Angela Merkel hat versucht, die Macht über die CDU abzugeben. Aber das ist ihr nicht gelungen. Die Macht ist zu ihr zurückgekehrt wie ein in die Stadt verschenktes Kätzchen, das durch Wind und Wetter den Weg zurück zum Heimathof findet. Leicht zerzaust und ein wenig verwirrt hockt das Tier nun wieder in Merkels Schoß.
Den Rückweg, das könnte man einwenden, fand das CDU-Kätzchen nur, weil Merkel mit durchdringender Stimme gerufen hatte. Die Stimme war so laut, dass sie sogar aus Südafrika nach Deutschland drang. Nie zuvor hatte Frauchen mit derartiger Entschlossenheit gesprochen. Man konnte es auch als Lockruf der Macht interpretieren:
© dpaDie Wahl dieses Ministerpräsidenten war ein einzigartiger Vorgang, der mit einer Grundüberzeugung für die CDU und auch für mich gebrochen hat, dass nämlich keine Mehrheiten mithilfe der AfD gewonnen werden sollen. … dieser Vorgang ist unverzeihlich und deshalb muss das Ergebnis rückgängig gemacht werden.
Da hat's gescheppert, würde man auf dem Lande sagen. Daheim kippten die Figuren des politischen Spiels um wie die Milchkannen beim Orkan. Der thüringische FDP-Ministerpräsident fiel zuerst, der Ost-Beauftragte purzelte hinter, CDU-Fraktionschef Mike Mohring gab auf – und die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer gestern früh auch. Der FDP-Chef steht noch, aber wackelt verdächtig. Bei der nächsten Böe, sagen seine Parteifeinde, liegt er flach.
Man muss kein Merkel-Bewunderer sein, sondern lediglich braver Chronist der Ereignisse, um festzustellen: Sie ist derzeit die erste und letzte Instanz der Republik. Sie ist der Buddha der Bürgerlichen, die gar nicht wissen, was sie am meisten an ihr schätzen sollen, ihre politische Raffinesse, ihre Bodenständigkeit oder die schlichte Tatsache, dass sie einfach immer da ist. Beide sehen jetzt ganz glücklich aus: das Kätzchen – und der Berliner Buddha auch.
Nur das Land könnte ein wenig Bewegung gut gebrauchen. Der echte Buddha hätte da für seine Berliner Statthalterin eine Weisheit parat: „Lerne loszulassen, das ist der Schlüssel zum Glück.“
© ThePioneerDie Dramen der Union lassen niemanden kalt. Und Günther Oettinger, bis November 2019 noch EU-Kommissar, schon gar nicht. Deswegen habe ich bei ihm angerufen. Im Morning Briefing Podcast sagt er über Armin Laschet, Friedrich Merz und Jens Spahn, die potenziellen Nachfolger von Annegret Kramp-Karrenbauer an der CDU-Spitze:
Alle drei, die infrage kommen, sind aus Nordrhein-Westfalen. Deswegen sage ich als Baden-Württemberger: Einigt Euch!
Einer der schärfsten Kritiker von Kramp-Karrenbauer war Tilman Kuban, Chef der Jungen Union, die mit über 100.000 Mitgliedern eine Hausmacht darstellt. Was denkt der 32-Jährige über die neue Situation? Darüber spricht mein Kollege Michael Bröcker mit ihm im Morning Briefing Podcast . Kuban lehnt eine Koordinatenverschiebung der Union ab:
Es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD, und es gibt keine Zusammenarbeit mit der Linkspartei. Daran werden wir auch nicht rütteln lassen.
Mit Serap Güler, Mitglied des CDU-Bundesvorstands und Integrations-Staatssekretärin in Nordrhein-Westfalen, spreche ich über den Kern der Gegenwartsprobleme: das Flüchtlings- und Migrationsthema. Sie sagt:
Wir haben es integrationspolitisch jahrzehntelang versäumt, den Menschen, die in dieses Land kamen, auch Forderungen zu stellen.
Die vielen gescheiterten Abschiebungen sind ihr ein Dorn im Auge. Sie fragt:
Wieso bilden sich Flüchtlingsinitiativen, um jegliche Abschiebungen, teilweise sogar Abschiebungen von Gefährdern zu verhindern? Es gibt Menschen, die sagen: ,Okay, der hat es irgendwie ins Land geschafft. Wir sind offen für jeden, der darf bleiben.‘ Diese Politik ist nicht die Politik der CDU.
Ihre Forderung:
Wir dürfen diese Entscheidung, wer nicht im Land bleiben darf, nicht auf die kommunale Ebene delegieren, weil die ist damit völlig überfordert. Ich bin der Meinung, das muss in Zukunft die Bundespolizei übernehmen.
