einige Politiker glauben, im Keller des Bundesfinanzministers stehe ein Dukatenesel. So fordert Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger kurz vor Torschluss die Verlängerung der abgesenkten Mehrwertsteuer mindestens bis Ende 2021.
Wir stehen in der Verantwortung, die Konjunktur weiterhin gezielt zu stützen, und dazu müssen wir für positive Kaufimpulse sorgen.
Eine Infografik mit dem Titel: Teurer Konjunkturimpuls
Aktuelle Mehrwertsteuersenkung im Vergleich, in Milliarden Euro
Den bisherigen Steuerausfällen von 20 Milliarden Euro, ausgelöst durch die sechsmonatige Absenkung von 19 auf 16 Prozent, würden weitere Milliarden folgen. Das Staatsdefizit, das derzeit um 10.424 Euro pro Sekunde zunimmt, würde weiter steigen.
Eine Infografik mit dem Titel: Der Lauf der Schuldenuhr
Entwicklung des gesamtstaatlichen Schuldenzuwachses pro Sekunde seit 1995, in Euro
Wo ein Politiker nach neuen Schulden ruft, ist die dazugehörige Lobby nicht weit. Der Handelsverband Deutschland – die Vertretung aller Einzelhändler – fordert sogar dauerhaft niedrigere Mehrwertsteuersätze. Hauptgeschäftsführer Stefan Genth sagt der „Welt”:
Die gesenkten Sätze sollten so lange beibehalten werden, bis die Pandemie zuverlässig überwunden ist.
Viele Ökonomen schütteln entgeistert den Kopf. Professorin Dominika Langenmayr, Finanzwissenschaftlerin an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, erklärt im Morning Briefing Podcast, dass vor allem die Online-Riesen profitieren werden:
Wir helfen genau denen, die trotz der Krise große Umsätze haben, insbesondere dem Online-Versandhandel.
Finanzminister Olaf Scholz ist gewillt, der Stimme der Vernunft zu folgen. Der zeitlich erweiterten Absenkung der Mehrwertsteuer erteilt er eine Absage:
Das endet mit diesem Jahr.
Jetzt kann man nur hoffen, dass er sagt, was er denkt und anschließend tut, was er sagt.
Diesen Werbeslogan von Opel aus den 70er Jahren wird man getrost aus dem Repertoire streichen dürfen:
Nur Fliegen ist schöner.
In Wahrheit wird das Fliegen, inklusive Check-In, Passkontrolle, Bustransfer und dem engmaschigen Sitzen, heute von Millionen Menschen als riskante Angelegenheit empfunden. Der hustende Nachbar erscheint als Virenschleuder; die Schlange vor den Waschräumen könnte sich als High-Spreader-Event erweisen. Die Klimaanlage, auch wenn die Betreiber ihre reinigende Funktion beteuern, wird noch misstrauischer beäugt als vor Ausbruch der Pandemie.
© dpaDeshalb erklärt der Chef des Großflughafens London Heathrow den Schnelltest zur neuen Normalität, der auch nach dem Ende dieser Pandemie nicht verschwinden soll. John Holland-Kaye sagt:
Flugpassagiere werden Corona-Tests vor einem Flug auch lange nach der Einführung eines Impfstoffs machen müssen.
Seit gestern steht fest: Deutschland und die übrigen EU-Staaten kaufen bis zu 300 Millionen Dosen des vielversprechenden Corona-Impfstoffs der Firmen Biontech und Pfizer. Die EU-Kommission billigte am Mittwoch den Rahmenvertrag. Die beiden Firmen wollen noch dieses Jahr mit der Lieferung beginnen – vorausgesetzt, sie bekommen eine europäische Zulassung der Arzneimittelbehörde EMA.
Kanzlerin Merkel und Gesundheitsminister Spahn müssen vorher noch eine gewaltige Aufgabe lösen: Gemeinsam gilt es, Millionen Deutsche davon zu überzeugen, sich überhaupt impfen zu lassen. Eine Umfrage des Unternehmens Ipsos Mori zeigt, dass hierzulande jeder dritte Bürger skeptisch ist, wenn es um einen Corona-Impfstoff geht:
Eine Infografik mit dem Titel: Corona-Impfstoff: Hoffnung und Skepsis
Bereitschaft ausgewählter Nationalitäten, einen Corona-Impfstoff einzunehmen, in Prozent
Innerhalb der amerikanischen Linken hat die Aufarbeitung des nur knappen Wahlsieges von Joe Biden begonnen, den viele als Beinahe-Niederlage empfunden haben. Besonders deutlich meldet sich die linke Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez zu Wort.
© imagoIm Interview mit der „New York Times“ wirft sie Biden vor, die Agenda der progressiven Parteijugend zu ignorieren und sein Übergangsteam vor allem mit dem Parteiestablishment zu bestücken.
Nach außen gewinnen wir, aber nach innen gibt es eine extreme Feindschaft gegenüber allem, was nur nach Fortschritt riecht.
