Der Ukraine-Konflikt

Russland-Sanktionen: Die Luftnummer des Westen

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Guten Morgen,

unser Ex-Kanzler Gerhard Schröder sagt zu den Sanktionen gegen den russischen Staat:

Glaubt man wirklich, man könnte Russland mit Sanktionsdrohungen in Probleme bringen? Das Land hat in seiner Geschichte bewiesen, dass es davon nicht sehr viel beeindruckt ist.

Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder © Imago

Schröder hat recht. Nur weil er in den Aufsichtsräten diverser russischer Energiefirmen sitzt und beim heutigen SPD-Kanzler nicht hoch im Kurs steht, ist sein Satz nicht falsch. Die Wahrheit ist oft politisch unkorrekt. Sie nimmt keine Rücksichten auf die Kalküle der politischen Akteure, auch nicht auf die der NATO.

Ursula von der Leyen © dpa

Die Regierungen in London, Paris, Washington und Berlin wollen beim westlichen Publikum den Eindruck erwecken, sie würden den russischen Machthaber jetzt so richtig in die Zange nehmen. Führungsstärke soll demonstriert werden. Vorhang auf für Ursula von der Leyen:

Russland wird einen Preis zu zahlen haben und Präsident Putin muss seinen Leuten erklären, warum dieser Preis so hoch ausfällt.

Doch die Wahrheit sieht deutlich anders aus. Russland zahlt in kleiner Münze. Das Land wird durch die westlichen Sanktionen berührt, aber nicht verletzt. Putin muss die westlichen Beschlüsse kennen, aber nicht fürchten. Seine Kreise werden nicht ernsthaft gestört. Hier die entscheidenden sieben Gründe, warum das so ist:

1. Auf dem Primärmarkt ist allen US-Amerikanern schon seit 2019 der Kauf russischer Schuldtitel in Fremdwährungen verboten, seit vergangenem Jahr auch der in Rubel. Das heißt: Russland hat längst andere Finanziers für seine Staatsschuld gefunden.

2. Hinzu kommt: Der russische Staat ist arm, aber solide finanziert. Den Auslandsschulden in Höhe von 56 Milliarden Dollar stehen Währungsreserven von rund 630 Milliarden Dollar gegenüber.

Eine Infografik mit dem Titel: Putin: der Sparsame

Entwicklung der gesamten russischen Staatsverschuldung in Relation zum BIP, in Prozent

3. Die gesamte staatliche Verschuldung, ausgedrückt in Prozent des Bruttosozialprodukts, beträgt laut Internationalem Währungsfonds keine 15 Prozent, auch weil Putin die einfache Bevölkerung kurz hält. Wäre Russland Teil der Eurozone, stünde das Land auf Position 1 der am solide finanziertesten Staaten.

4. Die Bankmanager in Moskau, Wladiwostok und Sankt Petersburg haben von den bisherigen Sanktionsbeschlüssen nichts zu befürchten. Die FAZ-Wirtschaftskorrespondentin Katharina Wagner mit Sitz in Moskau schreibt heute Morgen zu Recht:

Die westlichen Maßnahmen gegen russische Banken sind begrenzt und richten sich bisher nicht gegen die größten und staatlichen Institute Sber und VTB, die für die Finanzierung des Energiesektors eine zentrale Rolle spielen.

5. Der Beschluss, Nord Stream 2 nicht zu genehmigen, hat weder für den Devisenhaushalt der Russischen Föderation noch für die Gasversorgung der Bundesrepublik eine messbare Auswirkung. Die Röhre ist bekanntlich leer. Nach drei Jahren Bauzeit muss das Bauwerk nun eben ein paar weitere Jahre warten, bis es in Betrieb geht. Nord Stream 1, das die Bundesrepublik derzeit mit 110 Milliarden Kubikmeter Gas versorgt, ist von den Sanktionsbeschlüssen bislang nicht tangiert.

Eine Infografik mit dem Titel: Deutschland: XXS-Partner Russland

Anteil der deutschen Handelspartner nach Wert der Exporte im Jahr 2021, in Prozent

6. Für Amerika und die Bundesrepublik ist der Handel mit Russland – selbst wenn er zu 100 Prozent verboten würde – ökonomisch unbedeutend. Nur zwei Prozent der deutschen Exporte gingen 2021 in die Russische Föderation. Amerika exportiert in Putins Reich 0,37 Prozent seiner Ausfuhren. Und auch Russland seinerseits ist durch den Entzug der deutschen Waren und Dienstleistungen nicht wirklich zu verletzen. Die Handelsbeziehungen mit den Chinesen – dem russischen Handelspartner Nummer 1 (siehe Grafik) – sind mehr als doppelt so werthaltig.

