Standort D: Digital oder gar nicht

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Guten Morgen,

die drei Top-Themen der Politiker lauten: Klima, Klima, Klima. Nur die Reihenfolge wechselt mit den Parteifarben.

Das Top-Thema für die Zukunft des Landes aber ist die Digitalisierung. Entweder die deutsche Volkswirtschaft schafft den Sprung von der traditionellen Industriegesellschaft in die Moderne – oder die Zukunft findet ohne uns statt.

Die Merkel-Bilanz nach 16 Jahren vorsätzlicher Schläfrigkeit fällt in dieser Angelegenheit trostlos aus: Deutschland ist vom industriellen Führer zum digitalen Follower abgestiegen. Wir haben die erste Halbzeit verloren und liegen in der zweiten Halbzeit hinten, sagt der Vorstandschef der Telekom, Tim Höttges, mit der ihm eigenen Schonungslosigkeit.

Tim Höttges © ThePioneer

Man wünschte, diese Aussage wäre eine Übertreibung. Aber das ist sie nicht. Dass viele diesen Abstieg nicht sehen und nicht spüren, liegt daran, dass wir in den Städten und Firmenzentralen, aber auch in unserem Privatleben, umgeben sind von den Vermögenswerten einer anderen, einer untergegangenen Zeit. Der Kölner Dom grüßt aus dem Mittelalter. Die Villa Hügel ist das Denkmal der Stahlbarone. Die properen deutschen Einfamilienhäuser mit Carport und Wintergarten erzählen die Geschichte des Wirtschaftswunders.

Die Beziehung zwischen Deutschland und der Digitalisierung aber glich von Anfang an einer Stressbeziehung. Man lebt zusammen, aber hält einander kaum aus. Der andere wird erduldet, aber nicht geliebt. Oder wie Herbert Grönemeyer sich in seinem Song „Flugzeuge im Bauch“ ausdrückt.

„Schatten im Blick, dein Lachen ist gemalt,

deine Gedanken sind nicht bei mir.

Streichelst mich mechanisch, völlig steril,

eiskalte Hand, mir graut vor dir.“

Am besten lässt sich der Stand dieser kühlen Beziehung zwischen den Deutschen und der Digitalisierung in den folgenden fünf Charts erzählen:

Bild 1: Der Börsenwert. Dort, wo die Zukunft gehandelt wird, bewertet man die amerikanischen Tech-Giganten höher als alle deutschen Aktiengesellschaften zusammen. Das Walldorfer Softwarehaus SAP – immerhin das wertvollste Unternehmen im Dax – oder die Deutsche Telekom – schon nur noch rund die Hälfte von SAP – können da nicht mithalten. Deutschland ist aus Sicht der globalen Investoren eine digitale Diaspora.

Eine Infografik mit dem Titel: Software: Deutschland vs. USA

Marktkapitalisierung von SAP im Vergleich zu Microsoft, in Milliarden Dollar

Bild 2: Der Glasfaserausbau. Die neue Breitbandtechnologie ermöglicht die Nutzung des Internets im Gigabit-Bereich. Downloads und Uploads hoher Datenmengen als Basis des digitalen Geschäftsmodells in allen Sektoren werden möglich. Viele deutsche Firmen kennen die „Gigabit-Gesellschaft“ (Vodafone-Chef Hannes Ametsreiter) nur aus der Werbung. Im OECD-Vergleich steht Deutschland beim Ausbau von Glasfaserverbindungen auf Platz 34 von 38. Das ist nicht traurig, das ist trostlos.

Eine Infografik mit dem Titel: Glasfaser: Schlusslicht Deutschland

Anteil von Glasfaseranschlüssen an allen stationären Breitbandanschlüssen in ausgewählten Ländern der OECD im Dezember 2020, in Prozent

Bild 3: Der Online-Handel. Nur rund zwölf Prozent des deutschen Einzelhandels spielen sich heute Online ab. Amazon ist für diese Miniatur-Veranstaltung kein Wettbewerber, sondern ein Angreifer.

