ich hoffe, Sie hatten einen guten Start in das Osterwochenende. Lassen Sie uns die Zeit der erzwungenen Stille und der Kontaktverbote gemeinsam meistern. Die Hoffnung, dass dieser entbehrungsreiche Ausnahmezustand dabei hilft, die Überforderung unseres Gesundheitssystems zu vermeiden, eint uns. Die Gewissheit, dass es ein Leben nach Corona gibt, spendet Trost. Die Zuversicht, dass wir diese widrige Gegenwart für eine Revitalisierung unseres Gemeinwesens nutzen können, sollte uns als Ermunterung dienen. Denn es ist an uns, diese Gelegenheit für eine neue Nachdenklichkeit zu nutzen. Toleranz ist der Verdacht, dass der andere recht hat, sagt Kurt Tucholsky. Vielleicht sollten wir in den kommenden Tage in uns selbst investieren; dem Anderen zuzuhören - zwecks Gehirnerweiterung - wäre ein solches Investment, das sich als hoch rentierlich erweisen könnte. Der Andersdenkende nervt nicht, er bereichert. Mit einer Reihe außergewöhnlicher Persönlichkeiten hat das Team von Media Pioneer für Sie inspirierende Podcasts produziert. Einige davon möchte ich Ihnen kurz vorstellen.
Den Auftakt macht am heutigen Morgen Robin Alexander, der Ihnen trotz des Feiertags den Morning Briefing Podcast präsentiert. Der Buchautor und stellvertretende Chefredakteur der „Welt“ begrüßt Sie mit folgenden Themen: ► In der Coronakrise sind die Gotteshäuser zwar geöffnet, jedoch finden keine Gottesdienste statt. Robin Alexander fragt bei dem Jesuiten Pater Bernd Hagenkord SJ (Societas Jesu) nach, wie sich die aktuelle Krise auf das religiöse Leben hierzulande auswirken wird. Sein ernüchterndes Fazit: „Wir stehen vor der Bedeutungslosigkeit als Kirche, als Institution.“ ► Mit der jungen Extremsportlerin Anja Blacha spricht Robin Alexander über selbst gewählte Einsamkeit. Auf einer Südpolexpedition war die 29-Jährige rund zwei Monate fast komplett von der Außenwelt abgeschnitten. Ihre Erfahrung: „Man lernt, mehr im Weniger zu entdecken.“
Unser Podcast-Zyklus „Der achte Tag“ will Orientierung bieten und Sinn stiften. Menschen mit verschiedensten Lebenserfahrungen und Zukunftsvisionen kommen zu Wort. Dieses Mal ist Prof. Dr. Marina Münkler zu Gast. Die Literaturwissenschaftlerin und Hochschulprofessorin in Dresden spricht darüber, was die derzeitige Ausnahmesituation für unsere Freundschaften Positives bedeuten kann:
Das Streben nach dem Guten findet man im Augenblick in der Gesellschaft viel häufiger.“
Vielleicht kann diese Krise uns besser machen, weil wir zum Beispiel anfangen über Leute nachzudenken, über die wir sonst nicht nachgedacht hätten.
Wir sind zu Gast bei Prof. Dr. Maren Urner. Sie ist Neurowissenschaftlerin und Mitgründerin des werbefreien Magazins für konstruktiven Journalismus „Perspective Daily“. Für sie bedeutet diese Krise eine Befeuerung, unser Leben endlich neu zu denken:
Für mich ist die Coronakrise ein gesamtgesellschaftliches Trauma. Das klingt negativ, bietet aber eine große Chance, weil jetzt alles im wahrsten Sinne des Wortes verrückt ist.
Aber wenn jetzt alles ver-rückt ist, dann ist unsere Vorstellungskraft auf einmal nicht mehr limitiert in dem, was noch vorher Realität war.
Wir hören Prof. Dr. Paul Kirchhof zu, ehemaliger Verfassungsrichter und Hochschulprofessor in Heidelberg. Er warnt davor, die Überforderung der Staatlichkeit mutwillig herbeizuführen. Sein ordnungspolitischer Zuruf lautet:
Der Staat hat eine gewaltige Summe von 600 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Die Verschuldensobergrenze wurde um 100 Milliarden Euro erhöht, die Gewährleistungsermächtigungen um 357 Milliarden Euro. Und die Tilgung soll ab 2023 beginnen und 19 Jahre dauern. Das ist ein kühner Zugriff auf die Zukunft.
