die Finanzminister aller westlichen Nationen leben in einer Welt der Widersprüche. Derweil die Unternehmensgewinne sprudeln, erodiert die steuerliche Basis der Staatsfinanzierung. Die Defizite gehen durch die Decke. Der Beitrag der globalen Konzerne zur Finanzierung der nationalen Haushalte aber schrumpft.
Nirgendwo ist dieses Paradoxon der Moderne deutlicher zu besichtigen als in den USA. Die dortige Finanzministerin Janet Yellen, die als erste Frau in Wirtschaftswissenschaften an der Yale University promovierte, hat daher jetzt eine internationale Debatte über Mindeststeuern für Unternehmen angezettelt – und das zu Recht. Sie lebt in einer Welt der drei Geschwindigkeiten:
1. Die Gewinne sind im besten Fall ein Derivat der Umsätze und die wiederum werden insbesondere im Technologiesektor im Minutentakt in atemberaubender Dimension erzielt. So generiert etwa Amazon einen Umsatz von 956.000 US-Dollar jede Minute, dicht gefolgt von Apple mit 848.000 US-Dollar. Durchschnittlich setzen die Tech-Unternehmen der FAATMAN-Gruppe, namentlich Facebook, Alphabet, Amazon, Tesla, Microsoft, Apple und Netflix 416.728 US-Dollar pro Minute um.
Eine Infografik mit dem Titel: So viel setzen die Tech-Konzerne pro Minute um
Umsatz pro Minute der größten Tech-Konzerne der Welt, in US-Dollar
2. Zugleich pfeift der US-amerikanische Bundeshaushalt sprichwörtlich aus dem letzten Loch. Einnahmen und Ausgaben sind im Zuge der Pandemie-Bekämpfung außer Sichtweite geraten. Die Verschuldung des Bundesstaates beträgt derzeit 28,1 Billionen US-Dollar und entspricht damit 127 Prozent der amerikanischen Wirtschaftskraft im Jahr 2020. Die Neuverschuldung des Jahres 2020 belief sich auf rund 4,5 Billionen US-Dollar.
Eine Infografik mit dem Titel: Die Schulden der Welt
Staatsschuldenquote ausgewählter Länder 2020, in Prozent (Staatsschulden im Verhältnis zum BIP)
3. Der amerikanische Unternehmenssektor aber liefert historisch niedrige Beiträge zur Staatsfinanzierung. Betrug der Steuersatz auf Unternehmensgewinne im Jahr 2017 noch 35 Prozent, so wurde er im Zuge des globalen Wettbewerbs wie fast überall stufenweise abgesenkt. Die Steuerreform von Donald Trump, bei der die Unternehmensgewinne nur noch mit einem Höchstsatz von 21 Prozent besteuert werden dürfen, markierte einen neuen Tiefststand, der die finanzielle Solidität und Seriosität der Vereinigten Staaten von Amerika zunehmend infrage stellt.
Fazit: Die US-Finanzministerin, noch dazu wo sie einer von Demokraten geführten Regierung angehört, kann unmöglich auf der Ausgabenseite angreifen. Deshalb müssen sich die Unternehmen auf höhere Gewinnsteuern einstellen – erst in den USA und dann auch bei uns. Diesen Corona-Aufschlag bei der Körperschaftsteuer zu antizipieren, ist für die Firmen nicht schön, aber klug. Vorstände, hört die Signale!
Der Druck in Richtung höherer Unternehmensteuern kommt auch bei uns nicht von der politischen Linken. Er kommt aus den Fakten.
Finanzminister Olaf Scholz plant im zweiten Corona-Jahr mit einem Neuverschuldungs-Rekord von 240,2 Milliarden Euro. Der Bundesrechnungshof schlägt jetzt Alarm. In einem aktuellen Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestags heißt es:
© dpaDer Bund wird derzeit von einer Schulden-Lawine mitgerissen. Es gelingt ihm immer weniger, sich aus eigener Kraft zu finanzieren.
Ohne strukturelle Reformen sei es demnach nicht möglich, die finanziellen Folgen der Pandemie wenigstens halbwegs zu kompensieren. Die Abschaffung der zur Zeit ausgesetzten Schuldenregel lehnen die Rechnungsprüfer kategorisch ab:
Sie kämen einer Kapitulation vor den Problemen gleich und würden auf lange Sicht die Tragfähigkeit der Bundesfinanzen gefährden.
