Merz vs. Laschet

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Guten Morgen,

beim Treffen der Fraktionsspitzen von CDU und CSU im Berliner Westhafen gab es von Renate Köcher, der Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach, eine klare Empfehlung. Beide Parteien sollten die hohen Zustimmungswerte für die Union nicht durch interne Rangordnungskämpfe verspielen. Köcher unplugged:

Sie können sich da richtig ins Knie schießen.

Doch kaum hatte die Demoskopin den Saal verlassen, wurde der interne Wahlkampf in Abwesenheit der Protagonisten fortgesetzt. Keiner der beiden Lager ist zum Rückzug oder auch nur zur Unterordnung bereit:

Friedrich Merz verweist auf die Umfragen, die ihn im ARD-Deutschlandtrend mit neun Punkten vor Laschet sehen. Unter CDU/CSU-Mitgliedern liegt er sogar 18 Prozentpunkte vor seinem Rivalen, wenn auch 32 Prozent hinter Söder.

Eine Infografik mit dem Titel: Söder an der Spitze

Beliebteste Kanzlerkandidaten unter CDU/CSU-Anhängern, in Prozent

Laschet dagegen erinnert daran, dass er über langjährige Regierungserfahrung verfügt und ein erfolgreicher Parteiarbeiter ist.

Merz glaubt, dass seine Themen, also Wirtschaft und Staatshaushalt, gerade jetzt Konjunktur haben.

Laschet hingegen sieht sich als Architekt einer künftigen schwarz-grünen Koalition in Berlin, weil er in beiden Lagern Respekt genieße. Merz, so Laschet gegenüber Parteifreunden, sei – ungewollt – der Möglichmacher von rot-rot-grün.

Eine Infografik mit dem Titel: Schwarz-grüne Machtoption

Sonntagsfrage zur Bundestagswahl, in Prozent

Merz glaubt, Laschet habe sich vor allem mit seiner gelegentlichen Wankelmütigkeit – Maskenpflicht in den Schulen erst ja, dann nein – angreifbar gemacht.

Laschet denkt, dass Laschet in dieser Pandemie sein Gesellenstück geliefert habe. Die Idee einer vorsichtigen Öffnung war schließlich seine.

Merz verspricht, dass er die AfD bundesweit halbieren würde.

Laschet verweist auf die Renate-Köcher-Zahlen, die nahelegen, dass das für die Union ansprechbare AfD Potenzial bei nur 1 Prozent liege. Demnach würde ein Rechtskurs der Union zum Verlust der Merkel-Mitte führen.

 © dpa

Merz sagt trotzig, er sei die Alternative zu Merkel.

Laschet dagegen wird offensiv als Merkel 2.0 in den innerparteilichen Wahlkampf ziehen. Jetzt nach ihrem Höhenflug erst recht.

Merz sagt, er dominiere das bürgerliche Deutschland.

Friedrich Merz © dpa

Laschet rechnet vor, dass er bei Frauen und – dank Teammitglied Jens Spahn – auch bei den Jungen punkten kann. Laschet glaubt an eine Verständigung mit Norbert Röttgen – und sei es kurz vor dem entscheidenden Wahlgang. Für eine Unterstützung des libertären Röttgen-Lagers könnte er dem heutigen Rivalen etwa die Führung der Münchner Sicherheitskonferenz anbieten – für einen außenpolitisch begabten Intellektuellen wie Röttgen ein Traumjob.

Fazit: Merz kämpft. Er weiß zwar große Teile der klassischen Mitglieder, männlich, katholisch und wirtschaftsnah, hinter sich. Das CDU-Establishment aber – also Kanzleramt, Konrad-Adenauer-Haus, wichtige Landesvorsitzende und Fraktion – hat sich gegen den einstigen Fraktionschef verschworen. Auch deshalb konnte Laschet dem Rivalen in einem Vier-Augen-Gespräch im Düsseldorfer Industrie-Club mit reinem Herzen sagen:

Du wirst es schon mal auf keinen Fall.

Ein prominentes Mitglied der heutigen Fraktionsführung über Merz:

Merz ist der Obama der pensionierten Unternehmensberater.

