es war einmal eine Zeit, in der nahezu alle Politiker und Ökonomen im Westen Anhänger der Konvergenztheorie waren. Diese Theorie besagt, dass die unterschiedlichen Staats- und Wirtschaftssysteme sich über kurz oder lang einander annähern werden:
Weil alle Staaten den gleichen Sachzwängen unterliegen.
Weil alle Staaten auf Handel und Kooperation untereinander angewiesen sind.
Weil der Mensch der Mensch ist.
Dieser Traum von der großen Harmonie und dem Ende des Systemwettbewerbs ist ausgeträumt: Zum 100. Jahrestag der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas zementierte die Partei nicht nur ihren Führungsanspruch. Sie hat ihn – berauscht von den Erfolgen der vergangenen Jahrzehnte – erneuert und erweitert. Partei- und Staatsführer Xi Jinping, der sich bei der Tagung des Nationalen Volkskongresses im März 2018 per Verfassungsänderung mit nahezu diktatorischen Rechten ausstatten ließ, sagte:
Lang lebe die große, glorreiche und korrekte Kommunistische Partei Chinas.
Immer wieder betonte er den kompromisslosen und absoluten Führungsanspruch der Partei:
Chinas Erfolg hängt von der Partei ab.
Jeder Versuch, das Volk von der Partei zu trennen, wird scheitern.
Mit Blick auf das Ausland, insbesondere die USA – auch wenn er diese nicht direkt erwähnte – sagte er:
Das chinesische Volk wird keiner ausländischen Macht jemals erlauben, uns zu drangsalieren, zu unterdrücken oder zu versklaven. Wer das wagt, dem wird an der Großen Mauer aus Stahl, geschmiedet von 1,4 Milliarden Chinesen, der Kopf blutig geschlagen.
Eine Infografik mit dem Titel: KP: Armee der Parteisoldaten
Zahl der Mitglieder der Kommunistischen Partei Chinas
Der ökonomische Hintergrund der neuen Unversöhnlichkeit ist die Tatsache, dass China die erfolgreichste Wirtschaftsmacht ist, die diese Welt je hervorgebracht hat. Der Staat plant und protegiert die Wirtschaft, er kontrolliert und dirigiert das gesellschaftliche Leben, er lässt die freiheitlichen Inseln im Meer der Planvorgaben versinken.
In ihrer 100-jährigen Geschichte hat die Partei die chinesische Agrargesellschaft ins Industriezeitalter katapultiert und aus einem der ärmsten Staaten, der auf Importe angewiesen war, eine Exportmaschine gemacht.
Zwischen 1978 und 2020 legte die Wirtschaft jährlich um durchschnittlich mehr als neun Prozent zu.
Das Bruttoinlandsprodukt, das in heutigen Preisen und nach Kaufkraftparitäten berechnet im Jahr 1980 noch 303,45 Milliarden US-Dollar betrug, wuchs bis 2020 um rund 7.850 Prozent auf schwindelerregende 24,14 Billionen. Zum Vergleich: Deutschland verzeichnete im gleichen Zeitraum lediglich ein Wachstum von rund 570 Prozent.
Eine Infografik mit dem Titel: Der chinesische Aufstieg
Bruttoinlandsprodukt in den USA und China in heutigen Preisen nach Kaufkraftparitäten (PPP) in Billionen US-Dollar
Das einst bitterarme Land, das nach dem Tod Mao Zedongs im September 1976 beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf selbst den Staaten südlich der Sahara unterlag, ist ein Land des Wohlstands geworden. Die Wirtschaftsleistung pro Kopf stieg seit 1980 von 307 Dollar um rund 5.500 Prozent.
Auch an der gestiegenen Lebenserwartung spiegelt sich der wirtschaftliche Aufstieg: Zwischen 1976 und 2020 wuchs sie um mehr als zwölf Jahre.
Fazit: Diese Erfolge müssen uns zugleich beeindrucken und ängstigen. Denn sie bringen – mit geradezu naturgesetzlicher Gewalt – eine neue Weltordnung hervor.
Henry Kissinger, der große Weitsichtige der amerikanischen Außenpolitik, hat die Krisenanfälligkeit dieser Situation exakt vorhergesagt:
Die Krise ist auch möglich, wenn eine aufstrebende Macht die Rolle ablehnt, die sie in einem System zugewiesen bekommt, dass sie selbst nicht konzipiert hat, und sich die übrigen etablierten Mächte als unfähig erweisen, ein neues Gleichgewicht auszutarieren, das ihrem Aufstieg angemessen wäre.
Was Kissinger da beschreibt, ist die Theorie vom großen Konflikt, nicht von der Konvergenz.
© imagoWirtschaftsminister Peter Altmaier sieht die Bundesrepublik auf dem Weg in die Klimaneutralität. Bei einem Besuch auf der PioneerOne schilderte er den in der Amtszeit von Angela Merkel erfolgten Durchbruch der erneuerbaren Energien, die mittlerweile für rund die Hälfte des in Deutschland produzierten Stroms verantwortlich seien. Zu Beginn der Merkelschen Amtszeit waren es weniger als fünf Prozent.
