der exzessive Kapitalismus sorgte in seiner wildesten Zeit für die Bereicherung der Reichen auf Kosten derer, die weniger gewieft, weniger skrupellos und weniger wehrhaft waren. Das Kapital ist nun mal aus sich heraus nicht einfühlsam. Es neigt dazu, Menschen auszubeuten und die natürlichen Ressourcen des Planeten zu plündern.
Dieser zerstörerische Kapitalismus wurde von Ludwig Erhard in die Schranken verwiesen. Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums – fest geschrieben in unserer Verfassung – bedeutete nichts Geringeres als die Zähmung des Kapitalismus. Ihm wurde das Wölfische ausgetrieben.
© dpaDiese Zähmung – und damit sind wir in der Gegenwart des Wahljahres 2021 gelandet – steht dem exzessiven Sozialstaat erst noch bevor. Denn hier zeigt sich dieselbe Aggressivität, nur spiegelverkehrt: Im exzessiven Sozialstaat kommt es zur Bereicherung der weniger Erfolgreichen auf Kosten derer, die fleißiger, ambitionierter und infolgedessen vermögender sind.
Eine Infografik mit dem Titel: Sozialstaat: Der Ausbau
Anteil der Sozialausgaben an den Bundesausgaben seit 2013, Prognose ab 2021, in Prozent
Die Sozialpolitiker aller Parteien reden den Menschen ein, es sei genug Geld für alle da. Man müsse sich nicht anstrengen, nur wie Sterntaler das Hemdchen schürzen. Genug ist nie genug, wie die Expansionsgeschwindigkeit aller Sozialausgaben zeigt. Das Wappentier des Sozialstaates ist die Raupe Nimmersatt.
Vermittelt über die verzweigten Kanäle des Sozialversicherungssystems kommt es zu einer Umverteilung von finanziellen Ressourcen im großen Stil, die erst dann ihr natürliches Ende findet, wenn die Ressourcen aufgebraucht und die Schatzkammern des Landes geplündert sind. Der exzessive Sozialstaat ist nicht weniger gierig als der exzessive Kapitalismus. Auch er steuert in seiner ihm immanenten Maßlosigkeit auf einen Tipping Point, einen Kipppunkt zu:
Ohne Trendumkehr werden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bald die Hälfte ihres Einkommens an den Sozialstaat überweisen müssen.
Eine Infografik mit dem Titel: Fass ohne Boden
Sozialbudget und Sozialleistungsquote in Deutschland seit 1970, in Milliarden Euro
Ohne Trendumkehr wird der Anteil im Bundeshaushalt, der nicht für Zukunftsprojekte, sondern für die sozialen Versprechungen der Vergangenheit ausgegeben wird, weiter wachsen. Die Sozialleistungsquote, also der Anteil des Sozialstaates am Bruttoinlandsprodukt der Bundesrepublik, hat sich seit den sechziger Jahren beinahe verdoppelt und beträgt heute über 30%.
Ohne Trendumkehr wird die Geldpolitik, die den Sozialstaat mit billigem Notenbankgeld und hohen nationalen und mittlerweile auch europäischen Schuldverschreibungen befeuert, die in Euro gehaltenen Sparguthaben ruinieren.
Ohne Kurskorrektur wird der europäische Sozialstaat, in dem sieben Prozent der Weltbevölkerung 50 Prozent der globalen Sozialausgaben konsumieren, implodieren.
So wie der exzessive Kapitalismus mit seinen Kartellen, Monopolen und Windfall Profits den freien Wettbewerb zu zerstören drohte, so zerstört der enthemmte Sozialstaat die wirtschaftlichen Bedingungen, die er zu seinem Überleben braucht. Auch das Gute kann bösartig sein.
