Robert Söder: Wie Grüne und CDU ihre Nebenbuhler züchten

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Guten Morgen,

in der Demokratie sind hart ausgetragene Machtkämpfe, auch die zwischen Politikern der gleichen Parteifarbe, keine Rüpelhaftigkeit, sondern Teil einer demokratischen Normalität.

Erst im Ringen der Kontrahenten erkennt das Publikum die charakterliche Eignung und die politische Substanz. Wer bist du und wenn ja, wie viele? Der innerparteiliche Wahlkampf ist nichts anderes als ein öffentlich geführtes Bewerbungsgespräch. Es schadet dem Kandidaten nicht. Es definiert ihn.

Erst in der Auseinandersetzung mit Hillary Clinton konnte Barack Obama zeigen, wer er wirklich war. Nachdem er alle Anfeindungen des Clinton-Lagers pariert und den Vorwurf der Unerfahrenheit durch Witz und Wortgewalt zwar nicht entkräftet, aber doch relativiert hatte, durfte er als Präsidentschaftskandidat der Demokraten die ganz große Bühne betreten. Die innerparteilichen Vorwahlen haben Obama nicht zerrieben, sondern geformt. Zu besichtigen war: der 44. Präsident der USA im Embryonalzustand.

Barack Obama  © dpa

Erst in der Auseinandersetzung mit den 16 republikanischen Herausforderern – darunter der Präsidenten-Bruder Jeb Bush – wurde Donald Trump für sein Publikum kenntlich. Der Immobilien-Tycoon und TV-Star war – das lässt sich auch im Rückblick nicht bestreiten – derjenige, der die Riege der traditionellen Parteiführer deklassierte. Aus dem Urvieh der Primaries wurde das Schlachtross der General Election, das der Demokratin Hillary Clinton den sicher geglaubten Sieg entriss.

Melania und Donald Trump © AP/Evan Vucci

Womit wir bei Robert Habeck und Markus Söder wären. Beide Politiker hatten im hierzulande gültigen System der Hinterzimmer-Demokratie keine Chance, weshalb sie zu Nebenbuhlern wurden:

  • Annalena Baerbock zog intern die Frauenkarte – wie ihr Kontrahent mittlerweile offenbarte – und ging nach einem Entscheid der Gremien (der von einem Nickparteitag bestätigt wurde) ungetestet in den Wahlkampf. Habeck:

Annalena hat viele Qualitäten und die Frage von Gleichberechtigung, von Emanzipation, also vulgo die ‚Frauenkarte‘, ist auch ein entscheidendes Kriterium gewesen. Aber das heißt nicht, dass nicht andere Qualitäten ebenfalls vorliegen.

Eine Infografik mit dem Titel: Wahl '21: Geteilte Macht

Aktuelle Umfrage zur Bundestagswahl, in Prozent

  • Alle Fragen, die in amerikanischen Vorwahlen vorab gestellt werden – Wer bist du? Wie authentisch ist dein Lebenslauf? In welchem Keller liegen deine Leichen? – werden nun zum Entsetzen des Publikums im Schlussspurt einer Bundestagswahl beantwortet.

  • Armin Laschet wurde von der Führung der CDU aufs Schild gehoben – gegen die Schwesterpartei CSU und gegen das von Meinungsforschern ermittelte Stimmungsbild seiner eigenen Truppe.

Markus Söder © dpa
  • Der Kontrahent Markus Söder hatte sich in letzter Minute geradezu putschartig gegen die CDU-Gremienwelt gestemmt. Das aber galt den Funktionären nicht als Ausdruck demokratischer Vitalität, sondern als Symbol parteipolitischer Renitenz. Söder wehrte sich – vergeblich:

Den Glauben, dass politische oder personelle Entscheidungen heute noch in den Gremien völlig unabhängig von der Basis und den Erwartungen der Menschen gefällt werden können, halte ich nicht für zeitgemäß.

Niemand weiß heute, ob Robert Habeck und Markus Söder in einer Bundestagswahl tatsächlich überzeugender auftreten und besser abschneiden würden. Aber genau dieses Wissen hätte der öffentlich ausgetragene Vorwahlkampf womöglich zutage gefördert. Auch diese beiden wären auf Herz und Hirn getestet worden.

Robert Habeck © Anne Hufnagl

So aber wurde Robert Söder als Prototyp des Schattenmanns gezüchtet. Und bei den Wählern der Grünen und der Konservativen entstand das ungute Gefühl, man hätte ihnen aus unerfindlichen Gründen die zweite Garnitur vorbeigeschickt. Das Gefühl – siehe oben – kann trügen. Aber demokratische Politik sorgt dafür, dass solche Gefühle gar nicht erst entstehen. Oder wie Edward Kennedy, der Bruder des großen JFK, zu sagen pflegte:

In der Politik ist es wie in der Mathematik: Alles, was nicht ganz richtig ist, ist falsch.

