was wurde seinerzeit über den neuen Kanzler hierzulande gespottet. Helmut Kohl sei ein Provinzler, der nichts von Geschichte verstehe und zuweilen an Blackout leide. Der Spiegel bezeichnete ihn mit wiederkehrender Bösartigkeit als Birne.
© dpa
Geschichte wiederholt sich nicht, es sei denn als Farce, hatte Friedrich Hegel einst gesagt. Auf die neue Ampel-Koalition übertragen bedeutet das:
Die Regierung unter Führung von Olaf Scholz wird im Inland von der Mehrzahl der Medien mit den Augen der Liebe und das heißt in romantischer Verklärung begleitet. Falls doch jemand Kritik äußert, ist es Kritik mit Knicks.
Dafür hat die selbsternannte „Fortschrittskoalition” im Ausland das geschafft, was weder der Nato noch dem Papst bisher gelungen war. Amerikaner, Europäer, Russen und Ukrainer sind friedlich vereint im Spott über die Deutschen.
Die Verteidigungsministerin sagt allen Ernstes, sie wolle statt der geforderten 100.000 Schutzhelme für die Ukrainer 5000 schicken – „als ganz deutliches Signal, wir stehen an eurer Seite“. Die spontane Reaktion von Vitali Klitschko aus Kiew:
© Anne HufnaglEin absoluter Witz. Was will Deutschland als Nächstes zur Unterstützung schicken? Kopfkissen?
Olaf Scholz hatte die neue Gaspipeline Nord Stream 2, mit der Deutschland seine Energieabhängigkeit von Russland weiter erhöhen würde, als „privatwirtschaftliche Angelegenheit“ bezeichnet. Im amerikanischen Senat, wo die Angelegenheit bislang ausführlicher als im Deutschen Bundestag beraten wurde, sagte der republikanische Senator Ted Cruz aus Texas:
Der deutsche Bundeskanzler hat erklärt, dass er einen positiven Neustart mit Putin anstrebt. Das ist derselbe Putin, der Panzer an der Grenze zur Ukraine stehen hat und sich auf eine Invasion vorbereitet.
Die Grünen mit ihrer Ablehnung aller grundlastfähigen Energiearten, als da wären das Öl, das Gas, die Kernenergie und die Kohle, sorgen allenthalben für Kopfschütteln. Im Internet kursiert ein Lacher, den Wladimir Putin bereits 2010 auf Kosten der deutschen Ausstiegs-Politiker gelandet hatte:
Ich verstehe die Deutschen nicht, womit wollen Sie heizen? Gas wollen sie nicht, Kernenergie wollen sie nicht. Aber Holz, um Deutschland damit heizen zu können, finden sie doch auch nur in Sibirien.
In Brüssel reagiert man mittlerweile weniger spöttisch, dafür unwirsch auf den deutschen Energie-Nationalismus. Binnenkommissar Thierry Breton:
Dass die EU ohne Atomstrom CO2-neutral werden kann, ist eine Lüge.
Im Ausland ist längst aufgefallen, dass Deutschland nicht nur energiepolitisch, sondern auch in der Außenpolitik einen Sonderweg einschlägt. Der deutsche Terminus „von der internationalen Verantwortung“ und das Bekenntnis zum „Multilateralismus“ klingen hohl, wenn dahinter das große Nichts folgt. Also sagt der Chefredakteur der „Neuen Zürcher Zeitung“, Eric Gujer, am Wochenende auf Seite eins, was zu sagen ist:
Einmal mehr redet Berlin und handelt nicht. So mag der Kreml Deutschland am liebsten.
Der Kanzler spielt bei alledem keine erhellende Rolle. Er tritt auf und er tritt ab; er fährt vor und er fährt weg; aber er bringt machtpolitisch weder im Inland – wo eine bunt zusammengewürfelte Impf-Opposition ihn vorführt – noch außenpolitisch – wo Amerikaner und Russen in Genf über das Schicksal Europas ohne Europa verhandeln – das deutsche Gewicht auf die Waage.
