die Koalitionsverhandlungen laufen, aber sie laufen schnurgerade in die Sackgasse. Kaum einer der rund 300 Unterhändler in den 22 Arbeitsgruppen hat das Gemeinwohl im Sinn.
Jeder und jede will die eigene Position noch nicht mal durchsetzen, wohl aber protokolliert sehen. Es regiert das Partikularinteresse.
Die Partner in spe feiern ein Festival des vorsätzlichen Nichtverstehens. Nach einem Wahlkampf der Nebensächlichkeiten stehen sich die Unterhändler plötzlich wie feindliche Heere gegenüber:
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Robert Habeck will spendabel und Christian Lindner will sparsam sein: Der Grüne hat den Parteiauftrag irgendwo 50 Milliarden Euro für ein wuchtiges Klimaprogramm aufzutreiben. Der Liberale wird dafür bezahlt, dass er die Kasse bewacht und keine heimlichen Schattenhaushalte zulässt.
Die einen wollen zeitgleich aus der Kernenergie und aus der Kohle aussteigen. Und Stromtrassen von Nord nach Süd zu bauen, ist auch nicht ihr Ding. Die anderen wollen auch aussteigen – aber nicht gleich aus der Wohlstandsgesellschaft.
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Olaf Scholz möchte und muss mit Wladimir Putin klarkommen; seine potenzielle Vizekanzlerin hat den Wählern versprochen, die Gaspipeline Nord Stream 2 zu kappen: kein Russengas für niemanden.
Die SPD (und mit ihr die IG-Metall und die IG-Chemie) wollen den Chinesen nichts androhen, sondern etwas verkaufen: Autos, Flugzeuge und Werkzeugmaschinen zum Beispiel. Ihre Befürchtung: Die grüne Menschenrechtsmoral ist womöglich kein Exportschlager.
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Die Grünen wollen den Verbrennungsmotor zügig ins Automobilmuseum rollen. FDP und SPD würden eher den Kampf um das 1,5-Grad-Klimaziel verlieren als die Arbeiter und Angestellten der deutschen Automobilwirtschaft.
Die Liberalen wollen den Wohnungsbau ankurbeln, das Eigenheim inklusive. Die Grünen wünschen sich billige Mieten, aber ohne neue Häuser. Das Eigenheim ist nicht ihr Sehnsuchtsort, sondern ihr Albtraum.
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Nicht mal der Umfang des Koalitionsvertrags ist bisher einvernehmlich geregelt. Die kleinen Parteien wollen eine Art Beurkundung der ihnen zugesagten Leistungen. Der künftige Kanzler möchte den Text lieber kurz und flauschig halten. Den Rest besorgt er später per Richtlinienkompetenz.
Fazit: Die Koalitionäre müssen sich entscheiden, ob sie gegeneinander oder miteinander regieren wollen. Die Politik der Abschreckung, wo jede Panzereinheit einer Panzerabwehrrakete gegenübersteht, ist kein Vorbild, um einen politischen Neustart zu probieren.
Alle Augen richten sich jetzt auf Olaf Scholz, der die Dinge bisher nicht treibt, sondern treiben lässt. Seine Transformation zum Leader of the Gang steht noch aus. Bisher erkennen wir nicht den neuen Kanzler einer neuen Regierung, sondern nur den Stellvertreter der alten.
Gute Nachricht für Fed-Chef Jerome Powell: Nach Informationen von Politico in Washington planen Präsident Joe Biden und seine Finanzministerin Janet Yellen die Verlängerung des Notenbank-Chefs.
Der Grund: Er habe die Corona Pandemie gut gemanagt und als Nachfolger von Yellen sich das Vertrauen der Märkte erworben. Powells Gegner sind derzeit keine Menschen, sondern ist die steigende Inflation.