Robert Habeck und Markus Söder © Anne Will
Prof. Melanie Brinkmann © dpa

Die Corona-Pandemie hält die Welt in Atem. Wenn es denn einen Verlierer in diesen Monaten gibt, dann ist es jene Gruppe, die sich eine No-Covid-Strategie ausgedacht hatte. Eine solche Strategie – konzipiert von Prof. Melanie Brinkmann, Denise Feldner und Ifo-Präsident Clemens Fuest – ist mit demokratischen Methoden nicht zu erreichen, wie sich dieser Tage in der Impfdebatte zeigt. Und No-Covid unterschätzte die Wandlungsfähigkeit des Virus selbst, das immer wieder neue Mutationen hervorbringt.

Wir werden mit diesem Virus – so wie mit den Grippeviren auch – also leben müssen. Auch deshalb steht die Welt erneut vor einem Herbst des Missvergnügens. Hier der Stand in ausgewählten Ländern:

Deutschland: Das Land der Vorsichtigen.

Ein den Deutschen lieb gewordenes Ritual wiederholt sich am morgigen Dienstag. Die Länderchefs beraten gemeinsam mit der Kanzlerin über das weitere Vorgehen in der Pandemie. Eine Debatte über die Impfpflicht, die aber auf gar keinen Fall Impfpflicht heißen darf, ist in vollem Gange. Diskutiert werden mehr oder weniger sanfte Möglichkeiten den bisher nicht Geimpften auf die Sprünge zu helfen. Das Kunststück: Möglichst das Impftempo zu erhöhen, ohne der Anti-Impfpartei AfD großen Zulauf zu verschaffen.

Corona-Impfungen  © dpa

USA: Die Impfmüden.

Seit Juli klettern die Infektionszahlen in den USA und auch die Krankenhausbetten füllen sich wieder. Vor allem in den Südstaaten will man sich keine neuen Corona-Regeln vorschreiben lassen. Dazu kommt die Impfmüdigkeit. In Louisiana, Arkansas und Mississippi sind weniger als 40 Prozent vollständig geimpft.

Schweden: Die Einsamen.

Schweden ging in der Pandemie-Bekämpfung einen Sonderweg. Gebote statt Verbote sollten einen freiheitlichen Weg durch die Pandemie ermöglichen. Die tägliche Todeszahl liegt derzeit bei null. Ein Grund dafür: Die Schweden bleiben im persönlichen Umgang mit dem Virus vorsichtig. Und: In Schweden wohnen 23 Menschen pro Quadratkilometer. In Berlin-Kreuzberg sind es 14.753 Menschen.

Großbritannien: Die Freiheitsliebenden.

Großbritannien gleicht einem Corona-Experimentierkasten und durchlebt zugleich wundersame Tage, denn das Wagnis, fast alle Corona-Restriktionen aufzuheben, scheint zu gelingen: Von mehr als 39.538 Neuinfektionen am 19. Juli, dem sogenannten „Freedom Day“, ist der Wert auf rund 28.000 gesunken.

Dafür könnten zwei Phänomene verantwortlich sein. Erstens: Die britische Corona-Warn-App schickt Menschen zuverlässig in Isolation (auch nach Großereignissen wie der Fußball-EM). Zweitens: Ein Großteil der Bevölkerung ist immer noch vorsichtig und hält sich an die AHA-Regeln. Dennoch erwarten Experten spätestens ab dem 16. August – ab dann beruht Quarantäne in Großbritannien auf Freiwilligkeit – höhere Infektionszahlen.

Briten feiern Öffnung nach Coronabeschränkungen © dpa

Niederlande: Stop & Go.

Die Niederlande erholen sich von einer Schock-Notbremse. Was war passiert: Nachdem Discos und Clubs wieder öffnen durften und Festivals stattfanden, explodierten die Infektionszahlen. Durch eine Notbremse wurde ein Großteil der ehemals gültigen Corona-Restriktionen wieder eingeführt.

Eine Mehrheit der Niederländer sprach sich dafür aus, die Corona-Maßnahmen nur langsam zu lockern, um den erneuten Kontrollverlust zu verhindern.

Spanien: Die Impfwilligen.

Mit derzeit etwa drei Millionen Dosen pro Woche impft sich Spanien aus der Pandemie, unter der das Land im Frühjahr 2020 noch zu ersticken drohte. Der Grund dafür: Die spanische Bevölkerung ist in Sachen Impfwilligkeit nahezu Europameister – Impfgegner gibt es fast keine. Dies schlägt sich positiv in der Impfquote nieder: 100 Prozent der über 80-Jährigen, mehr als 98 Prozent der 70- bis 79-Jährigen sowie gut 92 Prozent der 60- bis 69-Jährigen sind geimpft. Knapp 67 Prozent der Bevölkerung verfügen über einen vollständigen Impfschutz.

Die Konferenz der Ungewissheiten

Die Ministerpräsidenten wollen die Impfkampagne erneuern und die Fluthilfe beschließen.

Briefing lesen

Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Michael Bröcker Gordon Repinski .