Aber auch der eher traditionelle Parteiflügel der Demokraten ist sauer. Er glaubt, dass die Linken einen fulminanten Wahlsieg von Joe Biden vermasselt haben. Das „weltfremde Gerede über Sozialismus und die Abschaffung der Polizei” hätten sie fast die Wiederwahl gekostet, sagt die Demokratin Abigail Spanberger aus Virginia. Der demokratische Abgeordnete Brendan Boyle stemmt sich gegen die Twitter-Blase, die das demokratische Projekt seiner Ansicht nach mit heißer Luft aus den Debattierclubs von San Francisco, Washington und New York aufgepumpt hat:
© imagoUnsere Partei ist nicht das, was Leute auf Twitter darüber denken.
Sie sei im Herzen nach wie vor „eine Partei der working class, gleichgültig, ob weiß, afroamerikanisch oder Latino." Der„ New York Times“-Autor und Pulitzer-Preisträger Thomas L. Friedman pflichtet bei:
Viele Trump-Wähler aus der Arbeiterklasse haben nicht nur das Gefühl, dass man auf sie herabsieht. Sie lehnen auch ab, was sie als kulturelle Zensur von liberalen Eliten ansehen, die aus dem College-Campus kommen.
Der Historiker und leitende Redakteur der Innenpolitik bei der „SZ“, Joachim Käppner, beschäftigt sich in einem Essay mit der Debatte nach dem Wahlausgang. Er sagt:
Herzen und Seelen der Leute werden nicht durch moralische Überheblichkeit gewonnen.
Wenn das progressive Amerika sein „Heil in den safe spaces der Gleichgesinnten sucht, in einer behaupteten höheren Moral, stets das Trennende statt das Gemeinsame betont, verliert auch sie diesen Kampf.“ Prädikat: lesens- und nachdenkenswert.
Mit Kranzniederlegungen und Salutschüssen haben die USA am Tag der Veteranen ihren Nationalstolz gefeiert – im Machtkampf ums Weiße Haus aber blieben die Fronten unverändert.
Wahlsieger Joe Biden erklärt in Philadelphia, er spüre „das volle Gewicht der Ehre und der Verantwortung, die mir das amerikanische Volk als dem nächsten Präsidenten anvertraut hat“. Amtsinhaber Donald Trump sagt vor einer Kranzniederlegung auf dem Nationalfriedhof Arlington, er werde die Unterstützung der Veteranen fortsetzen. So ist die aktuelle Lage in Washington, D.C., am Morgen:
Die Republikaner sind nur noch einen Sitz von der Mehrheit im Senat entfernt. Im Bundesstaat Alaska wurde Amtsinhaber Dan Sullivan mit 57 Prozent wiedergewählt und auch in North Carolina setzte sich der republikanische Mandatsinhaber Thom Tillis erneut durch. Die Republikaner errangen damit 50 der insgesamt 100 Sitze im Senat. Die Demokraten verfügen derzeit über 48 Sitze. Offen ist noch die künftige Besetzung von zwei Senatorenposten, die dem Bundesstaat Georgia zustehen. Sie werden bei einer Stichwahl am 5. Januar vergeben.
Donald Trump hat bei den konservativen Digitalmedien des Landes, zum Beispiel bei Breitbart News, Adressen gekauft, um die Sympathisanten-Szene zum Spenden aufzufordern.
Das Trump-Team hat eine weitere Klage gegen das Ergebnis der Wahl eingereicht. Vor einem Bundesgericht in Michigan machte es am Mittwoch unter anderem geltend, dass in dem Bundesstaat „illegale und unzulässige Stimmzettel“ erfasst worden seien.
Fazit: Was beim Fußball die Nachspielzeit entwickelt sich auch hier - ein Kampf nach dem Wahlkampf. Nur, dass man vergeblich auf den Schiedsrichter wartet.
Die neue US-Regierung unter Joe Biden dürfte nicht alles anders machen als Donald Trump, aber doch vieles besser, schreibt ThePioneer-Expert Hans-Peter Bartels in seiner neuen Kolumne Situation Room. Europa und Deutschland dürften sich gerade jetzt nicht zurücklehnen.
Die nächste Bundestagswahl findet voraussichtlich erst am 26. September 2021 statt. Einer, der jetzt schon auf sich aufmerksam macht, ist Joe Chialo, der für die CDU ins Parlament einziehen will. Joe Chialo ist das Kind eines Diplomatenehepaares aus Tansania, geboren in Bonn. Sein Abitur absolvierte er an der Schule eines römisch-katholischen Ordens. Nach einer Lehre als CNC-Fräser hat er unter anderem wirtschaftliche Staatswissenschaften studiert, heute leitet er als Geschäftsführer die Geschicke des Musiklabels Afroforce1 Records.
