Schäuble vs. Merkel

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Guten Morgen,

die Bundeskanzlerin hat es ab jetzt mit einem der mächtigsten innenpolitischen Gegner zu tun, der auch dann ein Gegner bleibt, wenn er sich selbst eher als Gegenspieler beschreiben würde: Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Laut Verfassung ist er nach dem Bundespräsidenten als Vertreter des frei gewählten Parlaments die Nummer zwei im Staate. Mit der Corona-Politik von Nr. 3 ist er mehr als nur unzufrieden.

Es sind drei Dinge, die ihn stören:

  1. Er sieht das Prinzip der Gewaltenteilung beschädigt, weil Regierung und Ministerpräsidenten immer neue einsame Entscheidungen treffen, die, wie das Beherbergungsverbot, von den Gerichten korrigiert werden müssen.

2. Er sieht die Akzeptanz der Corona-Politik in der Bevölkerung schwinden und glaubt, dass dieser Vertrauensverlust mutwillig durch die Nichtbefassung des Parlaments provoziert wurde. Nur die Zustimmung frei gewählter Abgeordnete könnte den Eingriff in die Grundrechte rechtfertigen.

Wolfgang Schäuble © dpa

3. Er glaubt, dass sich Merkel und ihre Chefärzte mit der starren Fixierung auf die virologisch relevanten Parameter verrannt haben. Nur eine breite Befassung des Bundestages könne die Vielzahl der Interessen und Stimmungen erfassen und ausbalancieren. Darin genau liege ja die Schönheit der Demokratie.

Seine Stellvertreter und alle Fraktionen im Bundestag stehen geschlossen hinter Schäuble, was für den mittlerweile 78-Jährigen eine beglückende Erfahrung ist. Im Morning Briefing Podcast sagt Bundestags-Vize Thomas Oppermann:

Die Regierung hat den falschen Ansatz gewählt. Die Verhandlungen der 16 Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin hinter verschlossenen Türen im Bundeskanzleramt haben keine brauchbaren Lösungen hervorgebracht.

Auch der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion sucht in dieser Frage die Geschlossenheit mit dem alten, weisen Mann der Politik. Marco Buschmann im Morning Briefing Podcast:

Diese Notstandesphase muss beendet werden. Es müssen wieder die Parlamente im Pilotensessel sitzen.

Marco Buschmann © imago

Fazit: Die Rolle als knorriger Lordsiegelbewahrer der parlamentarischen Demokratie ist Schäubles womöglich letzte öffentliche Rolle – und seine beste.

Wolfgang Schäuble im Bundestag © dpa

Die Kanzlerin hatte in ihrer Videobotschaft eine eindringliche Bitte:

Ich bitte Sie, verzichten Sie auf jede Reise, die nicht wirklich zwingend notwendig ist, auf jede Feier, die nicht wirklich zwingend notwendig ist. Bitte bleiben Sie, wenn immer möglich, zu Hause an Ihrem Wohnort.

 © dpa

Dieser Bitte wollen 1001 CDU-Funktionäre nicht nachkommen. Noch immer plant die Parteiführung, den nächsten CDU-Vorsitzenden – und damit mutmaßlich auch den nächsten Bundeskanzler – auf einem Präsenz-Parteitag im Dezember wählen zu lassen – trotz Ausgangssperren, Sperrstunden und der vorgeschriebenen Maximalgröße von Treffen im öffentlichen Raum, die nirgendwo in Deutschland bei 1001 Menschen liegt.

Am Montag befassen sich die Parteigremien mit dem Thema. Das Problem: Einen Digital-Parteitag schließt die CDU-Satzung aus. Im Moment wird die Verlegung aus der Corona-Risikozone Stuttgart in das mildere Corona-Klima von Leipzig diskutiert.

Fazit: Es gibt viele Wege, das Volk gegen sich aufzubringen. Die Gewährung derartiger Sonderrechte für Parteifunktionäre ist der kürzeste.

