Schicksalswoche für Felix Hufeld

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Guten Morgen,

Schicksalswoche für Bafin-Chef Felix Hufeld. Die Aufsicht, die nicht sieht, wird zum Problem für den obersten Finanzaufseher der Bundesrepublik, der immerhin rund 2700 Beschäftigte dirigiert. Er muss in dieser Woche zwei Mal zu den Umständen der Wirecard-Pleite Auskunft geben, von denen der Chef der Behörde im Wesentlichen aus der Zeitung informiert wurde.

Am heutigen Nachmittag tritt der Verwaltungsrat der Bafin unter dem Vorsitz des Finanzstaatssekretärs Jörg Kukies zusammen. Offiziell geht es um den Haushalt und den Stellenplan der Behörde. Doch die 17 stimmberechtigten Mitglieder, darunter Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Banken, Katja Langenbucher, Rechtsprofessorin an der Goethe-Universität Frankfurt, und Frank Schäffler, FDP-Bundestagsabgeordneter, haben sich übers Wochenende mit unbequemen Fragen munitioniert.

 © dpa

► Wieso definierte die Bafin ihren Spielraum derart eng, dass nur die Wirecard Bank und damit nur ein Bruchteil der gesamten Wirecard AG, kontrolliert wurde?

► Wieso richteten sich die Ermittlungen der Bonner Behörde zwischenzeitlich nicht gegen die offenbar kriminelle Unternehmensleitung, sondern gegen Journalisten der „Financial Times“ und gegen Hedgefonds-Manager, die gemeinsam auf die Machenschaften hingewiesen haben?

Eine Infografik mit dem Titel: Wirecard am Abgrund

Aktienkurs, in Euro

Eine Infografik mit dem Titel: Milliardenschweres Desaster

Marktkapitalisierung von Wirecard, in Milliarden Euro

► Weshalb war bei der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung, welche die Bafin mit einer Sonderprüfung bei Wirecard beauftragt hatte, nur ein einzelner Mitarbeiter für den Dax-Konzern abgestellt? Und wieso akzeptierte es die Bafin, dass dieser Mann bis heute keinen Bericht und nicht mal einen Zwischenbericht vorlegte?

► Wer hat es zu verantworten, dass ein Whistleblower de facto ignoriert wurde, der der Bafin schon 2019 brisante Dokumente zu den Vorgängen überreicht hatte?

Frank Schäffler, in seiner Fraktion als Finanzexperte gefragt wie gefürchtet, regt einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss an, der sich mit dem multiplen Versagen der Firma Wirecard, der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung und der Bafin befasst. Im Morning Briefing Podcast sagt er:

Wir haben uns international lächerlich gemacht. Es ist deutlich geworden, dass wir ziemlich amateurhaft unsere börsennotierten Unternehmen kontrollieren. Das schadet dem Standort Deutschland.

Das, was sich hier jetzt offenbart, muss parlamentarisch untersucht werden.

Wenn es tatsächlich zutrifft, dass hier 15 Monate faktisch nichts gemacht wurde, müssen auch personelle Konsequenzen gezogen werden.

Am Mittwoch dann hat Hufeld seinen Auftritt vor dem Finanzausschuss des Bundestages, der von der FDP-Politikerin Katja Hessel geleitet wird. Auch hier schütteln die Mitglieder des Ausschusses, darunter der ehemalige Innenminister Thomas de Maizière (CDU), Danyal Bayaz (Grüne) und Fabio De Masi (Linke), nur noch den Kopf über einen Finanzskandal, der das Vertrauen der Bürger in die Aktienkultur schwer erschüttert hat.

Katja Hessel leitet den Finanzausschuss seit Februar. Der Fall Wirecard wird für die Rechtsanwältin und Steuerberaterin zur Bewährungsprobe. Im Morning Briefing Podcast sagt sie:

Wie kann es sein, dass der Fall Wirecard unter seiner Aufsicht so stattgefunden hat und wo meint er, dass vielleicht auch seine Behörde versagt hat.

Und wenn Herr Hufeld sein Scherflein dazu beigetragen hat, ist es natürlich fraglich, ob er dann nicht auch Konsequenzen ziehen muss.

 © frank-beer.com/Bafin

Fazit: Eine Opposition – bestehend immerhin aus Abgeordneten von FDP, Grünen, AfD und Linkspartei – die freiwillig auf ihre parlamentarischen Kontrollrechte verzichtet, macht sich verdächtig. Wenn irgendwas in diesen Tagen alternativlos ist, dann dieser Untersuchungsausschuss.

