Tesla: Wahn und Wirklichkeit

Teilen
Merken

Guten Morgen,

Elon Musk ist der Handelsvertreter einer neuen Zeit. In seinem Sortiment befindet sich all das, wonach der moderne Mensch in seiner Augenblicksgier verlangt:

Die umweltfreundlichen Flitzer der Tesla Model X Serie, die Trägerrakete Falcon 9 für die Satelliten des Kommunikationszeitalters, das Raumschiff Dragon für die Vision einer Mission zum Mars. Und Nachhilfe in der Kunst der Echtzeit-Kommunikation erteilt er uns auch, die er zeitgleich mit Weltenlenkern, Bürgermeistern und Betriebsräten betreibt. Selbst für den kleinen brandenburgischen Jungen, der mit der Drohne seine Gigafabrik vor den Toren Berlins überflog, hatte er noch einen freundlichen Tweet übrig.

 © dpa

Elon Musk ist das Symbol einer Gesellschaftsformation auf Durchreise, die der Soziologe Helmut Rosa als „Beschleunigungsgesellschaft“ charakterisiert. Musk weiß wie man optimiert, innoviert und maximiert - auch das persönliche Vermögen. Gestern zog er laut dem Milliardärs-Ranking „Bloomberg Billionaires Index“ als nunmehr zweitreichster Mensch der Welt an Bill Gates vorbei. Erst am vergangenen Dienstag war der Unternehmer zum drittreichsten Menschen der Welt aufgestiegen und überholte damit Facebook-Chef Mark Zuckerberg. Das Märchen des Elon Musk wird mit Zahlen erzählt:

  • Teslas Aktienkurs stieg in den vergangenen zwölf Monaten um 664,2 Prozent, allein in der vergangenen Woche legte er um 33,6 Prozent zu.

  • Mit einem Börsenwert von 526,45 Milliarden US-Dollar (442,67 Milliarden Euro) ist der Konzern der mit Abstand am höchsten gehandelte Autohersteller der Welt; wertvoller als BMW (47,95 Milliarden Euro), Daimler (59,4 Milliarden Euro), General Motors (52,02 Milliarden Euro), Fiat Chrysler (20,28 Milliarden Euro) und VW (79,08 Milliarden Euro) zusammen.

  • Nach einer neuen Studie der Finanzdienstleistungsfirma Wedbush Securities soll die Aktie innerhalb des nächsten Jahres auf 560 Dollar steigen, in einem positiven Szenario sogar auf 1000 Dollar. Das würde einem Börsenwert von knapp unter einer Billion Dollar entsprechen.

Eine Infografik mit dem Titel: Auf der Erfolgsspur

Gewinne von Tesla in den zurückliegenden fünf Quartalen

Grund des stetigen Kursanstiegs ist die Tatsache, dass Tesla sich emsig in die Gewinnzone vorgekämpft hat und trotz Corona-Krise einen Rekordgewinn vorlegte. In den drei Monaten bis Ende September wurde ein Nettogewinn von 331 Millionen Dollar (279 Millionen Euro) erzielt, wie der Konzern mitteilte. Damit steigerte Tesla das Ergebnis gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum um 131 Prozent. Der Umsatz kletterte um 39 Prozent auf 8,8 Milliarden Dollar. Musk kommentierte die Zahlen in einer Telefonkonferenz mit Analysten dementsprechend selbstbewusst:

Das dritte Quartal war das beste in unserer Geschichte.

Der Elektroautobauer hat damit im fünften Quartal hintereinander schwarze Zahlen geschrieben.

Eine Infografik mit dem Titel: Der Tesla-Boom

Weltweiter Autoabsatz pro Jahr

Der heutige Aktienkurs aber ist durch die realen Autoverkäufe, die einem Bruchteil der VW-Verkäufe entsprechen, nicht zu rechtfertigen. Es sind die Erwartungen von der Morgenröte des Elektrozeitalters, die sich hier materialisieren. Die Wedbush-Studie rechnet im mittleren Szenario mit 710.000 Tesla-Auslieferungen im kommenden Jahr, für 2022 mit 932.000 und für 2023 mit 1,085 Millionen. Möglicherweise könnte die Marke von einer Million Teslas auch schon 2022 überschritten werden, heißt es. Zum Vergleich: VW verkaufte 2019 rund 10,97 Millionen Fahrzeuge.

