Siemens: PR-Knallfrosch explodiert

Teilen
Merken
 © ThePioneer

Guten Morgen,

Siemens-Chef Joe Kaeser dachte, er sei supersmart und die Klimaaktivistin Luisa Neubauer extra naiv, weshalb er der 23-jährigen Deutschland-Sprecherin von „Fridays for Future“ einen Sitz im Aufsichtsrat der künftigen Siemens Energy AG anbot. So hätte sie tiefe Einblicke in „komplexe unternehmerische Zusammenhänge“ bekommen, lockte er altväterlich:

Ich möchte, dass die Jugend aktiv sich beteiligen kann. Der Konflikt zwischen Jung und Alt muss gelöst werden.

 © imago

Doch Neubauer setzte Kaeser die Narrenkappe auf. Sie kenne das Aktienrecht, erklärte sie:

Mit dem Posten wäre ich den Interessen des Unternehmens verpflichtet und könnte Siemens dann nicht mehr unabhängig kommentieren.

Also verweigerte sie sich und aktivierte stattdessen ihre Mitstreiterin Greta Thunberg, die nun ebenfalls massiv Druck auf den Siemens-Chef ausübt. Die junge Schwedin forderte Kaeser auf, einen 18 Millionen Euro umfassenden Auftrag zur Lieferung einer Signalanlage für eine Kohlemine in Australien zu canceln. Die Adani Group mit Hauptsitz in Indien baut in Australien ein Mega-Kohlebergwerk, das aus fünf Untertageminen und sechs Tagebaustätten besteht und bis zu 60 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr fördern soll. Den Betreibern wirft man die Zerstörung von Lebensraum und den Transport der Kohle über das Great Barrier Reef vor.

 © dpa

Siemens musste sich entscheiden: Will man Reputation oder Geschäft verlieren? Auf der für Sonntagnachmittag anberaumten Vorstandssitzung gab es eine Entscheidung zugunsten des Kunden. Joe Kaeser musste die Absage an den Umweltschutz demütigst bekannt geben. Der PR-Knallfrosch – Luisa Neubauer in den Aufsichtsrat – war effektvoll explodiert: in der Hand des Vorstandschefs.

Ola Källenius © dpa

Auch der Daimler-Vorsitzende Ola Källenius spürt Gegenwind. Sein Widersacher ist jedoch kein Teenager, sondern der 79-jährige ehemalige Chefredakteur von „Spiegel“ und „Manager Magazin“ Wolfgang Kaden. Der knöpft sich den neuen Geländewagen GLS vor, der mit über fünf Meter Länge, bis zu 489 PS und fast zweieinhalb Tonnen Gewicht besonders wuchtig ausfiel: „Ein Auto wie eine Kriegserklärung“, schreibt Kaden in einem Beitrag für die „Welt“.

 © Daimler

Frontal greift er den Vorstand der Daimler AG an. Er frage sich, was sich die Topmanager in der Stuttgarter Konzernzentrale dabei denken, wenn sie in diesen Zeiten ein Auto wie den neuen GLS in ihr Programm aufnehmen:

Denken sie überhaupt? Oder leben sie abgekapselt von ihrem gesellschaftlichen und ökologischen Umfeld in ihrer eigenen automobilen Parallelwelt?

Fazit: So wie einst die Arbeiterbewegung den Wolfskapitalismus zähmte, der schließlich als soziale Marktwirtschaft überlebte, hat nun die ökologische Domestizierung der Industrie begonnen. Die Unternehmen sind künftig grün – oder gar nicht. Die Restlaufzeiten für das alte Denken sind in den vergangenen Tagen erneut verkürzt worden.

Ein E-Auto an einer Ladestation.  © dpa

Diese Transformation wird in der Autoindustrie zur Disruption führen. Das Ziel der Autohersteller, bis 2030 sieben bis zehn Millionen E-Autos in Deutschland zu verkaufen, kann dem traditionellen Automobilbau viele Arbeitsplätze kosten. Vor dem für Mittwoch geplanten Autogipfel berichtet das heutige „Handelsblatt“ über neueste Zahlen, die die Nationale Plattform für Zukunft der Mobilität (NPM) vorgelegt hat:

► Ein Verbrennungsmotor besteht aus mindestens 1200 Teilen. Beim Elektromotor sind es nur rund 200. ► Durch die Umstellung auf die Elektromobilität sind in Deutschland bis zum Jahr 2030 rund 410.000 Arbeitsplätze gefährdet.