„Wir erleben gerade eine Pandemie der Ungeimpften“, warnte Jens Spahn vor wenigen Tagen angesichts steigender Infektionszahlen. Auch Frank Ulrich Montgomery, Vorstandsvorsitzender des Weltärztebundes, klang am Sonntagabend bei Anne Will alarmiert: Er sprach von einer „Tyrannei der Ungeimpften“.
Besonders deutlich lässt sich das Pandemie-Geschehen am Beispiel von Sachsen-Anhalt zeigen. Lediglich 63,4 Prozent der dortigen Bevölkerung sind vollständig geimpft. Zugleich stieg die 7-Tage-Inzidenz bei den Ungeimpften in allen Alterskohorten in den vergangenen Wochen dramatisch an, während die Entwicklung bei den Geimpften stagnierte.
Eine Infografik mit dem Titel: Corona: Impfen hilft
7-Tage-Inzidenz in Sachsen-Anhalt nach Impfstatus und Altersgruppen
Die folgenreiche Wahrheit: Auf den Intensivstationen liegen vor allem Ungeimpfte.
Eine Infografik mit dem Titel: Die Pandemie der Ungeimpften
Hospitalisierungen pro 100.000 Einwohner nach Meldewoche, Impfstatus und Altersgruppe in Deutschland, 2021
In Österreich wurde am Montag flächendeckend 2G eingeführt. Wer in unserem Nachbarland zum Friseur und ins Restaurant geht oder eine Veranstaltung besuchen möchte, muss entweder genesen oder geimpft sein. Der Grund: Die 7-Tage-Inzidenz liegt bei 633. Verantwortlich für die höheren Fallzahlen in der Alpenrepublik ist auch ein Anstieg der Corona-Inzidenz bei jenen Ungeimpften, die zwischen 12 und 17 Jahre alt sind.
Eine Infografik mit dem Titel: Höheres Risiko ohne Impfung
7-Tage-Inzidenz symptomatischer Fälle nach Impfstatus bei den 12- bis 17-Jährigen in Österreich
Fazit: Die vierte Welle ist die Welle der Ungeimpften. Wirkliche Impfdurchbrüche sind nach wie vor selten. Nur 0,2 Prozent der Geimpften erkranken trotzdem an Covid, meistens nur leicht oder zumindest nicht lebensgefährdend.
Das bedeutet noch immer nicht, dass jetzt der Impfzwang kommen muss. Vielleicht reicht ja schon das ernste Zwiegespräch der Ungeimpften mit sich selbst. Tief drinnen wohnt sie, die Stimme der Vernunft. Jetzt muss sie nur noch gehört werden.
Alles muss man selber machen – auch als Kanzlerin. Deshalb klopft Angela Merkel sich zum Abschied herzhaft auf die eigene Schulter. Sechs Jahre nach ihrem umstrittenen Satz „Wir schaffen das“ zieht sie ein positives Fazit der Flüchtlingskrise: „Ja, wir haben das geschafft“, sagte sie jetzt dem staatlichen TV-Sender „Deutsche Welle“. Damit hat sie sich de facto das Bundesverdienstkreuz selbst ans Revers geheftet.
Die Einzigen, die es nicht geschafft haben, seien die EU-Staaten mit ihrer Uneinigkeit in der Migrationspolitik. Das florierende Geschäft der Schlepper sei das Problem. Um ihren Nachfolger ist ihr daher nicht bange: Es gebe noch viel zu tun.
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Derweil spitzt sich die Lage an der Grenze zwischen Polen und Belarus weiter zu. Bilder in den sozialen Medien zeigen hunderte Migranten in Belarus auf dem Weg zur Grenze in Polen.
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Dort zeigt man sich nicht aufnahmebereit; fühlt sich aber von Weißrussland unter moralischen Druck gesetzt: „Belarus will einen großen Zwischenfall verursachen, vorzugsweise mit Schüssen und Verletzten“, klagte der stellvertretende Außenminister Piotr Wawrzyk im polnischen Rundfunk.
