Europa in der Krise

Putin und sein Zwillingsbruder

Teilen
Merken

Guten Morgen

wir sollten mit unserer Empörungsenergie haushalten, auch wenn es um Kremlchef Wladimir Putin geht. Schon wer den Singular benutzt, will betrügen. Es gibt mindestens zwei Putins. Ob es zusätzlich noch einen dritten gibt, werden wir in Kürze erfahren.

Putin I. ist der große Europäer und Deutschlandfreund, der unser Land – das er als junger KGB-Mann in Dresden kennenlernte – sehr zu schätzen weiß. Dieser Putin besuchte im Jahr 2001 die wiedervereinigte Bundesrepublik und meldete sich am 25. September 2001 am Rednerpult des Deutschen Bundestages in perfektem Deutsch zu Wort:

Russland hegte gegenüber Deutschland immer besondere Gefühle. Wir haben Ihr Land immer als ein bedeutendes Zentrum der europäischen und der Weltkultur behandelt, für deren Entwicklung auch Russland viel geleistet hat. Heute erlaube ich mir die Kühnheit, einen großen Teil meiner Ansprache in der Sprache von Goethe, Schiller und Kant, in der deutschen Sprache, zu halten.

Angela Merkel und Wladimir Putin im Jahre 2020 © dpa

Er gab sich als Freund des europäischen Hauses zu erkennen:

Wir unterstützen die europäische Integration nicht einfach nur, sondern sehen sie mit Hoffnung. Wir tun das als ein Volk, das gute Lehren aus dem Kalten Krieg und aus der verderblichen Okkupationsideologie gezogen hat.

Dieser Putin hatte die Idee, sein Land mit der Geschichte zu versöhnen und es aus der Armut zu befreien. Er setzte auf den Handel mit dem Westen, auch um die Rohstoffabhängigkeit seiner Volkswirtschaft zu beenden.

Eine Infografik mit dem Titel: Russland: Europas Partner

Jährliches Gesamthandelsvolumen (Import und Export) der Europäischen Union im Güterhandel mit Russland, in Milliarden Euro

Diesen der Welt zugewandten Putin traf ich am 3. März 2012. Es war der Vorabend seiner Wiederwahl zum Präsidenten. Er hatte die Chefredakteure von „Times“, „Le Monde“, „Corriere della Sera“ und „Handelsblatt“ zum mehrstündigen Meinungsaustausch in seine Residenz vor den Toren Moskaus geladen.

Wladimir Putin und Gabor Steingart © Privat

Ich saß links neben ihm, sodass wir – obwohl das offizielle Tischgespräch in Englisch geführt wurde – immer wieder in ein kleines deutsches Zwiegespräch abgleiten konnten. Wenn er Einschlafprobleme habe, so erzählte Putin I., zappe er gern durch das deutsche TV-Programm; vor allem die Talkshows hätten es ihm angetan. Befragt nach seiner Lieblingsmoderatorin, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen: Maybrit Illner.

Maybrit Illner © imago

Dieser leutselige, neugierige und ausgesprochen umgängliche Putin – der uns nach dem Dinner, also zu nachtschlafender Zeit zum Ballspiel mit ihm und seinen Bewachern in die nahe gelegene Turnhalle einlud – ist mittlerweile spurlos verschwunden. Er hat uns seinen Zwillingsbruder vorbeigeschickt.

Der blickt deutlich finsterer auf die Welt. Er ist nicht leutselig, sondern misstrauisch. Er verehrt Machiavelli und praktiziert Carl von Clausewitz, für den der Krieg keine Unmöglichkeit, sondern die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln war.

Wladimir Putin bei Militärparade © dpa

Die russische Landnahme auf der Halbinsel Krim im Jahr 2014 und die de facto Annexion der beiden Ost-ukrainischen Provinzen Donezk und Luhansk gestern Nacht brachen mit dem Völkerrecht.