► Allein in der Produktion des Antriebsstrangs, also bei Motoren und Getrieben, könnten bis zu 88.000 Stellen wegfallen.

Angela Merkel und Wladimir Putin im Jahre 2020 © dpa

Libyen, Syrien, Iran: Wer in diesen Krisen etwas erreichen will, kommt an Russlands Präsident Wladimir Putin nicht vorbei. In Berlin betrachtet man Putin mittlerweile als stabilisierenden Faktor in der Weltpolitik und wünscht sich Russland als Ordnungsmacht in Nahost. Putin traf dann auch am Wochenende auf eine charmante Kanzlerin, die ihm jede Kritik ersparte. Er nannte die Gespräche mit ihr – die zum größten Teil ohne Dolmetscher stattfanden – sehr „hilfreich und produktiv“. Insgesamt dauerten die Gespräche in Moskau fast vier Stunden, doppelt so lange wie geplant. Merkel kritisierte nicht Russland, sondern die USA und deren Widerstand gegen Nord Stream 2:

Bei aller politischen Kontroverse mit den Vereinigten Staaten von Amerika halten wir die exterritorialen Sanktionen nicht für richtig. Deshalb unterstützen wir dieses Projekt auch weiter so wie vorher.

Eine Infografik mit dem Titel: Transatlantischer Zankapfel

Verlauf der beiden Nord-Stream Pipelines

Es wurde deutlich, dass Russland für Merkel Partner und nicht Rivale ist:

Wir definieren aus deutscher Sicht, aber auch aus europäischer Sicht, natürlich wie immer in der Außenpolitik erst einmal unsere Interessen. Wir tun gut daran zu gucken: Wo haben wir Gemeinsamkeiten in diesen Interessen? Und die haben wir gefunden.

In Deutschland ruft Merkels Besuch ein unterschiedliches Echo hervor. Die „Bild“-Zeitung schreibt:

Aus den einstigen Rivalen auf Augenhöhe sind Taktgeber und Bittstellerin geworden. Nicht, weil Putin seine aggressive Außenpolitik zurückgefahren hat. Sondern, weil Merkel ihm nichts mehr entgegensetzt.

Die „Zeit“ dagegen fasst zusammen:

Merkels zugewandter Besuch bei Wladimir Putin, die überraschende Betonung von Gemeinsamkeiten, die lobenden Worte für das Vorgehen Putins und Erdoğans ausgerechnet in Syrien und Libyen, offenbart, wie sehr die amerikanische Regierung ein Vakuum hinterlässt, in das andere Akteure stoßen – die Türkei, Russland, Iran. Mit ihnen sucht sich Merkel nun zu arrangieren. Ihr Besuch in Moskau war womöglich der Anfang dafür.

Fazit: Die außenpolitische Koalitionsbildung gleicht der im Inneren der westlichen Staaten. Mit den alten Gewissheiten verflüchtigen sich auch die tradierten Bündnisse und Freundschaften. Merkel hat eine Schaukelpolitik zwischen Ost und West begonnen von der wir noch nicht wissen, wie bekömmlich sie den Deutschen ist.

 © imago

CNN-Journalistin und Moderatorin Christiane Amanpour beschreibt in einer kritischen Analyse, welche Folgen die von US-Präsident Donald Trump angeordnete Tötung des iranischen Generals Kassem Soleimani für Nahost, Europa und die USA hat:

► Im Nahen Osten habe Trump den westlichen Interessen einen Bärendienst erwiesen: „Im Iran versammelt sich die Nation um ein unbeliebtes Regime. Der von Trump in Wahrheit gewollte Regimewechsel rückt in weite Ferne.“

► Die US-Verbündeten in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten sind verwirrt vom Vor und Zurück Trumps und leiden insbesondere unter der Ansage, die der Staatschef am vergangenen Mittwoch in seiner Rede an die Nation machte:

Amerika hat Energieunabhängigkeit erreicht. Wir sind unabhängig und wir brauchen kein Öl aus dem Nahen Osten.

