die Ghostbusters haben den Sprung aus dem Science-Fiction in die Wirklichkeit geschafft. Kein Wunder: Der Anstieg paranormaler Phänomene ist das Erkennungszeichen der Gegenwart. Die Geister der Neuzeit sehen aus wie das Coronavirus und die Geisterjäger wie Angela Merkel und ihr Krisenkabinett.
If there's something strange in your neighborhood, Who you gonna call? Ghostbusters! If you're seeing things running through your head, Who you gonna call? Ghostbusters!
Die Furcht vor dem Virus und die Zustimmung zur Kanzlerin entwickeln sich seit Tagen parallel. Das eine scheint das andere zu bedingen. Merkel sei für die Bürger „der lebende Rettungsschirm“, sagt im heutigen Morning Briefing Podcast Deutschlands erfahrenster Demoskop, Professor Manfred Güllner.
Die Krise ist Merkels Lebenselixier, die dazugehörigen Krisensätze ihr Erkennungszeichen, mit dem sie sich längst im Geschichtsbuch eingetragen hat. Unvergessen ihr Credo in der Flüchtlingskrise 2015:
Wir schaffen das.
In der vorangegangenen Griechenlandkrise hieß es:
© dpaScheitert der Euro, scheitert Europa.
Der Bevölkerung erklärte sie zuvor in der Finanzkrise 2008 kurz und bündig:
Die Einlagen sind sicher.
Und jetzt – im Angesicht der Coronakrise – sagt sie:
© dpaUnsere Vernunft und unser Herz füreinander sind auf eine Probe gestellt, von der ich mir wünsche, dass wir sie auch bestehen.
Mit der Autorität einer Managerin für besondere Lebenslagen erklärte Merkel zugleich weitere Einschränkungen des bürgerlichen Lebens. Es geht ihr darum, das gespenstische Coronavirus in die Schranken zu weisen:
► Innerhalb des EU-Rates haben sich Staats- und Regierungschefs auf einen Einreisestopp für Nicht-EU-Bürger geeinigt. Zunächst 30 Tage lang will sich Europa abschotten – in Deutschland gilt die Maßnahme ab sofort.
► Bereits einige Stunden zuvor hatte die Bundesregierung eine Rückholaktion der im Ausland befindlichen deutschen Touristen angeordnet. Für 50 Millionen Euro will man Flugzeuge chartern, um die Rückreise zu organisieren.
► Zur Behandlung von Corona-Patienten werden die Krankenhäuser hierzulande aufgerüstet. Bund und Ländern wollen die Zahl der Intensivbetten verdoppeln. Zudem sollen Hallen, Hotels und Reha-Stationen zu provisorischen Behandlungszentren umgerüstet werden.
Merkels Politik zahlt sich aus – für sie und die gesamte CDU:
Eine Infografik mit dem Titel: CDU legt in der Coronakrise zu
Umfrageergebnisse seit Jahresbeginn, in Prozent
Während die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer sich verzögert, legte die CDU in der aktuellen Forsa-Umfrage um drei Prozentpunkte auf 29 Prozent zu, derweil Grüne, SPD und AfD verlieren.
© imagoIm Morning Briefing Podcast sagt Güllner:
Sie ist zum richtigen Zeitpunkt wieder da. Über 60 Prozent der Bürger sagen, das ist gut, was die Regierung da macht.
In den USA zeichnet sich im Verhältnis zwischen Präsident und Bevölkerung ein diffuseres Bild ab.
Nachdem Donald Trump die Ausbreitung und die wirtschaftlichen Auswirkungen des Virus unterschätzt hat, beginnt seine Regierung zu handeln. „Möglicherweise” befinde man sich doch auf dem Weg in eine Rezession, so der jetzt kleinlaute Präsident. Die Früchte seiner bisherigen Arbeit plumpsen damit vom Baum:
► Um die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise abzumildern, will die US-Regierung womöglich „Helikoptergeld“ streuen. „Die Amerikaner brauchen jetzt Cash, und damit meine ich in den nächsten zwei Wochen”, sagt Finanzminister Steven Mnuchin.
► Hinzu kommt ein milliardenschweres Hilfspaket für kleine und mittelständige Unternehmen.
► Auch den in Not geratenen Familien wird geholfen. Sie erhalten einen kostenlosen Zugang zu Tests sowie eine zehntägige Lohnfortzahlung im Falle einer Erkrankung.
