Deutschlands Familienunternehmer halten Wirtschaftsminister Peter Altmaier laut „FAZ“ für eine „Fehlbesetzung“ und einen „Totalausfall“. Der angegriffene CDU-Politiker war verletzt, schluckte und ließ sich seinen Groll nicht anmerken. Als sei nichts geschehen, lobte er die Familienunternehmer als die „Geheimwaffe Deutschlands“. Bei einer Mittelstandstour, zu der der Minister am Donnerstag aufbricht, will er seinen Kritikern nun ins Auge blicken. Altmaier kämpft – auch um seine Reputation: Totalausfall trifft Geheimwaffe.
© imagoIns Reisegepäck des Ministers gehört auf jeden Fall eine Studie, die Wirtschaftsprofessorin Ann-Kristin Achleitner mit ihren Kollegen Reiner Braun und Christoph Kaserer erstellt hat. Heute soll die Studie öffentlich vorgestellt werden. Es geht um den Leistungsvergleich der familiengeführten Aktiengesellschaften mit jenen AGs, die von anonymen Fonds-Gesellschaften kontrolliert werden. Hier vorab die Ergebnisse:
► Familienunternehmen erwirtschaften mehr Gewinn, heißt es in der Studie: „Je stärker der Familieneinfluss auf das Unternehmen, desto höher ist die operative Performance.“ ► Die Familienunternehmen erwirtschafteten zwischen 2009 und 2018 eine jährliche Rendite aus Kurs- und Dividendengewinnen von 23,2 Prozent. Bei Nicht-Familienunternehmen waren es nur 15,2 Prozent.
Eine Infografik mit dem Titel: Besser an der Börse
Durchschnittliche jährliche Rendite aus Kurs und Dividende 2009-2018
► Die Familienunternehmen steigerten in diesem Zeitraum ihren Umsatz um 122 Prozent, Nicht-Familienfirmen um 50 Prozent.
Eine Infografik mit dem Titel: Besser im Umsatz
Umsatzentwicklung von 2009-2018
► Das Mitarbeiterplus betrug im Untersuchungszeitraum bei den Familienunternehmen 77 Prozent, bei den Nicht-Familienunternehmen 63 Prozent.
Eine Infografik mit dem Titel: Besser im Mitarbeiterwachstum
Durchschnittliches Mitarbeiterwachstum 2009-2018
Über die Ergebnisse habe ich für den Morning Briefing Podcast mit dem Co-Autor der Studie Christoph Kaserer gesprochen.
Er sieht den Grund für den Familienerfolg im Folgenden:
Wir haben bei den großen börsennotierten Unternehmen einfach ein Kontrollproblem. Es gibt eben typischerweise keinen Aktionär, der hinreichend viele Unternehmensanteile hält, damit es sich für ihn lohnt, diese Kontrolle auszuüben. Und das ist bei Familienunternehmen anders. Dort gibt es diesen Ankeraktionär, nämlich die Familie, die alles Interesse daran hat, dass das Unternehmen profitabel ist und überlebt.
Für Kaserer ist das auch der entscheidende Grund, weshalb Familienunternehmen in konjunkturell schlechten Zeiten besser funktionieren als der Rest der Wirtschaft:
Unser Untersuchungszeitraum schließt das Jahr 2009 mit ein, und das war ein sehr schwieriges Jahr. Es zeigt sich, dass Familienunternehmen solche Krisenjahre besser überstehen.
Fazit: Der unternehmerische Feudalismus der anonymen Großkonzerne, wo die Offiziere der Stabsabteilungen, die Künstler der Organigramm-Malerei und Kompanien von Zahlenschiebern den Hofstaat der Moderne bilden, produziert im Vergleich zu den Familienfirmen nur magere Ergebnisse. Erst die Familienunternehmen bringen jenen nachwachsenden Rohstoff hervor, der den produktiven Kern unseres Landes seit Jahrzehnten befeuert. Sie sind die Champions, die Altmaier erst noch züchten wollte.
Die Andersdenkenden von Hongkong werden im Westen geschätzt und gefeiert, im französischen Biarritz jedoch werden Protestierende mit Straßensperren, Tränengas und Gummiknüppeln zur Räson gebracht. Das französische Parlament hatte vorab rund 36 Millionen für den G-7-Gipfel gebilligt. Der Großteil des Geldes wurde nicht für Kaviar, sondern für den Sicherheitsapparat ausgegeben.
Frankreichs Staastchef Emmanuel Macron bewies, dass er derzeit der beherrschende Spieler aufseiten der Europäer ist. Wenige Stunden bevor US-Präsident Donald Trump, Großbritanniens Premierminister Boris Johnson und all die anderen in Biarritz ankamen, traf er sich mit Kreml-Chef Wladimir Putin, um das ramponierte Verhältnis zwischen Westeuropa und Moskau zu entkrampfen. Recht hat er. Angesichts der krisenhaften Entwicklungen im Iran, in Hongkong, in Syrien und nicht zuletzt in Afrika, ist die Reintegration der Russen in die G-Gruppe kein Liebesdienst gegenüber Putin, sondern eine Frage westlichen Eigeninteresses. Nach Jahren der Sprachlosigkeit lautet die Botschaft des Realpolitikers Macron: Ent-pört Euch!