Eine Infografik mit dem Titel: Volkswagen vs. Tesla

Verkaufte Fahrzeuge in 2019

Eine Infografik mit dem Titel: Tesla vs. VW und BMW

Verkaufte Fahrzeuge im dritten Quartal 2020

Andererseits schreibt Tesla auch deshalb schwarze Zahlen, weil das Unternehmen Emissionszertifikate - sogenannte regulatorische Kredite - an andere Autobauer verkauft, die sonst wegen ihrer größtenteils Benzin- und Diesel-betriebenen Flotten Strafen zahlen müssten. Insbesondere General Motors (GM) und Fiat Chrysler kaufen dem Elektroauto-Hersteller im großen Stil Emissionsrechte ab. Die Unternehmen rüsten sich damit für strengere Abgasvorschriften in den USA, denn unter dem designierten Präsidenten Joe Biden könnten die Emissionsregelung verschärft werden - und den Preis der Emissionszertifikate weiter nach oben treiben. Tesla würde einmal mehr profitieren.

Eine Infografik mit dem Titel: Lukratives Geschäft

Anteil des Umsatzes mit Co2-Zertifikaten am jährlichen Gesamtgewinn von Tesla, in US-Dollar

Aber auch in Europa gibt es zwischen Fiat Chrysler und Tesla ein entsprechendes Kooperationsabkommen. Dieses erlaubt es beiden Unternehmen, in der Bewertung der CO2-Emissionen wie ein einziger Konzern aufzutreten. Fiat Chrysler kann sich damit die schlechten Abgaswerte der eigenen Fahrzeugflotte schönrechnen. Und Tesla lässt sich den Deal gut bezahlen. Seit 2010 hat der Elektroauto-Hersteller fast zwei Milliarden Dollar durch den Verkauf von Emissionszertifikaten eingenommen.

 © dpa

Fazit: Die Erfolgsgeschichte des Elon Musk ist real. Der Börsenkurs seiner Firma ist es nicht. Die Tesla-Story lebt von der seltenen Mischung aus Inspiration und Innovation. Die Aktie aber lebt von Fantasie und Spekulation. An der Wall Street weiß man, wie man Sehnsüchte in Geld verwandelt.

Die Verlängerung des Teil-Lockdowns bis kurz vor Weihnachten ist so gut wie sicher. Die Ministerpräsidenten der Länder haben sich darauf geeinigt, dass die bis Ende November befristeten Maßnahmen bundesweit zunächst bis zum 20. Dezember fortgeführt werden. Eine endgültige Entscheidung soll es bei den heutigen Beratungen von Kanzlerin Angela Merkel mit den Ländern geben.

 © dpa

Flächendeckende Schul-Schließungen stehen derzeit in Deutschland nicht auf der Tagesordnung. Vor der heutigen Videokonferenz mit der Kanzlerin halten die Ministerpräsidenten in ihrer gemeinsamen Beschlussvorlage fest:

Das Offenhalten von Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen hat höchste Bedeutung. Kinderbetreuungseinrichtungen (Kitas, Kinderkrippen, Kindergärten, Horte etc.) und Schulen bleiben geöffnet.

 © dpa

Über die aktuelle Situation in den Bildungseinrichtungen spreche ich im Morning Briefing Podcast mit Prof. Nele McElvany, die an der Technischen Universität Dortmund als Geschäftsführende Direktorin das Institut für Schulentwicklungsforschung leitet. Sie sagt:

Ein gewisses Maß an Gelassenheit würden allen gut zu Gesicht stehen. Wir haben an den Schulen viele engagierte Kolleginnen und Kollegen, die schon viele Monaten Zeit hatten, sich auf diese Situation vorzubereiten. Wir sehen heute, das viele Schulen offen bleiben konnten, weil vieles gut funktioniert.