► Insgesamt könnten sich die Hilfsmaßnahmen auf ein Volumen von rund eine Billion US-Dollar belaufen. Es wäre das größte Rettungspaket in der US-Geschichte.
Noch vor zwei Wochen stellte Trump die Behauptung auf, jeder könne sich auf das Coronavirus testen lassen. Dabei waren Tests lange Zeit kaum bis gar nicht verfügbar. Derzeit kommen in den USA auf eine Million Einwohner nur 100 getestete Personen. In Italien sind es über 2000, in Südkorea sogar über 5000.
Eine Infografik mit dem Titel: Trump büßt ein
Stimmungsbarometer (Job Approval) für Donald Trump, in Prozent
Anstatt zu handeln, versuchte der Präsident die Schuld von sich zu weisen. „Ich trage überhaupt keine Verantwortung“, sagte er auf die Frage nach dem Mangel an Coronatests. Stattdessen versuchte er Ressentiments zu schüren und bezeichnete Corona als „China-Virus”.
In der „Washington Post“ schreibt Paul Waldman über Trumps Krisenmanagement:
Wir werden Zeuge dessen, wie alle Charakterfehler und Managementschwächen Trumps zusammenkommen und das neuartige Coronavirus – und die damit verbundene Gefahr eines Wirtschaftseinbruchs – verschlimmern.
Für den „Guardian“ kommentiert Andrew Gawthorpe, Historiker für US-Geschichte an der niederländischen Leiden University:
Bald wird Trump den einzigen politischen Trick anwenden, den er kennt: Seine Basis sammeln, seine Macht missbrauchen, seine Feinde vernichten.
Fazit: Das Virus stärkt also nicht automatisch diejenigen in Regierungsverantwortung. Es kann den Führer einer Nation auch bloßstellen: infizieren durch demaskieren.
Das Tübinger Biotech-Unternehmen CureVac, auf das auch US-Präsident Trump ein Auge geworfen hatte, arbeitet unter Hochdruck an einem Impfstoff gegen das Coronavirus.
Im Morning Briefing Podcast spreche ich darüber mit Friedrich von Bohlen und Halbach, der seit 20 Jahren in Firmen der Biotechnologie investiert und im Aufsichtsrat des Unternehmens aktiv ist.
© imagoEr ist zuversichtlich, dass es schon bald mehrere Impfstoffe gegen das Virus geben wird. CureVac will seinen im Frühsommer in die Testphase schicken.
Ich hätte fast 100 Prozent gesagt, aber das sollte man nie tun. Aber ich bin zu 99 Prozent davon überzeugt, dass es Impfstoffe gegen Corona geben wird.
Über das Treffen des damaligen Vorstandsvorsitzenden mit Trump im Weißen Haus sagt er:
Man muss dem Präsidenten zu seinem sehr guten Beraterstab gratulieren, denn das ist der Grund, dass die Firma gefunden und ausgesucht wurde.
Neben dem Anspruch, mit neuen medizinischen Produkten das Leid auf der Welt zu lindern, wollen Mit-Investor Dietmar Hopp und er vor allem den deutschen Standort stärken, sagt er:
Es ist uns sehr wichtig, dass hier in Deutschland – das ich nicht gerade als sehr innovationsfreundlich bezeichnen würde – Technologien, Patente, Infrastruktur und Arbeitsplätze geschaffen werden, um Hochinnovationen anzusiedeln.
Laut Friedrich von Bohlen und Halbach sind Investments in die Biotechnologie besonders risikoreich – im Schnitt würden in Wirkstoffkandidaten zwei Milliarden Euro investiert, die Ausfallrate von Entwicklungen betrage 85 Prozent. Aber:
Wenn man dann an den Markt kommt mit einem Produkt, das Blockbusterpotenzial besitzt, dann kann das nicht nur sehr gewinnträchtig sein, sondern dann sind solche Firmen vor allen Dingen auch Übernahmekandidaten von großen Pharmaunternehmen.
Über die Rolle der Künstlichen Intelligenz, die auch die Pharmaindustrie disruptiert, sagt er:
Die Molekularbiologie wird für die Medizin das, was die Mathematik für die Physik ist.
