Söder: Der Oppositionsführer

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Guten Morgen,

die Wölfe heulen den Mond an und die journalistische „Meute“ (Helmut Schmidt) den Mann aus Bayern. Markus Söder wird von fast allen Kommentatoren mitverantwortlich gemacht für den Machtverlust der Union in Berlin: Laschets Schaden, aber Söders Werk.

In Wahrheit ist nur das eingetreten, wovor Söder gewarnt hatte: Ein Gremien-Kandidat fiel beim Publikum durch. Armin Laschet vollbrachte eine physikalisch bemerkenswerte Tat, als er fehlenden Rückenwind in heftigen Gegenwind verwandelte, der ihn schließlich aus den Schuhen hob.

Markus Söder und Armin Laschet © imago

Söder hat sich in dieser Phase nicht neutral verhalten, sondern kräftig mitgeblasen. Immer von vorn. Nie von hinten. Das könnte ihm jetzt zum Verhängnis werden.

Viele Gründe sprechen in diesen turbulenten Tagen gegen die weitere Promotion des Bayern, aber eben nicht alle. Mindestens vier Argumente sind zu seinen Gunsten zu nennen:

1. Söder beherrscht die ideenreiche Attacke. Er kennt – das genau hat er in der Auseinandersetzung mit Laschet und zuvor mit Seehofer bewiesen – die Schmerzpunkte des Gegners. Und er scheut sich nicht, sie zu drücken. Damit ist er derzeit der einzige Herausforderer, den Olaf Scholz wirklich fürchten müsste. Die anderen werden den neuen Kanzler kritisieren. Söder greift ihn an. „Narben sind die Orden der Politik“, lautet sein Credo, schreiben Roman Deininger und Uwe Ritzer in ihrer Biografie „Der Schattenkanzler“. Sie zitieren einen aus der Söder-Gefolgschaft mit den Worten: „Er besitzt den Schuss Brutalität, der es leichter macht.“

Eine Infografik mit dem Titel: Söder: Kanzler der Umfragen

Antworten auf die Frage: „Welche Eigenschaften treffen auf Armin Laschet und Markus Söder zu?“, in Prozent*

2. Söders Analyse der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse ist auf der Höhe der Probleme. Anders als Friedrich Merz hat er erkannt, dass das Konservative, so wie wir es kennen, seine das Land prägende Kraft verloren hat. Auch deshalb baute Söder zur Umweltbewegung – die immer auch eine politische Emanzipationsbewegung war – eine strategische Beziehung auf. So riet er dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus frühzeitig ab, das Bahnprojekt Stuttgart 21 mit Gewalt durchzusetzen. Mappus ignorierte Söder – und verlor bald darauf Amt und Ansehen. Sein Nachfolger wurde ein Grüner.

3. Wenn seine Gegner ihn deshalb des Opportunismus oder des Populismus bezichtigen, dann kann man diese Vorwürfe auch anders lesen. Söder ist anpassungsfähig. Der Philosoph Peter Sloterdijk schreibt: „Vergangenheit und Gegenwart bilden die Inkubationszeit eines Ungeheuers, das unter einem trügerisch harmlosen Namen am Horizont auftaucht: das Neue.“ Söder, wahrscheinlich ohne Sloterdijk je gelesen zu haben, versteht, was hier gemeint ist. Einer wie Friedrich Merz will das Ungeheuer erdolchen. Söder füttert es. Merz konfrontiert den Zeitgeist; Söder versucht, das Neue durch Integration zu domestizieren.

Eine Infografik mit dem Titel: Zufriedenheit: Söder vor Laschet

Antworten auf die Frage: „Wie zufrieden sind Sie mit der politischen Arbeit von Markus Söder und Armin Laschet?“, in Prozent

4. Die Persönlichkeit des CSU-Chefs ist nicht für alle liebenswert, aber sie ist unique. In einer Welt der Plagiate ist er ein Original. Söder verbindet die Breitbeinigkeit von Strauß und die Volksnähe von Kohl mit der Wendigkeit eines Konzernchefs wie Herbert Diess, der mit Wucht und Leidenschaft von Verbrenner auf Elektromotor umgeschaltet hat, als sei das schon immer sein Anliegen gewesen. Diese extravagante Mischung macht Söder für Wähler interessant. Er ist ein politischer Abenteurer, keine Frage, aber dieser Sachverhalt begründet eben beides: heftige Ablehnung und treue Gefolgschaft.

Fazit: Diese Anmerkungen zur Führungskrise der Union sind kein Plädoyer für einen Kanzlerkandidaten Söder. Aber sie sind ein Plädoyer wider die ewige Sehnsucht nach Ruhe und Ordnung in Harmlosigkeit. Oder um es mit Peter Ustinov zu sagen: „Vollkommenheit hat keinen Charakter.“

Markus Söder © imago
Die CDU sucht den Glücksbringer

Nach dem Rückzug Armin Laschets beginnt die Suche nach dem Nachfolger - die Basis soll mitsprechen.

Briefing lesen

Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Michael Bröcker Gordon Repinski .

