Russland und die Sozialdemokratie

SPD: Partei mit multipler Persönlichkeit

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Guten Morgen,

spätestens im Landeanflug auf Berlin wird sich der amerikanische Außenminister Antony Blinken mit der Russlandpolitik der deutschen Sozialdemokratie befassen. Schließlich will er am Donnerstag Olaf Scholz treffen, um mit ihm über die Ukraine, Putin und das Gasprojekt Nord Stream 2 zu sprechen.

Die zuständige Fachabteilung des State Department, assistiert von der US-Botschaft in Berlin, wird dem Minister – wie in solchen Fällen üblich – ein Dossier zusammengestellt haben. Nur wenn schwerer Bodennebel über dem militärischen Teil des Flughafen Tegel den Piloten zu wiederholtem Abbruch des Landeanflugs zwingt, hat Blinken eine Chance, sich die Kanzlerpartei in ihrer Widersprüchlichkeit zu erschließen.

Antony Blinken © imago

Denn in Wahrheit haben wir es in der Russlandpolitik mit mindestens drei sozialdemokratischen Parteien zu tun. Die SPD ist gewissermaßen von Geburt an eine multiple Persönlichkeit, die an dissoziativer Identitätsstörung leidet. Diese ist – laut dem Lexikon der Medizin – dadurch gekennzeichnet, dass verschiedene Identitäten abwechselnd die Kontrolle über das Denken, Fühlen und Handeln eines Menschen übernehmen.

Die aus dem Arbeiterverein von Ferdinand Lassalle hervorgegangene deutsche Sozialdemokratie spaltete sich schon im Kaiserreich in die Mehrheits-SPD und die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD). In der Nachkriegszeit erlebte Deutschland ein Festival weiterer Zellteilungen, die von den Demokratischen Sozialisten über die zwangsvereinigte SED bis zur Lafontaine-Ausgründung WASG, die schließlich wieder mit dem SED-Restposten, die sich dann PDS nannte, zur Linkspartei verschmolz.

Doch selbst die heutige Kern-SPD – und nur die dürfte den amerikanischen Außenminister interessieren – ist ein Wesen, das angetreten ist, die Theorie von Sigmund Freud, sprich sein Strukturmodell der Psyche mit den drei Instanzen Es, Ich und Über-Ich, in das wahre Leben zu befördern.

Olaf Scholz © dpa

Das Es wird heutzutage repräsentiert vom diensthabenden Regierungschef Olaf Scholz, der sich zunehmend in den Zustand der politischen Geschlechtslosigkeit flüchtet. Er glaubt, es sei strategisch besonders gewitzt, Putins Gasleitung Nord Stream 2 als „privatwirtschaftliches Vorhaben“ zu klassifizieren.

Diese ausgeprägte Unentschlossenheit ist das Erkennungsmerkmal des politischen Es. Man könnte meinen, Olaf Scholz sei Mitglied in einem politischen Swinger Club. Er flirtet mit den Amerikanern und hält Händchen mit den Russen.

Kevin Kühnert © dpa

Das Ich der SPD verkörpert keiner so prägnant wie Kevin Kühnert, weshalb er auch direkt von der Mensa der Universität in die Chefetage des Willy-Brandt-Hauses umziehen durfte. Er will, was Putin auch will: die Öffnung der Gaspipeline und den Abtransport amerikanischer Atomraketen. Zu Nord Stream 2 sagt er:

Wir müssen den grundsätzlichen politischen Konflikt hinter uns lassen.

Sein norddeutscher Bruder im Geiste, der SPD-Linke Ralf Stegner, springt dem Genossen Kevin bei:

Ich verstehe den Sinn öffentlicher Drohungen gegen Russland nicht.

Das Über-Ich, gewissermaßen der Gottvater der Putin-Versteher in der SPD, ist Gerhard Schröder. Seine Bande nach Moskau sind politisch, persönlich und pekuniär begründet und damit unzerstörbar. Die russische Seele hat im Rahmen einer geradezu magischen Seelenwanderung im deutschen Über-Ich einen geräumigen Zweitwohnsitz gefunden. Hannover ist heute ein Vorort von Moskau.

Fazit: Wenn man nicht wüsste, das Richard David Precht das Buch „Wer bin ich – und wenn ja wie viele” geschrieben hätte, könnte man meinen, der SPD-Vorstand hat damit sein Psychogramm veröffentlicht.