Eine Infografik mit dem Titel: Deutscher Online-Handel vs. Amazon

Umsatz des deutschen Online-Einzelhandels 2020 im Vergleich zum Jahresumsatz von Amazon 2020, in Milliarden US-Dollar

Bild 4: Deutschland, der Papier-Weltmeister. Hierzulande setzt nicht nur die öffentliche Verwaltung am liebsten auf Stift und Papier. Kopier- und Faxgerät sind in den meisten deutschen Büros ähnlich zentral wie im Kirchenschiff der Hauptaltar. Hier trifft man sich; hier nimmt man die Sakramente des Büroalltags ein, den Filterkaffee und die Aldi-Kekse. Das Resultat: Deutschland ist innerhalb der G20-Staaten Spitzenreiter beim Pro-Kopf-Papierverbrauch. 241,7 Kilogramm entfallen durchschnittlich auf jeden Bürger. Wir übertreffen den Papierverbrauch der Briten um 100 Prozent.

Eine Infografik mit dem Titel: Deutschland: Die Papiernation

Papierverbrauch pro Kopf 2018, in Kilogramm

Bild 5: Die Software-Milliardäre. Auf der Liste des Forbes-Magazins der reichsten Menschen füllen die Macher des digitalen Zeitalters die vorderen Plätze, was niemanden mehr überraschen kann. Der Gründer des einzigen deutschen Softwareunternehmens von Weltrang – Dietmar Hopp sein Name – liegt mit 10,1 Milliarden Dollar vor seinem Mitgründer Hasso Plattner auf Platz 224. Wir lernen: „Die Superreichen“, von denen SPD und Linkspartei ständig sprechen, sind hierzulande fast so selten wie im Düsseldorfer Medienhafen die Kegelrobbe.

Eine Infografik mit dem Titel: Tech-Milliardäre im Vergleich

Vermögen der reichsten Tech-Milliardäre weltweit und in Deutschland im Jahr 2021, in Milliarden US-Dollar

Fazit: Die nächste Bundesregierung muss es nicht nur anders, sondern besser machen. Merkel in lustig und Raute in Rot ist kein Versprechen, sondern eher eine Drohung. Unser größter Gegner ist nicht China und nicht Google, sondern ist die eigene politische Ambitionslosigkeit. Oder um es mit Industrie-Ikone Henry Ford zu sagen:

Misserfolg ist eine großartige Gelegenheit, mit veränderten Ansichten neu zu beginnen.

 © Loriot
SAP gegen Salesforce: Ringen um die Vorherrschaft

Im Interview: Markus Pertlwieser, CEO der Online-Geschäftsbank Penta und Ex-Deutsche Bank Manager

Podcast hören

Veröffentlicht in Tech Briefing Business Class Edition von Christoph KeeseLena Waltle.

Podcast mit der Laufzeit von

Frank Thelen © Anne Hufnagl

Frank Thelen ist nicht nur Fernsehstar, Bestsellerautor und Investor. Er ist vor allem ein Mensch, der klar denkt und deutlich spricht. Sieben Jahre trat er als Juror in der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ auf. Er ist mit seiner Investmentgesellschaft an wichtigen Start-ups wie dem E-Flugzeugbauer Lilium Air Mobility und Hardt Hyperloop beteiligt.

Seine Analyse der deutschen Diaspora lieferte er gestern vor engagierten Pioneers auf unserem Medienschiff und anschließend im Podcast-Studio. Über die deutsche Papierorgie in der Pandemie sagt er:

Es hat Menschenleben gekostet, dass wir bei der Kontakt-Nachverfolgung auf Papier gesetzt habe.

Klick aufs Bild führt zur Podcast-Page

Thelen ist kein Freund staatlicher Verbote, aber eines empfiehlt er doch:

Ich schlage ein Papierverbot für die öffentliche Verwaltung vor. Wir sollten alle behördlichen Vorgänge per Gesetz digitalisieren. Solange auch nur ein Stück Papier im Spiel ist, können die Prozesse nicht automatisiert werden.

Er ist in Sorge, dass Deutschland auch die nächste Phase der ökonomischen Umwälzung verschläft:

Wir kommen jetzt in eine zweite Welle der Innovation. Dabei geht es um 3D-Druck, Quantencomputer, Blockchain und 5G-Netze. Wenn wir das jetzt wieder verpennen, bekommen wir in Deutschland und Europa ein ernsthaftes Problem. Das wird unterschätzt.

Und was macht Frank Thelen im Falle eines rot-rot-grünen Regierungsbündnisses?

Wenn eine rot-rot-grüne Regierung käme, dann würde ich mir schon sehr genau überlegen, ob ich nicht auswandern werde. Das wäre dann gefühlt nicht mehr mein Land.

Aber wohin? Frank Thelen verrät uns im Morning Briefing-Podcast, wie er diese Frage für sich entscheiden wird.

