das Coronavirus ist nicht zurück, wie Angela Merkel mit ihrer Metapher von der „vollen Wucht“ einer „vierten Welle“ gestern in einer Videobotschaft suggerierte. Das Virus war nie weg.
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Heute wissen wir: Merkels Regierung hat diese Pandemie nicht effektiv bekämpft, sondern unter Ausstoßung apokalyptischer Warnungen administrativ begleitet. So gesehen ist das Ansinnen der Ampelkoalition, unter Führung von Merkel-Vize Olaf Scholz, die „pandemische Lage von nationaler Tragweite“ am 25. November auslaufen zu lassen, nur konsequent.
Das Virus tanzt Polka.
In Deutschland hat der Surrealismus das Museum verlassen.
Fünf Dinge allerdings sind heute Morgen anders als am 18. November des vorigen Jahres:
1. Europa hat gegenüber Amerika seine Spitzenposition verloren und innerhalb Europas wurde Deutschland von Ländern wie Portugal, Spanien, Frankreich und Dänemark bei der Impfquote der vollständig Geimpften überholt.
Eine Infografik mit dem Titel: Impfquoten: Portugal vorn
Impfquoten (vollständig geimpft) ausgewählter europäischer Länder, in Prozent
2. Die Gesellschaft teilt sich nicht mehr entlang der Altersgruppen, sondern die entscheidende Frage lautet: Geimpft oder nicht geimpft? 67 Prozent aller Deutschen sind vollständig geimpft, was aber auch bedeutet, dass 33 Prozent noch nicht vollständig geimpft sind. Die Impfverweigerung ist hierzulande besonders hartnäckig.
3. Die Wirtschaft hat sich von der Unfähigkeit einer Regierung entkoppelt, die zur einheitlichen Standardsetzung nicht in der Lage ist. Führende Konzerne verlangen die 2G-Regel. Das bedeutet: Nur Geimpfte oder Genesene haben Zugang zu den Produktionsstätten. Weder bei VW noch bei Daimler dürften daher in diesem Winter die Bänder still stehen. Der Dank dafür gebührt nicht der Regierung, sondern den BioNTech-Gründern Uğur Şahin und Özlem Türeci.
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4. Es kam zum Stimmungsumschwung in der Gesellschaft. Laut einer Forsa-Erhebung für RTL befürworten 53 Prozent der Deutschen eine Impfpflicht, im Juni nur ein Drittel. Für 71 Prozent der Deutschen ist Corona wieder das Topthema, weit vor der Klimaveränderung. Nur eine Minderheit traut der neuen Regierung eine effektive Pandemie-Bekämpfung zu. „Die Ampel-Euphorie schwindet“, sagt Forsa-Chef Manfred Güllner.
Eine Infografik mit dem Titel: Deutschland: Corona vorn
Wichtigste Themen der deutschen Bevölkerung , in Prozent der Befragten
Fazit: Gesellschaft und Wirtschaft bewegen sich deutlich schneller als die Politik. Das Virus galoppiert, die Bevölkerung trabt und die Regierung geht erhabenen Schrittes den Wellen 5 und 6 entgegen.
Prof. Alexander Ehlers ist eine seltene Spezies: Er ist Jurist und Mediziner. Er zählt zu den Top-Medizinrechtlern der Bundesrepublik, weshalb ich ihn für den Morning Briefing Podcast angerufen habe. Er kann jene Fragen – über die zur Zeit in vielen Diskussionsrunden so leidenschaftlich gestritten wird – kompetent beantworten:
Darf der Staat mit einer Impfpflicht in die geschützten Rechte des Bürgers eingreifen?
Bedeutet eine Impfung bereits eine Verletzung der körperlichen Unversehrtheit des Bürgers?
Und worin besteht eigentlich der juristische Unterschied zwischen Impfpflicht und Impfzwang?
Oder zugespitzt gefragt: Gibt es wirklich eine „Hetzjagd auf Ungeimpfte“ oder versäumt es unser Staat nicht vielmehr, die Mehrheit vor der Minderheit zu schützen?
Die Kurzform des Interviews gibt es heute Morgen. Das gesamte Gespräch mit dem Experten hören Sie am Samstag in einem Sonderpodcast auf ThePioneer.de. Ich denke: Wer bei diesem Thema kompetent mitreden möchte, kommt um diese Nachhilfestunde in Medizinrecht nicht herum.
Der Impfschutz von BioNTech ist nach sieben Monaten in allen Altersgruppen de facto nicht mehr vorhanden. Das behauptet eine Pre-Studie der schwedischen Universität Umeå. Unser Hauptstadt-Team berichtet exklusiv über die Studien, die naturgemäß bei Experten für Entsetzen sorgt.
Die Forscher verglichen Daten von 840.000 Geimpften mit ebenso vielen Ungeimpften.
Nach sieben Monaten fiel der Impfschutz bei BioNTech auf 23 Prozent, bei AstraZeneca war bereits nach vier Monaten keine Wirksamkeit mehr messbar.