Noch Fragen? Ja, eine: Was ist eigentlich, wenn Renate Köcher sich irrt und aus Dutzenden korrekten demoskopischen Befunden den einen falschen Schluss gezogen hat? Womöglich verlangen die Wähler genau das, was die Frau aus Allensbach verhindern möchte: eine demokratische Führungsentscheidung. Das andere kennt man ja zu Genüge: Es heißt verharmlosend „einvernehmliche Lösung“ und entpuppt sich bei näherem Hinsehen doch nur wieder als ein alter Bekannter, der auf den Namen „Hinterzimmerpolitik“ hört.

 © imago

Olaf Scholz wehrt sich: Der Finanzminister kann sich mit der Aussicht, unter seiner Fürsorge wachse eine Armee von „Zombiefirmen“ heran, nicht anfreunden. Deshalb bezweifelt er die von Creditreform und Deutscher Bank geäußerten Befürchtungen. Bei der „Handelsblatt“-Bankentagung in Frankfurt wies er diese als „blutleere Lehrbuchspekulation“ zurück. Die Maßnahmen der Bundesregierung seien pragmatisch und zeitlich befristet:

Ich halte es nicht für wahrscheinlich, dass dadurch Entscheidungen nicht getroffen werden, die notwendig sind.

Den vom Bundestag eingesetzten Untersuchungsausschuss zum Wirecard-Skandal – der auch seine Verantwortung prüfen wird – begrüßte er. Er werde dabei helfen, „dass wir die Reformen jetzt auch durchsetzen können und sie nicht verhindert werden.“ Reformen, so sollte man ehrlicherweise hinzufügen, die er bisher nie versucht und die daher auch keiner verhindert hat.

 © imago

Bafin-Chef Felix Hufeld wird im Inland geschont und im Ausland hart ran genommen. Lionel Laurent kommentiert bei Bloomberg:

Der deutschen BaFin sind bei Wirecard die Ausreden ausgegangen.

Noch beunruhigender als die Entdeckung der Betrügereien sei die Enthüllung, dass BaFin-Mitarbeiter in den Monaten vor der Wirecard-Insolvenz mit Aktien dieser Firma intensiv gehandelt haben. Der Kommentator:

Angesichts der Rolle der BaFin als Aufsichtsbehörde ist das Resultat schrecklich.

Auch der „FT“-Journalist Dan McCrum, der den Wirtschaftsskandal Anfang 2019 mit seiner Kollegin Stefania Palma aufdeckte, meldet sich erneut zu Wort. Er wurde von der BaFin nie unterstützt, auch nicht als Zeuge befragt, vielmehr forderte die Aufsichtsbehörde die Staatsanwaltschaft auf, gegen ihn zu ermitteln. Der damalige Vorwurf:

Marktmanipulation in Form einer Short-Attacke.

 © imago

Für seinen Arbeitgeber hat McCrum den gesamten Wirecard-Krimi nun detailliert zusammengefasst:

Dies ist die Geschichte, wie es war, die Realität eines kriminellen Unternehmens zu enträtseln und aufzudecken, das sich auf ein Netzwerk professioneller Mithelfer stützte, um für einen der größten Unternehmensbetrugsfälle der Neuzeit zu sorgen.

Die Anzeige der BaFin gegen ihn, den Aufdecker der Machenschaften, beschreibt er folgendermaßen:

Im April reichte die BaFin eine Strafanzeige gegen Palma und mich sowie eine Reihe von Händlern und Hedgefonds ein, mit denen ich nie gesprochen hatte. Ich hatte das seltsame Gefühl, Kollegen dabei zuzusehen, wie sie einen Artikel über unsere bevorstehende Strafverfolgung verfassten und redigierten. ,Bist du sicher, dass du nichts hast durchrutschen lassen?’, fragte ein Redakteur und versuchte, die Grenze zwischen Kollegialität und Pflicht einzuhalten. ,Wurdest du schon verhaftet?’ wurde zum Standardgruß, wenn ich den Newsroom durchquerte.

Eine Infografik mit dem Titel: Wirecard: Der tiefe Sturz

Aktienkurs seit dem 18. Juni, in Euro

Seine Erleichterung nach der Wirecard-Insolvenz beschreibt McCrum folgendermaßen:

Für mich und für viele der Langzeitermittler der ,FT’ fühlte es sich an, als wäre ein riesiges Gewicht verschwunden. Mein großer weißer Wal war endlich weg.

