau das: populistisch.

Die SPD jedenfalls hatte anderes im Sinn. Der Professor mit der wirren Frisur und der Nickelbrille galt dem Team Scholz als zu kauzig, zu unbequem, zu links, zu dies und zu das. Bis er plötzlich als ministrabel galt.

Es handelt sich um eine der wenigen Ministerwerdungen in Deutschland, die der Auserwählte nicht dem Hinterzimmer und nicht einem Beschluss des altehrwürdigen Parteipräsidiums verdankt, sondern seiner Beliebtheit im Volk. Vox populi hat diesmal nicht genuschelt, sondern laut und vernehmlich gesprochen.

Unter dem Hashtag #wirwollenkarl wurde von den vielen Namenlosen eine Kampagne organisiert, die vom Feinsten war: laut und ironisch, vor allem aber eben das: politisch erfolgreich. Durch einen Akt kollektiver Fürsorglichkeit gelang es, Karl Lauterbach aus den geschlossenen Anstalten der deutschen TV-Studios zu befreien. Die beiden Wolfgangs, der Bosbach und der Kubicki, werden ihren Spiel- und Streitkameraden dort schmerzhaft vermissen.

Karl Lauterbach © imago

Sichtbar wird eine gutartige Spielart des Populismus, die den Außenseiter nicht wegschubst und nicht schmäht, sondern bei der Hand nimmt. Mit diesem Sieg hat der unbeugsame Lauterbach die Figur des Populisten vor aller Augen rehabilitiert. Das Volk, so die Botschaft, kann auch anders: Es kann auch vernünftig.

Karl Lauterbach hat in den Monaten des pandemischen Verdrusses mit nur einem Thema gepunktet. Als die Ein-Mann-Coronapartei lief er zu Höchstform auf. Er hat erklärt, gezürnt, gewarnt und selbst da, wo er sich korrigieren musste, tat er es mit der Grandezza des Experten, der berührbar ist durch die Fakten, aber nicht empfänglich ist für die Winkelzüge der politischen Taktik.

Gruppenbild der SPD-Bundestagsabgeordneten © imago

Karl Lauterbach mit Maske © imago

Als alle neuen SPD-Bundestagsabgeordneten sich zum Gruppenfoto versammelten, trug er als einziger die Maske. Er ist kein Kungler und kein Kuschler; künftig wird er der Minister von Scholz sein, aber nicht dessen Untertan.

Selbst wenn die Maske fällt, der Abstand bleibt. „Ich kenne niemanden, der mehr Ideale hat als Scholz. Scholz, das sind Ideale auf Beinen”, hat er noch kurz vor der Berufung gescherzt. Gut hörbar auch für den Kanzler in spe, im öffentlich-rechtlichen TV-Programm. Diese Unabhängigkeit ist Lauterbachs Bewerbung, die das Volk dankend angenommen hat.

Lauterbach ist ein Politiker, das kommt hinzu, der mit Absenderkompetenz überzeugt, was in diesem Beruf als Sensation gelten darf. Er besitzt in Bezug auf sein Thema jene Glaubwürdigkeit, die sich andere Minister erst noch erarbeiten müssen. Die anderen brauchen PR-Berater für das, was sie sagen. Er dagegen muss eher lernen, auch mal die Klappe zu halten. Die Politik verträgt auf Dauer keinen, der immer Recht hat.

Der eigentliche Sieger dieser Ernennung aber ist nicht er, sondern das gemeine Volk. In politischen Kreisen war es schick geworden, auf das Volk herunterzuschauen. Das Volk trinkt den falschen Wein (Pinot Grigio, sagt naserümpfend Peer Steinbrück); fährt das falsche Auto (SUV) und hat die Angewohnheit, beim ersten Auftauchen frühlingshafter Temperaturen ein Nackensteak auf den Grill zu werfen. Diesem Volk, das sagen viele Politiker nicht, aber das denken sie, ist nicht zu trauen. Es bedarf der Wegweisung und wenn das nicht hilft, der Bevormundung.

Robin Hood © imago

Karl Lauterbach ist einer, der sich nicht bevormunden lässt. Er ist die zeitgemäße Interpretation von Robin Hood. Er bringt dem Volk die eigene Meinung zurück. Er ist der Mann, der nicht nur die Pandemie, sondern auch diesen hoch-infektiösen politischen Opportunismus bekämpfen soll, wo der eine nur das sagt, was der andere nicht denkt. Lauterbach – das ist sein Produktversprechen – wird nicht der Wackeldackel des Mainstreams sein.