Vom Großkonzern bis zum Solo-Selbstständigen pumpt die Bundesregierung mehr als 200 Milliarden Euro an Zuschüssen und Kreditgarantien in die vom Lockdown geschwächte Wirtschaft.
Doch unter der durch Finanzspritzen gestrafften Oberfläche, zusätzlich verschleiert durch die Aussetzung der Insolvenzpflicht, hat sich inzwischen eine Zombie-Ökonomie gebildet. Untote Firmen bevölkern das Land.
Experten rechnen damit, dass sich die Zahl der Firmenpleiten in diesem Jahr gegenüber 2020 deutlich steigern könnte. Insgesamt seien sogar mehr als 30.000 Firmeninsolvenzen möglich. Im Vor-Corona-Jahr 2019 waren es erst 19.000.
In einer Analyse der Unternehmensberatung Company Partners werden die Zahlen erstmals konkret auf Wirtschaftsbereiche bezogen. Demnach dürfte sich im Maschinen- und Anlagenbau die Anzahl der Insolvenzen gegenüber 2018 mehr als verdoppeln. Die Zahl der Pleiten bei den Personaldienstleistern könnte sich mehr als verfünffachen.
„Die liquiden Mittel vieler Unternehmen reichen offenkundig nicht mehr aus“, heißt es in einem Bericht der Finanzexperten.
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Die russischen Truppenbewegungen entlang der ukrainischen Grenze besorgen nun auch die Bundeskanzlerin. In einem Telefonat forderte sie den russischen Präsident Wladimir Putin auf, die Truppen von der ukrainischen Grenze abzuziehen, um eine Eskalation zu verhindern. Wer Putin kennt, der weiß: Solche Ermahnungen wirken auf ihn wie ein Aufputschmittel.
Inmitten der Pandemie leistet sich die Union einen neuerlichen Machtkampf. Die Frage aller Fragen lautet: Wer führt das konservative Lager in die Bundestagswahl? Oder zugespitzt gefragt, wie es die führenden Funktionäre von CDU und CSU tun: Wem gehört das Kanzleramt?
Im Morning Briefing Podcast spricht „Welt“-Chefredakteurin Dagmar Rosenfeld heute mit CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak über das muntere und für viele Außenstehende unappetitliche Treiben. Der CDU-Politiker bittet seine Partei um eine andere Priorisierung:
Das erste Wichtige ist jetzt die Frage der Pandemie und das zweite ist dann die Frage der Kanzlerkandidatur innerhalb der Union.
Die geplante Ministerpräsidentenkonferenz am Montag wackelt. Die Parteipolitik kommt den Pandemie-Bekämpfern auch an anderer Stelle in die Quere.
SPD-regierte Länder wie Niedersachsen und CDU-geführte Länder wie das Saarland wollen keinerlei Verschärfungen, zugleich warnen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Charité-Chefvirologe Christian Drosten vor steigenden Patientenzahlen auf den Intensivstationen durch die hochinfektiöse britische Mutante des Corona-Virus. Sie und er fordern radikale Maßnahmen.
© dpaCDU-Chef Armin Laschet ist diesmal auf der Seite der Kanzlerin:
Leider haben die vergangenen Tage und Wochen gezeigt, dass zu wesentlichen Fragen keine Einigkeit unter den Ländern besteht. Ich bleibe aber dabei: Wir müssen handeln.
Den Vorschlag aus der Unionsbundestagsfraktion, dass die Bundesregierung die Grundregeln der Virusbekämpfung verbindlich festlegen soll und dafür künftig mehr Kompetenzen erhält, begrüßt Laschet:
Abstandsgebote, Maskenpflicht, Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen sollten bundeseinheitlich geregelt werden.
Die Ministerpräsidentenkonferenz sei kein Ort für Mikromanagement, sondern sollte sich fokussieren auf die Themen, bei denen es tatsächlich länderübergreifend Abstimmungsbedarf gebe, sagte Laschet gegenüber dem Morning Briefing Team. Die von Merkel bei „Anne Will“ geforderte Kompetenz-Kompetenz des Bundes rückt einer Umsetzung damit näher.