Immerhin: Gestern stellte die Staatsanwaltschaft München I die Verfahren gegen die beiden „FT“-Journalisten ein. Die Behörde teilte mit, die Berichterstattung der beiden sei grundsätzlich zutreffend und „jedenfalls vom Standpunkt der damaligen Informationslage aus weder falsch noch irreführend.“

 © dpa

US-Präsident Donald Trump weiß, wie man seine Wähler überrascht und den Gegner verwirrt. Am Mittwoch rief er in North Carolina seine Wähler dazu auf, zu testen, ob die Briefwahl wirklich so sicher sei, wie seine Kritiker sagten. Die Leute sollten per Brief abstimmen und dann ins Wahllokal gehen und sehen, ob beide Stimmen gezählt werden. Dem Fernsehsender WECT sagte er:

Lasst sie es per Brief schicken und lasst sie wählen gehen.

Wenn das System funktioniere, werde die zweite persönliche Stimmabgabe nicht möglich sein:

So ist das nun mal und so sollten Sie es machen.

Direkt an die Wähler gewandt:

Ihr könnt nicht zulassen, dass sie Euch die Stimme wegnehmen. Diese Leute machen schmutzige Politik.

Der Hintergrund von Trumps Vorschlag: Das amerikanische Wahlsystem ist anfällig für Störungen und auch für Fälschungen. Der Präsident schlägt nichts Geringeres vor, als das System durch seine Hintergehung zu testen. Damit ruft er zu dem auf, was er eigentlich verhindern will: zum Wahlbetrug.

 © ThePioneer

Die Idee des internationalen Einsatzes ist mit dem Putsch in Mali zunächst gescheitert.

Die neue Kolumne „Situation Room“ von Hans-Peter Bartels auf ThePioneer.de befasst sich mit der Frage, wie es vorangehen soll in einem Auslandseinsatz, in dem bisher wenig funktioniert.

Den ganzen Text können Sie hier lesen.

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Apple ist mit seinen Cash-Reserven von rund 100 Milliarden US-Dollar genauso reich wie verschwiegen. Interviews werden nur selten gewährt. Schon gar nicht deutschen Medien.

Nun aber hatte sich Apple-Managerin Lisa Jackson mit meinem Tech-Briefing-Kollegen Daniel Fiene verabredet, um über deutsche Unternehmen zu sprechen, die sich einem Ziel des iPhone-Konzerns angeschlossen haben: Bis 2030 soll nicht nur das Unternehmen, sondern auch die komplette Zuliefer- und Produktionskette klimaneutral gestaltet werden.

 © imago

Nachdem sich bereits Henkel und die in Deutschland produzierenden Unternehmen Tesa, 3M, H.B. Fuller und Solvay dem Klima-Programm von Apple angeschlossen haben, ist jetzt auch der Batteriehersteller Varta dieser Selbstverpflichtung beigetreten. Lisa Jackson, die unter Barack Obama die US-Umweltschutzbehörde leitete, ist für die Partnersuche zuständig. Sie fordert die Wirtschaftsbosse zum Umdenken auf:

Gerade die Auswirkungen der Corona-Pandemie sollte jedes Unternehmen veranlassen, die eigenen Pläne zu überprüfen und das eigene Geschäft zukunftssicher zu machen.

Wenn sich Unternehmen in einer anderen Denkweise verrannt haben, dann sollte man seine Annahmen in Frage stellen.

Und sie betont die Wichtigkeit einer nachhaltigen Konzernvision:

Im Kern ist Klimaneutralität ein Investment in unsere Zukunft, das auch finanzielle Gewinne ergibt. Niemand bittet hier um Spenden.

Das komplette Gespräch mit Lisa Jackson hören Sie im neuen Tech Briefing Podcast. Als Pioneer können Sie das Gespräch auch im neuen Tech Briefing Newsletter nachlesen. Öffnen Sie diese Seite und klicken Sie einfach auf „Jetzt abonnieren“.

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Der Lobbyismus wird in Deutschland gemeinhin mit dem Etikett „schmutzig“ beklebt. Jener Branche, die im politischen Berlin nach Schätzungen 8000 Personen umfasst, gilt als anrüchig.

Zu Unrecht, sagt Martin S. Abel. Er ist Director von Public Affairs, einer der einflussreichsten Lobbyagenturen in Berlin, der MSL Gruppe. Der frühere Grünen-Politiker war von 2012 bis 2017 Mitglied des NRW-Landtags und Sprecher seiner Fraktion für Haushalt und Finanzen, bevor er zur NRW-Bank wechselte und sich nun als Lobbyist durch die Spesenlokale kämpft.