Streik bei der Deutschen Bahn © dpa

Der Tarifkonflikt zwischen der Deutschen Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL ist beendet – und somit sind weitere Belästigungen im Reiseverkehr abgewendet. Die Einigung beinhaltet folgende Punkte:

  • Zum 1. Dezember 2021 steigen die Bezüge des Eisenbahnpersonals um 1,5 Prozent.

  • Zum 1. März 2023 um weitere 1,8 Prozent.

  • Am 1. Dezember erhalten alle Beschäftigten je nach Einkommensgruppe eine Corona-Prämie von bis zu 600 Euro.

  • Am 1. März 2022 soll eine weitere Corona-Prämie von einheitlich 400 Euro fließen.

Claus Weselsky spricht mit streikenden Lokführern © dpa

Der neue Tarifvertrag gilt bis Ende Oktober 2023. GDL-Chef Claus Weselsky sprach angesichts der Einigung von einem „guten Kompromiss“. In Wahrheit hat sich der Sturkopf durchgesetzt. Er wusste genau, in der Endphase eines Bundestagswahlkampfes können die etablierten Politiker kein Chaos auf der Schiene gebrauchen. Die Ministerpräsidenten von Niedersachsen und Schleswig-Holstein, Stephan Weil und Daniel Günther, halfen daher im Dienste der zwei Kanzlerkandidaten bei der Befriedung.

Stephan Weil (SPD) © dpa

Der Clou für die Eisenbahner: Die deutlich größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) mit ihren 180.000 Mitgliedern (gegenüber den 38.000 Mann der Weselsky-Truppe ein Riese) hatte bereits Anfang September angekündigt, ungleiche Tarifbedingungen nicht zu akzeptieren. Deshalb folgt nun, was man den Fluch der guten Tat nennt. Die Mitglieder der EVG sollen nicht schlechter gestellt werden.

Bei der Bahn ist ein Vorgang zu besichtigen, den die physikalischen Gesetze der Schwerkraft im wahren Leben zu verhindern wissen: Der Schwanz wedelt mit dem Hund.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) © dpa
Johannes Vogel © dpa

Johannes Vogel ist seit 2021 stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP und seit 2014 Generalsekretär in Nordrhein-Westfalen. Seit Beginn des Jahres sind die Umfragewerte für die Liberalen Monat für Monat gestiegen und liegen nun seit einigen Wochen zwischen zehn und 14 Prozent.

Auf die Frage, woher dieser Wunsch nach einer robusten liberalen Vertretung kommt, antwortet Vogel:

Es gibt offensichtlich eine Leerstelle für liberale Überzeugungen.

Viele Menschen haben während der Pandemie die Freiheit stärker schätzen gelernt und es begrüßt, dass wir immer wieder darauf hingewiesen haben, dass die Verfassung auch in der Pandemie gilt.

Mit wem und zu welchen Bedingungen der FDP-Abgeordnete nach der Bundestagswahl am liebsten koalieren würde, hören Sie in der neuen Ausgabe des Podcasts „Hauptstadt – Das Briefing“, die heute um 12 Uhr auf thepioneer.de und in Ihrer Podcast-App erscheint.

Der Klick aufs Bild führt zu Hauptstadt - Das Briefing
ThePioneer Startup-Award: Christian Schwarz, Niklas Hellemann, Anna Lukasson-Herzig, Nico Peters und Sebastian Kreft (v.l.n.r) © Anne Hufnagl

Gestern Abend haben wir an Bord der PioneerOne die deutsche Start-up-Szene gefeiert. Vor versammelter Tech-Prominenz – darunter auch der Pioneer-Aktionär und Großinvestor Klaus Hommels – und interessierten Pioneers rangen fünf Start-ups um den ThePioneer Start-up Award 2021.

Folgende Unternehmen stellten in dreiminütigen Pitches ihre Geschäftsmodelle vor:

  • Nico Peters präsentierte das Start-up Compeon, das die führende digitale Plattform für Mittelstandsfinanzierung ins Leben gerufen hat.

  • Christian Schwarz ist Co-Founder der Firma Numaferm, die Moleküle im Auftrag anderer Unternehmen produziert und erforscht.

  • Anna Lukasson-Herzig präsentierte das Unternehmen nyris, das seinen B2B-Kunden eine auf AI basierende visuelle Suchmaschine anbietet.

