Merkel: Politik der Härte

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Guten Morgen,

die weltweit rigideste Anti-Corona Politik kommt von Angela Merkel und Joe Biden.

Merkel sagte im Vorfeld der am Donnerstag stattfindenden Beratungen von Kanzleramt und Ministerpräsidenten:

Es muss alles daran gesetzt werden, das Infektionsgeschehen im Zaume zu halten. Darum müssen die Zügel angezogen und Regeln durchgesetzt werden.

Nach dieser Durchsage weiß Helge Braun, ihr Kanzleramtschef, was am heutigen Morgen zu tun ist, wenn er jetzt gleich mit den Staatskanzleichefs der Länder den Donnerstagstermin vorbereitet. Merkel verlangt Härte - von ihm und von uns.

Joe Biden, der mit den hohen Todeszahlen der Corona-Pandemie den US-Wahlkampf – der ein Anti-Trump-Wahlkampf ist – zu befeuern versucht, ist ihr Bruder im Geiste. Er kündigte jetzt an:

Ich würde das Land herunterfahren. Wir werden alles tun, was nötig ist, um Leben zu retten.

Auf Englisch klang das so:

I would shut it down. We’re going to do whatever it takes to save lives.

Eine Infografik mit dem Titel: Tödliche Kurve

Anzahl der Personen, die in Verbindung mit Covid19 gestorben sind seit 1.2.2020 weltweit

Doch die medizinisch ausgerichtete Politik von Maskenpflicht, Partyverbot und Lockdown könnte Merkel das Zustimmungshoch und Joe Biden den Wahlsieg kosten. Das Prinzip „Corona zuerst“ stößt an die Grenzen der Machbarkeit.

Erstens, kulturell: Kein Politiker kann und darf der Jugend verbieten, jugendlich zu sein. Sex, Drugs and Rock ‘n Roll, oder familienfreundlicher ausgedrückt - Nähe, Erotik und stimulierende Gemeinschaftserlebnisse - lassen sich auf Dauer nicht verbieten. Ich lade gern Angela Merkel am kommenden Samstag auf eine nächtliche Fahrt mit der PioneerOne ein, damit sie sieht, was ich am Samstagabend gesehen habe: Nacktbaden am Reichstag, Tango tanzen gegenüber der Museumsinsel, Udo Jürgens zum Mitsingen auf einem schmucken Touristenschiff; Partys am Ufer überall. Die Jugend lebt!

 © Anne Hufnagl

Zweitens, ökonomisch: Der Chef der Wirtschaftsweisen Prof. Lars Feld hat mit klaren Worten deutlich gemacht, dass die Volkswirtschaft durch einen zweiten Lockdown ihre bisherige Stärke verlieren würde, was zu einer nachhaltigen Pleitewelle plus Massenarbeitslosigkeit führen müsste:

Wenn sich eine Beschleunigung zeigen sollte und die Infektionen weiter um sich greifen, dann droht ein zweiter Lockdown. Das wäre wirtschaftlich gesehen eine Katastrophe. Eine ganze Reihe von Unternehmen, die in der jetzigen Erholungsphase noch überlebt haben, würden in die Insolvenz gehen müssen.

Eine Infografik mit dem Titel: Dramatischer Einbruch

Entwicklung des weltweiten BIP seit 2000 und Prognose für 2020 und 2021

Drittens, fiskalpolitisch: Die haushaltswirksamen Maßnahmen zur Stimulierung der Volkswirtschaft nach dem ersten Lockdown addieren sich auf rund 353 Milliarden Euro, hinzu kommen Staatsgarantien von 820 Milliarden Euro. Unterm Strich könnten auf dem Kassenzettel, so die Einschätzung der Deutschen Bank, nach Bewältigung der Pandemie rund 1,9 Billionen Euro stehen. Der Staat rettet sich zu Tode.