Wladimir Putin © dpa

6 x Nein zur Impfpflicht

Liebe Ampel, kluge Politik ist nachvollziehbar, transparent und wirksam. Auf die allgemeine Impfpflicht trifft keines dieser drei Kriterien zu.

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Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Michael Bröcker .

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Ernst Piper © ©Cordula Giese

Der Verleger und Historiker Ernst Piper beschäftigt sich seit vielen Jahren wissenschaftlich mit dem Holocaust. Er hat das Werk „Kurze Geschichte des Nationalsozialismus: von 1919 bis heute” und die Biographie des Hitler-Chefideologen Alfred Rosenberg verfasst. In Kürze erscheint sein neuestes Buch „Diese Vergangenheit nicht zu kennen heißt, sich selbst nicht zu kennen”, in dem er auch den Forschungsstand zur Wannseekonferenz bewertet.

Diese jährt sich morgen zum 80. Mal. Die Wannseekonferenz war nicht der Startpunkt für den Holocaust, wohl aber der erste Versuch des NS-Staates, die systematische Deportation und industrielle Tötung von – so die Urspungsplanung – elf Millionen europäischen Juden zu koordinieren. Der Einladende war der Leiter des Reichssicherheitshauptamtes Reinhard Heydrich; mit dabei war der Leiter der Abteilung „Judenreferat” Adolf Eichmann, der später vom israelischen Staat gejagt, gefunden und in Jerusalem vor Gericht gestellt wurde. Ihm galt Hannah Arendts Diktum von der „Banalität des Bösen”.

Im Morning Briefing Podcast spreche ich mit Piper über seine Recherchen. Piper berichtet, dass es auf dieser Konferenz nicht mehr um das ob ging, sondern nur um das wie:

Man wollte es. Auch wenn die allerhöchsten Vertreter des NS-Staates nicht anwesend waren – der nationalsozialistische Maßnahmenstaat war prominent vertreten. Die wussten sehr genau, was sie wollten.

Der Haupttäter war für ihn nicht Adolf Eichmann:

Die entscheidende Figur war Reinhard Heydrich. Er war der Chef des Reichssicherheitshauptamts, dieser sehr mächtigen Behörde, in der man die traditionellen Polizeibehörden mit der SS verschränkt hat. Und er war von Göring ermächtigt worden, die Vernichtung der Juden federführend in die Hand zu nehmen. Er hat sich auf der Konferenz dieser versammelten Runde als derjenige Mann präsentiert, der jetzt den Hut auf hat.

Klick aufs Bild führt zur Podcast-Page

Der Konferenz ging es darum, die nationalsozialistische Rassenlehre – die Hitler seinen Anhängern als Programm von Mord und Totschlag mehrfach angekündigt hatte – nunmehr mit dem Staatswesen und seinen Möglichkeiten zu verzahnen:

Es war ein systematisches Mordprogramm, das man unter Einbeziehung des gesamten Staates, beispielsweise auch der Eisenbahn, die für den Transport wichtig war, beschloss.

Fazit: Wer diesem Historiker zuhört, der fühlt sich unvermittelt und dann heftig an Albert Camus Aufsatz „Pessimismus und Mut“ erinnert:

Im Rahmen unserer Geschichte wollen wir denken und leben. Wir glauben, dass wir die Wahrheit dieses Jahrhunderts nur finden können, indem wir seiner eigenen Tragödie auf den Grund gehen.

Was will Putin?

Mit einer Diplomatie-Offensive versucht der Westen Krieg in Osteuropa abzuwenden - eine Analyse.

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Veröffentlicht von Marina Kormbaki .

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Annalena Baerbock © imago

Annalena Baerbock im Kriseneinsatz: In Moskau traf die deutsche Außenministerin ihren Amtskollegen Sergej Lawrow. Lawrow, der seit 18 Jahren im Amt ist, gilt als politisches Schwergewicht. Baerbock ließ sich davon aber nicht beeindrucken und falls doch, dann ließ sie es sich nicht anmerken. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz erwähnt sie von sich aus den Fall Nawalny. Zur aktuellen Krisensituation spricht sie Klartext:

In den letzten Wochen haben sich mehr als 100.000 russische Soldaten mit Panzern und Geschützen in der Nähe der Ukraine versammelt, ohne nachvollziehbaren Grund. Es ist schwer, das nicht als Drohung zu verstehen.