  • Niklas Hellemann ist Geschäftsführer des Start-ups SoSafe. Das Unternehmen bietet Cyber Security Awareness Training für Unternehmen an.

  • Sebastian Kreft ist Co-Founder von MetalsHub, das die digitale Transformation in der Metall- und Rohstoffindustrie vorantreiben will. Dazu bringt das Unternehmen Anbieter und Kunden über eine Internetplattform zusammen.

Im Anschluss durften die Pioneers digital für ihren Favoriten abstimmen. Zum Sieger wurde das Unternehmen MetalsHub gekürt.

Tech Briefing Live: Christoph Keese und Lena Waltle in Düsseldorf © Anne Hufnagl

Danach diskutierte Tech-Briefing-Host Christoph Keese zusammen mit Klaus Hommels, Stepstone-CEO Sebastian Dettmers, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Ceconomy AG, Bernhard Düttmann, und Natalie Mekelburger, CEO von Coroplast, über die Bedingungen und Notwendigkeiten einer technologisch führenden Republik.

Klaus Hommels forderte die Deutschen zu einem erhöhten Tempo auf:

Bei uns hat die Schrecksekunde immer fünf Jahre gedauert.

 © Anne Hufnagl

Laschet im Interview mit Romeo und Pauline © Screenshot/Late Night Berlin/ProSieben

Mitten im Wahlkampf-Endspurt leistet sich der Sender ProSieben einen massiven Anschlag auf die Glaubwürdigkeit des Journalismus. In der von Klaas Heufer-Umlauf konzipierten Show „Late Night Berlin“ wurden Romeo, 11, und Pauline, 11, als Interviewer eingesetzt. Sie befragten die Kanzlerkandidaten Olaf Scholz und Armin Laschet mit altklugen und politisch links gewirkten Fragen:

Ist Maaßen ein Nazi?

Haben Sie die Polizei geschickt, um Menschen aus Baumhäusern zu vertreiben?

Haben Politiker aus deiner Firma mit Masken Geld verdient?

Meine Mutter hat Wirecard-Aktien gekauft, die sind jetzt alle nichts mehr wert. Warum ist das passiert?

Klaas Heufer-Umlauf © imago

Durch ein Knöpfchen im Ohr waren die Kinder mit den Redakteuren verbunden. Die Zuflüsterer dirigierten aus dem Hintergrund, unsichtbar für Laschet und Scholz, das Geschehen im Zirkuszelt. Das Ambiente suggerierte Harmlosigkeit in Kinderzimmer-Atmosphäre. In Wahrheit wurden Romeo und Pauline wie Kindersoldaten in eine mediale Schlacht geführt, die sich in dem Fall Wahlkampf nennt. Ein Gespräch zwischen Romeo und Laschet zum Thema Ehe für alle zeigt dies deutlich:

Romeo: „Hast du was dagegen, dass Männer Männer heiraten dürfen?“

Laschet: „Nein.“

Romeo: „Aber du wolltest nicht dafür stimmen.“

Laschet: „Nein. Ich war ja gar nicht im Bundestag. Wer kommt denn auf so komische Ideen?“

Romeo: „Du hast Interviews gegeben, wo du gesagt hast, du willst es nicht.“

Laschet: „Nee, das stimmt nicht.“

Romeo: „...im Spiegel“

Laschet: „Du hast schon den Spiegel vor so langer Zeit gelesen. Das ist aber toll, dass du das kannst“

Der Sender ProSieben zeigte sich – nachdem der Schwindel aufgeflogen war – keineswegs einsichtig. Ein Sprecher:

Es ist gängige Praxis, dass Fernseh-Journalist*innen einen Knopf im Ohr tragen, um diese redaktionelle Betreuung auch während der Sendung zu erhalten. Diese Technik wird von nahezu allen erwachsenen Fernseh-Journalist*innen genutzt – warum sollte man also ausgerechnet zwei elfjährigen Kindern dieses gängige Hilfsmittel verwehren?

Die journalistische Normalität, von der hier die Rede ist, gibt ist nur auf dem Sprechzettel des Senders. Selbstbewusste Journalisten haben ihre fünf Sinne beisammen, aber keinen Knopf im Ohr. Oder wie der Kabarettist und Romanautor Oliver Hassencamp zu sagen pflegte:

Wer lügt, hat die Wahrheit immerhin gedacht.

Ich wünsche Ihnen einen selbstbewussten Start in das Wochenende. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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