Sie folgten den Grundprinzipien der politischen Ruchlosigkeit, die den Weltmachtpolitiker seit jeher vom Friedensengel unterscheiden. Der Weltmachtpolitiker hält die Hard Power des Militärs für effektiver als die Soft Power der Diplomatie. Er träumt nachts nicht vom Friedensnobelpreis, sondern von Alexander dem Großen, Attila dem Hunnenkönig oder Napoleon Bonaparte. Er rechnet seit jeher nicht in Ehrennadeln und Medaillen, sondern in Quadratkilometern und Bodenschätzen. Die britischen Kolonialisten wissen, was hier gemeint ist.

Eine Infografik mit dem Titel: Russland: Zähe Aufholjagd

Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in heutigen Preisen, in Tausend US-Dollar

Putin II. nimmt Maß an den Amerikanern, die ihren Widersacher Osama Bin Laden auch nicht dem Rechtsstaat überstellten, sondern ihn an Ort und Stelle mit Kopfschuss niederstreckten. Der unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erfolgte Einmarsch im Irak ist diesem Putin nicht entgangen. Dass der Westen ohne UN-Sicherheitsratsbeschluss in das zerfallende Jugoslawien seine Bomberverbände schickte, hat ihn, den Milosevic-Freund, nicht gänzlich unberührt gelassen. Was die können, denkt sich Putin II., kann ich auch. Er will von der Welt jetzt nicht geliebt, sondern gefürchtet werden.

Wobei Putin II. seine Risiken kühl kalkuliert. Der Einmarsch in die Separatistengebiete war exakt jene „minor incursion“, die der amerikanische Präsident ihm de facto in einer unvorsichtigen Rede zugestanden hatte. Die Wirtschaftssanktionen wird der russische Präsident mit dem gleichen Langmut seiner einfachen Bevölkerung aufbürden, wie schon nach der Krim Besetzung auch. Der sowjetische Botschafter in Schweden, Viktor Tatarinzew sein Name, hat es neulich frei heraus so formuliert:

Wir scheißen auf ihre ganzen Sanktionen.

Womit wir bei Putin III. wären. Noch wissen wir nicht, ob es ihn gibt und falls ja, ob er sich auf der Weltbühne wirklich blicken lässt. Putin III. wäre der Hasardeur und Abenteurer, der seine Panzer von Donezk und Luhansk weiter in Richtung Kiew rollen lässt. Putin III. wäre jene furchteinflößende historische Figur, die die „minor incursion” in das verwandeln könnte, was die Amerikaner einen „full swing war” nennen. Putin III. würde den Traum von Putin I. – der ein Traum von Wohlstand und Teilhabe war – unter Trümmern und Leichen beerdigen.

Ukrainische Soldaten bereiten sich auf Beerdigung vor © dpa

Der Westen ist nicht nur teilnehmender Beobachter. Wir haben Putin I. ignoriert. Wir haben Putin II. gewähren lassen. Jetzt sind wir dabei, Putin III. zu züchten. Seine Verwandlung ist auch unser Versagen.

Sanktionen gegen Putins Oligarchen-Netzwerk

Putin ist mitnichten der einzige autoritäre Herrscher mit ausgeprägten Gebietsansprüchen auf dieser Welt. Ein Kommentar von Marina Kormbaki.

Video ansehen

Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Marina Kormbaki .

Video mit der Laufzeit von

Sigmar Gabriel © Anne Hufnagl

Sigmar Gabriel gehört zu den profiliertesten außenpolitischen Experten, die unser Land zu bieten hat. Der ehemalige Vizekanzler war von Januar 2017 bis März 2018 Chef des Auswärtigen Amtes. Nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik ist er seit Juni 2019 als Vorsitzender der Atlantik-Brücke aktiv und gehört den Aufsichtsräten von Deutsche Bank und Siemens Energy an.

Für den Pioneer-Podcast „World Briefing” spricht er mit meiner Kollegin Chelsea Spieker über den Russland-Ukraine-Konflikt. Seine Einschätzung zur inzwischen berühmten Fernsehansprache von Putin:

Das, was Putin öffentlich sagt, richtet sich nicht an das westeuropäische Publikum oder an die USA oder an die Weltöffentlichkeit, sondern an seine eigenen Landsleute, denn ein Krieg gegen die Ukraine ist überhaupt nicht populär in Russland.

