alle Meinungsumfragen melden ein Stimmungstief für die neue Regierung, insbesondere für den Bundeskanzler. Aber warum, fragt man sich, ist Olaf Scholz trotz seiner Achtungserfolge in Washington und Moskau so unbeliebt?
1. Die Frage ist falsch gestellt. Er war noch nie sonderlich beliebt. In Wahrheit hat er auch die Bundestagswahl 2021 nicht gewonnen. Armin Laschet und die Union haben sie verloren. Das ist ein wichtiger Unterschied. Die Wahlkampfführung von Lars Klingbeil war gut, aber noch besser für die SPD war die Selbstzerstörung der Union. Prädikat: unbezahlbar.
Eine Infografik mit dem Titel: Koalition der Unzufriedenen
Repräsentative Umfrage zur Zufriedenheit mit dem Bundeskanzler nach Parteizugehörigkeit, in Prozent
2. Scholz kann sich – obwohl es bei ihm keine Hinweise auf Verfehlungen gibt – bisher nicht von der Kaste der Berufspolitiker absetzen. Die Sonderrechte des Bundestages beim Impfstatus, der laxe Umgang der Fraktionen mit Abstandsregeln und Maskenpflicht, die Ausweitung der Regierungsposten auf fast jeden zehnten Abgeordneten der Ampel, das alles bildet die Hintergrundbeleuchtung seiner noch jungen Kanzlerschaft. Scholz wird von der Mehrzahl der Wahlberechtigten als einer „von denen“ wahrgenommen. Er ist Amtsinhaber, Staatsmann muss er erst noch werden.
Eine Infografik mit dem Titel: Scholz: Verluste nach der Wahl
Umfragedaten zur Bewertung von Olaf Scholz nach Sympathie und Leistung (+5 bis -5) seit Januar 2021, in Prozent
3. Es gibt im Volk keine genaue Vorstellung davon, was die Leitidee seiner Kanzlerschaft sein könnte. Der Terminus von der „Fortschritts-Koalition“ stammt erkennbar aus dem Windkanal einer PR-Fabrik.
Eine Infografik mit dem Titel: Kompetenzverlust bei den Parteien
Antwort auf die Frage: „Welcher Partei trauen Sie zu, mit den Problemen in Deutschland am besten fertigzuwerden?", in Prozent*
4. Die Kommunikation des neuen Regierungschefs in Habitus und Tonalität entspricht dem Niveau eines bürgerlichen Salons in den Hamburger Elbvororten. Seine eigentliche Stammklientel hört, aber spürt ihn nicht. Für sie blieb er bisher ein Mann ohne Eigenschaften. Der Energiefluss sei das Erkennungsmerkmal des erfolgreichen Politikers, sagte einst Spiegel-Reporter Jürgen Leinemann. Im Fall von Scholz findet dieser Energiefluss bisher nur als Kriechstrom statt.
© Imago5. Noch fehlen ihm die Merkmale einer typischen Führungskraft: Entschlossenheit. Klarheit. Mut. Er will in seinen ersten 100 Tagen vor allem keine Fehler machen, was ja verständlich ist. Nur: Man kann ihm förmlich zuschauen, wie er sich in das neue Amt hineintastet.
Seine gewollte Unschärfe hat nicht nur in der Ukraine, sondern auch bei unseren westlichen Partnern Zweifeln an der Verlässlichkeit Deutschlands Auftrieb gegeben.
So kritisiert ihn nicht die Opposition, sondern der ihm nahestehende Historiker Heinrich August Winkler.
In der Debatte um die allgemeine Impfpflicht weigert sich Scholz, einen Regierungsentwurf vorzulegen. Das Parlament soll entscheiden, sagt er. Das ist zwar gut für die Demokratie. Aber die eigene Führungskompetenz hat Scholz damit nicht gestärkt.
Eine Infografik mit dem Titel: NRW: SPD und CDU Kopf-an-Kopf
Ergebnisse der aktuellen Sonntagsfrage zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, in Prozent
6. Erstaunlich schnell hat sich das bürgerliche Lager nach der Wahlschlappe wieder sortiert. Friedrich Merz konnte die CDU hinter sich vereinen und der Unionsfraktion das Selbstbewusstsein zurückgegeben. In NRW entpuppt sich der Laschet-Nachfolger als Laschet-Überbieter. Hendrik Wüst ist jung, aber nicht naiv. Die NRW-Landtagswahl wird für Scholz und seinen Statthalter kein Spaziergang.