Schulschließungen schließt sie aus:

Auch bei Schulen in stark von der Pandemie belasteten Gebieten gibt es viele gute Konzepte, darunter Hybrid-Gruppen, kleinere Lerngruppen, jede zweite Woche eine Lerngruppe im Klassenzimmer, mit denen man gut über die Zeit kommen wird.

Sie rät zum verstärkten Umgang mit digitalen Unterrichtsmitteln und betont zugleich die Wichtigkeit der Schulgemeinschaft:

Wir reden nicht davon, den Präsenzunterricht und die Schulgemeinschaft abzuschaffen, sondern es geht darum, jetzt eine besonders heikle Phase dieser Pandemie sinnvoll zu überbrücken.

Fazit: Inmitten eines Chors der Apokalyptiker kommt hier eine kompetente Stimme zu Wort, die für Maß und Mitte wirbt. Prof. Nele McElvany denkt nicht quer, sondern gerade.

 © dpa

Der deutschen Wirtschaft drohen nach dem Comeback im Sommer erneut härtere Zeiten. Das Bruttoinlandsprodukt stieg im Zeitraum Juli bis September im Vergleich zum zweiten Quartal um 8,5 Prozent. Zum Jahresende drohen jedoch die Beschränkungen des öffentlichen Lebens wegen steigender Infektionszahlen die Umsätze schrumpfen und die Gewinne erodieren zu lassen. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer prognostiziert:

Erst die wärmeren Temperaturen im Frühling und die Impfungen werden die Wirtschaft - vor allem in der zweiten Jahreshälfte 2021 - deutlich anziehen lassen.

Eine Infografik mit dem Titel: Corona verunsichert Unternehmer

Entwicklung des ifo-Geschäftsklimaindex, in Punkten

Doch diese Zuversicht lässt sich nicht in die Bilanzen einbuchen. Die Stimmung vieler Unternehmen befindet sich in der Winterdepression. Das Ifo-Geschäftsklima fiel im November gegenüber dem Vormonat um 1,8 Punkte auf 90,7 Zähler. Es ist der zweite Rückgang in Folge. Ifo-Präsident Clemens Fuest sagt:

Die zweite Corona-Welle hat die Erholung der deutschen Wirtschaft unterbrochen.

 © Media Pioneer
  • Das war eine denkwürdige Sitzung des SPD-Fraktionsvorstands im Bundestag. Es ging gestern formal nur um den Posten des Bundestagsvizepräsidenten - und das ja nur noch für acht Monate. Doch in der SPD reicht das für einen handfesten Machtkampf.

  • Gegen den Willen von Fraktionschef Rolf Mützenich, der die ostdeutsche Finanzökonomin und Abgeordnete Dagmar Ziegler aus Leipzig favorisierte, trat Ex-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt an und holte im ersten Wahlgang exakt die gleiche Stimmenzahl. Dann erst zog Schmidt zurück, wohl auch um einen Rücktritt von Mützenich zu vermeiden. Das Hauptstadt-Team erzählt in seinem Briefing die Details.

  • Die Reichskriegsflagge ist bisher nicht verboten, alte und neue Rechten nutzen sie als Symbol ihrer Republikfeindlichkeit. Die Flagge geht auf das Jahr 1867 zurück, damals war sie das Erkennungssymbol der Marine des Norddeutschen Bundes. Sie wurde schließlich das Symbol der wilhelminischen Großmannssucht. Zuletzt hatte sie auf den Stufen des Reichstagsgebäudes ihren denkwürdigen Auftritt. Nun wollen die Innenminister von Bund und Ländern bei ihrer Konferenz in Weimar über ein Verbot der Flagge beraten. Weitere Informationen dazu gefällig? Dann bitte hier entlang: thepioneer.de/hauptstadt

Der DFB ist ein Sanierungsfall. Das sagt Robert Schäfer, ehemaliges Vorstandsmitglied des Deutschen Fußball-Bundes, Aufsichtsrat der Deutschen Fußball-Liga und Ex-Manager von 1860 München und Fortuna Düsseldorf.