Eine Infografik mit dem Titel: Corona belastet den Haushalt

Entwicklung des Haushaltssaldos und der Arbeitslosigkeit seit 2018 und Prognose für 2020 und 2021, in Deutschland

Viertens, pädagogisch: Schon durch die jetzigen Regelungen ist der Schul- und Wissenschaftsbetrieb in Deutschland empfindlich gestört. Die Lehrkörper sind weniger mit der Wissensvermittlung als vielmehr mit der Pandemiebekämpfung - Laufwege organisieren, Hygieneregeln durchsetzen, Maskenpflicht kontrollieren und das tägliche Desinfizieren der Lehrräume - beschäftigt.

Fazit: Merkels Position ist zu hart, als dass sie den Alltag einer freien Gesellschaft überleben könnte. Es ist Zeit für eine Kurskorrektur. Die zu Beginn der Pandemie von Julian Nida-Rümelin - Philosophie-Professor und Ex-Kulturstaatsminister unter Gerhard Schröder - ins Spiel gebrachte Strategie des Cocooning, also des gezielten Beschützens von Risikogruppen, muss neu aufgenommen werden. Er sagt:

Die einzig langfristig rationale Strategie ist Cocooning, wie das im Englischen heißt, also dass die Menschen, die alt und hochbetagt sind, die Lungenerkrankungen oder Herzerkrankungen haben, systematisch und konsequent geschützt werden vor Infektionen.

In der CDU bleibt die erfolgreiche Nominierung des SPD-Kanzlerkandidaten nicht ohne Wirkung. Die konfliktfreie Verständigung aller Parteiflügel auf Olaf Scholz wirkt auch auf die Union disziplinierend. Im Hintergrund sind mindestens ein Dutzend Emissäre unterwegs - angeführt von Kanzlerin Angela Merkel und dirigiert von Noch-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer - den bisherigen Zermürbungskrieg zwischen Friedrich Merz, Armin Laschet, Jens Spahn, Norbert Röttgen und dem Schattenkanzlerkandidaten Markus Söder zu beenden.

Gesucht wird nach einem Kompromiss, der die Öffentlichkeit in gleicher Weise überrascht wie überzeugt, und der - so der Wunsch der Strippenzieher - die eigene Partei befriedet.

Drei Varianten sind denkbar:

Variante 1: Man einigt sich in den Hinterzimmern der Macht auf einen Kanzlerkandidaten Markus Söder. Damit würden zwei der bisherigen Kandidaten für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz und Armin Laschet, zurückziehen und den Weg für einen Generationswechsel freimachen. Ein CDU-Vorsitzender, der im ersten Durchgang nicht Kanzlerkandidat würde, erfordert ein deutlich anderes Profil: Er kann jünger und intellektueller sein. Vorhang auf für Norbert Röttgen oder Jens Spahn.

 © dpa

Variante 2: Im Team Laschet/Spahn wechseln Fahrer und Beifahrer die Position und stellen damit den Gesundheitsminister, der in der Krise Standfestigkeit und Urteilsvermögen bewiesen hat, nach vorn. Sein einziger Fehler war die frühe Absage an das Tragen von Masken, der allerdings im politischen Getöse an Nachwirkung verliert.

 © dpa

Variante 3: Ein Überraschungskandidat wird präsentiert, der die Selbstblockade der Union beendet und einen Neuanfang begründet. Als Namen kursieren innerhalb der CDU-Führung der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther und Kanzleramtsminister Helge Braun. Auch die Frauen sollen noch eine Rolle spielen - das ist zumindest der erklärte Wille von Annegret Kramp-Karrenbauer, wie „Bild“ heute berichtet. Die scheidende Parteichefin ist auf der Suche. Sie denkt zum Beispiel an Julia Klöckner, die allerdings umgehend jegliche Ambition dementieren ließ:

Julia Klöckner wird nicht für den CDU-Bundesvorsitz kandidieren.

Fazit: Die Union sollte den demoskopischen Momentaufnahmen misstrauen. Die 40 Prozent gehören Merkel, nicht der Partei. Ein Zerwürfnis der CDU wirkt wie ein Förderprogramm für Scholz. So funktioniert demokratische Dialektik.

