Pate Putin

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Guten Morgen,

der Gewinner dieser Woche heißt Wladimir Putin. Der Iran kondoliert, Europa debattiert, Trump deeskaliert und Putin triumphiert.

Die Welt ist seine Bühne: Eben noch befuhr er in der Pose des Imperators die Straßen von Damaskus. Gestern weihte er mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan eine neue Gaspipeline ein. Am Samstag lässt er die Kanzlerin im Kreml einfliegen. Gäbe es in Hollywood einen Oskar für den besten politischen Hauptdarsteller, hätte Putin ihn verdient: Der Pate. Die Neuverfilmung. Die Titelmusik zu dem Thriller schrieb Michail Kalaschnikow, der Erfinder des gleichnamigen Sturmgewehrs.

Eine Infografik mit dem Titel: Größtes Land der Welt

Fläche Russlands inkl. annektierter Krim gegenüber USA, in Millionen km²

Putins politische Potenz hat sich von der ökonomischen Realität entkoppelt. Wenn über Deutschland gesagt wird, es sei ein wirtschaftlicher Riese, aber ein politischer Zwerg, verhält es sich bei Russland umgekehrt: Die Wirtschaft des Landes darbt, doch in der Weltpolitik geht ohne den Paten nichts mehr. Drei Gründe sind dafür entscheidend:

Eine Infografik mit dem Titel: Der wirtschaftliche Zwerg

Bruttoinlandsprodukt Russlands gegenüber USA in 2018, in Billionen US-Dollar

Erstens: Putin rechnet in Waffen, nicht in Wohlstand. Das Bruttoinlandsprodukt ist seit dem Jahr 2012, als Putins dritte Amtszeit begann, um knapp 23 Prozent gesunken. Seit seinem Machtantritt verlor der Rubel 60 Prozent im Verhältnis zum Euro. Dafür hat Putin Russland in eine gut florierende Waffenschmiede verwandelt. Die Kundschaft steht Schlange, selbst innerhalb der Nato.

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Zweitens: Putin setzt Rohstoffe als Druckmittel ein. Die Russische Föderation ist nach den USA der zweitgrößte Produzent von Erdgas. Laut dem Statistical Review of World Energy von BP verfügte das Land über 20 Prozent der weltweiten Reserven. Mit 106,2 Milliarden Barrel verfügt Russland zudem über die sechstgrößten Ölreserven der Welt, die USA besitzen nur 61,2 Milliarden Barrel. Die werte Kundschaft wird nicht erpresst, nur für russische Interessen „sensibilisiert“.

Drittens: Putin weiß die Methoden der digitalen Beeinflussung für sich zu nutzen. Seine Intervention im US-Wahlkampf, als russische Hacker in die E-Mail Server von Hillary Clinton eindrangen und Trumps Gegenkandidatin kompromittierten, war sein Gesellenstück. Die US-Geheimdienste überführten ihn - wenn auch folgenlos.

Donald Trump © dpa

Der Gegenspieler in Washington hat dagegen eine schwierige Woche hinter sich. Raketenangriffe iranischer Militärs – erst heute Nacht ging eine Rakete in der Nähe der US-Botschaft in Bagdad nieder – und das Drängen der Nato-Partner auf Deeskalation setzen ihm zu. Gestern trat der US-Präsident mit einer Friedensbotschaft vors Publikum:

Unsere Raketen sind groß, leistungsstark, genau, tödlich. Die Tatsache, dass wir dieses großartige Militär und diese großartige Ausrüstung haben, bedeutet jedoch nicht, dass wir sie einsetzen müssen. Wir wollen sie nicht einsetzen.

In Richtung der iranischen Bevölkerung sagte Trump:

Wir möchten, dass Sie eine großartige Zukunft haben. (…) Die Vereinigten Staaten sind bereit, mit allen, die danach streben, Frieden zu schließen.

Angela Merkel © dpa

Bundeskanzlerin Angela Merkel kann zufrieden sein. Ihr Plädoyer für Vernunft und Augenmaß wurde erhört. Der US-Präsident hatte seine deutsche Amtskollegin am Dienstagabend angerufen und mit ihr 45 Minuten lang telefoniert. Er warnte vor Naivität, sie vor Krieg. Er warb für Sanktionen, sie für ein Atomabkommen mit Teheran. Es war Trump, der das Telefonat initiierte hatte. Mittwochmorgen berichtete sie laut Teilnehmern im Kabinettsfrühstück ihren Ministerkollegen über das Telefonat und beruhigte die Anwesenden. Es sei Trumps Wille, den Konflikt nicht weiter eskalieren zu lassen.

Wie steht Trump nun innenpolitisch da? Wer trieb ihn zur Deeskalation? Im Morning Briefing Podcast spreche ich darüber mit unserem Washington-Korrespondenten Peter Ross Range. Er sagt:

Nach viel politischem Gegenwind sowie dem Rat seiner militärischen Berater scheint Trump die großen Gefahren einer weiteren Eskalation erkannt zu haben.

Was will Putin? Darüber gibt uns im Morning Briefing Podcast die Putin-Biografin Katja Gloger Auskunft. Die langjährige Moskau-Korrespondentin des „Stern“ beschreibt einen Staatspräsidenten, der „gelassen und unbeeindruckt“ vorgeht:

Er ist die personifizierte Stabilität. Er zeigt, dass in der gesamten Region ohne ihn, ohne Russland, nichts mehr geht.

