jeder gute Western enthält zwei Handlungsstränge. Der eine Strang erzählt die Geschichte einer großen, tiefen Beziehung. Der zweite Handlungsstrang handelt von einer Rivalität, die unweigerlich zum Showdown führt: Er oder ich. Es kann nur einen geben.
Womit wir bei Markus Söder und Jens Spahn gelandet wären. Diese beiden Protagonisten – und das zeichnet den Streifen aus der Fabrik des Real-Life-TV aus – vereinen beide Handlungsstränge in sich. Ihre persönliche Beziehung ist intakt und geht deutlich über das Politische hinaus. Der 53-jährige Nürnberger und der 13 Jahre jüngere Münsterländer respektieren sich nicht nur, sie schätzen sich auch. Man besucht sich, die jeweiligen Partner inklusive.
Doch beim anstehenden Duell um die Führung im konservativen Lager spitzt sich die Situation mittlerweile zu. Für politische Machtkämpfe gibt es keinen Lockdown. Es geht derzeit nicht um Posten, wohl aber um Signale der Dominanz: Wer folgt, wer führt?
© dpaMarkus Söder, der einfühlsame Populist, will, was das Volk schon lange will: Corona-Tests für alle. Auf Staatskosten, versteht sich. Eine Art medizinisches Grundeinkommen:
© dpaWir bieten eine 24-Stunden-Garantie an für jemanden, der Symptome zeigt, und für jemanden, der verunsichert ist. Wer glaubt, er könnte es haben oder wer einfach Sicherheit haben will, dem müssen wir doch eine solche Sicherheit geben können. Es ist ein Angebot für die Menschen, das Patientenschützer bereits loben.
Das rief den Bundesgesundheitsminister, der offiziell im Duo mit dem NRW-Regierungschef Armin Laschet auftritt, auf den Plan. Der kann aus medizinischen und – wichtiger noch – politischen Gründen dem geschätzten Rivalen diesen Alleingang nicht durchgehen lassen. Kompetenz muss im normalen Leben bewiesen und in der Politik vor allem durchgesetzt werden. Spahn ist erregt. Noch setzt er keine Salve ab, aber immerhin verschiedene Kurznachrichten bei Twitter:
Testen, testen, testen - aber gezielt. Das ist unsere mit dem @rki_de entwickelte nationale Teststrategie.
Einfach nur viel testen klingt gut, ist aber ohne systematisches Vorgehen nicht zielführend.
Fazit: Dieser Western ist wie einst „Bonanza“ als Fortsetzungsstory geplant. Noch ist alles möglich, auch das klärende Gespräch, das die Areale der Macht absteckt – dort die Partei und daneben das Kanzleramt. Egon Bahr, der Architekt der Entspannungspolitik, hätte für die Kontrahenten Söder und Spahn einen guten Rat zur Hand: „Wo geredet wird, wird nicht geschossen.“
Eine Infografik mit dem Titel: Wirecard: Aktie und Zockerpapier
Aktienkurs, in Euro
Die Wirecard-Aktie, in guten Zeiten wertvoller als die Deutsche Bank, ist nun eine Angelegenheit für Zocker. Mit einem Börsenkurs, der sich an einer Hand abzählen lässt, legte das Papier am gestrigen Handelstag bis zum frühen Abend über 180 Prozent zu. Die neuesten Erkenntnisse sind von der trüben Sorte:
► Tausende Verbraucher und Kleinunternehmer trifft die Wirecard-Insolvenz hart. Mitarbeiter, die auf Prepaidkarten der deutschen Firmen Givve und Spendit steuerfreie Boni ihrer Arbeitgeber überwiesen bekamen, können mit den Karten seit vergangenem Freitag nicht mehr bezahlen. Allein bei Givve soll es um eine Summe von rund 59 Millionen Euro gehen. Die Kunden haben ihr Geld erst verdient, jetzt müssen sie darum kämpfen.
© Wirecard► Der langjährige Vorstand der Wirecard AG, Jan Marsalek, wird sich offenbar nicht der Justiz stellen. Der Intimus von Ex-Vorstandschef Markus Braun hatte über seinen Anwalt in der vergangenen Woche zunächst kommuniziert, er werde nach München kommen, um sich dort vernehmen zu lassen. Jetzt hat er sich doch lieber in die Illegalität abgesetzt.
© imago► Bafin-Chef Felix Hufeld kämpft um sein Amt. In einer internen Sitzung des Bafin-Verwaltungsrats wies er mögliche Verfehlungen seiner Behörde energisch von sich. Er zeigte mit dem Finger in Richtung EZB: Die Regularien der Europäischen Zentralbank hätten eine Einstufung Wirecards als Finanzholding und die damit verbundenen erweiterten Prüfmöglichkeiten verhindert.