Wladimir Putin © imago

Die Motive vom russischen Präsidenten beschreibt Gabriel so:

Er will den Westen spalten. Er will diese Einigkeit, die wir in den letzten Wochen gezeigt haben, auf die Probe stellen. Und deswegen beginnt er mit dieser Annexion und hält sich natürlich jeden weiteren Schritt offen.

Gabriel sieht hinter dem Zeitpunkt für Putins Eskalation politisches Kalkül:

Die Gelegenheit ist günstig. Die USA sind zerstritten, Europa ist schwach. In Deutschland gibt es eine neue Regierung und in Frankreich ist Präsidentschaftswahlkampf.

Dem Westen rät er zu harten, aber wohl überlegten Sanktionen, denn es gilt „bei einer weiteren Eskalation noch was obendrauf packen zu können.”

Die Sanktionen schätzt Gabriel wie folgt ein:

Das Einfrieren aller Vermögensverhältnisse russischer Oligarchen in den Hauptstädten London, Paris, Berlin, München, Wien. Das trifft schon mal das engste wirtschaftliche Umfeld Russlands.

Klick aufs Bild führt zur Podcast-Page

Auch die Energiepartnerschaft würde er einstweilen suspendieren:

Ich glaube, es wäre ein erheblicher Einschnitt, wenn wir nicht nur Nord Stream 2 stoppen, sondern über die nächsten drei bis fünf Jahre unsere Energiebeziehung zu Russland auf null fahren. Das geht – technisch und wirtschaftlich.

Sein Rat an die Europäer wäre, schon jetzt an die Rückkopplungen der westlichen Sanktionen zu denken:

Putin hofft darauf, dass wir die Sanktionen auch spüren werden, zum Beispiel durch höhere Energiepreise. Dass wir dann weich werden und unsere wirtschaftlichen Interessen über das Völkerrecht stellen.

Der medialen Berichterstattung empfiehlt er weniger Kriegsgetrommel und mehr Besonnenheit:

Ich bin manchmal entsetzt über den Schlauberger Ton in den deutschen Medien, die immer gleich die Diplomatie verurteilen. Lieber verhandle ich 100 Stunden umsonst, als dass ich eine Minute schieße.

Europas Rolle in der Welt bereitet Gabriel Sorgen:

Europa ist für Putin Objekt von Verhandlungen, aber nicht Subjekt. Das ist das, was mir am meisten Sorgen macht, dass die Europäer jetzt noch mal Glück haben, dass sie einen amerikanischen Präsidenten haben, der Interesse an Europa hat. Aber das muss ja nicht so bleiben.

Ein Must-Listen für alle, die jetzt handeln und nicht verzweifeln wollen. Ausschnitte aus diesem Gespräch gibt es heute Morgen im Morning Briefing Podcast. Für die Langversion gilt: Pioneers only.

“Putin führt uns am Nasenring durch die Manege.”

Sigmar Gabriel über die Eskalation im Russland-Ukraine-Konflikt.

Podcast hören

Veröffentlicht in World Briefing von Sigmar Gabriel .

Podcast mit der Laufzeit von

Nord Stream 2 © dpa

Unser Hauptstadt-Team hat im Berliner Regierungsviertel recherchiert, wie die nächsten Schritte nach der Eskalation jetzt aussehen sollen. Die Pipeline Nord Stream 2 ist gestoppt, selbst der Ost-Ausschuss der Wirtschaft schlägt sich demonstrativ auf die Seite der Politik. Und die Oppositionspartei Union will der Regierung jetzt nicht ins Handwerk pfuschen.

Die Russland-Krise: So geht es jetzt weiter

Der Konflikt in der Ost-Ukraine eskaliert. Wir sagen, wie die deutsche Politik reagieren will.

Briefing lesen

Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Michael Bröcker Gordon Repinski .

Briefing

  • Die Ukraine bereitet den Ernstfall vor. Präsident Wolodymyr Selenskyj hat am späten Abend eine Teilmobilmachung von Reservisten angekündigt:

Wir müssen operativ die Armee und andere militärische Formationen auffüllen.

  • Die EU-Außenminister der 27 Mitgliedsstaaten haben sich auf ein Sanktionspaket gegen Russland geeinigt, welches noch diese Woche in Kraft treten soll. Dieses umfasst unter anderem Einreise- und Kontensperrungen für Putins Freunde und Oligarchen sowie ein Handelsverbot für russische Staatsanleihen.