Eine Infografik mit dem Titel: Sozialer Abstieg
Ergebnisse von sozialdemokratischen Parteien in Europa bei Parlamentswahlen und aktuelle Umfrageergebnisse seit 1998, in Prozent
Das Publikum spürt den überfälligen Wechsel. Vielleicht ist das ja die versteckte Botschaft einer schwindsüchtigen Sozialdemokratie, die in Deutschland und in Österreich, aber auch in Frankreich, Italien, Griechenland und Großbritannien nur noch ein Schattendasein führt. Hier geht etwas zu Ende. Die Wähler haben intuitiv die Abkehr vom exzessiven Sozialstaat vollzogen. Oder um mit Karl Jaspers zu sprechen:
Der Mensch ist immer mehr als er von sich weiß.
Frau Prof. Dr. Münch ist Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing und kennt sich in der deutschen Parteienlandschaft aus. Mit ihr lote ich im Morning Briefing Podcast die Chancen der Grünen und die von Armin Laschet aufs Kanzleramt aus.
Auf die Frage, ob die Grünen ihren Traum vom Kanzleramt bereits ausgeträumt haben, sagt sie:
Dass sich diese Umfragewerte wieder relativieren, dürften auch bei den Grünen manche erwartet haben.
Knapp vier Millionen Wählerinnen und Wähler hatten die Grünen bei der letzten Bundestagswahl 2017. Um in die Reichweite des Kanzleramts zu kommen, müssten sie ihr Ergebnis verdreifachen und bräuchten somit acht Millionen Wählerinnen und Wähler mehr. Auf die Frage, ob das realistisch sei, antwortet Münch:
Nein, das hat es in der Form noch nicht gegeben. Die Zeiten der alten Stammwählerschaften sind allerdings vorbei. Insofern tut sich da schon etwas. Aber ich glaube nicht, dass sich in diesen Dimensionen etwas tut.
Manfred Güllner ist mit 79 Jahren Deutschlands dienstältester Demoskop. Der Gründer und Geschäftsführer des Forsa-Instituts glaubt daran, dass Kanzlerkandidat Armin Laschet mit Zeitverzögerung seine Magie noch entfalten kann, wie er im Morning Briefing Podcast berichtet:
Wenn die Union den Kompetenzwert steigern kann, dann ist das eine ganz wesentliche Voraussetzung und vielleicht auch die Garantie für einen Wahlsieg.
Dass die Grünen bei der Bundestagswahl abrutschen werden, glaubt Güllner nicht. Das liegt auch an der Schwäche einer anderen Partei:
Die von der SPD zu den Grünen Gewanderten werden bei den Grünen bleiben. Also die Grünen werden deutlich zulegen gegenüber 2017.
China schlüpft in den Augen der USA in vielerlei Hinsicht in die Rolle des Feindes. Und zwar nicht nur als Bedrohung für ihre Sicherheit, Arbeitsplätze und demokratischen Werte, sondern auch für ihre Macht. Ein rund 250 Milliarden Dollar schwerer Gesetzesentwurf eint nun die sonst so strittigen Gemüter von Demokraten und Republikanern. Präsident Joe Biden erklärte gegenüber der „Washington Post“ seine Mission:
Wir werden sicherstellen, dass marktwirtschaftliche Demokratien und nicht China oder irgendwer sonst die Regeln des 21. Jahrhunderts für Handel und Technologie festlegen.
Insgesamt sollen durch das Gesetz rund 190 Milliarden Dollar in US-Technologie und Forschung fließen. Weitere 50 Milliarden Dollar sollen der sofortigen Finanzierung von US-Unternehmen, die Chips, für Verbraucher- und Militärgeräte herstellen, dienen. Zudem beinhaltet das Gesetz eine Reihe von Vorschlägen, die Chinas ökonomische Bestrebungen und seinen politischen Einfluss begrenzen sollen.
Es sollen neue Freiräume für Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Peking bei Menschenrechtsverletzungen geschaffen, sowie eine neue Studie zum Ursprung des Coronavirus in Auftrag gegeben werden. So ist auch ein diplomatischer Boykott der Winterspiele in Peking 2022 vorgesehen. Allein um den politischen Einfluss der kommunistischen Partei Chinas einzudämmen, werden in dem Entwurf Gelder in Höhe von 300 Millionen Dollar genehmigt, so die „Washington Post“.