Gleichzeitig streckt sie die Hand aus, verweist auf die historische Schuld Deutschlands gegenüber Russland und pocht auf die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen im Normandie-Format.

Sergej Lawrow © imago

Ein eventueller Neustart dieser Gespräche, bestehend aus Russland, der Ukraine, Frankreich und Deutschland, wäre für den russischen Außenminister durchaus denkbar, jedoch wolle er auf die Frage des Zeitpunktes nicht eingehen. Er betont:

Es ist nicht wichtig wann wir uns treffen, sondern wofür wir uns treffen.

Eine detaillierte Analyse mit allen wichtigen Hintergrundinformationen zum ersten Russlandbesuch der neuen deutschen Außenministerin lesen Sie in dem Artikel meiner Kollegin Marina Kormbaki.

Karl Lauterbach © dpa

Die Arbeiten von Olaf Scholz und Karl Lauterbach für eine gesetzliche Impfpflicht in Deutschland sind im Grunde gescheitert, auch wenn die beiden Akteure das offiziell nicht einräumen wollen. Zwei wichtige Mitspieler versagen ihnen die Gefolgschaft.

Thomas Mertens © dpa

Verweigerer Nr. 1: Der Chef der Ständigen Impfkommission (Stiko) Thomas Mertens hat sich gegen eine gesetzliche Pflicht ausgesprochen, weil sie mutmaßlich nur die Polarisierung verschärfen und nicht die Impftquote im Lande verbessern würde: „Das spaltet die Gesellschaft, da wird zu viel Druck aufgebaut, " sagte er den beiden Stuttgarter Lokalzeitungen.

Andreas Gassen © dpa

Verweigerer Nr. 2: Der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Andreas Gassen würde eine solche gesetzliche Pflicht nicht umsetzen:

Wir werden unseren Ärzten nicht zumuten, eine Impfpflicht gegen den Willen der Patienten zu exekutieren.

Die Arztpraxis sei ein Ort des Vertrauens und kein Ort, um staatliche Maßnahmen durchzusetzen, sagt er gestern Abend bei „Bild live“.

Die Konsequenz: Die Regierung will das Thema nach Möglichkeit im Parlament versanden lassen. Alles soll nach lebhafter Demokratie aussehen, nur nicht nach Niederlage.

Thomas Hitzlsperger © imago

In der Hamburger Elbphilharmonie dürfen Corona-konform 2000 Zuschauer mit Maske und Abstand Platz nehmen. In den Freiluft-Bundesliga-Stadien von Stuttgart, Köln oder Hamburg dagegen derzeit nur 500 oder 750.

Gestern Abend waren die Geisterspiele Standardprogramm im DFB-Pokal.

Die Chefs der Bundesliga-Vereine sind mächtig verärgert und klagen nun die Ministerpräsidenten an, wie unser Hauptstadt-Team recherchiert hat.

Thomas Hitzlsperger, Chef des VfB Stuttgart, sagte:

Alle vorliegenden Daten zeigen, dass Fußballstadien unter 2G-Bedingungen und unter Beachtung der mit den zuständigen Behörden ausgearbeiteten Auflagen und Konzepte keine Infektionsherde sind.

Die aktuellen Corona-Verordnungen stellten den organisierten Sport vor fast unlösbare Herausforderungen, so Hitzlsperger.

Das Geschäftsmodell Profifußball kann auf Dauer gerade für Traditionsvereine ohne Zuschauer nicht funktionieren.

Bundesliga © dpa

Richtig verärgert ist auch der Fondsmanager und Vizepräsident des 1. FC Köln, Eckhard Sauren:

Wir empfinden die Maßnahmen als völlig unverhältnismäßig gegenüber Sport und Kultur. 750 Zuschauer in einem 50.000er Stadion hat nichts mit sinnvollem Infektionsschutz zu tun.

Symbolpolitik, schimpft er. Kosten für den Verein wegen entgangener Einnahmen: pro Spiel 1,7 Millionen Euro.

Details lesen Sie im aktuellen Newsletter Hauptstadt Das Briefing, für den Sie sich hier anmelden können.

 © dpa

Der Parteienstaat verliert an Gewicht. Die Anzahl der Menschen in Deutschland, die einer Partei angehören, hat sich seit 1990 halbiert. Damals standen gut 2,4 Millionen Bürger und Bürgerinnen in den Parteiregistern, wobei der Mammutanteil mit 79 Prozent auf die SPD und die Unionsparteien entfiel. In den letzten Jahren litten vor allem die Volksparteien unter einem massiven Austrittsproblem. Allein die beiden Juniorpartner in der Ampelkoalition, FDP und Die Grünen, können sich über wachsende Mitgliederzahlen freuen.