Die Lage am heutigen Morgen:
Die deutschen Gesundheitsminister haben dem Robert-Koch-Institut (RKI) innerhalb der vergangenen 24 Stunden 25.464 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Zudem wurden 296 weitere Todesfälle registriert.
Gesundheitsminister Jens Spahn ist offen für Gespräche über Lieferungen des russischen Impfstoffs Sputnik V. Die Gespräche erfolgen allerdings nur bilateral zwischen Berlin und Moskau, da die EU derzeit kein Abkommen über einen Impfstoff mit Russland anstrebt.
Die Zahl der täglichen Impfungen erreicht Rekordwerte. Am Mittwoch, für den die aktuellsten Zahlen vorliegen, wurden knapp 660.000 Dosen bundesweit verimpft. Am Vortag waren es nur knapp 370.000 gewesen. Der Anstieg soll vor allem daran liegen, dass nun auch in 35.000 Hausarztpraxen geimpft werden kann.
In den offiziellen Impfzentren war von der neuen Impf-Geschwindigkeit nichts zu spüren. In München (siehe Foto) herrschte gestern gähnende Leere.
Karl Lauterbach ist mit dem AstraZeneca-Vakzin geimpft worden. Das verkündete der SPD-Gesundheitsexperte auf Twitter. Auch RKI-Präsident Lothar Wieler und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier haben bereits den Impfstoff desselben Herstellers erhalten.
Die Union ergrünt. Neben der Frauen- und Senioren-Union gibt es nun einen Neuzugang: die Klima-Union. Dieser Zusammenschluss von klimabewussten Christdemokraten soll dem neuen Lieblingskoalitionspartner, den Grünen, auf halbem Wege entgegenkommen.
Der ehemalige Tesla-Chef Deutschland und Mitinitiator des neuen Parteiflügels Philipp Schröder erklärt:
Der Klimawandel wird für Deutschland eine größere Herausforderung als die Wiedervereinigung. Wir brauchen für diesen Politikwechsel das bürgerliche Lager und müssen unsere Bubble erweitern.
Gehandelt wird nicht etwa aus politischem Opportunismus, sondern, so steht es zumindest in der Satzung der Klima-Union, aus „christlicher Verantwortung“.
Der Dokumentarfilm kämpft um seine Ehre. Mehr als 150 Dokumentarfilmer unterzeichneten inzwischen den Appell „Zur Glaubwürdigkeit des Dokumentarfilms“, den die Filmemacherinnen Susanne Stenner und Sandra Trostel verfasst hatten.
Sie reagieren damit auf den in weiten Teilen inszenierten Dokumentarfilm „Lovemobil“ der Filmemacherin Elke Lehrenkrauss. „Lovemobil“ ist ein Kino-Dokumentarfilm, der unter anderem aus Mitteln der Nordmedia Filmförderung finanziert wurde und an dem die NDR Dokumentarfilmredaktion als Ko-Produzentin beteiligt war.
Der Film schildert das Leben von Prostituierten, die in Wohnmobilen am Rande von Bundesstraßen in Niedersachsen arbeiten. Er lief weltweit auf Festivals und wurde aufgrund der Eindringlichkeit seiner Bilder im Juli 2020 mit dem Deutschen Dokumentarfilmpreis ausgezeichnet.
Doch mittlerweile ist der Schwindel aufgeflogen. Die Prostituierte „Rita“ ist keine Prostituierte, sondern eine Darstellerin. Auch „Milena“ arbeitet nicht wie im Film dargestellt als Sexarbeiterin in einem Wohnmobil an der B188/ B4 bei Gifhorn, sondern war eigens für den Dreh angeheuert worden. Bei dem gezeigten „Freier“ handelte es sich um einen Bekannten der Autorin.
Der NDR hat die Fake-Doku aus seiner Mediathek verbannt. Schade um das investierte Geld der Gebührenzahler. Dabei eignet sich das Werk durchaus für eine Zweitausstrahlung. Nur diesmal in der Abteilung Comedy.
© C.Rohrscheidt/ E.LehrenkraussIch wünsche Ihnen einen ausgeruhten Start in das Wochenende. Es grüßt Sie auf das Herzlichste
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