► Europa betrachtet Trump, der einerseits das Militär in Bagdad töten lässt und andererseits den Rückzug aus der Region ankündigt, mittlerweile als unzuverlässigen Partner. Die Zuwendung der Kanzlerin zu Kremlchef Wladimir Putin sei Ausdruck dieser europäisch-amerikanischen Entfremdung, schreibt Amanpour.

► Innenpolitisch habe die Aktion keine Punkte gebracht. Eine Umfrage der Tageszeitung „USA Today“ zeigt die Zerrissenheit des Landes: 55 Prozent der befragten Amerikaner sagen, dass die Tötung Soleimanis die Sicherheit der USA gefährdet. Das Fazit der Ikone unter den Auslandsreportern lautet: Die Gefahr in Nahost ist nicht vorbei.

Trump sagt zwar, er wolle keinen neuen Krieg. Aber die meisten Kriege sind aus Versehen entstanden.

Donald Trump © dpa

Innerhalb der USA herrscht Verwirrung. Der Präsident hatte behauptet, dass Anschläge des Iran auf vier US-Botschaften geplant gewesen seien. Das war der maßgebliche Grund für seine Entscheidung, den iranischen General Soleimani auszuschalten.

 © dpa

Jetzt aber sagte Verteidigungsminister Mark Esper in der CBS-Sendung „Face the Nation“ über konkrete Beweise für solche Anschläge:

In Bezug auf vier Botschaften habe ich keinen gesehen.

In der Sendung „Fox News Sunday“ sagte Sicherheitsberater Robert O’Brien, dass es keine spezifischen Hinweise gab:

Es ist immer schwierig, trotz der hervorragenden Geheimdienstinformationen, die wir haben, genau zu wissen, was die Ziele sind.

Der republikanische Senator Mike Lee sagte am Sonntag zum TV-Sender CNN, er bei „besorgt“ über die Qualität der Geheimdienstinformationen. Damit bleibt der Hintergrund für den Einsatzbefehl, der zur Tötung Soleimanis führte, im Dunkeln. Auffällig ist, dass nach dem Ausscheiden von Sicherheitsberater John Bolton und Geheimdienstkoordinator Dan Coats wieder einflussreiche Vertreter des Sicherheitsapparats auf Distanz zu Trump gehen. Eine solche Entfremdung ist für jeden Präsidenten gefährlicher als der Angriff des politischen Gegners.

Der Übergang von der Agrargesellschaft zur industrialisierten Wirtschaft erwies sich für Deutschland als Glücksfall. Das Land gehörte ein Jahrhundert lang zu den Wohlstandsgewinnern. Beim Sprung in die Welt der Digitalisierung indes landete Deutschland im Wassergraben. Das rettende Ufer ist in Sicht, aber nicht erreicht. Deutschland strampelt. Die Liste der 100 wertvollsten Unternehmen der Welt reflektiert diese Kraftanstrengung – die bisher unterlassene und die notwendige. Mit SAP und Siemens erreichen nur zwei deutsche Technologie-Unternehmen das Ranking. SAP auf Platz 49, Siemens auf Platz 100. Die meisten Technologie-Patente meldet übrigens inzwischen China an, die Smartphone-Ökonomie wird von den „big four“, Google, Amazon, Apple und Facebook dominiert.

Eine Infografik mit dem Titel: Deutschlands wertvollster Konzern abgeschlagen

Die weltweit größten, börsennotierten Unternehmen nach Marktkapitalisierung, in Milliarden US-Dollar