Ursula von der Leyen © dpa

  • Die G7-Staaten haben sich nach britischen Angaben ebenfalls auf ein Paket harter Sanktionen verständigt.

Jens Stoltenberg © dpa

  • Die Nato befindet sich angesichts des Ukraine-Konflikts in „besonderer Krisenbereitschaft“. Das berichtet „Business Insider“ unter Berufung auf Kreise des Militärbündnisses. Demnach sind zahlreiche Notfallpläne aktiviert worden, beispielsweise das Szenario, dass die Nato selbst angegriffen würde.

  • Bei Kämpfen zwischen prorussischen Rebellen und der ukrainischen Armee hat es erste Tote und Verletzte gegeben. Das melden sowohl Vertreter der Teilrepubliken in Donezk und Luhansk als auch offizielle Vertreter der Ukraine.

  • Der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft will die geplante Videoschalte mit Wladimir Putin in den nächsten Tagen absagen. Ein Beteiligter:

Es gilt das Primat der Politik.

New York Times © dpa

Die internationalen Medien kommentieren die Dramatik in der Ost-Ukraine so:

Das „Wall Street Journal“ kritisiert die zögerlichen US-Sanktionen und Deutschlands Sonderrolle in dem Konflikt:

Wenn das Gemetzel in der Ukraine seinen Lauf nimmt, sollten die amerikanischen und europäischen Eliten darüber nachdenken, wie sie sich erneut zu Geiseln eines Diktators gemacht haben.

Die „New York Times lobt und verurteilt Putin zugleich:

Er ist der mächtigste russische Führer seit Stalin.

Joe Biden © dpa

Die ungarische „Népszava“ sieht Vorteile für Joe Biden und Boris Johnson durch Putins Einmarsch. Sie müssten sich nun „nicht mehr dauernd mit innenpolitischen Problemen herumschlagen“:

Putin hat mehreren Politikern einen Gefallen erwiesen, obwohl dies kaum seine Absicht gewesen sein dürfte.

Die chinesische „Global Times“, das Sprachrohr des Kommunistenführers Xi Jinping, appelliert an den Westen, „in einer Zeit, in der die Lage unsicher ist, Russland und der Ukraine einen gewissen Spielraum für die Lösung der Probleme“ zu lassen. China selbst habe „kein Eigeninteresse an der Ukraine-Frage“.

Joe Kaeser © Anne Hufnagl

Ein Bild von ThePioneer Chefredakteur Michael Bröcker sorgte für Furore. Bei einem CEO-Lunch, der im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz stattfand, sind 35 Männer und keine Frauen zu sehen.

Zu sehen ist auch: Joe Kaeser, der frühere Vorstandsvorsitzende von Siemens und heutige Aufsichtsratsvorsitzende von Siemens Energy.

CEO-Lunch am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz am 18. Februar 2022.  © Michael Bröcker

Mit ihm hat meine Kollegin Alev Doğan für ihren Podcast „Der 8. Tag” über dieses Bild und die dahinter liegende Wirklichkeit gesprochen. Auf die Frage, wie wohl er sich in dieser Runde gefühlt hat, antwortet er:

Ich hätte mich möglicherweise ohne diesen sehr deutlichen Hinweis darauf, was an diesem Bild falsch ist, wohler gefühlt, weil ich gar nicht bemerkt hätte, dass es eine alte weiße Männerveranstaltung war, wie ich ehrlicherweise sagen muss.

Alev Doğan © Anne Hufnagl

Die Kritik an dem Foto und der Sache selbst kann Kaeser nachvollziehen:

Ja total. Ich musste ehrlich gesagt über mich selber etwas schmunzeln, dass mir das erst auffällt, nachdem ich das Foto gesehen habe. Aber in dem Augenblick konnte man sich schon einigermaßen ausmalen, was das insbesondere in den sozialen Medien für Wirkungen haben würde, weil es eben nicht nur ein Klischee deutlich macht, sondern vor allem auch eine Realität.

Das gesamte Gespräch mit Joe Kaeser hören Sie in der aktuellen Ausgabe unseres Gesellschafts-Podcasts „Der 8. Tag“.