© dpaDas Co-Referat zu den Gipfelerklärungen der G-7-Gruppe wird derzeit im Nahen Osten und in Asien gehalten: Nordkorea feuerte am Freitag zwei ballistische Kurzstreckenraketen ab. Israel griff am Samstag Stellungen der iranischen Streitkräfte in Syrien an. Via Twitter verbreitete der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu:
Wenn jemand aufsteht, um dich zu töten, töte ihn zuerst.
Es war Macron, der die weltweite Mauer aus Verachtung und Ausgrenzung gestern durchbrach: Quasi im Alleingang lud er den iranischen Außenminister nach Biarritz ein.
© imagoMohammed Dschawad Sarif, 59, ist in Teheran geboren, hat in San Francisco studiert und trägt einen Doktortitel in Politologie von der Universität Denver. Der Mann spricht perfekt Englisch und gilt als der Macher hinter dem Atomdeal mit dem ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama. Trump hat ihn gestern nicht getroffen. Der Auftritt des Iraner war eine „Parallelveranstaltung“, wie sich Kanzlerin Angela Merkel ausdrückte.
© imagoDer Besuch aus Teheran war dennoch die beste Idee des vergangenen Wochenendes. Macron versucht, Dialog zu organisieren. Er geht die 1000 kleinen Schritte der Vernunftpolitik, derweil alle anderen, auch die Kanzlerin, wie versteinert auf der weltpolitischen Bühne stehen.
© dpaMacron hat die Hand ausgestreckt – und der Iran nahm sie an. Gemeinsam sucht man nach Wegen, die internationale Isolation der islamischen Republik zu durchbrechen und im Gegenzug den Bau einer Atombombe doch noch zu verhindern. Das war die gute Nachricht von Biarritz. Oder um es mit Egon Bahr, dem Architekten der Entspannungspolitik, zu sagen:
Wo geredet wird, wird nicht geschossen.
Berlin, das sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt, hat den widrigen Wirklichkeiten dieser Welt außer moralischer Entrüstung nicht viel zu bieten. Außenminister Heiko Maas fliegt und flitzt von einem Pressetermin zum nächsten. Außen Boss, innen Bürschchen. Im Außenministerium brennt kein Licht mehr.
Der Amazonas-Regenwald brennt – und diese Feuer werden sich bis zum Beginn der Regenzeit von keinem Militär und keiner Feuerwehr stoppen lassen. Das sagt der Filmemacher Nikolaus Tarouquella-Levitan, der für ARD, ZDF und Arte annähernd 30 Mal in die entlegensten Gebiete des Amazonas vorgedrungen ist. Im Morning Briefing Podcast unterhalte ich mich mit ihm über die Brandrodung und deren Hintermänner. Tarouquella-Levitan entführt uns in eine Welt skrupelloser Geschäftemacher und in die Welt einer schläfrigen Öffentlichkeit, die in Komplizenschaft dabei ist, die grüne Lunge der Welt zu zerstören. Der Filmemacher gibt uns wenig Anlass zur Zuversicht. Seine Kernaussagen:
Das ist eine Katastrophe mit Ansage. Das war allen klar, nachdem Brasiliens Präsident Bolsonaro die Wahl gewonnen hatte, dass in der nächsten Trockenzeit Amazonien brennen wird wie nie zuvor. Er hat schon vor Amtsantritt die Farmer ermutigt, Schutzgebiete zu missachten. Er hat gesagt, das sind alles nicht gehobene Schätze, Amazonien muss erschlossen werden.
Tarouquella-Levitan beschreibt die Erschließung des Regenwaldes wie folgt:
Erst holt man das Holz raus, dann brennt man das, was übrig ist ab. Dann kommen die Rinder. Und wenn das Gras für die Rinder nicht mehr wächst, dann kommt das Soja hinterher mit sehr viel Chemie, häufig aus deutscher Produktion. Bayer macht wunderbare Geschäfte in Brasilien.
Über seinen Gemütszustand lässt uns der Filmemacher nicht im Zweifel:
Ganz ehrlich, ich bin verzweifelt. Das ist schrecklich, was da passiert. Es gab in den letzten 50 Jahren keinen Moment, wo sich mal für Amazonien irgendetwas zum Guten gewandt hätte. Die Zerstörung wurde höchstens mal verlangsamt. Und jetzt ist sie wieder auf Vollgas. Das ist eine Katastrophe für die Menschheit.
Wer diese geradezu kunstvoll geplante Katastrophe verstehen will, sollte dem Filmemacher zuhören. Prädikat: bewegend.
Eine Woche vor der Landtagswahl in Sachsen bekämpft die CDU nicht die AfD – sondern Hans-Georg Maaßen. Erst war es Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer, nun geht im „Spiegel“-Interview auch Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer auf den Ex-Verfassungsschutzchef los, der gestern Abend ankündigte, seine Wahlkampfauftritte im Freistaat zu beenden. Wenn die CDU keine politische Organisation, sondern ein Mensch wäre, würde man von autoaggressivem Verhalten sprechen. Im Grunde braucht die Partei nach der Sachsen-Wahl keine weitere Vorstands- und Präsidiumssitzung, sondern das Gespräch mit einem Psychiater. Ich wünsche Ihnen einen schwungvollen Start in diesen neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste Ihr