Wir lernen, was wir vorher schon ahnten: Volk kommt nicht von folgen. Es will sich spüren und immer wieder neu ausprobieren. Oder um es mit Karl Valentin zu sagen:

Wer am Ende ist, kann von vorn anfangen, denn das Ende ist der Anfang von der anderen Seite.

Karl Lauterbach © dpa

Gesundheitsminister Lauterbach – 'Wer nicht wagt, der nicht gewinnt'

Der neue Gesundheitsminister steht fest: Es ist eine faustdicke Überraschung, eine risikoreiche Entscheidung – aber der richtige Schritt. Ein Kommentar von Gordon Repinski.

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Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Gordon Repinski .

Video mit der Laufzeit von

Joe Biden © imago

Die USA setzen ein deutliches Zeichen: Mit einem diplomatischen Boykott der Olympischen Spiele in Peking im Februar 2022 möchte das Land auf die fortwährenden Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang hinweisen. Die Sprecherin des Weißen Hauses kündigte an, die Regierung von Präsident Joe Biden werde keine diplomatischen oder offiziellen Vertreter zu den Olympischen Spielen nach China schicken.

Bereits im Vorfeld hatte China den USA mit „entschiedenen Gegenmaßnahmen" gedroht, falls die Vereinigten Staaten den Boykott umsetzen sollten:

Wenn die USA darauf bestehen, absichtlich an ihrem Kurs festzuhalten, wird China entschlossen gegensteuern.

Wall Street © dpa

Die kühle Stimmung zwischen Washington D.C. und Peking schwappt auch auf die Wall Street über: Mit neuen Regularien drängen die Finanzaufsichten chinesische Firmen aus dem amerikanischen Markt. Über 200 Unternehmen sind von der Auslistung aus den US-Finanzmärkten bedroht.

Begonnen hatte alles mit DiDi, dem chinesischen „Uber“. Vor einem halben Jahr startete das Unternehmen an der New Yorker Börse, doch in China war man besorgt um sensitive Daten, die in die Hände der amerikanischen Regulatoren fallen könnten. Aufgrund des Drucks der heimischen Finanzaufsicht sollen die Aktien von DiDi künftig in Hongkong gehandelt werden und nicht mehr in New York.

Die US-Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission verkündete jetzt ein Gesetz, das ausländischen Unternehmen vorschreibt, ihre Bücher für US-Prüfungen zu öffnen oder sie werden innerhalb von drei Jahren von der New Yorker Börse und der Nasdaq ausgeschlossen. Den Einblick in die chinesischen Zahlen verbietet jedoch wiederum Peking – trotz starker Verluste von Alibaba, Baidu & Co.

Eine Infografik mit dem Titel: Alibaba: Druck an der Börse

Kursverlauf der Aktie von Alibaba seit Januar 2020, in US-Dollar

Doch auch der amerikanische Markt droht zu wackeln: Mit einer Marktkapitalisierung von über zwei Billionen Dollar entsprechen die über 200 chinesischen Firmen an den US-Börsen nach Angaben der World Federation of Exchanges knapp 10 Prozent der Aktienmarktkapitalisierung der NYSE im Jahr 2020.

Fazit: Wenn China geht, bebt in Amerika nicht die Erde. Aber vibrieren tut sie schon.

Jörg Kukies © imago

Was für eine Achterbahn-Karriere: Jörg Kukies war Juso-Chef in Rheinland-Pfalz, stieg zum Goldman Sachs Chef in Deutschland auf und folgte dem Ruf von Olaf Scholz ins Finanzministerium, wo er als Staatssekretär an seiner Seite diente. Der Grünen-Finanzpolitiker Gerhard Schick kommentierte Kukies’ Wechsel ins Finanzministerium damals so:

Dass ein Sozialdemokrat die Verantwortung für die Bankenregulierung einem Investmentbanker anvertraut, zeigt die Probleme der SPD.

