erfolgreiche Regierungen erkennt man immer auch daran, dass die Gespanne an der Spitze sich im selben Tempo in dieselbe Richtung bewegen.
Willy Brandt und Walter Scheel begründeten gemeinsam das Zeitalter der Entspannungspolitik.
Helmut Kohl und Hans Dietrich Genscher erkannten und nutzten gemeinsam die Chance zur Wiedervereinigung Deutschlands.
Gerhard Schröder und Joschka Fischer zogen gemeinsam in den Kosovo Krieg und mit der Nato nach Afghanistan – und lehnten gemeinsam den Irak-Krieg ab.
© dpaAußenministerin Annalena Baerbock und Kanzler Olaf Scholz dagegen beginnen die neue Zeit, die ja erst noch die ihre werden soll, mit einer vor der ganzen Welt hörbaren Dissonanz:
1. Streitpunkt: Nord Stream 2
Sie sagt im Interview mit dem ZDF-„heute journal“ klipp und klar:
Die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass für Energieprojekte europäisches Energierecht gilt und das bedeutet, dass nach jetzigem Stand diese Pipeline so nicht genehmigt werden kann.
Eine Infografik mit dem Titel: Pipeline ohne Gas?
Verlauf der beiden Nord-Stream-Pipelines
Er widerspricht vehement und sagt in Brüssel: Nord Stream 2 sei ein „privatwirtschaftliches Vorhaben”. Über die Inbetriebnahme entscheide „ganz unpolitisch“ die Bundesnetzagentur in Deutschland und schloss sich damit der Merkel-Position an.
2. Streitpunkt: Olympia
Sie zeigt zumindest Verständnis für den diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele in Peking, auch unter Verweis auf die Vergewaltigungsvorwürfe der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai gegen einen KP-Funktionär:
Wenn eine Frau solche Vorwürfe erhebt, dann muss das auch im internationalen Kontext Gehör finden.
Die EU sollte über den Boykott beraten.
Scholz dagegen schloss sich der Position des französischen Präsidenten Macron an, wonach die Spiele nicht durch einen diplomatischen Boykott „politisiert“ werden sollten. Scholz in Paris:
Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
3. Streitpunkt: NATO-Ostaktivitäten
Bei der kommenden NATO-Tagung am 29. und 30. Juni in Madrid soll nach bisheriger Planung auch beschlossen werden, die Anrainerstaaten Russlands mit NATO-Kontingenten zu verstärken. Dazu hat der europäische Nato-Oberbefehlshaber Tod Wolters den Mitgliedsstaaten auf einer Videokonferenz vorgeschlagen, in Rumänien und Bulgarien, ähnlich wie bereits 2017 im Baltikum und in Polen, die Nato-Präsenz über die Mission „Enhanced Forward Presence“ (EFP) zu erweitern. Die Truppen sollen jeweils gut 1500 Personen umfassen.
Erneut ist die innerdeutsche Gefechtslage unübersichtlich. Die Grünen zeigen sich offen für den Vorschlag, die SPD-Linke ist eher dagegen. Und zwischen dem grünen Außenpolitiker Omid Nouripour und SPD Fraktionschef Rolf Mützenich ist ein Streit über die Kompetenz in der Außenpolitik entbrannt.
© Twitter4. Streitpunkt: China
Der neue Bundeskanzler würde gerne am Exportmodell Deutschland festhalten und keine aggressive Menschenrechtspolitik eröffnen, die am Ende mit Wohlstandsverlusten auf beiden Seiten bezahlt werden müsste. Die grüne Außenministerin hat andere Vorstellungen:
In einem Interview mit der links-alternativen „tageszeitung“ hatte sie dafür plädiert, Missstände in China deutlich anzusprechen:
Beredtes Schweigen ist auf Dauer keine Form von Diplomatie, auch wenn das in den letzten Jahren von manchen so gesehen wurde.
© dpa
Und dann wird sie konkret:
Für mich ist eine wertegeleitete Außenpolitik immer ein Zusammenspiel von Dialog und Härte.
Sie denkt dabei an Sanktionen wie Importbeschränkungen für den europäischen Binnenmarkt:
Wenn es keinen Zugang mehr gibt für Produkte, die aus Regionen wie Xinjiang stammen, wo Zwangsarbeit gängige Praxis ist, ist das für ein Exportland wie China ein großes Problem. Diesen Hebel des gemeinsamen Binnenmarkts sollten wir Europäer viel stärker nutzen.
Fazit: Noch ist es zu früh, hier einen tiefen Riss zu diagnostizieren. Aber was man sehen und fühlen kann ist: Im Gebälk der Ampel-Koalition arbeitet das Holz. Es gibt einen Kanzler und eine Außenministerin. Ein Team gibt es noch nicht.
Vor wenigen Tagen bewarb sich Ricarda Lang via Twitter um den Parteivorsitz bei den Grünen. Die 27-Jährige möchte gemeinsam mit dem Außenpolitiker Omid Nouripour die neue Parteispitze bilden. Ihre künftige Rolle im Parteivorstand definiert sie im heutigen Morning Briefing Podcast wie folgt:
Neben der Umsetzung konkreter Projekte aus dem Koalitionsvertrag muss auch jemand über den Regierungsalltag hinaus denken.