Durch diese Forschungsergebnisse wächst der Druck auf die Ständige Impfkommission, Booster-Impfungen bereits vor Ablauf von sechs Monaten zu empfehlen. Gesundheitsminister Jens Spahn will auf das Votum des Expertengremiums nicht länger warten. In einem Schreiben an alle Fachärzte spricht er sich für vorgezogene Auffrischimpfungen aus.
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Ein Experte drängt aus der Kulisse in Richtung Bühne. Der Chef der CDU-Mittelstandsunion, Carsten Linnemann, gibt nach acht Jahren seinen Posten als Chef des Wirtschaftsflügels auf und will als stellvertretender Bundesvorsitzender kandidieren.
Linnemann ist bisher nur Insidern bekannt. Dabei war er auch schon bisher mehr als nur ein kluger Volkswirt, der bei dem legendären Prof. Norbert Walter, einst Chefvolkswirt der Deutschen Bank, gearbeitet hatte. Der Paderborner Unternehmersohn, seine Eltern besaßen bis vor kurzem eine Buchhandlung, wagte sich immer wieder mit unbequemen Botschaften auf das gesellschaftspolitische Parkett, etwa mit der Forderung nach verpflichtenden Deutschkursen für Vorschulkinder oder mit seinem Buch: „Der politische Islam gehört nicht zu Deutschland.“
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Doch der Durchbruch auf der großen Talkshow-Bühne blieb aus. Bei Anne Will, Sandra Maischberger und Maybrit Illner hatten sich bereits Wolfgang Bosbach, Karl Lauterbach, Sarah Wagenknecht und Wolfgang Kubicki im Talkshow-Gestühl festgesessen. Sie besitzen – um im Terminus der Migrationsbehörde zu sprechen – ein unbefristetes Bleiberecht, derweil Linnemann über den Status der Duldung nie hinaus kam. Das soll sich nun ändern.
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Seine Wahl als CDU-Vize gilt als sicher, der mitgliederstarke Landesverband NRW will ihn nominieren. Friedrich Merz, mit dem Linnemann eine Art Nicht-Angriffs-Pakt geschlossen hat, würde ihn im Falle seiner Wahl zum CDU-Chef sogar als Vorsitzenden der Grundsatzkommission nominieren. Das bringt bei den Platzanweisern im TV-Betrieb wichtige Punkte. Spätestens damit dürfte dem bisherigen TV-Gastarbeiter Carsten Linnemann die Einbürgerung in die Fernseh-Studios gelingen.
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Eine Infografik mit dem Titel: Inflation: Die unterschätzte Gefahr
Inflationsraten ausgewählter Staaten im Oktober bzw. September 2021 gegenüber Vorjahresmonat, in Prozent
Die beiden linken Starökonomen Paul Krugman und Larry Summers streiten über die Ursache der Inflation. Während der Demokrat Krugman das von Joe Biden im März aufgelegte Stimulus-Programm in Höhe von 1,9 Billionen US-Dollar verteidigte und keinen Anlass für Inflationsängste sah, rechnete der Demokrat Summers vor, dass die an die Bevölkerung ausgegebenen Hilfszahlungen und Steuerprivilegien die Einkommensverluste durch die Pandemie deutlich überschreiten würden.
Er sah in einer zu großzügigen Geldschöpfung das Potenzial einer künftigen Geldentwertung.
Konkret beliefen sich nach seiner Rechnung die aggregierten monatlichen Verluste der Bürger auf 25 Milliarden Dollar und die staatlichen Hilfen auf 100 Milliarden Dollar monatlich.
Durch diesen monetären Übergang würden Preissteigerungen provoziert.
Eine Infografik mit dem Titel: USA: Inflation im Aufschwung
Inflationsrate der USA gegenüber Vorjahresmonat, in Prozent
Nachdem das Paket im März verabschiedet wurde, kletterte die Inflation tatsächlich noch im gleichen Monat von 1,7 Prozent auf 2,6 und im April auf 4,2 Prozent. Da Korrelation jedoch nicht Kausalität bedeutet, gibt Krugman sich nicht geschlagen.
Auf Twitter lenkt er nur scheinbar ein:
Ich habe mich bei der Inflation geirrt. Den derzeitigen Anstieg habe ich nicht kommen sehen.
Aber sodann holt er zum neuerlichen Schlag gegen Summers aus:
© imagoIch denke das Stimulus-Programm ist – anders als von Summers behauptet – unschuldig. Was ist passiert? Es gab Lieferengpässe und es gab Lieferkettenprobleme; beide Probleme trafen auf eine hohe Nachfrage nach langlebigen Gütern.
Summers fordert nun Krugman zum Umdenken auf, er glaubt den Kollegen und Parteifreund nicht mit wissenschaftlichen Argumenten, sondern mit politischen Gründen überzeugen zu können:
Die übermäßige Inflation und das Gefühl, dass sie außer Kontrolle geraten ist, trugen zur Wahl von Nixon und Reagan bei. Sie könnten auch Trump wieder an die Macht bringen.