Nun wird er als Leiter der Abteilung für Finanz- und Wirtschaftspolitik im Bundeskanzleramt gebraucht. Er ist damit nicht nur Scholz engster Wirtschaftsberater, sondern auch sein Sherpa für die internationalen Konferenzen von G-20 bis G-7. In dieser Funktion müssen die Kommuniques mit dem Weißen Haus, dem Kreml und auch dem Elysee-Palast aufgesetzt und abgestimmt werden. Oder anders gesagt: Wer diesen Job hat, braucht keine Familie mehr.

Das System Scholz

Die SPD-Minister sind benannt - doch sie sind nur ein Teil der neuen Machtarchitektur des Kanzlers.

Briefing lesen

Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Michael Bröcker Gordon Repinski .

Briefing

Annalena Baerbock und Robert Habeck © imago

Das grüne Wahlergebnis ist nicht das beste, aber das ehrlichste: Rund 57 Prozent der über 125.000 grünen Mitglieder haben an der Urabstimmung über den Koalitionsvertrag mit SPD und FDP sowie das grüne Personaltableau teilgenommen. 86 Prozent der 57 Prozent stimmten dafür. Das Wort der Basis dient den beiden Parteilagern nun als Kompass. Ein Kompass, bei dem die Nadel wackelt.

Eine Infografik mit dem Titel: SPD: Zustimmung am größten

Anteil der „Ja"-Stimmen zum neuen Koalitionsvertrag unter den Mitgliedern bzw. Delegierten der Koalitionsparteien, in Prozent

Das Ergebnis der SPD hingegen - 98,84 Prozent der Delegierten stimmten dem Vertrag zu – ist ein Vertrauenskredit, dessen Laufzeit noch unklar ist. Kommt es anders als von Scholz versprochen nicht zum Aufbruch, werden die Parteilinken die Rückzahlung einfordern – oder den Kredit hochverzinst verlängern. Schon Benjamin Franklin wusste um die Brisanz des Vorgangs:

Gläubiger haben ein besseres Gedächtnis als Schuldner.

Benjamin Franklin  © imago

Lars Feld und Justus Haucap © Media Pioneer

In der aktuellen Ausgabe von Feld&Haucap – Das Ökonomie-Briefing analysieren die beiden Professoren Lars Feld und Justus Haucap exklusiv für ThePioneer den Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien und beurteilen, inwiefern die Pläne für die kommenden vier Jahre der Überschrift „Mehr Fortschritt wagen” gerecht werden. Für Lars Feld bedeutet vor allem die Umstrukturierung des Arbeitslosengeldes ein Rückschritt:

Das Zurückdrehen von Hartz IV, das in diesem Koalitionsvertrag angelegt ist, ist eigentlich noch viel problematischer, weil wir damit hinter die Reformen von Gerhard Schröder zurückspringen.

Auch bei der Rente habe man sich vor den notwendigen Reformen gedrückt:

Die Probleme, die aufgrund der demografischen Entwicklung für die Sozialversicherungen entstehen, werden wieder nicht angegangen. Im Grunde verschiebt man die notwendigen Entscheidungen in die nächste Legislaturperiode.

Er sagt:

Der Verzicht auf eine Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters ist ein Fehler.

Justus Haucap © dpa

Justus Haucap findet lobende Worte für die Klimapolitik:

Was mir beispielsweise gut gefallen hat, ist, dass man bei den erneuerbaren Energien spätestens bis 2030 aus der Subventionierung aussteigen will. Das ist ein Zeichen in Richtung mehr Eigenverantwortung.

Sorge bereitet ihm die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik:

Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zurückfallen und irgendwann bei der Weltmeisterschaft wie Jogi Löw damals in der Vorrunde ausscheiden.

Die größten Kritikpunkte am Koalitionsvertrag

Eine ökonomische Analyse zwischen Licht und Schatten

Podcast hören

Veröffentlicht in Feld & Haucap - Das Ökonomie Briefing von Lars FeldJustus Haucap .

Podcast mit der Laufzeit von

Heinz Bude © imago

Prof. Heinz Bude ist einer der bekanntesten und versiertesten Soziologen dieses Landes. Neben akademischen Schriften veröffentlichte er zahlreiche Bücher über das Generationenverhältnis, die 68er Generation und analysierte in seinen Publikationen die soziologischen Auswirkungen von Angst und Bildungspanik.

