Rückkehr der Kernenergie

Teilen
Merken

Guten Morgen,

Harrisburg. Tschernobyl. Fukushima. Diese drei Orte stehen für die Störanfälligkeit der zivilen Atomnutzung. Deutschland hat unter Führung von Angela Merkel den Atomausstieg beschlossen. Ende 2022 soll hierzulande der letzte Atommeiler, das Kraftwerk in Neckarwestheim, vom Netz gehen.

 © dpa © imago © dpa

Der Rest der Welt ist Deutschland nicht gefolgt. Im Gegenteil: Die globale Skepsis gegenüber der nuklearen Technologie scheint sich mit dem zeitlichen Abstand der großen, symbolträchtigen Störfälle verflüchtigt zu haben. Die Kernenergie erlebt weltweit ihre Renaissance.

► Die Fraktion der Atomkraftbefürworter wird angeführt von China, wo innerhalb der nächsten acht bis zehn Jahre 44 Atomreaktoren in Betrieb gehen sollen. Auf das Reich der Mitte entfällt damit der größte Teil der Reaktoren, die sich weltweit im Bau oder in Planung befinden.

Eine Infografik mit dem Titel: China setzt auf Atomenergie

Anzahl der geplanten Atomkraftreaktoren weltweit, Stand Juli 2020

► In Japan will man bis zum Jahr 2030 114 der 140 Kohlekraftwerke vom Netz nehmen, derweil der Anteil des Atomstroms am Strommix von heute sechs auf 22 Prozent bis 2050 steigen soll. Viele der 54 alten Atommeiler werden wieder hochfahren, die nach Fukushima zur Sicherheitsüberprüfung abgeschaltet wurden.

► Im Nahen Osten bricht das Zeitalter der Atomenergie eben erst an. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben als erstes arabisches Land ein AKW in Betrieb genommen.

► Dass der Atomstrom auch in Europa nicht abgeschrieben ist, zeigt das Beispiel Großbritannien. Boris Johnson lässt Mini-Reaktoren bauen, regional hergestellt in den Werken von Rolls Royce. 15 dieser sogenannten „Small Nuclear Reactors“ sollen in den kommenden neun Jahren ans Netz gehen.

► In Frankreich, und somit in unmittelbarer Nähe zu Deutschland, befinden sich in Relation zur Einwohnerzahl so viele betriebsfähige Reaktoren wie in keinem anderen Land auf der Welt.

In Deutschland gibt es zwar ein Grummeln der Industrie angesichts der explodierenden Strompreise. Und es gibt eine Klimaschutzbewegung, die als Ziel die Decarbonisierung der Industriegesellschaft anstrebt. Aber eine wirkliche Debatte über die Rückkehr zur Kernenergie gibt es nicht.

Was es gibt, ist die Ein-Frau Opposition der Historikerin Dr. Anna Veronika Wendland. Sie ist eine ehemalige Anti-AKW Aktivistin, die im Zuge der Klimadebatte und nach jahrelangen Forschungsarbeiten in verschiedenen russischen und westeuropäischen Kernkraftwerken ihren Standpunkt radikal verändert hat. Konsequenter Klimaschutz bedeutet für sie die Entdämonisierung der Kernenergie. Im Morning Briefing Podcast schildert sie die Motive ihrer Kurskorrektur und fordert, die Energiewende neu zu denken:

Ich habe selbst in AKWs gearbeitet und hatte so die Möglichkeit, gründlich zu beobachten, wie die Praktiken der Versicherheitlichung ablaufen. Mir ist aufgefallen, dass diese Systeme im Vergleich zu anderen Industrien oder zu anderen technosozialen Systemen wie dem Luftverkehr, der Hochleistungsmedizin oder der Automobilität, das höchst versicherheitlichte System ist, das wir in unserer Industriewelt kennen.

Wir hatten vor dem Ausstiegsbeschluss knapp 30 Prozent Atomstrom im Netz. Das war eine nahezu CO2-freie Stromerzeugung. Der Ausstieg bedeutete die Renaissance von Stein- und Braunkohle. Deshalb kommen wir bei den CO2-Zielen nicht voran. Der Ausstieg aus der Atomenergie ist daher die Lebenslüge der deutschen Klimapolitik.