Briefing

Roman Deininger © imago

CDU und CSU brauchen derzeit keinen äußeren Gegner, sie haben ja sich selbst. Die größte Energie vor und hinter den Kulissen entfaltet der bayerische Ministerpräsident, weshalb wir im heutigen Morning Briefing-Podcast einen Blick auf dessen Charakter und Ambition werfen. Söder-Biograf Roman Deininger („Der Schattenkanzler“) ist im Hauptberuf Chefreporter der „Süddeutschen Zeitung“. Er gibt Auskunft über den großen Rastlosen der deutschen Innenpolitik:

Markus Söder war vor der Wahl der Schattenkanzler und er wird es auch nach der Wahl bleiben. Er ist noch immer der starke Mann der Union und seine Hoffnung ist es, das bis 2025 zu bleiben.

Dass Söder so beharrlich gegen Laschet und andere CDU-Politiker stichelt, sei seiner Kämpfernatur geschuldet:

Söder ist jemand, der erst im Kampf so richtig aufgeht. Deswegen passt es auch sehr zu ihm, dass ihn diese Verletzung im Kampf um die Kanzlerkandidatur nicht losgelassen hat.

Klick aufs Bild führt zur Podcast-Page

Als Nachfolger an der CDU-Spitze setze Söder auf einen Politikertypus, dessen Fähigkeiten komplementär zu den seinen sind:

Norbert Röttgen könnte die Wahl sein, denn das ist jemand, der das Format hat und auch den programmatischen Ehrgeiz, aber nicht zwingend die eigene Ambition auf das Kanzleramt.

Auf dem Weg zum Bundeskanzleramt habe Söder jedoch noch eine große Hürde zu nehmen:

Er steht auf dem Sprungbrett, aber er muss die Landtagswahl in Bayern 2023 eindrucksvoll gewinnen. Bisher hat er bei keiner Wahl wirklich geliefert. Wenn er erneut nicht liefert, kann er seine Kanzlerambitionen begraben.

Eine Infografik mit dem Titel: Im Sinkflug

Wahlergebnisse der CSU bei Landtagswahlen seit 2003, in Prozent

Friedrich Merz, Carsten Linnemann, Armin Laschet, Paul Ziemiak (v.l.) © dpa

Nach historischen Niederlagen wird der Neuanfang zur Pflicht. Wie CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak mitteilte, muss auf einem Parteitag noch vor Jahresende der komplette Bundesvorstand neu gewählt werden. Doch wer wählt den Vorsitzenden? Das Hinterzimmer, die bisher dafür zuständige Instanz, soll es diesmal jedenfalls nicht sein.

Bei einem Treffen der Kreisvorsitzenden am 30. Oktober wird nun entschieden, ob und inwiefern die Mitglieder einbezogen werden. Der alte Bundesvorstand soll dann am 2. November abschließend darüber entscheiden, ob und wie er diese Idee der Kreisvorsitzenden aufgreift. Der Noch-Parteivorsitzende Armin Laschet möchte den Prozess, an dessen Ende sein Ausscheiden aus der Bundespolitik stehen dürfte, moderieren.

Jörg Meuthen © dpa

Jörg Meuthen, der Co-Vorsitzende der AfD, will auf dem Parteitag im Dezember nicht erneut für das Amt des Parteichefs kandidieren. Meine Kollegin Franziska von Haaren hat für den Morning Briefing-Podcast mit dem Journalisten Matthias Kamann gesprochen, der seit 2016 für „Welt“ und „Welt am Sonntag“ über die AfD berichtet. Über Meuthens Motive für den Rückzug aus der Parteispitze sagt er:

Es ist vor allem eine tiefe Frustration darüber, dass Grabenkriege irgendwann nicht weitergeführt haben in einer Partei, die innerlich so zerrissen ist. Drei Schritte vorwärts, dann wieder vier Schritte zurück – und programmatisch nie etwas geändert. Das hat ihn am Schluss frustriert.

Meuthen hat seit 2019 versucht, diesen rechtsextremen Flügel und dessen Protagonisten ein bisschen einzuhegen. Da ist ihm einiges gelungen, aber er hat auch viel Ärger bekommen und sich beispielsweise durch den Ausschluss von Kalbitz wahnsinnig viele Feinde gemacht.

Auf die Frage, welche Konsequenzen der Rückzug von Meuthen für die weitere politische Entwicklung der Partei habe, antwortet er:

Es ist davon auszugehen, dass die Partei weiter nach rechts rücken wird, wenngleich da ja auch nicht mehr so viel Platz ist. Jedenfalls verfestigt sie sich im Rechtsradikalismus, damit also in der Koalitionsunfähigkeit und auch weit weg von allem, was man als bürgerlichen Konservatismus bezeichnen könnte.

Weshalb Außenwirtschaft wichtiger denn je ist

Alev Doğan spricht mit Außenhandels-Expertin Anahita Thoms

Podcast hören

Veröffentlicht in Der 8. Tag von Alev Doğan.