Flüchtlinge und Abschiebungen, aber auch Fachkräfte, Zuwanderung und hier auch die Zuwanderung von Hochqualifizierten - all das muss besser gesteuert werden. Es bräuchte eine zentrale Einwanderungsbehörde.
Der angekündigte Rücktritt Kramp-Karrenbauers besitzt auch eine medienpolitische Komponente. Denn die Mehrzahl der Blätter wusste anlässlich ihrer Wahl vor 14 Monaten Großes zu berichten. Die „Süddeutsche Zeitung“:
Die Vernunft hat gesiegt. Die CDU hat sich mit AKK für die sichere Variante entschieden.
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schwärmte von der „neuen Dirigentin“, „Bild“ spürte „Kramp-KarrenPower“.
Eine Infografik mit dem Titel: AKKs Kursverfall
Beliebtheitswerte der CDU-Chefin im ARD-Deutschlandtrend
Wenn Sie Geld sparen und zugleich Ihren CO2-Footprint reduzieren wollten, wäre das nun Ihre Chance: Kündigen Sie einfach die Abonnements all jener Zeitungen und Magazine, die Ihnen 2016 die Wahlniederlage von Donald Trump vorhersagten, Ihnen 2017 Martin Schulz als Retter der Sozialdemokratie ans Herz legten und anschließend Kramp-Karrenbauer als neue Kanzlerin vorstellten. So wird zumindest Ihr Medienkonsum klimaneutral.
© Der SpiegelEine große Mehrheit der Bundesbürger findet einer Umfrage zufolge den Rückzug Kramp-Karrenbauers gut. Den Vorstoß befürworten 77 Prozent der Befragten, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa ergab. Das gilt auch für die Anhänger der Unionsparteien (77 Prozent).
© dpaBei der Frage, wer alternativ als Kanzlerkandidat infrage käme, sehen die Befragten am ehesten Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz (27 Prozent) vorne. Danach folgen der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (18 Prozent), CSU-Chef Markus Söder (11 Prozent) und Gesundheitsminister Jens Spahn (8 Prozent). Allerdings sind 36 Prozent der Befragten der Meinung, dass keiner der vier geeignet wäre. Das ist die Zahl, die künftige Rangordnungskämpfe begründet.
Eine Infografik mit dem Titel: Merz führt Bewerberfeld an
Wer CDU und CSU als Kanzlerkandidat in die nächste Bundestagswahl führen sollte, in Prozent
Der Coronavirus ist für China nicht nur eine gesundheitliche Herausforderung: Aktuell gibt es über 42.600 nachgewiesene Erkrankungen und 1.016 Todesopfer in dem Land. Mittlerweile geraten auch der lange Zeit für unantastbar geglaubte Staatspräsident Xi Jinping und die Kommunistische Partei unter Druck. Das System hat sich infiziert.
© dpaEilig versucht man gegenzusteuern. Tausende zusätzliche Mediziner eilten in die Elf-Millionen-Stadt Wuhan, um bei der Eindämmung der Epidemie zu helfen. Etwa 6200 medizinische Fachkräfte wurden mit 47 Charterflügen in die Stadt gebracht.
In der „Financial Times“ fasst Asienexperte Jamil Anderlini die Lage folgendermaßen zusammen:
Wenn das Virus nicht schnell eingedämmt werden kann, könnte sich dies als Chinas Tschernobyl-Moment herausstellen, in dem die Lügen und Absurditäten der Autokratie für alle sichtbar werden.
Der Sparkurs beim Autobauer Daimler fällt schärfer aus als gedacht, weil die Lage schwieriger ist als zugegeben. Wie das „Handelsblatt“ berichtet, will Vorstandschef Ola Källenius deutlich mehr beim Personal einsparen als die rund 1,4 Milliarden Euro, die er im November nannte. Weltweit sollen nun bis zu 15.000 Stellen wegfallen. Källenius will seine verschärften Pläne am heutigen Dienstag in Stuttgart präsentieren, wenn er auch die Bilanz für das Jahr 2019 vorlegt. Die dürfte angesichts eines drastischen Gewinneinbruchs ohnehin nicht gerade glanzvoll ausfallen.
Eine Infografik mit dem Titel: Im Zickzackkurs nach unten
Aktienkurs von Daimler seit Amtsantritt von CEO Ola Källenius im Mai 2019, in Euro
Nach bekannten vorläufigen Zahlen hat Daimler 2019 ein operatives Ergebnis von 5,6 Milliarden Euro erzielt – halb so viel wie 2018. Nicht nur der geplante Wechsel von Dieter Zetsche auf den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden ist nun fraglich. Auch Källenius selbst steht aus Sicht vieler Investoren zur Disposition. Sie betrachten ihn nicht als Nachfolger Zetsches, sondern als dessen Derivat.
Ich wünsche Ihnen einen schwungvollen Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie herzlichst Ihr