Eine Infografik mit dem Titel: Söder vorn
Anteil der Befragten, die angaben, sehr zufrieden mit der Arbeit des jeweiligen Politikers zu sein, in Prozent
7. Der wahre Gegenspieler von Olaf Scholz aber ist Markus Söder. Er ist und bleibt ausweislich aller Umfragen der beliebteste Politiker. Die Rempeleien („Geht nicht darum, mit dem Schlafwagen ins Kanzleramt zu fahren”) gegen den allgemein als zu schläfrig empfundenen Armin Laschet im Wahlkampf haben ihm nicht geschadet, sondern eher genutzt. Söder besitzt Charme und jenen Schuss Kaltblütigkeit, der den Lafontaine-Bezwinger Schröder und auch die Männermörderin Merkel auszeichnete.
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Wenn man mit Söder einen Film zu besetzen hätte, dann wäre es wohl dieser: „Ein ausgekochtes Schlitzohr“. Der Mann aus München ist der Burt Reynolds der CSU. Und das Drehbuch für Olaf Scholz? Muss erst noch geschrieben werden.
Noch ist es zu früh für ein Fazit. Olaf Scholz lernt noch. Und Merz und Söder haben jede Chance, auch die, ihr Parteienbündnis wieder zu zerlegen.
Die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie sind spürbar – vor allem für den Finanzminister. Auch deshalb kann Christian Lindner ordnungspolitische Unterstützung gut gebrauchen. Im Kabinett befindet sich ausschließlich jener Politiker-Typus, den die Amerikaner „big spender“ nennen.
Linder machte nun Prof. Lars Feld, den renommierten Wirtschaftswissenschaftler der Universität Freiburg und ehemaligen Vorsitzenden des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, zu seinem Chefvolkswirt. Unter dem offiziellen Titel „Persönlicher Beauftragter des Bundesministers der Finanzen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung” soll Feld den Minister in makroökonomischen Fragestellungen unterstützen und politisch unabhängig beraten. Damit ist die Gegenmacht zum offiziellen Sachverständigenrat, als dessen Vorsitzender Feld auf Drängen der SPD einst abgelöst worden war, installiert.
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Im heutigen Morning Briefing Podcast sprechen wir über seinen neuen Job und die Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft. Die aktuelle Verschuldung schätzt er wie folgt ein:
Wenn man die Verschuldung betrachtet, die Deutschland im Zuge der Corona-Pandemie angehäuft hat, dann liegen wir etwa bei 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das ist deutlich weniger als nach der Finanzkrise.
Das bedeutet für ihn:
Die Erfordernis zur Konsolidierung in den kommenden Jahren ist geringer.
Eine größere Herausforderung bedeutet für ihn die aktuelle Inflation von fünf Prozent und die damit einhergehende Frage, wie sich die Geldentwertung stoppen lässt. An eine schnelle Beruhigung an der Preisfront glaubt er nicht:
© dpaDieses Jahr wird es sicherlich noch eine hohe Inflation gerade in Deutschland geben.
Entscheidend sei jetzt das Verhalten der Gewerkschaften:
Wie es weitergeht, hängt davon ab, wie die Lohnverhandlungen ab September laufen. Da bin ich sehr gespannt, wie die Tarifvertragsparteien das so lösen, dass wir nicht in eine Preis-Lohn-Spirale laufen.
Auch über seine Einkünfte und den Einfluss, den er mutmaßlich auf das politische Geschehen ausüben wird, haben wir gesprochen. Zum Podcast geht es hier. Den Pioneer-Orginial Podcast “Feld & Haucap – Das Ökonomie-Briefing”, den er zusammen mit seinem Professorenkollegen Justus Haucap gestaltet, können Sie hier hören.
30 Staats- und Regierungschefs, 100 Minister und die Ukraine-Krise als Top-Thema. Die letzte Münchner Sicherheitskonferenz von Wolfgang Ischinger ist wohl auch seine wichtigste. Denn angeführt von US-Vizepräsidentin Kamala Harris will die 350 Männer und Frauen starke US-Delegation bei dem Münchner Treffen ein klares transatlantisches Signal setzen, und damit Russland in die Schranken weisen.
Mein Kollege Michael Bröcker ist seit gestern vor Ort und hat im Bayerischen Hof mit Christoph Heusgen gesprochen, dem früheren außenpolitischen Berater von Kanzlerin Angela Merkel und ehemaligen UN-Botschafter. Er übernimmt im kommenden Jahr die Leitung der Sicherheitskonferenz.