Fazit: Die Saison der Schuldzuweisungen ist eröffnet. Der ehemalige Daimler-Chef Jürgen Schrempp hatte für dieses Spiel einen schönen Namen: Bullshit-Bingo.
Das Corona-Konjunkturpaket ist beschlossen. Der Bundestag hat gestern unter anderem dem Familien-Bonus und der Mehrwertsteuersenkung zugestimmt. Der Familien-Bonus wird den Steuerzahler mehr als fünf Milliarden Euro kosten, die reduzierte Mehrwertsteuer rund 20 Milliarden Euro.
Nur wenige Stunden nach dieser Einigung war Prof. Dr. Lars Feld auf unserem Redaktionsschiff Pioneer One zu Gast. Er ist Direktor des Walter Eucken Instituts an der Universität Freiburg und Vorsitzender der „Wirtschaftsweisen“.
© ThePioneerÜber die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie sagte Feld:
Es ist der schärfste Einbruch, den die Bundesrepublik Deutschland in ihrer Geschichte erlebt hat.
Wir werden die Auswirkungen auch auf dem Arbeitsmarkt spüren, vermutlich deutlicher als in der Krise 2008/2009. Die Hoffnung, dass die Kurzarbeit uns genauso über die Klippen herumführt wie 08/09, ist vermutlich trügerisch.
Die Lage auf dem Arbeitsmarkt werde sich weiter eintrüben:
© dpaWir sehen jetzt schon eine höhere Arbeitslosigkeit. Wir erwarten im Jahresdurchschnitt 500.000 zusätzliche Arbeitslose. Die Bundesagentur geht sogar weiter und rechnet mit bis zu einer Million zusätzlicher Arbeitsloser.
Aber nicht nur die Arbeitslosenzahlen dürften steigen. Das beschlossene Konjunkturpaket wird auch die Staatsverschuldung nach oben treiben:
Was die öffentlichen Finanzen anbetrifft, müssen wir davon ausgehen, dass die Verschuldung, die im vergangenen Jahr zum ersten Mal wieder unter 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes lag, voraussichtlich zwischen 75 und 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu liegen kommt.
Die nächste Belastungsprobe könnte Feld zufolge schon in einigen Monaten auf Deutschland zukommen:
Eine zweite Infektionswelle wird vermutlich nicht zu vermeiden sein und uns irgendwann im Winterhalbjahr treffen. Die Frage ist: Wie gehen wir damit um? Sind wir bis dahin klüger geworden?
Ifo-Chef Clemens Fuest hat derweil den Mitgliedern des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags einen Besuch abgestattet. Er dämpfte dabei die Heilserwartungen mancher Politiker:
► Die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer wird dem Ifo-Institut zufolge die Wirtschaftsleistung nur leicht erhöhen. Das Bruttoinlandsprodukt steige dadurch in diesem Jahr um 0,2 Prozentpunkte oder 6,5 Milliarden Euro. Gleichzeitig generiere die Maßnahme Steuerausfälle in Höhe von 20 Milliarden Euro.
► Etwas positiver fällt die Gesamtschau der Konjunkturmaßnahmen aus. In Gänze würden die Unternehmen dieses Jahr um 64 Milliarden Euro entlastet, die privaten Haushalte um zehn Milliarden. Der Staat gebe 14 Milliarden zusätzlich aus. Das dürft die Wirtschaftsleistung dieses Jahr um 0,9 Prozent steigern.
► Fuests Mitarbeiter Niklas Potrafke, Leiter des Ifo-Zentrums für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie, empfahl den Ausschussmitgliedern größere Sparsamkeit: „Geprüft werden sollte, ob einige Maßnahmen gestrichen werden können, um die Neuverschuldung zu verringern.“
Eine Infografik mit dem Titel: Corona-Krise schadet der Wirtschaft
Anzahl der Menschen in Kurzarbeit in Deutschland
Die Kurzarbeit hat viele Arbeitnehmer vor dem Rauswurf in der Corona-Krise bewahrt. Das lindert, aber rettet nicht. Nun kommt eine Debatte über eine weitere Arbeitszeitverkürzung in Gang:
► Die Autozulieferer zeigen sich flexibel. Wenn in bestimmten Bereichen zu wenig Arbeit für zu viele Beschäftigte da ist, schlägt Continental statt Kurzarbeit eine kollektive Absenkung der Arbeitszeit vor, gepaart mit einer finanziellen Unterstützung durch den Staat.