© dpaMit einer Mehrheit von 68 zu 32 Stimmen wurde der Entwurf bisher nur vom Senat genehmigt, doch die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass das Gesetz ebenfalls im Repräsentantenhaus auf Zustimmung trifft.
Der demokratische Mehrheitsführer des Senats, Charles E. Schumer, verkündete:
Wenn wir nichts tun, könnten unsere Tage als vorherrschende Supermacht gezählt sein. Wir wollen nicht, dass Amerika in diesem Jahrhundert eine mittelmäßige Nation wird.
Fazit: Amerika wehrt sich. China wurde vom Partner zum Rivalen heruntergestuft.
Ab heute ist der digitale Impfpass verfügbar. Vollständig Geimpfte sollen zukünftig mit ihrer Impfbescheinigung per App innerhalb der EU reisen können.
Eine Infografik mit dem Titel: Der Anfang vom Ende
Bestätigte Neuinfektionen je 100.000 Einwohner der vergangenen sieben Tage in deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten
Die Regierung verlängert den erleichterten Zugang zur Kurzarbeit und Überbrückungshilfe III bis September. Kosten: 2,6 Milliarden Euro. Auch sollen Unternehmen, die ihre Arbeiter frühzeitig aus der Kurzarbeit holen oder neue Mitarbeiter einstellen eine „Neustart-Prämie“ bekommen.
Die USA haben die Reisewarnung für ein Dutzend europäische Länder, darunter Deutschland, gelockert. Der Einreisestopp für Europäer bleibt allerdings bestehen.
Spanien, Griechenland, Kroatien − und ab heute auch Frankreich − öffnen ihre Grenzen für Reisende aus den USA wieder. Schon Ende April hatte Ursula von der Leyen in einem New York Times Interview in Aussicht gestellt, dass vollständig geimpfte Amerikaner ab Sommer wieder nach Europa reisen könnten.
Deutschland aber stellt sich quer und lässt die Bürger seines wichtigsten Handelspartners nicht rein − trotz der hohen Bedeutung des transatlantischen Flugverkehrs.
Der Skandal rund um manipulierte Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen von Volkswagen wird für die Beschuldigten teuer. Die Schlussabrechnung fällt wuchtig aus:
Insgesamt zahlen Martin Winterkorn und drei weitere Ex-Topmanager rund 288 Millionen Schadensersatz an Volkswagen.
Aus eigener Tasche muss Winterkorn 11,2 Millionen aufbringen.
Ex-Audi-Chef und -VW-Konzernvorstand Rupert Stadler ist mit 4,1 Millionen Euro beteiligt.
Der frühere Porsche Vorstand Wolfgang Hatz (1,5 Millionen Euro) und der ehemalige Audi-Manager Stefan Knirsch (1 Million Euro) werden auch zur Kasse gebeten.
Zusätzliche Versicherungsleistungen summieren sich nach Angaben von VW auf rund 270 Millionen Euro.
Ex-Vorstandschef Winterkorn blickt einem zweiten Strafprozess ins Auge. Zusätzlich zu einem in Braunschweig laufenden Verfahren, welches untersucht, wann Winterkorn was über die Machenschaften seines Konzerns wusste, hat die Staatsanwaltschaft Berlin Anklage gegen den mittlerweile 74-Jährigen erhoben: Im Abgas-Untersuchungsausschuss soll dieser 2017 uneidliche Falschaussagen getroffen haben.
Auch in Frankreich wurde gegen den Wolfsburger Autokonzern ein Ermittlungsverfahren eröffnet. Die dortige Justiz will nun prüfen, ob in Deutschland Strafen und Schadensersatzforderungen gegen VW geltend gemacht werden könnten. Der Konzern wies die Vorwürfe gestern zurück.
Im Tech Briefing Podcast widmen sich Christoph Keese und Lena Waltle diese Woche einer Premiere am Frankfurter Börsenparkett: Der Wagniskapitalgeber Lakestar will mithilfe eines SPACs die Buchungsplattform für Ferienhäuser HomeToGo an die Börse bringen.