Altmaier plädierte für eine technologieoffene Industriepolitik, die neben Wind, Biomasse und Photovoltaik auch auf Wasserstoff setzt. Deutlich kritisierte er jene, die von Klimaschutz sprechen und zugleich den notwendigen Stromtransport von Nord- nach Süddeutschland blockieren. Spätestens nach der Wahl müsse hier der Staat ordnend – und das heißt für ihn beschleunigend – eingreifen:
Wir müssen schneller werden. Wir werden nicht noch einmal 18 Jahre Zeit in Anspruch nehmen können, um die großen Überlandleitungen zu planen und zu bauen. Dann sind nämlich die Unternehmen, die den grünen Strom brauchen, gar nicht mehr da.
Altmaier entwickelte die Idee eines Beschleunigungsgesetzes, wie es nach der deutschen Einheit verabschiedet wurde, um die hinfällige Bausubstanz der DDR möglichst zeitnah zu ersetzen:
Es wird uns nicht gelingen, in einem Schlag das Planungsrecht komplett umzustürzen. Aber ich könnte mir sehr wohl vorstellen, dass wir Stromleitungen, ich sage es mal amerikanisch, als ‚in the national interest‘ definieren. So wie wir die Autobahnen nach der deutschen Einheit behandelt haben.
Die nächsten Schritte zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes müssten härter als die bisherigen, sagte der Minister:
Die niedrig hängenden Früchte haben wir geerntet. Jetzt müssen wir langsam auf die Leitern klettern.
Zugleich mahnte er, auch mit Blick auf den Klimaeifer der Grünen, den Wohlstand von Europas größter Industrienation nicht aufs Spiel zu setzen:
Klimapolitik wird auf Dauer nur funktionieren, wenn wir die Dekarbonisierung so betreiben, dass unsere industriellen Kapazitäten dadurch nicht verloren gehen.
Fazit: In Altmaiers Worten wird jene Koalition deutlich, die Deutschland am bekömmlichsten wäre. Es wäre die Kombination von Maß mit Mitte.
Kanzleramtsminister Helge Braun ist seit Beginn der Pandemie einer der Hauptakteure der Corona-Politik. Vom Regierungssitz aus koordiniert er in enger Abstimmung mit Angela Merkel das Corona-Management der Bundesrepublik. Im Gespräch mit ThePioneer-Chefredakteur Michael Bröcker spricht er über die Herausforderungen der Delta-Variante und beschreibt, mit welchen Konsequenzen Impfverweigerer rechnen müssen.
Den weiteren Verlauf der Pandemie beurteilt er optimistisch:
Wenn jetzt nicht in Kürze etwas ganz Neues passiert, haben wir es mit dem Impfen in der Hand. Dann verliert die Pandemie ihren Schrecken und wir können sehr viel Normalität zurückgewinnen.
Wer sich impfen lässt, dem verspricht der Kanzleramtsminister:
Wer geimpft oder genesen und dann gegebenenfalls nachgeimpft ist, der bekommt seine Freiheit zurück.
Und wer sich nicht impfen lässt? Braun sagt:
Der muss damit rechnen, dass mindestens eine regelmäßige Testpflicht zur Teilnahme am öffentlichen Leben erforderlich ist.
Einen Impfzwang gibt es offiziell nicht, nur indirekt:
Es wird einen Unterschied zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften geben.
Die Sozialausgaben der Bundesrepublik stiegen im vergangenen Jahr auf einen neuen Höchststand. Mehr als ein Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung (33,6 Prozent) floss 2020 in Sozialleistungen. In absoluten Zahlen: 1,19 Billionen Euro. Die Sozialleistungsquote, also der Anteil der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt, liegt damit um 2,8 Prozentpunkte höher als auf dem Höhepunkt der Finanzkrise.
Auch über die Pandemie hinaus geht die Regierung davon aus, dass die Sozialleistungsquote im Jahr 2025 – nach dem prognostizierten Konjunkturaufschwung – noch bei 32 Prozent liegen wird. Das geht aus einem Entwurf des neuen Sozialberichts hervor, der von der Bundesregierung alle vier Jahre erstellt wird und im Juli vom Kabinett beschlossen werden soll.
Die alternde Bevölkerung und damit die Ausgaben für Rente und Krankenversicherung sind die Treiber dieser Entwicklung. Die gesetzliche Rentenversicherung überwies den Anspruchsberechtigten 2020 rund 344 Milliarden Euro – 2025 sollen es 404 Milliarden Euro sein. Die Ausgaben für die gesetzliche Krankenversicherung würde im gleichen Zeitraum von 260 auf 319 Milliarden Euro steigen. Die Ausgaben für die Beamtenpensionen würden von heute 65,5 Milliarden auf dann 81 Milliarden Euro anwachsen.
Fazit: Alle reden immer von Nachhaltigkeit. Die Zustände im Sozialstaat Bundesrepublik sind es nicht. Vergangenheit frisst Zukunft.