© dpa
Wo bleibt das Positive, würde an dieser Stelle Erich Kästner fragen? Die Antwort fällt uns nicht schwer:
Von diesem Deutschland muss sich niemand fürchten. Das Land ist weder militärisch aggressiv noch politisch ambitioniert. Dafür allerdings sehr transparent: Auf offener Bühne kann man dem Hauptdarsteller zuschauen, wie er das Script redigiert und die Dialoge einstudiert.
Wir sollten nachsichtig sein. Gegenüber jenem Olaf Scholz, der in der abgelaufenen Spielzeit noch als „Der Stellvertreter“ auftrat, muss der jetzige Hauptdarsteller mit einem tragischen Nachteil leben: Der neue Scholz hat am Wahltag seine Souffleuse verloren.
© dpa
© dpa
Jörg Meuthen, studierter Volkswirt und seit Juli 2015 AfD-Bundessprecher, hat die Nase voll von der Alternative für Deutschland. Für ihn hat sie aufgehört, eine Alternative zu sein. Er legte am 28. Januar 2022 - zusammen mit seiner Ehefrau – alle Ämter nieder. Im Morning Briefing Podcast sprechen wir über seine Beweggründe und die Selbstradikalisierung der Partei. Auf die Frage, was das Schlüsselerlebnis war, das zu seinem Schlussstrich geführt hat, sagt er:
Meine Truppen sind mir nicht mehr gefolgt. Ich habe das exemplarisch im August letzten Jahres gemerkt. Da wollte ich ein Parteiausschlussverfahren gegen ein Mitglied, das sich als “das freundliche Gesicht des Nationalsozialismus” bezeichnet hatte. Und da sind mir etliche meiner Leute nicht gefolgt. Und da habe ich gemerkt, dass ich zu alleine dastehe, um Schlachten, geschweige denn einen Krieg gewinnen zu können.
Über die Gründe für den Vormarsch des rechtsradikalen Flügels:
Das Problem der Bürgerlich-Konservativen ist immer, dass sie ihre Reihen nicht schließen, weil sie tendenziell individualistischer sind. Sie entwickeln nicht einen solchen Zusammenhalt wie die andere Seite. Darum haben sich die Kräfteverhältnisse verschoben.
Die formelle Auflösung des Höcke-Flügels sei ihm intern nicht gut bekommen:
Ich bin mit mehr Hass aus der Partei überzogen worden als von der Antifa. Und das will was heißen.
© dpa
Über seinen ehemaligen Parteikollegen Björn Höcke vom rechten Flügel der Partei sagt er:
Er hat mehrere Gesichter. Er kommt aus einer Welt, die meine nicht ist.
Eine Infografik mit dem Titel: AfD: Zenit erreicht?
Anzahl von Parteimitgliedern der AfD seit ihrer Gründung
Wo steht die heutige AfD? Um was für eine Partei handelt es sich, will ich von ihm wissen:
Sie ist eine zutiefst reaktionäre Partei.
Ich habe gemerkt, dass der Flügel die ganze Partei übernehmen will.
Viele Personen, die ich kenne und die vernünftig waren, haben sich sukzessive radikalisiert.
Eine Infografik mit dem Titel: AfD: Ihre Wahlergebnisse
AfD-Sprecher und ihre Bundestagswahlergebnisse, in Prozent
Warum er die politische Kraft des Höcke-Flügels unterschätzt hat und sogar noch im April 2020 in der ARD für Toleranz mit Rechtsradikalen warb (“Hinter dem Flügel stehen Menschen. Und diese Menschen werden ihre Meinungen nicht ändern. Und ich sage explizit: Diese Haltungen sind legitim; diese Haltungen kann man haben.”) kann er nicht wirklich schlüssig erklären. Er habe diese Gruppierung unterschätzt, sagt er:
Es ist so entsetzlich dämlich und auch fürchterlich unanständig, aus diesen barbarischen zwölf Jahren (deutscher Geschichte unter Adolf Hitler, d. Verf.) irgendetwas zu verherrlichen. Ich hätte immer gedacht, dass ist etwas so unbedeutend Kleines (der Höcke-Flügel, d. Verf.) , dass man es getrost ignorieren kann.
Meuthen will sein Abgeordnetenmandat im Europaparlament behalten und zunächst als Parteiloser weiter machen. Aber eines will er nicht mehr tun:
Ich werde die AfD definitiv nicht mehr wählen.