 © dpa

Der staatlich verordnete und medizinisch gebotene Rückzug in die eigenen vier Wände hat die Umsätze der Möbelhändler in die Höhe steigen lassen. Ist die Konsumlaune anderswo mäßig, gilt das für die Einrichtungshäuser, sofern sie über einen gut bestückten Onlineshop verfügen, nicht. Die Deutschen investieren in Betten, Lampen und Kommoden.

  • Die Zahl der Anfragen für „neue Betten“ bei Ebay ist in der Corona-Krise um 345 Prozent gestiegen. Mike Klinkhammer, Advertising Sales Director bei Ebay, sieht einen deutlichen „Trend zum Cocooning“, der auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen werde. Der Manager sagte gegenüber dem „Handelsblatt“:

Der diesjährige Urlaub dürfte sich für die meisten Deutschen wohl ins eigene Zuhause verlagern.

  • Der Fachhändler Gartenmoebel.de vermeldete im April doppelt so hohe Zugriffe wie im Vorjahr, der Umsatz wuchs auf das Dreifache. Im Gesamtjahr 2020 rechnet das Unternehmen nun mit einem Wachstum von 100 Prozent statt der vorher anvisierten 40 Prozent.

  • Die Plattform Otto.de, mit einem Umsatz von 3,5 Milliarden Euro Deutschlands zweitgrößter Onlinehändler nach Amazon, vermeldete bei Möbeln, Gartenartikeln und Sportgeräten einen deutlichen Umsatzsprung. Er sei „deutlich zweistellig, in einigen Teilsortimenten sogar dreistellig im Vergleich zum Vorjahr gestiegen“, berichtet Marcus Ackermann, Vorstand des Mutterunternehmens Otto Group.

 © imago

Fazit: Das Heim wird zum Zufluchtsort. Irgendwie haben es die Briten schon früh geahnt: My home is my castle.

 © dpa

Nun hat er es geschafft. Nach einigem Hin und Her mit den russischen Behörden und Ärzten durfte er schließlich doch ausgeflogen werden. Am Samstagmorgen landete der russische Oppositionelle Alexej Nawalny gegen 8.45 Uhr auf dem militärischen Teil des Flughafens Tegel und wurde in einem Intensivtransportwagen der Bundeswehr in die Charité gefahren.

 © dpa

Einer, der das ermöglicht hat, ist der Berliner Filmproduzent Jaka Bizilj, mit dem wir an Bord der Pioneer One regelmäßig politische Filme schauen. Floating Cinema heißt unser Programm. Über den Gesundheitszustand von Nawalny sagt er:

Sein Zustand war natürlich besorgniserregend, aber stabil. Das Wichtigste ist, dass er den Flug sehr gut überstanden hat und nicht weiter belastet wurde.

Zu den vielen Herausforderungen, die zu bewältigen waren, gehörte auch diese:

Als der Flieger landete, war der Patient, entgegen den Planungen, nicht am Flughafen. Er wurde nicht aus dem Krankenhaus gelassen, mit dem Hinweis, dass er nicht transportfähig sei.

 © dpa

Auf die Frage, wer den Transport finanziell ermöglicht hat, antwortet er:

Aus dem Umkreis des Patienten haben sich eine wohltätige Stiftung und die Familie Semin engagiert. Sie haben zum Beispiel die Flugkosten übernommen.

Bevor Merkel den Deutschen die Feierlaune verderben kann, luden meine Kollegen Michael Bröcker, Gordon Repinski, Rasmus Buchsteiner und Alev Doğan schnell noch auf das Freideck der Pioneer One. Corona-bedingt in drei Zeitslots eingeteilt und in streng limitierter Gästezahl.