Und:
Es geht darum, sowohl das Regierungshandeln zu erklären, als auch in die andere Richtung die Anliegen der Parteibasis in den Regierungsalltag hineinzutragen. Das wäre die Rolle, die ich für die Partei sehe.
Auf die Frage, was für sie – die in der Öffentlichkeit oft als „Linke“ tituliert wird – das Wort „links“ in der heutigen Zeit bedeutet, sagt sie:
Für mich leitet sich Linkssein aus der Realität ab. Linkssein heißt, Probleme nicht nur oberflächlich zu behandeln, sondern auch an der Wurzel anzugehen. Nicht als Selbstzweck, sondern weil die Realität uns dazu bringt.
Fazit: Jutta Ditfurth war lauter, Jürgen Trittin radikaler. Hier meldet sich eine neue Generation zu Wort, in der „links“ nicht mehr mit „utopisch“ übersetzt wird. Oder machtpolitisch gewendet: Olaf Scholz und Christian Lindner können weiter ruhig schlafen.
Friedrich Merz hat es geschafft: Im dritten Anlauf wurde der 66-Jährige zum neuen Vorsitzenden der CDU gewählt. Mit 62,1 Prozent der 248.360 abgegebenen Stimmen hat er die Mitgliederbefragung deutlich für sich entschieden. Norbert Röttgen (25,8 Prozent) und Helge Braun (12,1 Prozent) konnten da nicht mithalten.
In den Hauptstadt-Redaktionen wurde der Merz-Sieg unterschiedlich interpretiert:
Die „Süddeutsche Zeitung“ titelt:
Ein klarer Bruch mit der Politik Angela Merkels.
In der „FAZ“ heißt es:
Merz gilt seinen Fans als Verkörperung einer guten alten Zeit und Verheißung, dass sie zumindest zum Teil wiederbelebt werden kann.
Jakob Augsteins Wochenzeitung „Der Freitag“ urteilt streng:
Friedrich Merz ist Parteichef. Na und? Mit ihm an der Spitze werden die Christdemokraten zur Splitterpartei.
Die österreichische Tageszeitung „Der Standard“:
Merz ist nicht der Heilsbringer, für den ihn viele halten. Trotz allen Engagements: Er ist ein Mann von gestern, keiner für morgen.
In der „NZZ“ kommentiert Oliver Maksan:
Erkennbar erlebt die CDU keinen Trump-Moment, in dem eine frustrierte Basis unter Inkaufnahme eines Populisten das Establishment zur Seite drückt. Was sie aber erlebt, ist der mit Wucht vorgetragene Wunsch der Mitglieder nach einer Phase der Selbstbesinnung und -findung der CDU.
Die „taz“:
Nach zwei Niederlagen, an denen er weniger sich selbst und mehr dem ‚Parteiestablishment‘ die Schuld gab, hat sich der 1,98-Meter-Hüne aus dem Sauerland anscheinend neu erfunden. Von dem Millionär und Ex-Black-Rocker, der zu Terminen gerne im Privatflugzeug einfliegt, war nicht mehr viel zu sehen.
Fazit: Der alte Friedrich Merz hat gewonnen und der neue Friedrich Merz hat ihm dabei geholfen. Mal schauen wie lange es die beiden miteinander aushalten.
Die aktuelle Corona-Lage nach dem Wochenende:
Der neue Corona-Expertenrat der Bundesregierung warnt vor der Omikronwelle. Das 19-köpfige Gremium, unter den Mitgliedern befinden sich RKI-Chef Lothar Wieler und der Virologe Christian Drosten, erklärte in einer gestrigen Stellungnahme:
Die aktuell sinkenden Inzidenzen werden von weiten Teilen der Gesellschaft und Politik als Zeichen der Entspannung wahrgenommen. Die zu erwartende Meldeverzögerung über die kommenden Feiertage wird diesen Eindruck weiter verstärken.
Dabei würden „Boosterimpfungen alleine keine ausreichende Eindämmung der Omikronwelle bewirken“ und dem Gesundheitssystem der Zusammenbruch drohen. Auch eine Überbelastung der kritischen Infrastruktur – Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst – stellen die Experten in Aussicht.
Der einzige Ausweg: Kontaktbeschränkungen „bereits für die kommenden Tage“. Außerdem müsse die Politik nicht nur schnell Handeln, sondern der „erschöpften Bevölkerung“ neue Risiken und Maßnahmen erklären:
Die Omikronwelle lässt sich in dieser hochdynamischen Lage nur durch entschlossenes und nachhaltiges politisches Handeln bewältigen.
Eine Infografik mit dem Titel: Deutschland sieht rot
Covid-19-Fälle der vergangenen sieben Tage je 100.000 Einwohner nach Landkreisen
Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz lag gestern bei 343,7 und geht somit weiter zurück. Die Hospitalisierungsrate ist ebenfalls rückläufig und liegt nun bei 4,8. Dies entspricht derzeit 4.021 Klinikaufnahmen pro Woche.