 © dpa

Mit Sonne und Wind hat man nicht gesicherte Energieleistungen ins Netz geholt. Während man mit der Kernenergie die gesicherte CO2-arme Leistung rausgeschmissen hat. Das war die Sternstunde unserer Braunkohle.

Meine Empfehlung wäre, die Energiewende neu aufzustellen und die falsche Reihenfolge umzukehren. Das heißt, wir sollten zuerst aus der Kohle aussteigen und dann erst aus der Kernenergie, wenn wir sehen, dass wir großindustrielle Speicherlösungen für die alternativen Energien haben. Das ist absehbar.

Fazit: Diese streitbare Frau repräsentiert eine Meinung, die in Deutschland zur Minderheitenmeinung zählt. Ich wollte Sie Ihnen dennoch nicht vorenthalten. Zuweilen ist ja die Minderheit von heute die Mehrheit für morgen.

 © dpa

Die Führung der Fährhafen Sassnitz GmbH ist hochgradig alarmiert. In einem Brief drohen drei, der Ölindustrie nahe stehende US-Senatoren, darunter Ted Cruz, mit Konsequenzen für den Fall, dass das Unternehmen seine Unterstützung für den Bau der Ostseepipeline Nord Stream 2 nicht umgehend einstellt. In dem Schreiben heißt es:

Wenn Sie weiterhin Waren, Dienstleistungen und Unterstützung für das Nord-Stream-2-Projekt bereitstellen, würden Sie das zukünftige finanzielle Überleben Ihres Unternehmens zerstören.

 © dpa

Auf den Radarschirm der US-Senatoren gerieten die Hafenbetreiber, die ihr Geschäft auf Rügen und damit im Wahlkreis von Angela Merkel verrichten, weil auf ihrem Gelände die für das deutsch-russische Pipelineprojekt unerlässlichen Röhren lagern. Zudem dient der Hafen als Stützpunkt für die russischen Verlegeschiffe „Fortuna“ und „Akademik Cherskiy“, die das Projekt zu Ende bringen sollen, nachdem US-Sanktionsdrohungen eine Schweizer Firma bereits zur Aufgabe zwangen.

Die Hafenleitung steht vor einer schicksalhaften Entscheidung. Helfen Sie mit, dass von Merkel gewollte Projekt fertigzustellen? Oder vollstrecken Sie den Willen von Donald Trump, genau das nicht zu tun? Die Verantwortlichen können nur beten, dass es später in der Firmenchronik nicht heißt: Die Großen haben nur gepokert, der Kleine ist krepiert.

 © dpa

Die Folgen der Corona-Pandemie sind keineswegs für alle Autohersteller gleich. Während Volkswagen in die roten Zahlen sauste, erwirtschaftete Toyota im vergangenen Quartal immerhin einen kleinen Gewinn von 110 Millionen Euro und rechnet für das laufende Geschäftsjahr mit einem Profit von 5,8 Milliarden Euro.

Auch die Börsenkurse der beiden großen Massenhersteller laufen auseinander. VW hat seit November 2011 um 8 Prozent zugelegt. Bei Toyota steht im selben Zeitraum ein plus von 119 Prozent.

Hier die entscheidenden drei Gründe:

Volkswagen produziert pro Jahr rund 10 Millionen Autos mit etwa 670.000 Beschäftigten. Toyota produziert die gleiche Anzahl von Autos mit rund 360.000 Beschäftigten.

 © dpa

► Das Lohnniveau der Japaner ist weltweit deutlich niedriger. Selbst der Vorstandsvorsitzende Akio Toyoda verdient laut Geschäftsbericht nur 3 Millionen Euro, inklusive Bonus. VW ist weltweit ein Hochlohnproduzent. Der Vorstandsvorsitzende Herbert Diess geht mit 9,9 Millionen nach Hause.