© dpaMachthaber Alexander Lukaschenko lässt seit Wochen Migranten aus dem Irak, aus Syrien und Afghanistan einfliegen. Mit der Aussicht auf ein besseres Leben machen sich die Flüchtlinge anschließend auf den Weg in Richtung der EU-Außengrenze.
Fazit: Für die Regierung in Minsk ist es Politik, für die Migranten ein Drama. EU-Europa wird Opfer einer moralischen Erpressung.
Heute beginnt in Berlin die internationale Superreturn Konferenz. Es ist die weltweit größte Zusammenkunft der Private Equity-Branche, zu der namhafte Vertreter der Zunft anreisen: So wird beispielsweise Kewsong Lee, der Chief Executive Officer von der Carlyle Group anwesend sein, ebenso Robert F. Smith, Founder, Chairman und CEO von Vista Equity Partners. Auch J. Christopher Flowers, Managing Director und CEO von JC Flowers & Co, David Rubenstein, Co-Founder und Co-Chairman der Carlyle Group und Joe Osnoss, Managing Partner von Silver Lake sind vor Ort und werden einen Vortrag halten.
Auch Philipp Freise, Partner und Co-Europa-Head der Private Equity Firma KKR, ist anwesend und wird sich zu Wort melden. Der ehemalige McKinsey-Mann mit Expertise im internationalen Mediengeschäft ist ein erfolgreicher Dealmaker.
Die amerikanische KKR - Hauptsitz: New York – ist die Nummer 1 Private Equity Firma im deutschsprachigen Raum. Sechs Milliarden hat man allein in Europa nach dem Ausbruch der Pandemie investiert. KKR ist zu 35,6 Prozent an der Axel Springer SE beteiligt, die wiederum 36 Prozent an der Media Pioneer Publishing AG hält.
Im Podcast Gespräch sagt Philipp Freise:
© dpaUns geht es um den Gleichlauf von Eigentum und Verantwortung. Ob das Investment erfolgreich war oder nicht, messen wir immer am Ende.
Die US-Notenbank FED hat das Tapering behutsam eingeleitet, also die Reduzierung der Aktien- und Anleihenkäufe. Andere Notenbanken denken zumindest laut darüber nach. Auf die Frage, wie sich das Private Equity Geschäft verändert, wenn die Geldmenge reduziert wird, sagt er:
© Anne HufnaglWir haben zu viel Fremdkapital und zu hohe Schulden, das ist gefährlich. Das heißt aber nicht automatisch, dass die Private Equity Branche nicht mehr erfolgreich sein kann, wenn diese Schulden zurückgeführt werden.
Mit Blick auf den VW-Vorsitzenden Herbert Diess sagt er:
Ich finde es großartig, wenn jemand Elon Musk zu seiner Führungskräftetagung einlädt und die Menschen dadurch anregt.
Aber auch vom deutschen Mittelstand ist er angetan:
Sobald sie einen führenden Manager zum Eigentümer machen, sehen sie, wie sich das Wachstum beschleunigt. Deshalb sind ja in Deutschland die Familienunternehmen so stark. Also das Prinzip Private Equity ist eigentlich genau dasselbe wie das Prinzip Familienunternehmen. Langfristig zu investieren, beschleunigt das Wachstum.
Fazit: Private Equity ist privates Beteiligungskapital, das außerhalb der Börse zur Verfügung gestellt wird. Im Unterschied zum kurzfristig orientierten Börsen-Kapitalismus, in den USA spricht man vom „Financial Engineering”, sucht diese Spielart nach mittelfristigen Wachstumspotenzialen. Im besten Fall sind diese Firmen keine Heuschrecken, wie SPD Chef Franz Müntefering einst behauptete, sondern Farmer, die die ihnen anvertraute Plantage entwickeln, nicht plündern.