Eine Infografik mit dem Titel: Das Infektionsgeschehen
Täglich gemeldete Neuinfektionen mit dem Coronavirus (COVID-19) in Deutschland seit März 2020
Gute Nachrichten gibt es allerdings auch: Der Leiter des neuen Corona-Krisenstabs, Generalmajor Carsten Breuer, zeigt sich zuversichtlich, dass die Zahl von 30 Millionen Corona-Impfungen bis Jahresende erreicht werden kann. Seit Mitte November seien mehr als 24,4 Millionen Menschen geimpft worden. In den verbleibenden knapp zwei Wochen seien „die 30 Millionen zu schaffen“, sagte Breuer der „Bild am Sonntag“.
Derweil gehen die Niederlande in den harten Omikron-Lockdown: Bis Sonntag, den 14. Januar, ist bei den Nachbarn alles wieder dicht – Schulen, Gastronomie, Kultureinrichtungen, Einzelhandel und Sportveranstaltungen. Zudem sind nur noch Treffen mit maximal zwei Personen gestattet.
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Die Ökologie hat das grüne Parteiprogramm verlassen. An der Börse lässt sich mit nachhaltigen Investitionen inzwischen ordentlich Geld verdienen. Gemerkt hat das auch Dagmar Nixdorf, Nichte des Computer-Pioniers Heinz Nixdorf. Mit der Nixdorf Kapital AG will sie nur in solche Firmen investieren, die eine nachhaltig positive gesellschaftliche Wirkung entfalten – ohne dabei die Rendite aus den Augen zu verlieren:
Die normale Rendite muss gegeben sein, denn bei uns geht es um Nachhaltigkeit und nicht um Philanthropie.
Im Morning Briefing Podcast erklärt sie ihren Begriff der Nachhaltigkeit – und warum die Bayer AG für sie nicht darunter fällt.
Folgende Termine könnten für Sie in dieser Woche wichtig werden:
Montag:
Nach seinen Antrittsbesuchen in Paris, Brüssel und Warschau reist Bundeskanzler Olaf Scholz heute nach Rom. Dort wird er auf seinen italienischen Amtskollegen Mario Draghi treffen.
© imago
Dienstag:
Im Schloss Bellevue wird dem scheidenden Bundesbankchef Jens Weidmann die Entlassungsurkunde durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ausgehändigt. Er hatte das Amt für zehn Jahre inne.
In Paris versteigert der Telekommunikationsdienstleister Vodafone die erste jemals versendete SMS als NFT aus dem Dezember 1992. Sie wurde damals von einem Mitarbeiter des Unternehmens versendet und enthielt die Worte „Merry Christmas!“. Der Auktionserlös wird gespendet.
Mittwoch:
Nach 22 Jahren wird die Kinoreihe „Matrix“ neu belebt. Heute startet der neue Film „Matrix Resurrections“ in den deutschen Kinos mit den gleichen – inzwischen jedoch deutlich gealterten – Schauspielern von 1999.
© dpa
Donnerstag:
Bei der diesjährigen Jahrespressekonferenz von Präsident Wladimir Putin dürfte der Ukraine-Konflikt das bestimmende Thema im Fragenkatalog der mehr als 500 Journalisten sein.
Freitag:
An Heiligabend im Fernsehen: die Weihnachtsansprache von Bundespräsident Steinmeier und die Weihnachtsfeierlichkeiten von Papst Franziskus aus Rom. Steinmeier sendet als Video-Konserve; der Papst live.
In den USA herrscht eine Knappheit an alten weißen Männern – an Weihnachtsmännern. Für die amerikanischen Kinder und ihre stolzen Eltern gehört ein echter „Santa Claus“ zu Weihnachten dazu wie das Kinderspielzeug aus China. In Kinderkrankenhäusern, bei Betriebsfeiern, in Shoppingcentern oder auch in den Wohnsiedlungen suchen sie die Menschen heim.
Doch nicht in diesem Jahr. Denn viele der liebevollen Männer, die sich im gehobenen Alter als Weihnachtsmänner ihr Geld verdienen, müssen aufgrund von Corona zuhause blieben. Stephen Arnold, Geschäftsführer der International Brotherhood of Real Bearded Santas – der weltgrößten Organisation professioneller Weihnachtsmänner – erklärt:
Weihnachtsmänner sind meist ältere Herrschaften und daher Corona-Risikopatienten. Viele sind fettleibig und gesundheitlich angeschlagen.
© B3dallas.com
Doch Amerika wäre nicht Amerika, wenn man sich in dieser historisch misslichen Lage nicht zu helfen wüsste: Zum Einsatz kommt nunmehr Mrs. Claus, die Frau des Weihnachtsmannes Santa Claus. Sie nimmt auf vielen öffentlichen Plätzen derzeit die Wünsche der Kinder entgegen.
Wir lernen: Nichts ist alternativlos – nicht mal der Weihnachtsmann.
Ich wünsche Ihnen einen feierlichen Start in diese Weihnachtswoche. Bleiben Sie mir gewogen.
Es grüßt Sie auf das Herzlichste,
Ihr