Der Star-Autor der „Süddeutschen Zeitung“ Prof. Dr. Heribert Prantl appelliert an die Widerstandsfähigkeit unserer freiheitlichen Demokratie:
Man muss nicht nur entschlossen gegen das Virus kämpfen, sondern auch gegen eine Stimmung, die die Grund- und Bürgerrechte in Krisenzeiten als Ballast, Bürde oder als Luxus betrachtet
Es darf nicht so weit kommen, dass jeder, der das Wort Grundrecht sagt, das Wort Freiheitsrechte und Bürgerrechte in den Mund nimmt, schief angeschaut wird.
Die preisgekrönte deutsche Journalistin Düzen Tekkal, die als Kriegsreporterin 2014 aus dem von der IS-Terrororganisation besetzten Irak über das Schicksal von Millionen Flüchtlingen berichtete, hat Angst am eigenen Leib erfahren. Und sie teilt mit uns die Erfahrung, dass sich Angst überwinden lässt:
Die Angst vor der Angst ist größer, je weiter wir von der Gefahr entfernt sind, weil es dann diffus wird, weil das Kopfkino anspringt. Das erleben viele gerade.
Auch die Angst vor der gesellschaftlichen Spaltung Deutschlands beschäftigt sie. Hier glaubt Tekkal, dass durch die Krise der Gemeinsinn gestärkt und die Lust an der Polarisierung gedämpft werde:
Die Populisten sind gerade arbeitslos. Nichts von dem, was sie jetzt machen ist wirksam, weil es nicht konkret ist. Das finde ich sehr erhellend. Wenn es darauf ankommt, fokussieren wir uns. Diese Krise macht ehrlich.
Hören Sie diese und alle anderen Folgen von „Der achte Tag“ direkt auf unserer Homepage , bei Spotify und Deezer sowie bei Apple Podcasts .
Am Ostermontag um 18 Uhr präsentieren wir Ihnen die nunmehr dritte Folge des neuen Podcast-Formats „Überstunde“ . Die Gastgeber Marina Weisband und Michael Bröcker haben sich mit dem Klaviervirtuosen Igor Levit über „Heimat“ unterhalten. Levit, im russischen Gorki vor 33 Jahren geboren, hat in der staatlich verordneten Zwangspause aus der Not eine Tugend und aus seinem Wohnzimmer einen Konzertsaal gemacht. Dort spielt er jeden Abend um 19 Uhr, oft seinen Lieblingskomponisten Beethoven, aber auch Billy Joel oder Janis Ian. Erst kürzlich setzte sich Levit auf Einladung des Bundespräsidenten an den großen Flügel in Schloss Bellevue. Levit versteht sich aber nicht nur als Pianist, sondern auch als politischer Aktivist.
Ich bin genauso Musiker und Pianist, wie ich Aktivist bin. Das eine kann ohne das andere nicht mehr existieren.
Über den aktuellen Ausnahmezustand sagt er:
Ich will raus. Wenn das, was jetzt ist, länger dauert, werden wir Wiederaufbauarbeit leisten müssen. Wir sind in einem Bereich tätig, der mit vielen Menschen zu tun hat. Ich möchte Musik mit Menschen teilen. Aber sehr viele Menschen in einem Raum, das ist wohl eine der letzten Sachen, die wieder funktionieren werden.
Hier und jetzt stirbt gerade meine Branche. Für viele Menschen steht die Existenz am Abgrund. Das zerreißt mich.
Ich wünsche Ihnen ein Osterfest in heiterer Gelassenheit. Wir sprechen uns am Dienstagmorgen wieder. Ich freue mich jetzt schon auf Sie. Für die vielen sehr persönlichen und so überaus liebevollen Ostergrüße möchte ich mich an dieser Stelle bei Ihnen bedanken. Wer so dankbare Leserinnen und Leser, Zuhörerinnen und Zuhörer hat, der braucht die Widrigkeiten der Wirklichkeit nicht zu fürchten.
Es grüßt Sie auf das Herzlichste Ihr