Der 50-Jährige will im kommenden Herbst für den Berliner Wahlkreis Spandau-Charlottenburg Nord in den Bundestag einziehen. Ich habe ihn gestern auf die Pioneer One eingeladen um herausfinden, was dieser Politik-Quereinsteiger zu erzählen hat. Über seinen Weg zur CDU sagt er im Morning Briefing Podcast:
Ich spüre in der CDU den Anspruch, progressiv die Probleme lösen zu wollen.
Als früherer Rockmusiker leidet er mit der stillgelegten Kulturszene:
Die Politiker-Sicht auf die Kultur- und Kreativwirtschaft ist leider so, dass man uns nicht ernst genug nimmt. Das muss sich ändern.
Beim Rennen um den CDU-Vorsitz hat er einen klaren Favoriten:
© Anne HufnaglIch würde mir sehr wünschen, dass Jens Spahn antritt. Er hat während der Pandemie einen Riesenjob gemacht.
Fazit: Eine neue CDU wird hier hör- und erlebbar. Das Konzept der Metropolenpartei gewinnt an Kontur. Die Überschrift „Der Obama der CDU“ ist übertrieben - aber nur ein bisschen.
Apropos Gesundheitsminister: Jens Spahn hat einen Plan vorgelegt, demzufolge jeder Heimbewohner nur noch maximal 700 Euro pro Monat für die Pflege aufbringen soll. Pflegekräfte will er künftig besser bezahlen. Friedrich Merz lehnt die neuerliche Milliardenbelastung für den Sozialstaat ab: „Das kann man so nicht machen.“ Alle Details der Pflegereform von Spahn lesen Sie im Newsletter „Hauptstadt – Das Briefing“.
Um die Pflegebranche geht es auch bei meiner Kollegin Alev Doğan. Sie spricht in der „8. Tag“ mit dem Pflegewissenschaftler German Quernheim, der voller Leidenschaft für einen Neustart in dieser Branche plädiert. Er möchte einen neuen Berufsstolz entwickeln, in dessen Folge sich Mangel an Pflegekräften von ganz allein reduziert. Wenn diese Vision wahr wird, erscheint das Alter nicht mehr als Bedrohung, sondern als Verheißung.
Der scheidende Siemens-Chef Joe Kaeser hat zum letzten Mal die Jahresbilanz vorgelegt. Am frühen Morgen veröffentlichte der Konzern die Zahlen für das am 30. September beendete Geschäftsjahr.
Demnach ist Siemens ist bislang relativ gut durch die Corona-Krise gekommen. Zwar sank der Nettogewinn um ein Viertel, doch unter dem Strich steht immer noch ein Plus von 4,2 Milliarden Euro. Dabei half auch ein Schlussspurt mit starken Zahlen im vierten Geschäftsquartal von Juli bis September. Alleine in diesen drei Monaten verdiente Siemens 1,9 Milliarden Euro.
Eine Infografik mit dem Titel: Siemens: Die Ära Kaeser
Kursverlauf seit Joe Kaesers Wechsel an die Konzernspitze am 01. August 2013, in Euro
Die Pandemie kennt viele Verlierer - und einen großen Gewinner: Die Möbelhändler. Nachdem der öffentliche Raum zur infektiösen Zone erklärt wurde, wird das Zuhause nun zur Hochburg der Gemütlichkeit ausgebaut. Heimwerkermärkte und Möbelhäuser sind die Kathedralen einer neuen Zeit. Trotz geschlossener Geschäfte konnten sie ihre Umsätze steigern, wie aktuelle Zahlen von Ikea und Home24 belegen.
So glich bei dem schwedischen Möbelhaus während des Lockdowns der steigende Online-Umsatz die Ausfälle in den Möbelhäusern und Restaurants aus. Konkret stieg der Online-Umsatz im Jahresvergleich von 9,4 auf 16,2 Prozent, derweil die Umsätze im stationären Geschäft um rund 1,5 Milliarden auf 35,2 Milliarden Euro zurückgingen.
© dpaIn Deutschland, dem wichtigsten Einzelmarkt, konnte Ikea seinen Umsatz sogar leicht steigern: Erlöse von 5,33 Milliarden Euro im Geschäftsjahr 2019/2020 bedeuten ein Plus von 0,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Besser dran waren die reinen Online-Anbieter wie home24. Das 2012 von Philipp Kreibohm und Felix Jahn gegründete Unternehmen meldet für das dritte Quartal im Vergleich zum Vorjahr ein Umsatzwachstum von märchenhaften 54 Prozent und hebt die Prognose für das Geschäftsjahr 2020 kräftig an: Das Unternehmen plant nun mit einem währungsbereinigten Umsatzwachstum von 38 bis 42 Prozent.
Fazit: In der Pandemie beweist sich, dass die Digitalisierung eine große Chance für viele Branchen und Berufe bedeutet. Oder anders gesagt: Zukunft ist das, was wir daraus machen.
Ich wünsche Ihnen einen beherzten Start in den neuen Tag. Bleiben Sie mir gewogen. Es grüßt Sie auf das Herzlichste
Ihr