Zur abendlichen Rundfahrt durch das Regierungsviertel kamen Politiker und Persönlichkeiten aller Parteien, um mit den Pioneer-Machern den Perspektivwechsel zu feiern. So traf der neue Verdi-Chef Frank Werneke auf den FDP-Vorsitzenden Christian Lindner, der Olaf-Scholz-Vertraute, Staatssekretär Wolfgang Schmidt, sprach mit Linkspartei-Fraktionschef Dietmar Bartsch; der ThePioneer-Kolumnist und Ex-Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels tauschte sich mit CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte aus.

NRW-Integrations-Staatssekretärin Serap Güler besprach mit der Publizistin Düzen Tekkal, dem Digital-Erklärer Sascha Lobo und Autor Micky Beisenherz die Politik von morgen. Der Berliner CDU-Fraktionschef, Burkard Dregger, diskutierte mit der Grünen-Sprecherin im Senat, Laura Hoffmann. CDU-Nachwuchsstar und Unternehmerin Diana Kinnert kam mit der TV-Journalistin Yara Hoffmann, um mit CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak die Erlebnisse seiner Sommertour 2020 zu besprechen, die ihn in Plattenbausiedlungen und Eckkneipen führte. Und die Chefin der Jungen Liberalen, Ria Schröder, schaute auch vorbei.

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Einsamkeit ist die Geißel des 21. Jahrhunderts, sagte jüngst Papst Franziskus, 81. Diana Kinnert, 29, stimmt ihm zu. Die Publizistin, Unternehmerin und CDU-Vordenkerin hat das Thema zu ihrem gemacht. In Großbritannien half sie mit, ein „Einsamkeitsministerium“ zu entwickeln, das seit 2018 existiert.

Hierzulande fehlt so eine Einrichtung. Ein Fehler wie Diana Kinnert findet. Im Morning Briefing Podcast begründet sie warum:

Man muss gar nicht Katholik sein, um den Menschen als christlich-soziales Wesen ernst zu nehmen. Auch Barack Obama oder andere moderne Politiker sagen, dass Einsamkeit die soziale Regression des 21. Jahrhunderts ist. Das hat etwas mit den Fliehkräften der Moderne zu tun. Da wir nicht mehr zwanghaft verheiratet sein müssen, da wir nicht mehr zwanghaft in Familien leben müssen, gibt es Fliehkräfte, die dafür sorgen, dass wir uns alleine durchkämpfen. Das hat Folgen.

In Großbritannien gibt es mehr als 200.000 Senioren über 70, die seltener als ein Mal im Monat mit Freunden oder Familien sprechen. Es gibt 40 Millionen Europäer, die sich einsam fühlen. Studien belegen, dass Einsamkeit sich dauerhaft auf die Mortalität eines Menschen auswirkt.

Über ihre Altersgenossen- und genossinnen sagt sie:

Gerade in meiner Generation können alle was zum Thema Einsamkeit sagen. Sie können darüber sprechen, wie sie den eigenen Bindungen nicht hinterherkommen, wie sie Bindungen konsumieren. Sie können sagen, wie es ist, wenn man gar nicht mehr mit dem Partner spricht, weil beide so extrem im Karrieremodus sind.

Nach dem 1:0-Sieg gegen Frankreichs Champion Paris Saint-Germain hat der FC Bayern München das prestigeträchtige Triple aus Meisterschaft, Pokal und nun Champions League gewonnen. Der Sieg ist für den deutschen Rekordmeister - dem „Kicker” zufolge - mindestens 130 Millionen Euro wert – nie habe ein Klub aus der Vermarktung des europäischen Fußballverbands Uefa mehr Geld bekommen.

Einen Gewinner hatte das Finale übrigens schon vor dem Anpfiff: das Emirat Katar. Das kleine, aber reiche Land am Persischen Golf sponsort über seine staatliche Fluggesellschaft den FC Bayern München und besitzt zugleich Paris Saint-Germain über seinen Staatsfonds. Für die Kataris war das gestrige Spiel also das, was die Betriebswirte ein In-Sich-Geschäft nennen.

Ich wünsche Ihnen einen herzhaften Start in die neue Woche. Es grüßt Sie herzlichst Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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