 © dpa

Nach dem Corona-Ausbruch im Schlachtbetrieb Tönnies verschärft die Regierung von Ministerpräsident Armin Laschet die Vorgaben für die Branche. Das Landesministerium für Arbeit und Gesundheit teilte mit, dass die Fleischindustrie ihre Beschäftigten künftig mindestens zwei Mal pro Woche auf das Coronavirus testen lassen muss.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil kündigte zudem an, ein gerichtsfestes Gesetz zum Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in Schlachthöfen, also im Kernbereich der Branche, vorlegen zu wollen. Das sei „juristisch anspruchsvoll, aber machbar“. Wenn es nach ihm gehe, könne das Gesetz noch dieses Jahr in Kraft treten. Kern ist ein weitgehendes Verbot von Werkverträgen zum 1. Januar 2021.

Friedrich Merz meldet sich via „Spiegel“ zurück. Das Neue: In Tonalität und Kleidung gibt er sich als Betreiber eines schwarz-grünen Bündnisses zu erkennen. Er sagt:

Die Frage, wer unsere eigenen Wähler davon überzeugen kann, dass wir einen mutigen Schritt nach vorn machen müssen, etwa beim Thema der Versöhnung von Ökologie und Ökonomie, die kann ich vielleicht ganz gut beantworten.

Dazu passend erschien er im grün schimmernden Anzug mit grüner Krawatte, dieses Mal ohne Manschetten:

 © Lars Berg/Spiegel.de

Innerhalb der Grünen wird der Auftritt von Merz als „Grünenversteher“ (Vize-Fraktionsvorsitzende Agnieszka Brugger) bespöttelt. Innerhalb der Union wird von den einen die neue Flexibilität gelobt, von anderen mit Unverständnis begleitet: Einer fühlte sich an Franz Josef Strauß erinnert: „Everybody's darling is everybody's Depp.“

 © dpa

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will die deutsche Wirtschaft mit Flexibilisierungen aus der Rezession führen. In der „Welt am Sonntagsprach er sich für verkaufsoffene Sonntage und eine Verlängerung der Ladenöffnungszeiten aus:

Wir sollten bei bestimmten bürokratischen Anforderungen flexibler reagieren, um Unternehmen die Chance zu geben, ihre verlorenen Umsätze nachzuholen, etwa durch verlängerte Öffnungszeiten.

Der Vorschlag ist nach Monaten der erzwungenen Geschäftsschließungen nur folgerichtig – und stößt dennoch auf den Widerstand von Gewerkschaften und Ländern. Die politische Rationalität triumphiert über die ökonomische.

 © imago

Die Tabakindustrie und die CDU sind sich seit jeher in wechselseitiger Abhängigkeit eng verbunden. Tabak-Riesen wie Philip Morris (Marlboro), JTI (Camel) und der Deutsche Zigarettenverband haben bei CDU-Parteitagen eine ähnliche Bedeutung wie die Nationalhymne. Der Organisation Lobbycontrol zufolge haben sich viele Konzerne und Verbände in den vergangenen Jahren dafür entschieden, auf die negativ konnotierten Spenden zu verzichten – und stattdessen bei Parteitagen als Sponsoren aufzutreten.

Die Regierungspartei verzögerte als kleines Dankeschön immer wieder entschlossene Verbote für Tabakwerbung. Nun scheint die Lobbyarbeit nicht mehr zu fruchten:

► Denn vier Jahre nach einem gescheiterten ersten Versuch will die Große Koalition in der neuen Woche ein schrittweises Verbot der Plakatwerbung durchs Parlament bringen. Wirksam werden soll es ab 2022. Ins Visier kommen auch Elektro-Zigaretten.

► Weitere Beschränkungen sind für Kinowerbung und Marketingaktionen geplant. An diesem Montag steht eine Expertenanhörung an, am Donnerstag soll der Bundestag die Pläne beschließen.

Zur Erinnerung: Jedes Jahr sterben Statista zufolge deutschlandweit zwischen 110.000 und 140.000 Menschen an den Folgen des Rauchens. An oder mit Corona sind hierzulande rund 9100 Menschen gestorben.