Wir lernen: Das Schreckgespenst der kleinen Leute ist die Geldentwertung. Das Schreckgespenst der linken Ökonomen ist Trump.
Cathie Wood ist bekannt für kühne Investments und außergewöhnlich hohe Renditen. Sie wettet meist gegen den Mainstream. Unter Anlegern hat sie in den sieben Jahren nach Gründung von ARK Invest Superstar-Status erreicht. Doch wie die meisten Protagonisten auf einen Antagonisten treffen, so spürt neuerdings auch Cathie Wood die Hitze ihrer Gegner.
Nachdem sie im vergangenen Jahr mit ihrem Fonds ARK Innovation rund 150 Prozent Rendite erzielt hatte, ist die Ausbeute im laufenden Jahr mit minus 4,7 Prozent auffällig bescheiden. Ihr Verlust inmitten einer Boomphase an allen Weltbörsen hat nun Shortseller angelockt.
So wurde ein antizyklischer ETF namens Anti-Ark-ETF aufgesetzt, der immer dann seine Gewinne verzeichnet, wenn Woods Anlagen an Flughöhe verlieren. Der Gründer des ETFs Mathew Tuttle beschreibt Woods Anlagestrategie in einem Bloomberg-Interview wie folgt:
Ark hat einen komplett neuen Investmentbereich geschaffen, den man unprofitable Technologieaktien nennen kann.
Fazit: Um ihren Kultstatus zu halten, muss Cathie Wood bald wieder liefern. Ihr frühes Tesla-Investment, das damals als seherisch galt, trägt nicht mehr. Die Börse ist nunmal nicht gnädig, sondern gierig. Oder um es mit Warren Buffet zu sagen:
Es dauert zwanzig Jahre, sich eine Reputation zu erwerben und fünf Minuten, sie zu verlieren.
Vergangene Woche feierte das amerikanische Elektroauto-Start-Up Rivian sein Börsendebüt – seither konnte das Unternehmen seine Marktkapitalisierung um rund ein Drittel auf 126 Milliarden Dollar steigern. Damit ist Rivian fast so wertvoll wie Volkswagen und mehr als doppelt so wertvoll wie BMW. Dabei hat das Unternehmen, wie der IPO-Antrag offenbarte, alleine im ersten Halbjahr dieses Jahres eine Milliarde Dollar Verlust gemacht.
Die Firma, an der unter anderem Amazon und Ford beteiligt sind, ist Produzent eines Elektro-Lieferwagens und eines Premium Pick-ups. Von Letzterem baute das Unternehmen bis Ende Oktober jedoch lediglich zwei Exemplare pro Tag.
© Anne Hufnagl
Zum Vergleich: Volkswagen baut in normalen Jahren über zehn Millionen Autos und erwirtschaftete im bisher besten Jahr des Vorstandschefs Herbert Diess ein operatives Ergebnis von 19,3 Milliarden Euro Gewinn – die Börse honoriert das jedoch nur mit einer Bewertung von 121 Milliarden Euro.
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Für viele Anleger gilt momentan das Prinzip „Vision über Profitabilität“, oder um es mit dem deutschen Lyriker Christian Friedrich Hebbel zu sagen:
Der Utopist sieht das Paradies. Der Realist das Paradies plus Schlange.
Philipp Amthor stapft mit großer Entschlossenheit von einem Schlamassel zum Nächsten:
Kaum im Bundestag angekommen, hatte der 29-jährige CDU-Politiker für das US-Start-up Augustus Intelligence geworben und gleichzeitig Aktienoptionen erhalten. Der geschäftstüchtige Volksvertreter gestand seinen Fehler ein („Ich hab' mich angreifbar gemacht“) und musste seine Bewerbung für den CDU-Landesvorsitz in Mecklenburg-Vorpommern zurückziehen.
Wenig später posierte er auf einem Reitturnier in Boock für ein Foto mit zwei Rechtsextremisten. Amthor bestätigte die Echtheit des Fotos, betonte aber sogleich, die beiden Männer nicht zu kennen.
Nun musste der Jungpolitiker wegen zu schnellen Fahrens seinen Führerschein abgeben und ein Bußgeld in Höhe von 450 Euro bezahlen. Nach Angaben des Gerichts gab Amthors Anwalt an, dass sein Mandant nicht selbst gefahren sei. Das Blitzerfoto erzählt eine andere Geschichte.
In vielerlei Hinsicht erinnert der junge Mann aus Ueckermünde an den frühen Jürgen Möllemann – immer pfiffig, oft halbseiden. Womöglich bleibt Amthor damit der große Aufstieg verwehrt. Der junge Mann, der Kummer gewohnt ist, auch den, den er sich selbst verdankt, sollte sich mit Mehmet Scholl trösten:
Lieber ewiges Talent als gar kein Talent.
Ich wünsche Ihnen einen schwungvollen Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste
Ihr