Wie wohl fühlten Sie sich beim CEO-Lunch ohne Frauen, Joe Kaeser?

Alev Doğan spricht mit dem Manager über das Foto der Männerrunde am Rande der Sicherheitskonferenz

Podcast hören

Veröffentlicht in Der 8. Tag von Alev Doğan.

Podcast mit der Laufzeit von

Porsche Taycan © imago

Bei Volkswagen tut sich was: Die Stuttgarter Sportwagentochter Porsche soll an die Börse. Der Aufsichtsrat des Konzerns will dazu in wenigen Tagen einen Grundsatzbeschluss fassen, der die Vorbereitungen des Projekts in die Wege leiten wird. Der Kapitalmarkt belohnte die Vorentscheidung mit einem saftigen Kurssprung der VW-Aktie von fast acht Prozent.

Eine Infografik mit dem Titel: Porsche: Autonomie wird belohnt

Kursverlauf der Volkswagen-Aktie seit dem 21. Februar 2022, in Euro

Der Porsche-Börsengang ist schon lange ein Wunsch der Eigentümerfamilie Porsche-Piëch. Sie könnte mit ihrer Porsche Automobil Holding SE ein Vorkaufsrecht erhalten und damit ihre Kontrolle über den Kern ihres Automobil-Imperiums zurückgewinnen. Im Gespräch mit unserer Börsen-Reporterin Annette Weisbach erklärt Auto-Analyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler:

Ich glaube, der Wunsch, Porsche wieder zu 100 Prozent zu kontrollieren, ist einfach übermächtig geworden.

Gleichzeitig wird Porsche am Kapitalmarkt eigenständig Gelder anziehen können. Das würde dem VW-Konzern zugutekommen, der die Zusicherung erhalten haben soll, dass die erwarteten Milliardenerlöse in die Elektro-Offensive investiert werden können.

Laut Pieper läge der Mindestwert der dann an der Börse notierten Porsche AG bei 80 Milliarden Euro und könnte sich bis auf 100 Milliarden Euro steigern. Der gesamte VW-Konzern liegt derzeit bei einem Börsenwert von knapp 120 Milliarden Euro.

Stefan Zweig und seine zweite Frau Lotte © dpa

Vergleichen heißt nicht gleichsetzen. Aber in diesen aufgewühlten Tagen erinnert manches an die polarisierte Gesellschaft am Vorabend des Ersten Weltkrieges. Stefan Zweig beschreibt in seinem Werk „Die Welt von Gestern“ die Rolle der Medien so:

Sie hatten die Hasstrommel geschlagen und schlugen sie kräftig, bis jedem Unbefangenen die Ohren grellten und das Herz erschauerte. Gehorsam dienten sie fast alle in Deutschland, in Frankreich, in Italien, in Russland, in Belgien der Kriegspropaganda und damit dem Massenwahn und Massenhass des Krieges, statt ihn zu bekämpfen.

Heute jährt sich der Tod des britisch-österreichischen Schriftstellers zum 80. Mal. Zweig, einer der populärsten deutschsprachigen Autoren des 20. Jahrhunderts und bekennender Pazifist, stellte damals eine vorsätzlich herbeigeführte Überreizung fest, die weit über die Medien hinaus reichte:

Das übelste Gerücht verwandelt sich sofort in Wahrheit, die absurdeste Verleumdung wurde geglaubt. Zu Dutzenden schworen in Deutschland die Menschen, sie hätten mit eigenen Augen knapp vor Kriegsausbruch goldbeladene Automobile von Frankreich nach Russland fahren sehen.

Anlässlich seines Todestages sollten diese Worte uns nachdenklich stimmen – insbesondere jene, die erneut ihren „Aufpeitschungsdienst“ leisten. Der Frieden in Europa sei auch deshalb zerbrochen, schreibt Zweig, weil es keine Stadt und keine Gruppe gab, „die nicht der Hysterie des Hasses“ verfallen sei.

Ich wünsche Ihnen einen nachdenklichen Start in den neuen Tag.

Es grüßt Sie auf das Herzlichste,

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

Abonnieren

Abonnieren Sie den Newsletter The Pioneer Briefing