Eine Infografik mit dem Titel: Die Großen verlieren

Anzahl von Parteimitgliedern der im Bundestag vertretenen Parteien

Goldman-Sachs-CEO David Solomon in Beverly Hills, Kalifornien, am 30.04.2018 © imago

In der amerikanischen Bankenbranche sinkt die Profitabilität. Nachdem bereits JPMorgan Chase und Citigroup niedrigere Gewinnzahlen auswiesen, enttäuschte nun auch die Investmentbank Goldman Sachs ihre Anleger.

Eine Infografik mit dem Titel: Wachstumspause bei Goldman Sachs

Aktienkurs von Goldman Sachs seit Februar 2020, in US-Dollar

Der Finanzkonzern verdiente von Oktober bis Dezember 2021 3,9 Milliarden US-Dollar und damit 13 Prozent weniger im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Anleger hatten mit mehr gerechnet, dadurch sank der Aktienkurs zwischenzeitlich um bis zu acht Prozent.

Das klassischen Investmentbanking floriert zwar weiterhin, doch steigende operative Kosten (plus 23 Prozent) und ein Rückgang im Aktiengeschäft um elf Prozent lassen die Bank am Ende weniger verdienen.

Fazit: Zu Beginn der Corona-Krise stiegen viele in das Aktiengeschäft ein, die Bilanzen der Banken profitierten. Nun scheint der Hype zumindest abzukühlen.

Helene Mercier und Bernard Arnault  © imago

Die Liste der zehn reichsten Menschen kennt kaum Diversity. Keine Frauen, null Asiaten, nur ein Europäer. Unter die Top 10 der Welt schaffte es aus der alten Welt nur Bernard Arnault.

Eine Infografik mit dem Titel: Die Reichsten der Reichen

Vermögen der zehn reichsten Menschen der Welt, in US-Dollar

Bernard Arnault belegt mit einem Gesamtvermögen von 186,3 Milliarden US-Dollar in der jährlich vom US-Wirtschaftsmagazin Forbes vorgestellten Liste den dritten Platz. Immerhin. Vor ihm tummeln sich nur noch Amazon Gründer Jeff Bezos mit 188 Milliarden Dollar und Elon Musk mit einem geschätzten Gesamtvermögen von 268,1 Milliarden US-Dollar.

Der Franzose Arnault studierte an der renommierten Eliteuniversität École polytechnique” in Paris Ingenieurwissenschaften. Nach dem Studium trat er in das väterliche Bauunternehmen ein und wandelte es in ein florierendes Immobiliengeschäft um.

Modenschau Christian Dior © imago

Ende der 80er-Jahre erlangte Arnault einen Mehrheitsanteil über das Unternehmen Louis Vuitton Moët Hennessy (LVMH), woraufhin er zu dessen Präsident gekürt wurde. LVMH ist heute weltweit führend in der Luxusgüterindustriebranche und vereint 75 Marken aus diesem Segment unter seinem Dach. Dazu zählen Weltmarken aus der Textil-, Beauty- und Getränkebranche wie Louis Vuitton, Dior, Givenchy, Bulgari, Tiffany sowie die bekannten Champagner-Marken Moët & Chandon, Dom Pérignon und Veuve Clicquot.

Eine Infografik mit dem Titel: Apple vorn

Marktkapitalisierung der wertvollsten Unternehmen in Deutschland, Frankreich und den USA

In der Branche wird er als „Wolf im Kaschmirpelz" bezeichnet. Karl Lagerfeld sagte über Arnault:

Er liebt Trophäen. Das ist wie ein Spiel.

Arnault sammelt nicht nur Luxusmarken, sondern auch Maler (Picasso), Medien (Les Echos) und Politiker. Bei Nicolas Sarkozy war er Trauzeuge, bei Macron der wichtigste Wahlkampfunterstützer. Er weiß, dass die Politiker nach Geltung streben und dafür Geld brauchen. Otto von Bismarck:

Die Freiheit ist ein Luxus, den sich nicht jedermann gestatten kann.

Ich wünsche Ihnen einen gut gelaunten Start in den neuen Tag.

Es grüßt Sie auf das Herzlichste,

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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