© dpaHeusgen sagt zu den jüngsten diplomatischen Bemühungen von Joe Biden und Olaf Scholz:
Es gibt eine Erleichterung darüber, dass die klassische transatlantische Allianz wieder funktioniert. Wir sprechen mit einer Stimme. Aber wir sind noch nicht über den Berg.
Wer bei Russlands Präsident Wladimir Putin Erfolge erzielen will, müsse Härte zeigen, sagt Heusgen, der viele gemeinsame Treffen mit Kanzlerin Merkel im Kreml erlebt hat.
Man holt Wladimir Putin nicht ab, in dem man weich ist, sondern nur, wenn man aus einer starken Stellung mit ihm redet.
Dass Russland sich von der Nato umzingelt fühlen könnte, weil das Bündnis durch zwei Erweiterungswellen seit 1999 immer näher kam und schließlich auch beim Nato-Gipfel 2008 der Ukraine eine Perspektive bot, sieht Heusgen nicht.
Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.
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Es bedürfe deshalb auch keiner weiteren schriftlichen Festlegung, sagt der frühere UN-Botschafter Deutschlands.
Eine Nato-Mitgliedschaft steht überhaupt nicht auf der Agenda. Was Putin macht, ist reine Propaganda.
Ausschnitte aus dem Gespräch hören Sie im Morning Briefing Podcast, das gesamte Interview gibt es dann ab 12 Uhr im Podcast Hauptstadt Das Briefing hier.
Gelegenheit macht Diebe: In Deutschland laufen aktuell mehr als 26.800 Ermittlungsverfahren wegen Betrugsverdacht bei den Corona-Hilfen, wie eine Umfrage des Handelsblatts zeigt. Demnach beläuft sich der Schaden schon jetzt auf mehr als 217 Millionen Euro.
Die gängige Trickmethode: Im Namen eines echten Unternehmens werden Hilfen beantragt und anschließend wird das Geld auf private Konten umgeleitet. So erhielt ein Bestatter 18.000 Euro Corona-Soforthilfen für sein angebliches Planungsbüro. Dieses hatte er schon Jahre zuvor aufgegeben.
Ein anderes dreistes Beispiel ereignete sich im Frühjahr 2020 in Berlin. Zwischen 31. März und 8. April beantragte das Unternehmerpaar einer Gebäudereinigung sieben Mal staatliche Hilfen, immer unter dem Verweis eines anderen Firmennamens. Das immer gleiche Unternehmen ergaunerte sich so rund 35.000 Euro.
Oder auch der Fall eines jungen Münchner Geschäftsmanns, für Putz- und Reinigungsdienste, ist nicht von schlechten Eltern. Dieser gab an, 30.000 Euro für seine Firma zu benötigen. Da jedoch sein Geschäft trotz Corona weiter florierte, investierte er das Staatsgeld in das Leasing eines Lamborghinis.
© ImagoEin Ende der Diebeskultur wäre für die Regierung leicht zu erreichen: Durch die sofortige Einstellung aller Corona-Hilfen.
Charlie Munger, der 98-jährige engste Kollege von Investment-Urgestein Warren Buffett, hält nichts von Kryptowährungen. Gegenüber „Bloomberg“ drückte Munger seine Abneigung drastisch aus:
Ich bin stolz darauf, Kryptowährungen gemieden zu haben. Das ist wie eine Geschlechtskrankheit. Ich betrachte sie als verachtenswert.
Eine Infografik mit dem Titel: Bitcoin: Die Achterbahnfahrt
Kursverlauf des Bitcoin seit dem 18. Februar 2021, in US-Dollar
Er ergänzt noch seine Forderung an die US-Regierung:
Ich wünschte, es wäre sofort verboten worden, und ich bewundere die Chinesen dafür, dass sie es verboten haben.
Bei Airbus stehen die Zeichen auf Abflug: Der europäische Konzern konnte im vergangenen Jahr den höchsten Gewinn der Unternehmensgeschichte erzielen. Er schnellte hoch auf 4,2 Milliarden Euro, nach einem Verlust von 1,1 Milliarden Euro im Jahr 2020. Konzernchef Guillaume Faury war bei der gestrigen Vorstellung der Zahlen sichtlich zufrieden:
2021 war wirklich bemerkenswert.
Für das laufende Jahr habe man „eine Menge auf dem Plan“, wie Faury ankündigte. Das zeigen auch die vollen Auftragsbücher: 720 Flugzeuge will Airbus 2022 ausliefern – gegenüber 611 im vergangenen Jahr.