Briefing

Juli Zeh © Anne Hufnagl

Deutschland sei eine polarisierte Nation, heißt es allenthalben. Aber stimmt das auch? Und falls ja, wo genau verläuft die Debattenlinie? Die Schriftstellerin Juli Zeh und ThePioneer-Chefredakteur Michael Bröcker erörtern diese und verwandte Fragen im heutigen Morning Briefing-Podcast. Sie sagt:

Stadt gegen Provinz – das ist die neue soziale Frage.

Auch im eigenen Freundeskreis habe sich der Konformitätsdruck verstärkt:

Man spürt einen Druck, sich einzusortieren.

Klick aufs Bild führt zur Podcast-Page

Fazit: Dieses Gespräch erzählt die Geschichte unserer Generation; einer Generation, die sich nicht mehr als eine empfindet. Prädikat: verstörend. Das gesamte, einstündige Gespräch finden Sie bei ThePioneer.de oder in der neuen Pioneer-Podcast App im Google Playstore oder im Apple Store.

Sigmar Gabriel © Anne Hufnagl

Trump ging, die Anti-China-Politik der Amerikaner ist geblieben. Ex-Außenminister Sigmar Gabriel beschreibt in der neuesten Ausgabe des „World Briefing“ die Folgen dieser strategischen Orientierung für Europa – und auch die positiven Auswirkungen auf das amerikanisch-russische Verhältnis.

Dass sie versuchen wollen, eine stabile und vor allen Dingen berechenbare Perspektive zueinander zu haben, das hat was damit zu tun, dass Joe Biden sich in der Außenpolitik absolut auf China konzentrieren will.

Sigmar Gabriel und Chelsea Spieker © Anne Hufnagl

Wichtige Passagen des Gesprächs zwischen Sigmar Gabriel und meiner Kollegin Chelsea Spieker hören Sie im heutigen Morning Briefing-Podcast. Das gesamte „World Briefing“ gibt es exklusiv nur bei ThePioneer.de oder in den App-Stores von Google und Apple. Ein Must-Listen für alle Entscheider, die in der neuen geostrategischen Unübersichtlichkeit ihre Firmen navigieren müssen.

Warren Buffett © dpa

Warren Buffett hat es wieder geschafft: Berkshire Hathaway konnte die Coronakrise hinter sich lassen. Im vergangenen Quartal erwirtschaftete die Investmentfirma 6,7 Milliarden Dollar operativen Gewinn – 21 Prozent mehr als noch im Vorjahreszeitraum.

Die vielen Beteiligungen von Berkshire Hathaway, dazu gehören Firmen aus der Industrie, der Dienstleistungsbranche und dem Einzelhandel, haben außerdem für einen Umsatzsprung von 22 Prozent auf 69,1 Milliarden Dollar gesorgt. Einige der Geschäfte stehen inzwischen sogar besser da als vor der Pandemie.

Eine Infografik mit dem Titel: Großinvestor im Glück

Kursverlauf der A-Aktie von Berkshire Hathaway seit dem 4. Januar 2021, in Tausend US-Dollar

Die hohen Barbestände des Konzerns – mit 144 Milliarden Dollar jedoch 1,4 Milliarden weniger als noch vor einem Vierteljahr – nutzte das Unternehmen aus Omaha für weitere Aktienrückkäufe in Höhe von sechs Milliarden Dollar. Mit einem Einzelpreis von 430.160 Dollar ist die Aktie der Klasse A von Berkshire Hathaway noch immer die teuerste Aktie der Welt. Der Grund: Warren Buffett will keine Spekulanten, nur Anleger. Er setzt auf Loyalität und Kenntnis:

Konzentrieren Sie Ihre Investments. Wenn Sie über einen Harem mit vierzig Frauen verfügen, lernen Sie keine richtig kennen. Genauso ist es mit den Aktien.

Lionel Messi © dpa

Unter Tränen wird der Jahrhundertfußballer Lionel Messi seinen FC Barcelona Richtung Paris verlassen. Der Grund: Der Verein kann nicht mehr.

Nach 21 Jahren Lionel Messi und weiteren Top-Verdienern ist der Verein mit 1,17 Milliarden Euro de facto überschuldet. Der Verkauf von Messi an den Verein Paris Saint-Germain soll den Kostendruck reduzieren helfen. Voller Selbstrührung sagt Messi zum Abschied:

Ich hätte nie gedacht, dass ich mich hier verabschieden muss. Weil ich nie gedacht hätte, dass ich gehen muss. Und jetzt ist dieser Tag da.

Seinem Verein wäre mehr geholfen, wenn er auf die Tränen und sein Monstergehalt in Höhe von 139 Millionen Euro brutto verzichtet hätte. Finanziell könnte er das jedenfalls gut verkraften: Sein geschätztes Vermögen liegt bei rund 510 Millionen Euro.

Gotthold Ephraim Lessing konnte Lionel Messi nicht kennen, aber die ihm innewohnende Scheinheiligkeit schon:

Die Menschen sind nicht immer, was sie scheinen, aber selten etwas Besseres.

Lionel Messi © dpa

Ich wünsche Ihnen einen fulminanten Start in die neue Woche. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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