Olaf Scholz in Gifhorn © dpa

Olaf Scholz ist der Kanzlerkandidat der SPD. Der Kanzlerkandidat der Familienunternehmer ist er nicht. Mit seiner Ankündigung, im Falle eines SPD-Wahlsieges die Steuern für Topmanager und für Hunderttausende von Familienunternehmern erhöhen zu wollen, hat er seine Sympathiewerte in den Keller geschickt.

Denn schon heute zahlen Familienunternehmer eine Steuerlast, die absolut und relativ in den vergangenen sieben Jahren spürbar und auch messbar zugenommen hat. Einer Studie im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen, nach strengen wissenschaftlichen Kriterien durchgeführt vom ifo Institut, weist Deutschland im internationalen Vergleich als Hochsteuerland aus. Nur in Japan greift der Fiskus beherzter zu.

Eine Infografik mit dem Titel: Steigende Steuereinnahmen

Entwicklung des Steueraufkommens in Deutschland 1998 bis 2017, in Milliarden Euro

Wurden 2009 knapp 91 Milliarden Euro an Unternehmenssteuern entrichtet, so stieg dieser Wert dank des starken Wirtschaftswachstums bis 2017 um annähernd 100 Prozent und betrug schließlich 170 Milliarden Euro. Der Anstieg geht auch mit einer deutlichen Verschlechterung der steuerlichen Standortbedingungen gegenüber anderen Ländern einher.

Weitere zentrale Ergebnisse der Studie:

  • Seit 2013 zahlen große Familienunternehmen in Deutschland deutlich mehr Steuern als börsennotierte Konzerne im Streubesitz.

  • Von 2010 bis 2018 entrichteten Familienunternehmen etwa 67 Milliarden Euro pro Jahr an Unternehmenssteuern. Das entspricht rund 48 Prozent des Gesamtaufkommens an Unternehmenssteuern. Auf die 500 größten Familienunternehmen entfielen davon rund 12 Milliarden Euro, was knapp einem Fünftel entspricht.

  • Die durchschnittliche Steuerbelastung der 500 größten Familienunternehmen liegt auf Unternehmensebene bei etwa 28 Prozent. Unter Berücksichtigung der Steuern auf Gesellschafterebene errechnet sich eine durchschnittliche Belastung von fast 38 Prozent. Erträge der Dax-Konzerne, die keine Familienunternehmen sind, sind unter Berücksichtigung der Besteuerung der Gesellschafter dagegen nur mit gut 26 Prozent belastet.

Im Morning Briefing Podcast sagt Stefan Heidbreder, Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen:

Das Ergebnis der Studie spricht eine ganz klare Sprache: Die Familienunternehmen zahlen immer mehr Steuern, sowohl absolut wie auch relativ.

Seine Kritik ist eindeutig:

Wir sind de facto ein Höchststeuerland.

Fazit: Eines der Versäumnisse der Merkel-Jahre ist die unterlassene Steuerreform. Deutschland hat sich im Steuerwettbewerb der Nationen selber abgehängt.

„BaFin-Chef Felix Hufeld: Der unerwartete Gewinner des Wirecard-Skandals“, schlagzeilt das „Manager Magazin“. Das Verstörende: Die Überschrift stimmt. Der Mann, der den Wirecard-Skandal verschlafen hat und zusah, wie seine Mitarbeiter ihn für private Spekulationen nutzten, wird jetzt belohnt.

Felix Hufeld © dpa

Das Bundesfinanzministerium will die Finanzaufsicht mit zusätzlichen Ressourcen ausstatten und Präsident Felix Hufeld im sechsköpfigen Führungsgremium stärken.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz stellt in einer Stellungnahme zur Reform fest:

Die Finanzaufsicht braucht mehr Biss.

Olaf Scholz © dpa

Konkret heißt das:

  • Hufeld besitzt derzeit in Sachfragen nicht die komplette Weisungsbefugnis. So muss beispielsweise der Beschluss über den Haushalt einstimmig fallen. Das Ministerium will das ändern.