Doch bis diese Zahlen tatsächlich erreicht werden können, muss noch viel passieren. Die Fertigungsrate der A320-Familie etwa will der Konzern bis zum Sommer von 40 auf 65 Flugzeuge pro Monat steigern. Angesichts der Engpässe bei Materialien und diverser Probleme entlang der Lieferketten kein leichtes Unterfangen.
Alle Unternehmen kennen diese Situation: Airbus ist überall.
Weitere gute Nachrichten aus der Jahresbilanz kann Nestlé liefern: Der Lebensmittelriese erhöhte seinen Umsatz im vergangenen Jahr auf 87,1 Milliarden Franken (83,3 Milliarden Euro). Nach der Bereinigung um Zukäufe, Verkäufe von Sparten und Währungseinflüsse ein Plus von 7,5 Prozent.
Dabei konnte der Schweizer Konzern vor allem mit Kaffee, Heimtiernahrung und Gesundheitsprodukten punkten, die während der Pandemie höher nachgefragt waren. Mit dem Verkauf eines Anteils am Kosmetikkonzern L’Oréal stieg der Gewinn um 38,2 Prozent auf 16,9 Milliarden Franken (16,2 Milliarden Euro).
© ImagoBei der Prognose für das laufende Jahr hält sich das Unternehmen mit Sitz in Vevey am Genfersee jedoch bedeckt: 2022 wird nur ein organisches Umsatzwachstum von rund fünf Prozent erwartet. Konzernchef Mark Schneider erklärte:
Wir haben ein gewisses Element der Vorsicht für unsere Prognose 2022 – in Anbetracht des inflationären Umfelds.
Den Beifall der Investoren gab es für eine Personalentscheidung: In den Verwaltungsrat des Nestlé-Konzerns soll der aktuelle Finanzchef von Apple einziehen. Luca Maestri ist seit 2014 für die Finanzen des Silicon-Valley-Riesen verantwortlich und wird nach der Generalversammlung am 7. April dem Nestlé-Gremium beitreten.
In dieser Woche erzielten die deutschen Bob-Olympioniken einen traumhaften Erfolg: Im Zweierbob holten die Männer Gold, Silber und Bronze – ein historischer Sieg.
Beim Bobfahren kommt es nicht nur auf das Training der Athleten an, sondern auch auf ein ausgetüfteltes Fahrwerk. Die Technik, die für Geschwindigkeiten bis zu 140 Kilometern pro Stunde nötig ist, wird im Institut für „Forschung und Entwicklung von Sportgeräten“ (FES) entwickelt. Bis zu 25 Personen arbeiten an einem Bob, bis er auf das Eis gelassen wird.
Einer der Bob-Entwickler ist Konstantin Schulze. Er ist Ingenieur am FES-Institut und hat die letzten vier Jahre an der Entwicklung des erfolgreichsten Schlittens aller Zeiten gearbeitet. Meine Kollegin Laura Block sprach für den Morning Briefing Podcast mit dem Tüftler über sein Handwerk.
Wir lernen: Der Pilot ist eine wichtige Zutat für den Sieg – aber bei weitem nicht die einzige.
Nach zweijähriger Zwangspause soll 2022 im schleswig-holsteinischen Wacken erneut das weltgrößte Heavy Metal Festival steigen. Schon jetzt ist das Open Air Ereignis ausverkauft.
© Imago2021 war das traditionelle Festival mit rund 75.000 Fans wie bereits 2020 wegen der Corona-Pandemie abgesagt worden. Auch eine zunächst geplante kleinere Ausgabe mit bis zu 20.000 Besuchern musste 2021 letztlich abgesagt werden. Nun soll das Spektakel vom 4. bis 6. August 2022 stattfinden – unter anderem mit Judas Priest, Slipknot und Limp Bizkit.
© ImagoFür das erste, damals noch zweitägige Festival am 24. und 25. August 1990 in einer Kiesgrube hatten die Gründer im norddeutschen Raum noch eigenhändig plakatiert. 800 Gäste kamen.
© ImagoHeute sind die Initiatoren Multimillionäre und ausgebuffte Veranstaltungsmanager. Ihre Steher-Qualitäten beeindrucken. Ihre Rückkehr nach zwei dürren Jahren macht auch anderen Selbstständigen Mut: Vielleicht sieht die neue Normalität aus wie die alte.
Ich wünsche Ihnen einen entspannten Start in das heute beginnende Wochenende. Es grüßt Sie auf das Herzlichste,
Ihr