SPAC kurz für Special Purpose Acquisition Company ist ein leerer Börsenmantel, der durch die Fusion mit einem Start-up eine einfache und schnelle Möglichkeit bietet, ein Unternehmen an die Börse zu bringen. Regelmäßig verschmolzen ausländische SPACs mit europäischen Unternehmen. Das Resultat: die innovativen Firmen fielen in amerikanische, chinesische oder indische Hand und entrissen Europa damit essenzielle Schlüsseltechnologien – doch das soll sich jetzt ändern.
Julia Stoschek ist eine der weltweit wichtigsten Sammlerinnen von Medienkunst. Zu ihrer Collection gehören über 900 Werke, die Filme, Videos und Multimedia-Installationen von den 1960er Jahren bis heute umfassen.
Bei unserem ersten öffentlichen Event in diesem Jahr, am 18. Juni um 18:30, präsentiert Julia Stoschek wichtige Stücke ihrer Sammlung für zeitbasierte Medienkunst und beantwortet die Fragen unserer Pioneers. Moderiert wird das Gespräch von ThePioneer-Chefreporterin Alev Doğan.
Ich würde mich freuen, wenn Sie auch dabei wären. Ich komme in jedem Fall, schon um Sie und die Sammlerin zu begrüßen. Das Ticket enthält eine Live-Präsentation der Sammlerstücke von Julia Stoschek und ein Meet & Greet mit der Kunstsammlerin. Begrüßungsgetränk & Flying Catering sind im Preis enthalten.
Kanzlerkandidat Armin Laschet sichert sich Wahlkampf-Unterstützung aus der journalistischen Talentschmiede der „Bild“-Zeitung. Tanit Koch, die ehemalige Chefredakteurin der Zeitung, wird den Aachener im diesjährigen Wahlkampf als Kommunikationsberaterin unterstützen. Zu ihren Aufgaben gehören die Wahlkampfkommunikation, die Pressearbeit und – hier besteht akuter Nachholbedarf – der Ausbau einer für Laschet passenden Social-Media-Präsenz.
Der Trend, sich als Spitzenpolitiker aus dem Arsenal der „Bild“ zu bedienen, ist kein neuer. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt die Beliebtheit der Boulevard-erfahrenen Helfer:
Peter Boenisch, ab 1961 Chefredakteur der „Bild“ und später der „Bild am Sonntag“, beriet Helmut Kohl in den Bundestagswahlkämpfen von 1976, 1980 und 1994. Im Mai 1983 stieg Boenisch zum Staatssekretär und Leiter des Bundespresse- und Informationsamtes auf.
Michael Spreng war von 1989 bis 2000 Chefredakteur der „Bild am Sonntag“. Im Wahlkampfjahr 2002 fungierte er als Wahlkampfleiter des CSU-Politikers Edmund Stoiber – allerdings ohne Erfolg. Im vergangenen Jahr erlag Spreng seinem Krebsleiden.
Rolf Kleine wurde im Jahr 2000 Leiter des Hauptstadtbüros der „Bild“. 2013 verließ er das Blatt, um Sprecher des damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück zu werden. Nach verlorenem Wahlkampf kehrte er wieder an seinen alten Arbeitsplatz zurück.
Angela Merkel stach in dieser Hinsicht aus dem Kreise der Kanzler und Kanzlerkandidaten heraus. Sie hielt die „Bild“-Kollegen im eigenen Arbeitsumfeld auf Abstand. Doch was am Arbeitsplatz gelang, scheiterte im Wohnhaus: zu Beginn des neuen Jahrhunderts teilte sich die damalige Oppositionsführerin und Kanzlerkandidatin das Wohnungshaus gegenüber der Museumsinsel ausgerechnet mit dem damaligen Leiter des Hauptstadtbüros der „Bild“, Rolf Kleine.
Zufallsbegegnungen an der Mülltonne und im Kellertrakt waren über Jahre unvermeidbar. Die Kellerräume von Merkel und Kleine lagen nebeneinander. Daher auch weiß Kleine Entlastendes für Merkel zu berichten: Im Keller befinden sich keine Leichen.
Ich wünsche Ihnen einen heiteren Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste,
Ihr