© dpa
Kurz bevor der Bundesnetzagentur-Präsident Jochen Homann seinen Posten an den obersten Verbraucherschützer Klaus Müller abgeben muss, liefert er noch eine ernüchternde Erkenntnis: Der Zeitplan für die große und für die Energiewende wichtige Nord-Süd-Stromautobahn ist nicht zu halten. Im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erklärt er:
Die Genehmigungsverfahren sind unendlich kompliziert, ein großes Gewirr, weil sich Zuständigkeiten sowie Europa-, Bundes- und Landesrecht vermischen und die Prüfanforderungen des Umweltrechts ständig wachsen.
Ursprünglich sollten die ersten Verbindungen vom Norden in den Süden des Landes in diesem Jahr in Betrieb genommen werden. Dann war 2026 das neue Zieljahr. Homann sagt:
Es wird wohl länger dauern.
Für die Energiewende in Deutschland habe das schwere Folgen:
Am Ende landen diese zusätzlichen Kosten auf der Stromrechnung der Verbraucher.
Mit Blick auf die Ampel-Regierung, die sich in ihrem Koalitionsvertrag die Vereinfachung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren vorgenommen hat, mahnt der Netz-Experte:
Wir brauchen nicht nur Vorfahrt für Windräder, sondern endlich auch für Stromnetze.
Boris Palmer gibt nicht auf: Der Tübinger Oberbürgermeister möchte für eine dritte achtjährige Amtszeit als unabhängiger Kandidat antreten. Vor knapp zwei Wochen hatte sich Palmer entschieden, nicht bei der Grünen-Urwahl anzutreten.
Doch seine Meinung habe sich in dieser Frage geändert, seitdem es einen Wahlaufruf von 800 Wahlberechtigten und Spenden in Höhe von mindestens 100.000 Euro auf seinem Paypal-Konto gebe. Mit einem solchen „Candystorm“ habe er nicht gerechnet. Deshalb werde er nun am 23. Oktober bei der Wahl als unabhängiger Kandidat antreten. Zugleich betonte er:
Meine politische Heimat sind und bleiben die Grünen in Baden-Württemberg.
Ricarda Lang und Omid Nouripour. So lauten die Namen der neuen Parteispitze der Grünen, die am Samstag auf der digitalen Bundesdelegiertenkonferenz gewählt wurden. Lang erhielt 75,9 Prozent der Stimmen. Die Nachfolgerin von Annalena Baerbock hatte bei der Wahl keine Gegenkandidatin. Nouripour kam auf 82,5 Prozent. Er hatte zwei Gegenkandidaten.
© dpa
Bei seiner ersten Wahl zum Bundesvorsitzenden der Grünen, die fast genau vor vier Jahren, nämlich am 27. Januar 2018, stattfand, erzielte Habeck mit 81 Prozent ein ähnliches Ergebnis wie sein Nachfolger Nouripour. Baerbock setzte sich damals mit 64,5 Prozent der Stimmen gegen Anja Piel vom linken Parteiflügel damals durch und erhielt somit gut zehn Prozent weniger als Ricarda Lang.
Eine Infografik mit dem Titel: Die Grünen: Neue Chefs
Wahlergebnisse der Vorsitzendenwahl 2018 und 2022, in Prozent
Und noch in einem weiteren Punkt unterscheidet sich die Wahl der neuen Parteispitze von derjenigen von Habeck und Baerbock: Während mit diesem Duo erstmals in der Parteigeschichte zwei Vertreter des Realoflügels die Partei führten, kann die Wahl von Lang und Nouripour auch als Anknüpfung an frühere Traditionen gewertet werden, da Lang eindeutig den linken Flügel vertritt, während Nouripour eher als Vertreter des Realo-Flügels eingestuft werden kann.
Raphael Bostic von der Fed sagt im Interview mit der FT, dass die FED weiterhin an drei Erhöhungen zu je 0.25 Prozent festhalten wolle. Sollte die Inflation jedoch auf ihrem aktuellen Niveau von 7% bleiben oder weiter steigen, wäre eine Erhöhung im März um 0.5 Prozent denkbar: „Wenn die Daten zeigen, [...] dass eine Erhöhung um 50 Basispunkte erforderlich oder angemessen ist, dann werde ich mich darauf stützen.”