Will Deutschland nicht wieder zum „kranken Mann“ Europas werden, muss die hiesige Wirtschaft transformiert werden. Aus einer Ökonomie der Stahlpressen und der klug orchestrierten Werkzeugmaschinen muss eine vernetzte Datenwirtschaft werden. In einer aktuellen Umfrage des Allensbach-Instituts für die private ESCP Business School betonen 80 Prozent der befragten Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft, dass die digitale Wettbewerbsfähigkeit über den Wohlstand von morgen entscheidet. Zugleich glauben 90 Prozent der Befragten, dass unser Land dafür nicht gut genug aufgestellt sei. „Wir brauchen ein digitales Wirtschaftswunder“, sagt Christian Miele. Der 32-jährige frühere Bertelsmann-Manager ist ein Wanderer zwischen den Welten. Als Spross der gleichnamigen Waschmaschinen-Dynastie kennt er die traditionsreichen Weltkonzerne „Made in Germany“ besser als viele andere. Als Startup-Gründer und Partner des Beteiligungsunternehmens Eventures verdankt er seinen persönlichen Erfolg der neuen Zeit. Als frisch gewählter Präsident des Bundesverbands Deutscher Startups sieht er aber vor allem den Nachholbedarf bei der Digitalwirtschaft. Über das Ranking der wertvollsten Unternehmen sagt er:

Das ist ein Armutszeugnis; das sollte uns zu denken geben. Wenn wir uns anschauen, was andere Unternehmen und andere Länder in der Digitalisierung heute an Chancen mitnehmen, dann müssen wir uns fragen: Welche Rolle möchten wir in Zukunft noch spielen? Wie möchten wir unsere Rolle in der Welt verteidigen? Wenn wir da nicht langsam aufwachen, dann glaube ich, dass wir eine sehr, sehr schwierige Zeit vor uns haben.

Ab heute wird Christian Miele Sie und mich regelmäßig über Trends und Technologien aus der jungen digitalen Wirtschaft unterrichten und neue Ideen präsentieren, wie das Land aufholen und Politik und Wirtschaft die Wende schaffen können. Für den Morning Briefing Podcast habe ich mit Miele über seine Ambitionen gesprochen. Er ist überzeugt:

Völlig losgelöst von der Personalie ist es wichtig, dass wir endlich ein Digitalministerium bekommen. Darüber wird schon seit Jahren geredet und da wird nichts gemacht.

Wenn Sie die Analyse des Startup-Experten regelmäßig lesen wollen, melden Sie sich gerne hier für das neue Tech-Briefing an, das Ihnen dann im Laufe des Vormittags zugeschickt wird. Mein Kollege Daniel Fiene koordiniert den Newsletter, der wöchentlich erscheint und ab Februar auch als Podcast zu hören sein wird. In diesem Newsletter fordert er uns zur Selbsterkenntnis auf:

Veränderung entsteht nicht, wenn wir auf andere Personen oder andere Zeiten warten. Wir sind diejenigen, auf die wir gewartet haben. Wir sind die Veränderung, die wir suchen.

 © dpa

Die jüngste Entwicklung um Prinz Harry und Herzogin Meghan ist am heutigen Montag Thema einer Krisensitzung. Königin Elisabeth II. hat mehrere Familienmitglieder zum Gespräch in ihrem Landhaus Sandringham einberufen. Anlass ist die Ankündigung von Harry und Meghan, von ihrer Rolle als „Senior Royals“ zurückzutreten. Beide wollen auch „finanziell unabhängig“ werden und künftig mehr Zeit in Nordamerika verbringen, wo Meghan aufgewachsen ist.

 © dpa

Der angekündigte Rückzug war nicht mit der Königsfamilie abgestimmt und hat bei der Queen für Enttäuschung gesorgt. Aber was macht diesen royalen Konflikt für den Rest der Welt so faszinierend? Es ist wohl die Frage der Loyalität, die hier auf geworfen wird, eine Loyalität mit dem Bestehenden, die stille Erwartung der Außenwelt, der Einzelne möge ein jedermann sein. Vielleicht hat sich ja in diesem Akt der royalen Rebellion das Heldentum auch unseres Lebens versteckt. Wir sehen die lebensdurstige Meghan und ihren Harry und erkennen uns. Oder wie Armin Mueller-Stahl einmal sagte:

Wer immer nur funktioniert, entzieht sich dem Abenteuer des Lebens.

Ich wünsche Ihnen einen selbstbewussten Start in diese neue Woche. Es grüßt Sie auf das Herzlichste Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

Abonnieren

Abonnieren Sie den Newsletter The Pioneer Briefing