► Die Börse ist von der Hybrid-Strategie Toyotas überzeugt, weil sie flexibel auf regionale Unterschiede reagiert. Nicht überall gilt der Elektromotor als Nonplusultra. Und: Toyota muss keine CO2-Zertifikate erwerben.

► Volkswagen hingegen setzt, angetrieben von der EU-Kommission und ihren Milliarden-Strafen für einen zu hohen CO2-Flottenverbrauch, auf eine komplette Elektrifizierung der Modellpalette. Bis zum Jahr 2050 soll es so weit sein. Damit setzt das Unternehmen alles auf eine technologische Karte, was der Börse zu riskant erscheint.

Eine Infografik mit dem Titel: Toyota-Papier hängt VW ab

Kursverlauf von VW und Toyota im Vergleich, indexiert in Prozent

Fazit: VW hat im derzeitigen Wettbewerbsumfeld gegen Toyota keine Chance. Das Unternehmen ist einer schmerzhaften Zangenbewegung ausgesetzt: Wolfsburger Gewerkschaftsmacht, eine daher zu hohe Fertigungstiefe und die Brüsseler Klimapolitik fügen der Traditionsfirma Schaden zu.

Er ist eine Institution in der Bundesrepublik Deutschland. Er war Bundesminister für besondere Aufgaben, Innen- und Finanzminister, CDU-Chef, Fast-Kanzler und Unterzeichner des Einheitsvertrags. Er überstand ein Attentat, eine Spendenaffäre, Spitzenpolitiker kamen und gingen wie Gerhard Schröder, Edmund Stoiber, Theo Waigel, Joschka Fischer, Otto Schily oder starben wie Franz Josef Strauß, Helmut Schmidt und Herbert Wehner. Er blieb.

Im kommenden Bundestagswahlkampf tritt der 77-Jährige erneut an, wie die Kollegen vom Hauptstadt-Newsletter herausgefunden haben. Die Hintergrundgeschichte dieser Entscheidung lesen Sie hier.

 © imago

Viele Unternehmen wollen einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung zufolge nach der Corona-Krise ihren Angestellten die Option auf Homeoffice bieten – selbst in der Industrie. Im verarbeitenden Gewerbe haben vor der Krise lediglich 25 Prozent der Angestellten regelmäßig von Zuhause aus gearbeitet. Mittlerweile sind es knapp 50 Prozent. Nach der Krise wollen 37 Prozent der Firmen auch weiterhin Homeoffice einsetzen.

Die Heimarbeit hat drei unschlagbare Vorteile aus Sicht der Arbeitgeber:

Erstens: Der Beschäftigte stellt seinem Arbeitgeber kostenlose Bürofläche zur Verfügung. Die entsprechende Quadratmeterzahl kann in der Firma mittelfristig eingespart werden, was die Fixkosten deutlich reduzieren dürfte.

 © imago

Zweitens: Die firmeninterne Kommunikation, verharmlosend Flurfunk genannt, wird durch die körperliche Abwesenheit drastisch reduziert. Die beliebten Bürosportarten – Mobben, Schleimen, Tratschen – lassen sich von zu Hause deutlich schwerer ausüben.

Drittens: Erstmals zählt wirklich nur die messbare und damit nachprüfbare Leistung des Beschäftigten. Das rhetorische Maulheldentum, das vielerorts das Konferenzgeschehen beherrscht, entfällt. Erstmals fallen Anwesenheit und Arbeitszeit zusammen.

 © imago

Fazit: Corona zwingt uns, die Arbeitswelt neu zu denken, was kein Schaden sein muss. Fortschritt entsteht nicht durch die Kopie der Vergangenheit. Oder um es mit den Worten des französischen Filmemachers Francois Truffaut zu sagen: „Man kann niemanden überholen, wenn man in seine Fußstapfen tritt.“

Ich wünsche Ihnen einen sonnigen Start in das Wochenende. Es grüßt Sie auf das Herzlichste Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

Abonnieren

Abonnieren Sie den Newsletter The Pioneer Briefing