  • Die Behörde soll zwei weitere Abteilungen bekommen. Eine soll sich vor allem um junge Institute wie beispielsweise N26 kümmern. Parallel ist eine Art Eingreiftruppe geplant, um schnelle Inspektionen bei einer Bank durchzuführen.

Lufthansa-Maschinen © dpa

Die Lufthansa hat in der sonst so lukrativen Sommer-Saison einen weiteren Milliardenverlust eingeflogen. Wegen der Corona-Pandemie fielen weiterhin zahlreiche Flüge aus, während das Unternehmen zudem 2 Milliarden Euro für zuvor stornierte Reisen an die Kunden erstatten musste. Die Liquidität sei aber weiterhin gesichert, versicherte der vom Staat gestützte Konzern.

Der bereinigte Verlust vor Zinsen und Steuern belief sich im dritten Quartal nach vorläufigen Zahlen auf 1,26 Milliarden Euro – nach 1,7 Milliarden Euro im Frühjahrs-Quartal. Im Gesamtjahr sind damit bereits knapp 4,2 Milliarden Euro operativer Verlust aufgelaufen.

Eine Infografik mit dem Titel: Kennzahlen der Krise

Lufthansa

Im Vorjahr hatte Lufthansa zu diesem Zeitpunkt Ende September einen Rohgewinn von 1,3 Milliarden Euro verzeichnet. Das Wappentier der Lufthansa ist derzeit nicht der Kranich, sondern der Schwarze Schwan.

 © dpa

In den USA hat 13 Tage vor der Präsidentschaftswahl die entscheidende und damit auch schmutzigste Phase begonnen. Wenige Stunden vor dem letzten TV-Duell zwischen Präsident Donald Trump und seinem Rivalen Joe Biden (Freitag, 3 Uhr deutscher Zeit) zeigt sich die Nervosität bei Republikanern und Demokraten. Das liegt vor allem an der Boulevardzeitung „New York Post“:

Sie brachte in den vergangenen Tagen in mehreren Artikeln Joe Biden mit früheren Geschäften seines Sohnes Hunter in der Ukraine und in China in Verbindung. Die Zeitung veröffentlichte E-Mails, die belegen sollen, dass Hunter Biden versucht habe, Profit aus dem Amt seines Vaters als Vizepräsident unter Obama zu schlagen. Die Zeitung wertete die Mails auch als Beleg dafür, dass Joe Biden von den umstrittenen Auslandsgeschäften seines Sohnes gewusst habe.

 © imago

Das Problem der Story: Die Echtheit der Mails ist nicht bestätigt. Twitter unterband temporär die Verbreitung von Weblinks zu dem Artikel und verwies auf Regeln gegen die Verbreitung von Informationen, die durch „Hacking“ beschafft worden seien und private Daten enthielten.

Fragwürdig ist auch der Weg, wie die Zeitung an diese E-Mails gekommen sein will. Sie sollen auf einem Laptop in einer Reparaturwerkstatt gefunden worden sein. Die „New York Post“ bekam nach eigenen Angaben vor einer Woche eine Kopie der Festplatte von Rudy Giuliani, dem langjährigen persönlichen Anwalt und Vertrauten Trumps.

 © dpa

Mehr als 50 ehemalige hochrangige US-Geheimdienstmitarbeiter, darunter die ehemaligen CIA-Direktoren Leon Panetta, John Brennan und Mike Hayden, vermuten dahinter eine Kampagne Russlands, um Trumps Wiederwahl zu sichern. Die Texte zeigten „alle klassischen Merkmale einer russischen Informationsoperation auf“, hieß es in einem Brief, den die Website „Politico“ veröffentlichte:

Wenn wir recht haben, dann versucht Russland zu beeinflussen, wie die Amerikaner bei dieser Wahl abstimmen.

Ich wünsche Ihnen einen selbstbewussten Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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