© dpa► Personalchefin Ariane Reinhart sagte dem „Handelsblatt“: „Was wir als Unternehmen brauchen, ist ein neuer kollektiver und branchenübergreifender Ansatz hinsichtlich der Flexibilität bei den Arbeitszeiten.“
► Auch die Lufthansa will künftig weniger Arbeit auf die gleichen Mitarbeiter verteilen. So soll die Arbeitszeit und im gleichen Zug die Bezahlung deutlich reduziert werden. Von Einbußen zwischen 20 und 30 Prozent ist die Rede und von Wochenarbeitszeiten, die nur noch 30 Stunden betragen sollen.
Fazit: Not macht erfinderisch.
Heute im Briefing aus der Hauptstadt:
► Selten wurde ein Fraktionschef von den eigenen Parteifreunden so gedemütigt: „Pervertierung des Wahlrechts“, „strategisch schlicht eine Katastrophe“ und „denkbar schlechteste aller Vorschläge“: Mit diesen Begriffen kommentierten 20 Abgeordnete von CDU und CSU in vertraulicher Sitzung die Vorschläge für eine Wahlrechtsreform, die Fraktionschef Ralph Brinkhaus unterbreitet hatte.
► Alexander Graf Lambsdorff ist ein angesehener Außenpolitiker in der FDP. Doch das schützt nicht vor parteiinternen Niederlagen. Seinen Vorstoß, einen Israel-kritischen Antrag von Union und SPD mit in den Bundestag einzubringen, schmetterte FDP-Chef Christian Lindner ab.
► Deutschlands Wirtschaft ist globalisiert. Aber wenn es nach Hubertus Heil und Gerd Müller geht, wirtschaftet sie dabei nicht anständig. Ein „Sorgfaltspflichtengesetz“ soll die Menschenrechte entlang der weltweiten Lieferketten sicherstellen. Die Arbeitgeber sind empört.
Ende Mai hat Lettland als erster EU-Staat eine Corona-Warn-App auf den Markt gebracht. Kein Wunder, schließlich sehen sich die Letten selbst als „data-driven Nation“, als Vorreiter bei der Digitalisierung. Präsident des kleinen Baltenstaates ist der ehemalige Richter am Europäischen Gerichtshof Egils Levits. Sein halbes Leben hat der Jurist in Deutschland verbracht, erst als Schüler und Student, später als Rechtsanwalt und Botschafter.
Im Morning Briefing Podcast spreche ich mit Levits über seine Sicht der Dinge. Entscheidend für die heute digital geprägte Gesellschaft seines Landes sei das Jahr 1990 gewesen. Damals erklärte sich Lettland für unabhängig – und frei von der Bevormundung durch die zerfallende Sowjetunion:
Nach der Wiederherstellung der Unabhängigkeit mussten wir unser Land praktisch von null aufbauen. Und wenn man von null auf aufbaut, dann baut man modern auf.
Konkret heißt das:
Wir denken in einer Start-up-Mentalität. Ich habe zum Beispiel eine Beraterin für digitale Technologie, die im Silicon Valley arbeitet, direkt an der Quelle, und mir von dort aus Vorschläge macht. Wir sind aufgeschlossen für Neues.
Fazit: Lettland ist klein, aber klug. Wenn das Motto vom „lebenslangen Lernen“ auch für Staaten gilt, sollte Deutschland im Baltikum ein paar Nachhilfestunden nehmen.
Till Brönner ist als Jazztrompeter weltberühmt geworden. Mittlerweile konzentriert sich der 49-Jährige auf die Fotografie. Vor zwei Jahren fing er an, das Ruhrgebiet zu durchstreifen und seine Sicht auf Menschen und Landschaften mit der Kamera festzuhalten. Das Ergebnis war die Ausstellung „Melting Pott“. Zum zehnjährigen Jubiläum der Villa Schöningen in Potsdam werden diese Bilder und Arbeiten von Alberto Herskovits und Klaus Staeck zu der von Harald Falckenberg und Bernd Dinter kuratierten Ausstellung „Heimweh“ verdichtet.
© Villa SchöningenAls Pioneer sind Sie herzlich eingeladen, am Donnerstagabend exklusiv einen Blick auf die Ausstellung zu werfen. Das tun wir gemeinsam mit Harald Falckenberg und Till Brönner.
Wir starten um 18 Uhr an der Pfaueninsel, wo wir Sie an Bord der Pioneer One willkommen heißen. Über unsere Eindrücke sprechen wir mit Till Brönner – nach absolvierter Besichtigung – bei einer musikalisch begleiteten Fahrt über den Wannsee. Zeit und Lust? Ich freu mich auf Sie!
© dpaIch wünsche Ihnen einen unternehmungslustigen Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie herzlichst Ihr