Die Tesla-Aktie stürzte am gestrigen Handelstag an der Frankfurter Börse um 3,67 Prozent in Folge einer Twitter-Abstimmung ab. Auf Twitter votierten 58 Prozent der Follower von Elon Musk für den Abstoß von zehn Prozent seiner Aktien. Daraufhin ging die Aktie des Elektroautoherstellers in die Knie. Wir lernen: Wer die Börsianer befragt, bekommt eine Antwort, aber womöglich keine rationale.
Eine Infografik mit dem Titel: Tesla-Aktie gibt nach
Kursverlauf der Tesla-Aktie seit dem 25.10.2021 an der Frankfurter Börse, in Euro
Xi Jinping ebnet sich den Weg für eine dritte Amtszeit und lässt die Geschichte in China umschreiben. Bei der diesjährigen Tagung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei China soll eine Resolution verabschiedet werden, die Xi Jinpings Sicht auf die Geschichte des Landes allen Bereichen der Gesellschaft vorschreibt.
Konkret geht es darum, dass Xi Jinping nächstes Jahr als Generalsekretär der KP wiedergewählt werden muss, wenn er „Oberster Führer“ Chinas bleiben möchte. Zwar ist sein Wahlsieg nahezu sicher, dennoch würde er mit einer dritten Amtszeit ein ungeschriebenes Gesetz brechen.
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Seit der Kulturrevolution und dem Untergang Maos ist eigentlich keine dritte Amtszeit für den Generalsekretär der KP vorgesehen. Der Grund: Man möchte einen zu großen Personenkult um den „Obersten Führer“ verhindern.
2018 hat Xi ein anderes Gesetz abgeschafft, welches seine Amtszeit als Staatspräsidenten beschränkt hat. Durch die nun eingebrachte Resolution soll genau dieses ungeschriebene Gesetz aufgelöst werden. Es ist die letzte große Hürde, die Xi beim Feldzug gegen die Demokratie noch nehmen muss. Danach steht Xis Machterhalt auf Lebenszeit nichts mehr im Weg.
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Unter dem Titel „Errungenschaften und historische Erfahrungen“ teilt Xi die Geschichte Chinas in drei große Epochen ein: Unter Mao sei China aufgestanden, unter Deng Xiaoping sei es reich geworden, und unter ihm werde es stark werden. Oder anders ausgedrückt: Es liegt Pulverdampf in der Luft.
Mehr als 3.000 Arbeiten hat Gerhard Richter in seiner künstlerischen Laufbahn geschaffen – hundert davon sollen nun in Berlin ein neues Zuhause finden.
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Bei den Kunstgegenständen handelt es sich um 40 Werke und 60 übermalte Fotos, die bisher von Richters Kunststiftung verwaltet wurden. Dazu zählt das Gemälde „Besetztes Haus“ aus dem Jahr 1989, die 1991 entstandene Glasarbeit „Spiegel grau“, aber auch die abstrakte Arbeit „Strip“ aus dem Jahr 2013.
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Joachim Jäger, der kommissarische Direktor der Nationalgalerie, kann sein Glück kaum fassen:
100 Werke von Gerhard Richter für Berlin – es ist und bleibt eine Sensation.
Der Künstler selbst war zeitlebens skeptisch und zweifelnd gegenüber seinem Werk. In seinen Notizen aus dem Jahr 1985 schrieb er:
Ich habe die ständige Verzweiflung über mein Unvermögen, die Unmöglichkeit, etwas vollbringen zu können, ein gültiges, richtiges Bild zu malen, vor allem zu wissen, wie so ein Bild auszusehen hätte; aber ich habe gleichzeitig immer die Hoffnung, dass genau das gelingen könnte, dass sich das aus diesem Weitermachen einmal ergibt.
Heute wissen wir: Es hat sich ergeben. Und vielleicht ist ja gar nicht Richters Genie der ausschlaggebende Punkt, sondern sein beharrliches Weitermachen.
Ich wünsche Ihnen einen glücklichen Start in den neuen Tag.
Ihr