heute Nacht hat Donald Trump zum ersten Mal seit seinem Auszug aus dem Weißen Haus wieder die große Bühne betreten. Diese Bühne stand in Orlando, Florida, und war von seinen Freunden der American Conservative Union Foundation aufgebaut worden. Trump blieb Trump – und damit ein selbsternannter Wahlgewinner, der nichts dagegen hätte, es nochmals zu tun:
Eigentlich haben sie gerade das Weiße Haus verloren, wie ihr wisst. Ich könnte beschließen, sie ein drittes Mal zu schlagen.
Zu besichtigen war ein Mann, den eine Wahlniederlage kränken, aber nicht niederstrecken kann. Seine 74 Millionen Wähler vom 3. November 2020 wirken auf ihn offenbar wie ein Aufputschmittel. Die Aussage, diese Wahl sei ihm gestohlen worden, ist juristisch zwar falsch, aber psychologisch beschreibt sie präzise seine Verlusterfahrung. Man hat ihm etwas weggenommen, das er zurück haben will.
Mit einer Wiederwahl nach der Abwahl würde er die schon bisher reichhaltige Geschichte der amerikanischen Präsidentschaftswahlkämpfe um eine neue Variante bereichern. Der Wille allein schafft neue Fakten, weil die von Joe Biden und Kamala Harris angestrebte „Versöhnung des Landes“ damit erschwert wird.
Trump wütete gegen alle, die nicht für ihn sind. Biden, Mitt Romney und jene Migranten, die er heute Nacht „gefährliche Raubtiere“ nannte.
Eine Infografik mit dem Titel: Trumps Rückhalt schwindet
Umfrage zu Donald Trumps Beliebtheit/ Unbeliebtheit seit dem 1. November 2020, in Prozent
Die Gespenster der Vergangenheit sind zu Dämonen der Gegenwart geworden, mit allem, was das für das ohnehin zerrissene Land bedeutet: Polarisierung. Permanenter Wahlkampf. Grabenkriege auf Capitol Hill, weil dessen Erstürmung weiterhin das Ziel der Trump-Anhänger bleibt.
Beim nächsten Mal, das allerdings ist der Unterschied, wollen die Trumpisten durch das Hauptportal und nicht durch die zerbrochenen Fenster im Seitenflügel eindringen. Im November 2022 finden die Nachwahlen zu Senat und Repräsentantenhaus statt. Der Wahlkampf, mit dem Ziel zumindest eine Blockademehrheit zu erreichen, hat heute Nacht begonnen.
Im Feuilleton der heutigen „FAZ“ hat Olaf Scholz einen klugen Artikel unter der Überschrift „Plädoyer für eine Gesellschaft des Respekts“ veröffentlicht.
Dort heißt es:
In einer Gesellschaft des Respekts ist eine Politik des Respekts erforderlich. Sie spielt Identitätsfragen, eine Antidiskriminierungspolitik und die soziale Frage nicht gegeneinander aus. Sie ist liberal und sozial.
Er wirbt dort dafür, das alte Klassendenken und damit auch „die teils subtile, teils offen verhöhnende Verachtung vieler hart arbeitender Bürgerinnen und Bürger und ihrer Lebensweisen“ zu überwinden. Scholz einfühlsam:
Daher geht es für mich um Respekt und Anerkennung auf allen Ebenen.
Der Text hat nur einen Schönheitsfehler. Der „FAZ“-Scholz ist nicht der SPD-Scholz. Die im sozialdemokratischen Wahlprogramm jetzt schon geplanten Steuererhöhungen und die Einführung einer Vermögenssteuer für all diejenigen, die nicht nur hart, sondern auch sehr erfolgreich gearbeitet haben, erwähnt „FAZ“-Scholz mit keinem Wort. Oder zugespitzt formuliert: Der Respekt vor der Wahrheit kommt zu kurz.
Sie sind das Glamour-Paar des Landes: Die gefeierte Schauspielerin Veronica Ferres und der Investor Carsten Maschmeyer, einst ein umstrittener Versicherungsmanager.
Sie war „Das Superweib“, die Muse in „Schtonk“, „Die Frau vom Checkpoint Charlie“ und die Hauptrolle in „Das Wunder von Berlin” spielte sie auch. Ihre Regale dürften mehr gewonnene Pokale tragen als die Schrankwand eines Oberstudienrates gelesene Bücher. Heute führt sie ihre eigene Produktionsfirma.