Eine Infografik mit dem Titel: Russland: China first

Die wichtigsten Handelspartner Russlands nach Importen und Exporten, in Prozent

7. Selbst das Einfrieren der Oligarchen-Gelder auf den westlichen Konten kann die Putin-Freunde nicht schocken. Denn erstens muss dieses Geld für die Zeit des Einfrierens wahrscheinlich sogar verzinst werden. Und zweitens kann Putin seine Freunde aus dem riesigen Staatsschatz von 630 Milliarden Dollar (siehe Punkt 1) fürstlich für ihre Loyalität entlohnen.

Fazit: Der Westen ist ein Maulheld vor dem Putin sich im derzeitigen Stadium des Geschehens nicht fürchten muss. Das „härteste Sanktionsregime gegen Russland“, wie die britische Außenministerin Liz Truss behauptete, ist weniger für Putin als für die Medien gemacht. Man will gar nicht die Wirklichkeit erreichen, sondern nur die Schlagzeile des nächsten Morgens.

  • Die Bundesregierung hat den russischen Botschafter in Deutschland, Sergej Netschajew, ins Außenministerium einbestellt. Nach Informationen der dpa fand das Gespräch mit der politischen Direktorin des Auswärtigen Amtes Tjorven Bellmann statt.

Sergej Netschajew © dpa

  • Nach der Aussetzung des Genehmigungsverfahrens für die deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 durch die Bundesregierung bringen die USA nun doch Sanktionen gegen die Betreibergesellschaft und deren Top-Manager auf den Weg. Das kündigte US-Präsident Biden an. Präsident des Verwaltungsrates der Nord Stream 2 AG ist Gerhard Schröder.

  • Der Stabilisierungsversuch am deutschen Aktienmarkt ist gescheitert. Nach einem Cyberangriff auf Regierungswebseiten der Ukraine sowie auf einige Banken drehte der Dax am Nachmittag in die Verlustzone.

  • Investoren ziehen angesichts der Ukraine-Krise vermehrt Gelder aus russischen Anlagen ab. Neben der Landeswährung Rubel geraten auch die an der Londoner Börse hinterlegten ADR's (American Depositary Receipt) der Sberbank unter Druck. Sie fallen um 15 Prozent auf den tiefsten Stand seit März 2020. Die Scheine von Gazprom verlieren vier Prozent.

Brandenburger Tor in Ukraine-Farben © AP

  • Die Stadt Berlin lässt als Zeichen der Solidarität mit dem Land am Mittwochabend das Brandenburger Tor in den Farben der ukrainischen Nationalflagge beleuchten. Berlin stehe an der Seite der Ukraine, sagte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey:

Mit der Beleuchtung des Brandenburger Tors senden wir ein deutliches Zeichen: Als freie Stadt für eine freie und souveräne Ukraine.

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Veröffentlicht in Der 8. Tag von Alev Doğan.

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Juli Zeh © imago

Die polarisierte Gesellschaft beschäftigt die Medien und die kulturelle Elite des Landes. Nicht wenige empfinden es als schmerzhaft, dass Denkräume ohne Not verengt werden. Der Andersdenkende sieht sich vielerorts vom Objekt der Neugierde zum Subjekt der Ausgrenzung herabgestuft. Die Schriftstellerin Juli Zeh will sich damit nicht abfinden:

Man wird gezwungen, eine Seite zu wählen und ich versuche, mich zu weigern und das mache ich auch als Folge des Kantschen Imperativs. Ich würde am liebsten allen Menschen sagen: Bitte weigert euch. Bitte weigert euch alle, bei dieser Form der Zuordnung mitzumachen.

Dieter Nuhr © Anne Hufnagl

Auch Dieter Nuhr reklamiert für sich die Freiheit der eigenen Meinung:

Auf Menschen, die andere Meinungen nicht ertragen, kann ich keine Rücksicht nehmen.

Sahra Wagenknecht © dpa

Sahra Wagenknecht hat das Thema zu ihrem gemacht: Sie testiert auch dem eigenen Milieu eine „zunehmende Intoleranz“. Die Geisteshaltung vieler Linker sei:

Wer nicht für mich ist, ist kein Andersdenkender, sondern ein schlechter Mensch.