Am Ende gehe es darum, Krankheiten zu erkennen, bevor sie entstehen:
Das ist die eigentliche Zukunft, nämlich die molekularbasierte Prävention. Zu verstehen, was die Veranlagung ist für gesund und krank im Einzelnen.
Was heute auch wichtig ist:
Erstens: Die Corona-Krise legt die Automobilbranche so gut wie lahm. Nachdem andere Hersteller bereits angekündigt hatten, ihre Produktion zu stoppen, stellen nun auch VW und Daimler die Produktion in Europa zu großen Teilen ein. Für die Daimler-Werke wurde ein zweiwöchiger, für die VW-Werke ein zwei- bis dreiwöchiger Produktionsstopp angekündigt.
Zweitens: BMW wird heute seine Jahreszahlen für 2019 vorstellen. Anders als andere Automobilhersteller kündigte BMW bisher noch nicht an, die Produktion zu stoppen. Anfang des Monats hatte BMW-Chef Oliver Zipse noch optimistisch verkündet, an einem leichten Wachstum als Absatzziel festhalten zu wollen. Heute wird er sich selbst revidieren müssen.
© dpaDrittens: Im Kampf gegen das Coronavirus schottet sich Schleswig-Holstein weiter ab. Nachdem für die Inseln bereits am Montag ein Einreiseverbot verhängt wurde, wird dieses ab heute auf das gesamte Bundesland ausgeweitet. Zudem werden alle Restaurant geschlossen und dürfen nur noch liefern. Der Hintergrund ist kein medizinischer, sondern ein politischer: Ministerpräsident Daniel Günther will gegenüber dem Bayern-Premier Markus Söder Flagge zeigen.
Viertens: Kanzlerin Angela Merkel hat sich zu einer Aufstockung der EU-Mittel für die Versorgung syrischer Flüchtlinge in der Türkei bereiterklärt. Das machte sie bei einem Video-Gipfel mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan klar.
Fünftens: Der frühere US-Vizepräsident Joe Biden hat seine Führung im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur weiter ausgebaut. Sein linker Konkurrent Bernie Sanders konnte bei wichtigen Vorwahlen in den Bundesstaaten Florida, Illinois und Arizona heute Nacht keinen Sieg verbuchen. Den Prognosen zufolge konnte sich Biden in Florida rund 60 Prozent der Stimmen sichern.
© imagoWir wollen das Ende der ökonomischen Betriebsamkeit, zu dem uns das Coronavirus zwingt, für eine neue Nachdenklichkeit nutzen. Deshalb haben mein Team und ich spontan den Podcast-Zyklus „Der achte Tag: Deutschland neu denken“ gestartet, dessen zweite Ausgabe gestern Abend um 21 Uhr erschienen ist.
Darin spricht die Schriftstellerin Nora Bossong – im vergangenen Jahr war sie mit ihrem Roman „Schutzzone” für den Deutschen Buchpreis nominiert – über die guten Seiten der Einsamkeit, über die Lehren des Albert Camus und darüber, dass sie in der Krise das vitale Zeichen einer Gesellschaft sieht, die sehr wohl zur Veränderung ihres Lebensstils in der Lage ist.
Wir kommen momentan in eine Situation, die ich als Schriftstellerin gut kenne: Das sehr aktive Leben gleitet über in eine Ruhephase, die extrem sein kann. Wir werden radikal entschleunigt und von dort ausgehend, können wir entweder in Panik geraten, oder wir können diesen Moment nutzen, um das Handeln hinter das Denken zu stellen.
Diesen neuen Podcast – der in den Apple-Charts unter den Folgen auf Platz 1 eingestiegen ist und damit vor „The Daily“ von der „New York Times“ (Platz 23) wie auch vor dem Nachrichtenpodcast „Was jetzt?“ der „Zeit“ (Platz 30), der „Süddeutschen Zeitung“ (Platz 65) und dem „Morning Briefing“ des „Handelsblatt“ (Platz 131) rangiert – hören Sie direkt bei uns auf der Homepage und bei Spotify .
Alle Abonnenten des Morning Briefing erhalten jeweils um 21 Uhr einen kurzen Hinweis, dass die aktuelle Produktion startklar ist. Heute Abend hat der norwegische Philosoph Anders Indset seinen Auftritt.
© dpaIch wünsche Ihnen einen geistreichen Start in den Tag. Es grüßt Sie herzlichst Ihr