Podcast mit der Laufzeit von

Stiftung 2 Grad © dpa

69 deutsche Konzerne haben einen Appell unterzeichnet, der größere Anstrengungen von der nächsten Regierung in Sachen Klimaschutz verlangt. Im Zentrum des von der „Stiftung 2 Grad“ initiierten Schreibens stehen sechs Forderungen. So soll das nächste Kabinett unter anderem in den ersten 100 Tagen eine „Umsetzungsoffensive für Klimaneutralität“ vorlegen. Zudem soll die Regierung dafür sorgen, dass Klimaschutztechnologien markt- und wettbewerbsfähig gemacht werden. Weiter fordern die Konzerne eine Vereinfachung der Genehmigung klimafreundlicher Infrastrukturen.

Zu den Unterzeichnern des Schreibens gehören die Vorstände von SAP, Adidas, Allianz und Bayer. Zusammen beschäftigen die 69 Unternehmen hierzulande mehr als eine Million Mitarbeiter, weltweit sind es über fünf Millionen Menschen. Der globale Umsatz der Konzerne beläuft sich auf etwa eine Billion Euro.

Boris Johnson © dpa

Großbritannien gilt als Vorreiter der Energiewende: Der Kohleausstieg ist so gut wie abgeschlossen. Weniger als zwei Prozent macht die Kohleverstromung auf der Insel heute noch am Gesamtstrommix aus. Bis 2035 werden sich auch die übrigen fossilen Energieträger aus der Stromerzeugung verabschieden. Der Übergang soll durch Gas- und Windenergie erfolgen oder in den Worten von Boris Johnson: Großbritannien soll das „Saudi-Arabien des Windes“ werden.

Doch dieser Prozess gerät nun ins Stocken: Eine Windflaute sowie die hohen Gaspreise bereiten die Bühne für ein Comeback der Kohle. Während am vergangenen Dienstag noch 13,396 Megawatt Strom aus Windenergie erzeugt wurden, waren es am Montag lediglich 4,416 Megawatt. Um dieses Defizit auszugleichen, hat der Stromversorger Uniper nun einen Block seines Kohlekraftwerks Ratcliffe wieder eingeschaltet.

Kohlekraftwerk © imago

Der Grund ist naheliegend: Der Winter steht vor der Tür und Kohlestrom gilt als sicherer Energielieferant. Zwar steigen auch die Preise für Kohle, jedoch in keinem Verhältnis zu denen von Erdgas. Um kalte Füße zu vermeiden, werden nun alte Kohlekraftwerke für die kalte Jahreszeit fit gemacht.

Die Entwicklung in Großbritannien ist kein Ausnahmefall: In Deutschland hat der Kohlestrom im ersten Halbjahr dieses Jahres ungeachtet des besiegelten Kohleausstiegs die Windenergie vom Thron gestoßen. In den USA rechnen Experten mit einem kohlebedingten Anstieg der CO2-Emissionen um 20 Prozent. Insgesamt ist seit der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens im Jahr 2015 die weltweit installierte Kohlekraftwerkskapazität um 157 Gigawatt gestiegen. Zum Vergleich: Die Zahl entspricht der Kohlestromproduktion von Deutschland, Russland, Japan und der Türkei zusammen.

„Jesus Christ Superstar“ © dpa

Heute vor 50 Jahren wurde auf dem Broadway, im dortigen Mark Hellinger Theater, das Musical „Jesus Christ Superstar“ uraufgeführt. Der damals unbekannte Komponist Andrew Lloyd Webber und sein Texter Tim Rice hatten die Rockoper zusammen verfasst. Der Inhalt des Stücks: Die letzten sieben Tage von Jesus Christus werden aus der Sicht des Judas geschildert.

Dass Judas in dem Stück eine so zentrale Rolle zugeschrieben wurde, war für einige Christen Anlass genug, um vor dem Theater gegen die Aufführung zu protestieren. Der damalige Bürgermeister John Lindsay ließ sich von den Demonstranten nicht beeindrucken und schaute sich das Stück dennoch an. Auf die Frage, ob er das Musical anstößig finde, antwortete er: „Nein, ich finde es großartig.“

Andrew Lloyd Webber, 1996 © dpa

„Jesus Christ Superstar“ wurde über Nacht zu einem Welterfolg. In der schwedischen Fassung des Musicals hatte 1972 eine junge Frau namens Agnetha Fältskog als Maria Magdalena ihren Auftritt. Wenig später erlebte sie selbst als Teil der Popgruppe Abba ihren Durchbruch.

Tim Rice und Andrew Lloyd Webber katapultierte der Premierenabend in den Musical-Himmel, wo sie noch heute leben. „Jesus Christ Superstar“ war der Startpunkt der wohl größten Musical-Karriere der Welt. Lloyd Webber ist der Schöpfer von Werken wie „Cats“, „Evita“, „Starlight Express“ und „Das Phantom der Oper“, die noch heute in aller Welt aufgeführt werden. Anders als im schnelllebigen Popgeschäft garantieren die Musical-Produktionen ihrem Erfinder einen Umsatz- und Gewinnstrom, der das Entertainment-Geschäft neu definiert hat.

„Jesus Christ Superstar“ © dpa

Ich wünsche Ihnen einen beschwingten Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Gründer & Herausgeber The Pioneer
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