Dieses Denkmuster sei „ein typisches Herangehen des linksliberalen Milieus“. Diese „selbstgerechte Attitüde“ müssten Linke ablegen.

Frank A. Meyer © imago

Damit ist die Bühne für das Gespräch mit dem Schweizer Journalisten Frank A. Meyer gebaut. Der 78-Jährige, der sich als Linker versteht und für sein Engagement für die Meinungsfreiheit aus der Hand von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet wurde, wirbt dafür, den Streit nicht als lästige Zeiterscheinung, sondern als Quelle der Demokratie zu begreifen:

Allgemein wird beklagt, dass wir in den vergangenen Jahren nicht mehr gestritten haben. Deshalb ordnet man jetzt – typisch deutsch – das Streiten an. Man macht wie die ZEIT ein Ressort „Streit”. Das ist so absurd. Streit ist ein Ur-Element des Journalismus. Das muss man nicht in einem Ressort abhandeln. Du bist dafür, du bist dagegen. Streit muss ständig sein. Streit ist das Urelement der Demokratie.

Die heutige Journalistengeneration ist ihm zu brav, zu angepasst und nicht streitlustig genug. In der Endphase der Ära Merkel habe sich „eine Art Gefälligkeitskartell” herausgebildet.

Wir sprechen auch über die Verschiebung der politischen Koordinaten, da sich heute selbst arbeitnehmerfeindliche und reaktionäre Positionen als links tarnen. Auf die Frage, ob die CO2-Steuer und die damit einhergehenden Folgen seiner Meinung nach links oder rechts seien, sagt er:

Das ist sicher nicht links, weil viele dieser Maßnahmen auf Kosten der ganz einfachen Leute gehen. Wenn ich manchmal sehe, was ganz normale Arbeitnehmer in Deutschland verdienen – dann bin ich fassungslos. Und dann bin ich fassungslos, dass man denen noch die Dinge verteuert oder dass man ihnen das Auto wegnehmen will. Das ist ein Freiheitsinstrument! Wenn sie in einer Zweieinhalb-Zimmerwohnung wohnen, in einem westlichen oder östlichen Plattenbau, dann wollen sie am Wochenende ins Auto steigen mit den Kindern und ins Freie und wegfahren.

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Der dafür verantwortlichen Partei wirft er vor:

Diese säkulare Ökologiereligion der Grünen ist eine Religion wie der Marxismus eine säkulare Religion war – genau parallel. Das ist natürlich reaktionär wie jede Religion, auch wenn sie säkular ist.

Über die Polarisierung und die damit einhergehende Spaltung unserer Gesellschaft sagt er:

Spaltung und Polarisierung sind nach Sir Karl Popper Elemente der Demokratie, der offenen Gesellschaft. Die leben wir. Es ist absurd, gegen Polarisierung zu sein.

Das Credo des guten Journalisten sollte lauten:

Ich interessiere mich für das, was ich selber nicht denke.

Das ganze Gespräch mit dem wortgewaltigen Schweizer Kollegen hören Sie am Samstag in einem Sonderpodcast auf ThePioneer.de. Prädikat: unterhaltsam und explosiv.

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Wer vertritt im politischen Berlin welche Interessen? Welche Lobbyisten tummeln sich in Parlament und Regierung? Beides soll das neue Lobbyregister offenlegen. Einige Firmen, Agenturen und Verbände haben Kunden und Finanzen schon transparent gemacht – andere verschleiern weiter. Jetzt läuft die Meldefrist ab. Unsere Kollegen aus dem Hauptstadt-Team haben das neue Register bereits ausgewertet. Die Recherche führte zu Joschka Fischer, Rheinmetall, der Zigarettenindustrie – und der verschwiegenen Agentur Eutop.

Die Lobby-Liste

Das neue Lobbyregister für Parlament und Regierung startet: Wer jetzt was preisgeben muss.

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Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Rasmus BuchsteinerChristian Schweppe.

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Carlos Tavares © imago

Stellantis hat geliefert: Die gut laufenden Geschäfte in den USA und milliardenschwere Kostenvorteile durch die Fusion haben dem Opel-Mutterkonzern zu einem Rekordergebnis verholfen. Der Nettogewinn liegt bei 13,4 Milliarden Euro. Die bereinigte operative Marge kletterte auf 11,8 (Vorjahr 6,9) Prozent.