130 OECD-Staaten einigten sich am gestrigen Tag auf eine globale Mindeststeuer. Die Reformidee stützt sich auf zwei Säulen: Zum einen soll ein Mindeststeuersatz von 15 Prozent eingeführt werden. Zum anderen soll die Bemessungsgrundlage so geändert werden, dass die Besteuerung stärker davon abhängt, wo die Unternehmen ihren Umsatz tatsächlich erwirtschaften.
Zumindest London hat verstanden, dass diese Reform eine große globale Umverteilung der Steuerbillionen bedeuten würde – zugunsten der aufstrebenden Staaten und zu Lasten der traditionellen Industrieländer. Wie die „Financial Times” berichtet, enthält die geplante Steuerreform auch eine Sonderregelung für Banken, durchgesetzt von der britischen Regierung.
Ihre Angst vor der Neuregelung ist begründet: Die umsatzstärkste Bank Großbritanniens, HSBC, erzielt beispielsweise einen Großteil ihres Umsatzes in China. Auch das Hauptgeschäft der britischen Standard Chartered Bank fokussiert sich auf Asien und Afrika. Der britische Staat würde ohne diese Steuereinnahmen ausbluten.
Was für die Briten die Banken ist für Deutschland die Autoindustrie. Der einzige Unterschied: Boris Johnson hat erkannt, dass die globale Mindeststeuer sein Land schädigen würde. Angela Merkel und Olaf Scholz noch nicht.
Der deutsche Afghanistan-Einsatz im Rahmen der Nato-Mission ist beendet. Das „Camp Marmal“ wird nun aufgelöst. Für die Bundeswehr war die Afghanistan-Mission der verlustreichste Einsatz ihrer Geschichte: 59 Soldaten starben. Lange hatte es die Bundesregierung vermieden, von einem „Krieg“ zu sprechen – stattdessen war von einem „Stabilisierungseinsatz“ die Rede.
Die politische Bilanz des westlichen Engagements fällt trostlos aus: Funktionierende staatliche Strukturen konnten nicht aufgebaut werden. Die Frauenrechte werden weiter missachtet. Die Demokratie existiert nur pro forma. Die Taliban, eine radikalislamische Miliz, sind wieder auf dem Vormarsch.
Die Rechnung für den Afghanistan-Einsatz zeigt, dass diese Mission kein Schnäppchen war: Die Bundesrepublik war mir 12,5 Milliarden Euro dabei, die USA mit geschätzt zwei Billionen Dollar.
Heute vor 60 Jahren trauerte die Literaturwelt um Ernest Hemingway. Ausgerechnet der Mann, dessen Werk um die „Lost Generation” kreiste, hielt sich in einem letzten theatralischen Akt die Schrotflinte an die Stirn. So wie der leidenschaftliche Großwildjäger zuvor Leoparden und Elefanten getötet hatte, brachte er nun sich selbst zur Strecke.
Hemingway, der die Zeit nach dem ersten Weltkrieg in Paris erlebte und später nach Kuba ausgewandert war, sorgte als Meister der sprachlichen Reduktion für Aufsehen. Seine größten Effekte erzielte er dadurch, dass er auf Effekte verzichtete:
Wenn ich anfing, kompliziert zu schreiben oder wie einer, der etwas bekanntmachen oder vorführen will, erkannte ich, dass ich die Schnörkel oder Ornamente ausmerzen und wegwerfen und mit dem ersten wahren einfachen Aussagesatz anfangen konnte, den ich geschrieben hatte.
Hemingways Werke übermitteln Gefühle von Ziellosigkeit, Trauer und auch Liebe, freilich ohne das Wort zu benutzen. Hans Fallada schrieb 1931 über den großen amerikanischen Kollegen:
Hemingway spricht nie von Gefühlen. Er zeichnet nur ein paar Striche, gerade die Striche, die notwendig sind für die Kontur. Das andere überlässt er seinen Lesern – uns.
Nach der Veröffentlichung von „Der alte Mann und das Meer” erhielt Hemingway 1954 den Nobelpreis für Literatur. Die Geschichte vom alten Fischer, den das Glück verlassen hat, und dem Jungen, der ihm bei der Suche danach hilft, hatte die Jury – und zuvor schon Millionen Leser – zutiefst bewegt:
„Der Ozean ist sehr groß, und ein Boot ist klein und schwer zu sehen“, sagte der alte Mann. Er bemerkte, wie angenehm es war, jemanden zum Reden zu haben, statt mit sich selbst und mit dem Meer zu sprechen. „Du hast mir gefehlt“, sagte er.
„Was hast du gefangen?“
„Einen am ersten Tag. Einen am zweiten und zwei am dritten.“
„Sehr gut.“
„Jetzt fischen wir wieder zusammen.“
„Nein. Ich habe kein Glück. Ich habe kein Glück mehr.“
„Zum Teufel mit dem Glück“, sagte der Junge. „Dann bringe ich Glück mit.“
© Ralph CraneIch wünsche Ihnen einen lebensfrohen Start in das Wochenende. Es grüßt Sie auf das Herzlichste
Ihr