Robert Schäfer hat als Pioneer-Expert einen Fünf-Punkte-Plan aufgeschrieben, wie der Fußball Autorität, Vertrauen und Zukunft wieder zurückgewinnen kann. Dafür braucht es professionelle Strukturen im größten Sportverband der Welt, einen radikalen Gehaltsverzicht der Profis in der Pandemie und die Abschaffung der Investoren-feindlichen 50+1-Regel.

Dieser Beitrag ist eine Ruck-Rede für den Profi-Fußball. Prädikat lesenswert - insbesondere vor der finalen Bereinigungssitzung am 4. Dezember.

Die Deutsche Börse verschärft nach dem Wirecard-Skandal ihre Regeln für die Dax-Familie. Die umfassendsten Änderungen gibt es für den Deutschen Aktienindex:

  • Der Leitindex wird von 30 auf 40 Werte erweitert, zugleich gelten vom kommenden Jahr an strengere Vorgaben.

  • Die Dax-Zusammensetzung soll künftig zweimal statt nur einmal jährlich überprüft werden. Dabei wird der Börsenwert, also die Marktkapitalisierung, zum wichtigsten Kriterium.

     © dpa

  • Das bisher zweite Kriterium für eine Aufnahme in einen Index, der Börsenumsatz, fällt weg. Es wird – und dies gilt auch für die anderen Indizes der Dax-Familie MDax, SDax und TecDax – durch eine sogenannte Mindestliquiditätsanforderung ersetzt.

  • Wer Mitglied werden will, muss mindestens auf Basis des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) der vorhergehenden beiden Geschäftsjahre profitabel gewesen sein. Diese Regel könnte insbesondere dem Dax-Neuling Delivery Hero (seit dem 24.8. im Dax) zu schaffen machen, da das Geschäftsmodell des Berliner Startups nicht profitabel ist und das Unternehmen bisher nur Verluste machte. Demzufolge könnte die Delivery-Hero-Aktie ein Opfer der DAX-Reform sein.

Eine Infografik mit dem Titel: Dax nimmt wieder Fahrt auf

Verlauf des Deutschen Aktienindex, in Punkten

Jakob Augstein, Verleger der linken Wochenzeitung „Freitag“, ist ein Mann mit Überzeugungen. Diese teilte er bisher gern und regelmäßig in den sozialen Netzwerken. Der 53-Jährige hat auf Facebook über 49.000 Abonnenten , auf Twitter lasen zuletzt rund 260.000 Follower seine Kurznachrichten.

 © imago

Doch die Mitteilungsbereitschaft ist erlahmt. Auf Facebook gab es zuletzt im August Neuigkeiten, Augsteins Twitter-Account ist mittlerweile deaktiviert. Mein ehemaliger Pioneer-Kollege Marvin Schade, der sich im August mit seinem Portal „Medieninsider“ selbstständig machte, hat bei Augstein nachgefragt. Im Interview sagt der Publizist:

Ich twittere nicht mehr. Aber ich denke noch.

Seine Begründung:

Die Corona-Krise hat mir den Rest gegeben. Die Mischung aus Dummheit, Aggression und Mangel an Fantasie, die die Debatte geprägt hat, hat mich erschreckt. Wir erleben in dieser Krise wieder einmal eine große Gleichrichtung der Medien.

Seinen Twitter-Abschied begründet er mit der wachsenden Unlust auf die organisierte Klassenkeile der Mainstream-Medien:

Es ist nicht die Aufgabe der Medien, die Regierungsentscheidungen unters Volk zu bringen, sondern sie zu kritisieren und auf den Prüfstand stellen. Das ist in den ersten Monaten viel zu wenig geschehen. Selbst heute hat sich daran kaum etwas geändert. Bei Twitter war es so: Wenn Sie die Frage gestellt haben, ob alles, was von der Regierung beschlossen wurde, sinnvoll, angemessen und alternativlos ist, dann wurden Sie niedergemacht.

Jakob Augstein © imago

Sein Post-Twitter-Leben beschreibt er glaubhaft als das glücklichste aller Leben:

Ich habe nicht mehr Zeit. Aber bessere Laune.

Ich wünsche Ihnen ebenfalls einen gut gelaunten Start in den Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

Abonnieren

Abonnieren Sie den Newsletter The Pioneer Briefing