Klick aufs Bild führt zur Podcast-Page

Für den Morning Briefing Podcast hat Michael Bröcker, der Chefredakteur von The Pioneer, mit dem Soziologen über die Befindlichkeit von Impfgegnern und Coronaleugnern sowie die Bedeutung der Pandemie für die Gesellschaft gesprochen. Auf die Frage, wie er die gegenwärtige Stimmung in der Bevölkerung wahrnimmt, sagt er:

Man ist begierig nach einer besseren Laune.

Über Impfgegner und Coronaleugner sagt er:

Der harte Kern der Impfgegner und Coronaleugner sind Leute, die ihre Vetoposition austesten, die die Idee haben: ‘Jetzt schauen wir mal, wenn wir dagegen sind, wie weit die den Karren eigentlich noch steuern können.’ Diese spielerische Seite hat sich aber mittlerweile bei vielen verfestigt und ich glaube, es gibt viele Leute, die jetzt aus dieser Rolle nicht mehr rauskommen, weil sie ihr Selbstwertgefühl an diese Frage gebunden haben.

Das gesamte Gespräch mit dem Soziologen hören Sie am Samstag in einem Sonderpodcast auf The Pioneer.

Bitcoin © imago

Die Bitcoin-Anleger haben ein turbulentes Wochenende hinter sich. Die Kryptowährung verlor am Samstag in einem drastischen Kursrutsch bis zu 22 Prozent an Wert und sackte bis auf 41.967 Dollar. Zwar hat sich der Kurs seitdem leicht erholt und kratzt wieder an der 50.000-Dollar-Marke, bleibt jedoch von den 57.000 Dollar am Freitag noch weit entfernt.

Eine Infografik mit dem Titel: Turbulenz am Wochenende

Entwicklung des Bitcoin-Kurses in den vergangenen sieben Tagen, in US-Dollar

Über die Gründe dahinter kann nur spekuliert werden. Der wackelnde Immobilienmarkt in China, Gewinnmitnahmen, Angst vor der Inflation – alles scheint möglich. Einmal mehr zeigt das Kryptogeld sich von seiner tückischen und unberechenbaren Seite.

Eine Infografik mit dem Titel: Das neue Geld

Die fünf größten Kryptowährungen nach Marktkapitalisierung, in Milliarden US-Dollar

Dabei war dieses Jahr das bislang erfolgreichste für das neue Geld: Die Preise der Währungen schossen von Rekord zu Rekord und immer neue Anleger wollten auf den bereits angefahrenen Zug aufspringen. Laut einer Studie der Krypto-Firma Grayscale Investments stiegen 55 Prozent der heute aktiven Investoren erst in den vergangenen zwölf Monaten in die Welt des digitalen Geldes ein.

Fazit: Wer die Bewegungen am Kryptomarkt nicht versteht, sollte sich deswegen nicht grämen. Oder um es mit dem Science-Fiction-Schriftsteller Arthur C. Clarke zu sagen:

Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.

John Miles und Tina Turner © imago

John Miles war das große Multitalent des britischen Pop. Als Studiomusiker in London begann er seine Karriere, er tourte später mit Tina Turner, den Stones und Elton John. Gestern ist der 72-Jährige nach schwerer Krankheit friedlich entschlummert, teilte seine Familie mit.

Miles war die Stimme beim legendären Alan Parsons Project. Er komponierte für Joe Cocker. Er produzierte und las Geschichten von Edgar Alan Po. Er spielte Gitarre und Keyboard. Und im Duett mit Tina Turner sprang er bei Bedarf für Bryan Adams ein.

Nur eine eigenständige große Gesangskarriere blieb ihm verwehrt, auch wenn sein Management sich alle Mühe gab, ihn als den neuen James Dean zu vermarkten. Einen wirklichen Welthit konnte er einmal landen – immerhin. Music war 1976 der Treffer seines Lebens.

Mit dieser Liebeserklärung an die Musik setzte John Miles sich selbst ein leuchtendes Denkmal, dass bis in den heutigen Morgen hinein strahlt:

Music was my first love

And it will be my last

Music of the future

And music of the past

To live without my music

Would be impossible to do

In this world of troubles

My music pulls me through

Ich wünsche Ihnen einen entspannten Start in diesen neuen Tag. Bleiben Sie mir gewogen. Es grüßt Sie auf das Herzlichste, Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
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