Eine Infografik mit dem Titel: Biden klar vor Trump

Wer sollte die Präsidentschaftswahl 2020 gewinnen? Durchschnittliche Werte von nationalen Umfragen, in Prozent

Im Rennen um das US-Präsidentenamt liegt der Demokrat Joe Biden weiter deutlich vor Amtsinhaber Donald Trump. Nun scheint selbst das konservative und vom Medienmogul Rupert Murdoch beherrschte „Wall Street Journal“ an einer Wiederwahl Trumps zu zweifeln. Deutlich wird das im Leitartikel „The Trump Referendum“, der im Weißen Haus für Aufsehen sorgte. Dort heißt es süffisant:

Trump weigert sich anzuerkennen, was jede Umfrage aktuell zeigt: Seine Zustimmungsrate ist auf 40 Prozent oder weniger gefallen, damit betritt er das George-Bush- und Jimmy-Carter-Territorium. Sie waren die letzten beiden Präsidenten, denen eine zweite Amtszeit verweigert wurde.

Einige Demokraten raten Biden bereits, keine eigenen Wahlkampfveranstaltungen abzuhalten. Trump würde die Wähler von ganz alleine jeden Tag daran erinnern, warum sie keine weiteren vier Jahre Tumult und Narzissmus erleben wollen.

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Das Wichtigste aus der Berliner Republik finden Sie in unserem Hauptstadt-Newsletter – heute unter anderem mit diesem Thema: Es gibt Trittbrettfahrer bei den Konjunkturmaßnahmen, warnt der Bundesrechnungshof in einem Gutachten, das der Redaktion vorliegt.

 © dpa

Kaufhäuser und Schwimmbäder haben vielerorts wieder geöffnet, unter Auflagen. Hochzeiten und Familienfeiern sind erlaubt. In das Restaurant kann man auch wieder gehen. Aber wie ist die Stimmung in jenen „unsichtbaren“ Branchen, für die keine Lockerungen gelten und die nach wie vor nicht arbeiten dürfen?

Meine Kollegen vom Podcast-Team haben am Wochenende mit Betroffenen gesprochen – zum Beispiel mit dem Reiseveranstalter Timo Kohlenberg, der Prostituierten Mademoiselle Ruby und der Musikerin Miss Allie.

Fazit: Die Corona-Krise ist auch eine Krise der Selbstständigen und Kleinunternehmer. Also jener Menschen, die unser Land erst liebens- und lebenswert machen. „Die im Dunkeln sieht man nicht“, heißt es bei Brecht in der „Dreigroschenoper“. Aber zumindest kann man sie am heutigen Morgen hören.

5 Dinge, die diese Woche wichtig werden © ThePioneer

Erstens. Am heutigen Montag empfängt Kanzlerin Angela Merkel in Schloss Meseberg den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron.

Zweitens. Ebenfalls am Montag wollen Bundestag und Bundesrat in Sondersitzungen das Konjunkturpaket verabschieden, das Konsum und Wirtschaft wieder ankurbeln soll.

Drittens. Die Gespräche zwischen den Unterhändlern Großbritanniens und der EU über ein Anschlussabkommen für die Zeit nach der Brexit-Übergangsphase gehen zu Wochenbeginn in eine neue Runde. Bislang waren die Verhandlungen ergebnislos verlaufen.

Viertens. Das Basiskonto soll Menschen mit wenig Geld elementare Bankgeschäfte ermöglichen. Die Deutsche Bank verlangt dafür 8,99 Euro im Monat, bestimmte Leistungen kosten extra. Die Verbraucherzentralen finden das unangemessen. Am Dienstag verkündet der Bundesgerichtshof sein Urteil.

 © dpa

Fünftens. Am Mittwoch kommt es in Russland zu einer Volksabstimmung über die größte Verfassungsänderung in der Geschichte des Landes. Die Änderung des Grundgesetzes sieht vor allem eine Ausweitung der Machtbefugnisse des Präsidenten vor. Kritiker werfen Wladimir Putin einen Staatsstreich vor.

 © Valerie-Siba Rousparast/ resonanzboden.com

Erst wünschte sie die Polizei auf die Müllhalde, nun steht diese in beschützender Absicht vor ihrer Tür. Die Autorin der umstrittenen „taz“-Kolumne, Hengameh Yaghoobifarah, braucht nach Rücksprache mit ihrer Chefredaktion Schutz durch die Staatsmacht, die sie gestern noch abschaffen wollte. Die Wirklichkeit liefert noch immer die besten Possen. Oder um es mit Joachim Ringelnatz zu sagen: „Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt.“

Ich wünsche Ihnen einen selbstbewussten Start in die neue Woche. Es grüßt Sie herzlichst Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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