In seiner Streitschrift für den Lobbyismus, um den ihn die Redaktion von ThePioneer gebeten hat, heißt es:

Lobbying ist im besten Sinne Informations- und Wissensaustausch. Diese Leistung sollte mehr wertgeschätzt werden.

Den streitbaren Text finden Sie auf ThePioneer.de.

Die Wirtschaft stockt und strauchelt. Der Podcast als neues Medium aber wächst. Unter den digitalen Angebotsformen verzeichnet er mit knapp 39 Prozent den größten Zuwachs. Mittlerweile nutzt jeder dritte Deutschen das mobile Medium. Es geht um Information, Inspiration und Unterhaltung.

Dabei hat der Boom der Podcast-Formate inzwischen alle Altersgruppen erfasst, relativ betrachtet am stärksten die Jüngsten und die Älteren. So hören in der Altersgruppe der 14- bis 29-jährigen 47 Prozent mehr Podcasts als ein Jahr zuvor.

Eine Infografik mit dem Titel: Beliebtes Hörformat

Anteil der Befragten, die in Deutschland hin und wieder Podcasts hören, in ausgewählten Jahren, in Prozent

Dabei erfreuen sich die Audioformate vor allem wegen ihrer Tiefe und Ausführlichkeit sowie wegen der Exklusivität der Themen großer Beliebtheit. Zu den beliebtesten Inhalten gehören Informations- und Wissenssendungen, weniger gefragt sind Unterhaltung und Comedy. Politik- und Gesellschaftsthemen sind populärer als Wissenschafts-, Technik- und Freizeitthemen.

 © imago

Als Podcast No.1 in der Kategorie „Nachrichten“ hat sich bei den Apple-Charts „Steingarts Morning Briefing Podcast“ seit über einem Jahr durchgesetzt. Nicht selten – wie in dieser Woche – finden sich drei verschiedene Folgen – in diesem Fall die Gespräche mit Manuela Schwesig, Lars Feld und der Sonderpodcast zur „Unbequemen Wahrheit“ – gleichzeitig unter den Top 5. Für die Treue möchte ich mich im Namen des gesamten, mittlerweile neunköpfigen Podcast-Teams bei unseren Hörerinnen und Hörern bedanken. Ihr Enthusiasmus ist unser Antrieb.

Klick aufs Bild führt zur aktuellen Podcast-Folge

Im Podcast begrüßt sie heute erstmals Dagmar Rosenfeld, die streitbare Publizistin, die einst für die „Zeit“ arbeitete und seit März 2019 „Welt“-Chefredakteurin ist. Sie hat der altehrwürdigen Tageszeitung eine unverwechselbare Stimme gegeben. Dagmar Rosenfeld steht für Liberalität und Nonkonformismus. Sie wird künftig immer freitags den Podcast moderieren. Freuen Sie sich darauf.

Ihr großer Interviewpartner heute ist Markus Lanz vom ZDF. Mit dem Moderator und Journalisten hat sie über die Diskussionskultur in Deutschland, seine Erfahrungen aus der Sendung und die Situation in Amerika zwei Monate vor der Wahl gesprochen.

 © dpa

Auf die Frage, warum die Debattenkultur so aufgeladen und unversöhnlich ist, antwortet er:

Ich habe oft das Gefühl, dass wir nur über die Symptome sprechen. Aber wo sind die Ursachen?

Vor der US-Wahl 2016 war Lanz für Dreharbeiten in den USA. Danach sagte er die Wahl Donald Trumps voraus. Heute schätzt er die Situation so ein:

Du siehst: Mit 500 Dollar mehr in der Tasche ist den Leuten nicht geholfen, denn es geht auch um Armut im Geiste und das ist das Beklemmende und Bedrückende.

Auf die Frage, ob er, wie zuvor der MDR, ein Interview mit Björn Höcke führen würde, antwortet er:

Björn Höcke ist tatsächlich ein Grenzfall, denn Björn Höcke kann man nicht stellen. Und das macht es schwer.

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Dem lauten und verbal oft ungehobelten Treiben bei Twitter und Instagram steht er mehr als nur skeptisch gegenüber:

Vieles davon ist Zeitverschwendung.

Ich wünsche Ihnen ein Wochenende der Gelassenheit. Es grüßt Sie auf das Herzlichste Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
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