Seit der ersten Coronaerkrankung in den USA hat die Notenbank ihre Bilanzsumme um 113 Prozent auf neun Billionen Dollar erhöht. Bostic unterstützt eine „schnelle Reduktion” dieser und zeigt sich „optimistisch”, dass die US-Wirtschaft in den kommenden Monaten eine positive Entwicklung hinlegen werde.
Montag
Führende SPD-Politiker beraten gemeinsam in vertraulicher Runde die Haltung der Partei in der Ukraine-Krise. Kanzler Scholz hat Waffenlieferungen an die Ukraine abgelehnt und im Falle eines Einmarsches mit Sanktionen gedroht. Prominente Sozialdemokraten wie etwa Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig fordern eine andere Tonlage gegenüber Russland.
Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden veröffentlicht die erste Schätzung der Inflationsrate im Januar. Im vergangenen Dezember lag die Geldentwertung bei 5,3 Prozent.
Dienstag
Die Bundesagentur für Arbeit informiert in einer Pressekonferenz über die Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt im Monat Januar.
Der Google-Mutterkonzern Alphabet und General Motors veröffentlichen ihre Zahlen für das vierte Quartal 2021.
Mittwoch
Es folgen die Quartalszahlen des Facebook-Mutterkonzerns Meta.
In Punxsutawney im US-Bundesstaat Pennsylvania wird der „Murmeltiertag“ gefeiert. Wenn das Murmeltier am 2. Februar seinen Schatten sieht, wird der Winter weitere sechs Wochen dauern. Ist der Himmel jedoch bedeckt steht besseres Wetter vor der Tür.
Donnerstag
Der Rat der Europäischen Zentralbank berät den Kurs der europäischen Geldpolitik. Im Anschluss informiert Notenbank-Präsidentin Christine Lagarde über die Ergebnisse.
Freitag
In Peking werden die Olympischen Winterspiele eröffnet. Auf der Gästeliste der Feier tummeln sich vor allem Autokraten: Neben Wladimir Putin aus Russland werden etwa die Machthaber aus Saudi-Arabien, Katar und Kasachstan anreisen. Aus dem Westen haben zahlreiche Staaten, darunter die USA, Japan, Australien und Großbritannien, angekündigt, die Feierlichkeiten zu boykottieren.
© dpa
Ein Deutscher hat es derweil auf die Olympia-Ehrenliste der chinesischen Staatsführung geschafft: Thomas Bach, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Er und Staatschef Xi Jinping haben sich bereits Mitte vergangener Woche in Peking getroffen – ein Prosit der Gemeinsamkeit.
Der IOC-Chef kam aus dem Loben gar nicht mehr heraus:
China ist jetzt eine Wintersportnation und dies ist der Beginn einer neuen Ära für den globalen Wintersport.
China baute derzeit fleißig Ski-Ressorts. Allein 65 davon stehen in der umstrittenen Provinz Xinjiang. Im Norden pulsiert der Skisport, im Süden der Region befinden sich jene Umerziehungslager, wo die muslimische Minderheit der Uiguren zur Arbeit gezwungen und brutal gefoltert wird.
© dpa
Thomas Bach und sein Partner Xi Jinping wissen derweil, wie sie sich ihre gegenseitige Wertschätzung entgegenbringen. 2013 hatte Bach den chinesischen Präsidenten bereits mit dem Olympischen Orden in Gold ausgezeichnet, um dessen „herausragende Verdienste um den Weltsport zu loben.“ Jetzt war Xi dran: In einem Park in Peking steht seit zwei Wochen eine 72 Zentimeter hohe Büste des deutschen Olympia-Präsidenten.
Der IOC-Funktionär genießt die mit den Gremienbeschlüssen erkauften Respektsbekundungen des chinesischen Führers. Oder um es mit Karl Kraus zu sagen:
Kleine Stationen sind stolz darauf, dass die Schnellzüge an ihnen vorbei fahren müssen.
Ich wünsche Ihnen einen kraftvollen Start in die neue Woche. Es grüßt Sie auf das Herzlichste,
Ihr