In Nordamerika, wo Stellantis mit den Marken Jeep, Dodge und Ram stark vertreten ist, stand eine Rekordrendite von 16,3 Prozent zu Buche. Der Konzernumsatz stieg um 14 Prozent auf 152 Milliarden Euro. Der Vorstandsvorsitzende Carlos Tavares kommentierte:

Die heutigen Rekordergebnisse beweisen, dass Stellantis gut positioniert ist, um selbst in den unsichersten Marktumgebungen eine starke Leistung zu liefern.

Für das laufende Jahr stellte das Unternehmen eine zweistellige operative Marge in Aussicht. Allerdings dürften hohe Rohstoffkosten und die Ukraine-Krise das Jahr 2022 belasten. Der Konzern sei allerdings gut gerüstet, ohne größere Schrammen durch die Krise zu kommen.

Micromobility: Unterwegs mit E-Scooter, Moped oder Bike?

Wie lege ich am besten kurze Strecken in der Stadt zurück und sind die Angebote profitabel?

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Veröffentlicht in Tech Briefing Business Class Edition von Christoph KeeseLena Waltle.

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Joachim Wenning © dpa

Die Jahreszahlen der Münchener Rück können sich ebenfalls sehen lassen: Trotz Belastungen aus der Corona-Krise hat der weltweit größte Rückversicherer den Gewinn mehr als verdoppelt und damit sein selbstgestecktes Ziel übertroffen. Das Unternehmen erwirtschaftete ein Nettoergebnis von 2,93 (2020: 1,21) Milliarden Euro. Angepeilt hatte die Münchener Rück 2,8 Milliarden. Dabei schlug eine steigende Zahl von Covid-19-Toten in der Lebens-Rückversicherung mit 785 Millionen Euro zu Buche, auch die Großschäden blieben infolge der gehäuften Naturkatastrophen auf einem überdurchschnittlichen Niveau.

Für das neue Jahr strebt Vorstandschef Joachim Wenning einen Gewinn von 3,3 Milliarden Euro an; die Corona-Pandemie dürfte dann nur noch mit 300 Millionen Euro zu Buche schlagen.

Gianni Infantino © dpa

Die westlichen Mächte haben es nicht ganz leicht, ihr Sanktionsregime dem König Fußball nahezubringen. Das UEFA Champions-League-Finale 2022 findet in Sankt Petersburg statt. Die Politik drängt aufgrund der aktuellen Lage auf eine Verschiebung des Spielortes, doch der Veranstalter zögert noch. Die UEFA teilt mit, dass es „derzeit keine Pläne” für eine Verlegung des Austragungsortes gibt. Der europäischer Fußballverband erklärt:

Eine Entscheidung würde zu gegebener Zeit getroffen werden, falls es nötig wird.

Gregor Reiter © dpa

Die beiden großen Verbände des Weltfußballs FIFA und UEFA umgeben sich gerne mit den Oligarchen und Despoten der Welt, denn sie sind auf deren Geld angewiesen. Über die Arroganz des FIFA-Präsidenten Gianni Infantino und welche Ziele er für den Weltfußball verfolgt, berichtet der Pioneer-Expert und Rechtsanwalt für Insolvenz- und Sportrecht Gregor Reiter. Er sagt:

Die Kungelei des Herrn Infantino mit Diktatoren wie Russlands Wladimir Putin oder der Herrscherfamilie von Katar macht deutlich, dass es Infantino ausschließlich um Macht, Einfluss und Geld geht.

Die Arroganz des Gianni Infantino

Das sind die wahren Motive des FIFA-Präsidenten.

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Veröffentlicht in The Pioneer Expert von Gregor Reiter.

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In eigener Sache: Zuweilen muss man Sorge haben, bei uns Pioneers könnte die Monopolkommission einschreiten. Unter den fünf meistgehörtesten politischen Apple-Podcasts des gestrigen Tages waren erneut drei Produktionen aus dem Hause Pioneer.

Was ich eigentlich sagen möchte: Journalistinnen und Journalisten, die Lust haben, diese Expedition in den unabhängigen und werbefreien Journalismus mit ihren Ideen und ihrem Können zu bereichern, sollten nicht länger zögern. Wir brauchen Euch. Wir wollen Euch. Be a Pioneer!

Klick aufs Bild führt zu den Podcasts

Ich wünsche Ihnen einen zuversichtlichen Start in den neuen Tag.

Es grüßt Sie auf das Herzlichste,

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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