Wohin treibt die Welt? Und wie soll Europa auf die Rauchschwaden aus Nahost reagieren? Rückzug aus dem Irak oder mehr Verantwortung, gerade jetzt? Das wollte ich von Norbert Röttgen wissen, dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag. Sein Urteil:

Es spricht eine klare Sprache, dass der Iran jetzt nicht den eskalierenden Schritt getan hat. Andererseits darauf zu vertrauen, dass das schon alles war, wäre grob fahrlässig.

Die Schuldfrage für die militärischen Auseinandersetzungen sieht Röttgen nicht bei Trump, sondern beim Iran:

Wenn der Iran nach dem Abschluss des Nuklearabkommens seine Politik der regionalen Expansion mit militärischen und terroristischen Mitteln unter Führung des jetzt getöteten Generals Soleimani nicht begonnen und intensiviert hätte, wäre es zu dieser Eskalation nie gekommen.

Röttgen glaubt, dass Teheran sich einen wirklichen Krieg nicht leisten kann:

Der Iran ist angeschlagen, wirtschaftlich und militärisch. Das Land ist einem Konflikt mit den USA nicht gewachsen. Sie wollen keinen Krieg, aber sie können es sich genauso wenig leisten, als schwach wahrgenommen zu werden.

Putin habe seine Karten in den vergangenen Monaten gut gespielt, müsse sich jetzt allerdings entscheiden:

Will er sich damit begnügen, Kriegspartei zu bleiben? Oder will er die neue Rolle Russlands darin ausdrücken, dass sein Land Ordnungsverantwortung übernimmt und damit zur Ordnungsmacht im Mittleren Osten wird?

Röttgen wünscht sich Letzteres, auch vor dem Hintergrund amerikanischer Rückzugsgelüste. Kanzlerin Merkel wird Putin dazu ebenfalls ermuntern. Das eben ist das Neue der Situation: Europa duldet den Paten nicht nur, sondern wünscht sich für ihn eine tragende Rolle.

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Auf der Schattenseite der neuerdings euphorisch betriebenen Klimaschutzpolitik steht die Stahlindustrie. Ein „Handelsblatt“-Report fasst heute Morgen die weltweit schwierig gewordene Lage für die einstigen Vorzeigekonzerne des Industriezeitalters zusammen:

► Der indisch-europäische Stahlgigant Tata Steel hat seine Gewinnmarge von einem Quartal auf das andere halbiert.

► 3000 Stellen will der Stahlkonzern in Großbritannien und den Niederlanden streichen, nachdem das Europageschäft im Angesicht von Brexit und Autokrise in die roten Zahlen rutschte.

► Auch Thyssen-Krupp muss 2000 Stellen in seinem Kerngeschäft streichen. Die österreichische Voestalpine, bisher ein Star der Branche, kürzt 300 Jobs in Deutschland.

► Die neuen Anforderungen an den Klimaschutz bedeuten in den kommenden Jahren einen milliardenschweren Investitionsbedarf, den viele dieser Firmen aus dem eigenen Cash-Flow nicht finanzieren werden können. Fazit: Mit Stahl ist wahrscheinlich weiterhin Geschäft zu machen, aber nicht mehr von jedem. In Deutschland hat die Branche ihre Zukunft hinter sich. Die Vorstände bei Thyssen-Krupp bekommen keine Gehälter, sondern Schmerzensgeld ausgezahlt.

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Der Großmeister des Direktvertriebs kehrt an seine Wirkungsstätte zurück. Carsten Maschmeyer, Gründer des Finanzdienstleisters AWD, drängt erneut in die Versicherungsbranche. Der 60-Jährige beteiligt sich an dem saarländischen Online-Versicherungsportal Neodigital. Selbstbewusst kündigte Maschmeyer sein Engagement an. Die etablierten Versicherungskonzerne müssten sich jetzt „ganz warm anziehen“. Es drohe „die größte Umwälzung in der Geschichte der ganzen Branche. Das werden nicht alle der alten Platzhirsche überleben.“ Wir lernen, was wir schon vorher wussten: Einer wie Maschmeyer kann alles, nur nicht leise. Hinhören lohnt dennoch: Der Selfmade-Milliardär weiß, wie man Ideen in Gold verwandelt.

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„Das Auto der Zukunft ist ein Betriebssystem auf Rädern“, hatte Joe Kaeser von Siemens einst gesagt. Auf der Technik-Messe CES in Las Vegas war diese Zukunft als Gegenwart bereits zu besichtigen. Nicht der Tech-Gigant Apple macht den Anfang, sondern der japanische Multimedia-Konzern Sony. Der stellte den Prototypen eines Elektroautos vor. Der Wagen (Vision-S) wurde zusammen mit einer ganzen Reihe von Partnern entwickelt – allen voran Magna Steyr aus Österreich, aber auch den drei großen deutschen Zulieferern Bosch, Continental und ZF. Das Publikum war nicht begeistert, aber angetan.

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Der britische Prinz Harry und seine Frau Meghan wollen einen Teil ihrer royalen Pflichten loswerden und sich künftig verstärkt in Nordamerika und damit in Freiheit aufhalten. Das Hofzeremoniell nervt, die Etikette beengt. Das ist der größte Triumph der bürgerlichen Revolution: Früher wollten alle Königskinder sein. Heute wollen die Königskinder Bürger sein. Vielleicht sieht ja das Paradies aus wie unsere Normalität. Ich wünsche Ihnen einen unbeschwerten Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
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