Carsten Maschmeyer hat es vom Buhmann zum globalen Startup-Finanzier geschafft, vertreten mit einem eigenen Investment Team auch in San Francisco. Viele jüngere Deutsche kennen ihn in seiner Rolle der Vox-Show „Die Höhle der Löwen“. Er gilt als der deutsche Selfmademan. In der Auseinandersetzung Lafontaine/ Schröder unterstützte er damals den anderen Aufsteiger aus Hannover, Gerhard Schröder.
© Anne HufnaglIch habe mich mit Veronica Ferres und Carsten Maschmeyer an Bord der PioneerOne getroffen. Während das Schiff durch das nächtliche, einsame Berlin glitt, haben wir über Corona und das stillgelegte Kulturleben gesprochen, über die Digitalisierungsdefizite in Deutschlands Schulen und das zur Wahl stehende politische Führungspersonal – und über sein und ihr Spielverhalten beim familiären Monopoly-Abend auch.
Sie sagt über die Künstler und die Kulturszene in Zeiten der Pandemie:
Die Kulturbranche ist die zweitstärkste Industrie dieses Landes, nach der Automobilindustrie. Wir sind Corona-Verlierer.
Sie liest das weltweite Infektionsgeschehen auch als Aufforderung an den Menschen zur Umkehr:
Für mich ist die Corona-Pandemie die Rache der Tiere und der Natur an den Menschen.
Die Welt muss innehalten, stillhalten. Wir müssen vieles überdenken und die Falschen zahlen jetzt den höchsten Preis dafür – die Kinder.
Er kritisiert vor allem das Management der Krise:
Die Vollkatastrophe ist für mich die Impfsituation. Selbst der durchgeknallte britische Premierminister macht das in seinem Land besser, weil er eine tolle Impfchefin eingesetzt hat. Dieses Projekt hätte man in die Hände von Pharma-Unternehmen oder Wirtschaftsgrößen legen sollen.
Über die Zukunft der vom Unterrichtsausfall betroffenen Schüler macht er sich ebenfalls Sorgen:
© Anne HufnaglWir werden in ein paar Jahren Schulabgänger zweiter Klasse haben. Dann wird es heißen: ‚Bist du aus dem Abi-Jahrgang, wo ihr gar keine Prüfung hattet oder wo ihr ein Jahr weniger gelernt habt?'
Wir sprachen über die anstehende Bundestagswahl und warum beide keine großen Hoffnungen auf die FDP von Christian Lindner setzen. Er sagt:
Es war ein großer Fehler, Jamaika platzen zu lassen.
Sie sagt:
© Anne HufnaglIch war ein großer Fan und Freund von Guido Westerwelle und ich vermisse diesen Mann sehr.
Ausschnitte aus dem rund einstündigen Gespräch gibt es jetzt gleich im Morning Briefing Podcast. Die gesamte Unterhaltung hören sie unzensiert heute Nachmittag ab 14 Uhr auf ThePioneer.de.
Die große Konstante im Leben des Jens Spahn ist der politische Kampf. Schon sein Aufstieg war von Widerständen begleitet. Spahns erster Gegenkandidat im konservativen Münsterland drohte, ihn 2002 als Homosexuellen zu outen. Spahn ließ sich nicht einschüchtern. Er trat an, und gewann.
Für den gelernten Bankkaufmann, der später an der Fernuniversität Hagen das Studium der Politikwissenschaft abschloss, galt seither das abgewandelte Motto der deutschen Berufspolitiker: „Der Mann muss zum Amt kommen, nicht das Amt zum Mann.“ Warten ist keiner der ausgeprägten Wesenszüge von Jens Spahn.
Er sagte schon 2013:
Wenn ich mir den Kanzler nicht zutrauen würde, müsste ich das ja alles hier nicht machen.
Eine Infografik mit dem Titel: Jens Spahn: Der Absturz
Umfragewerte am 26. Dezember 2020 und am 27. Februar 2021, in Prozent
In diesen Tagen entscheidet sich, ob die Aufstiegsgeschichte des 40-jährigen CDU-Politikers mit der Pandemie endet. Zumindest befindet sie sich derzeit im Karriereknick. Vier Probleme machen dem Minister zu schaffen:
Impfstoff. Der Gesundheitsminister überließ im Spätsommer auf Bitten der Kanzlerin die Beschaffung der EU-Kommission, drängte nicht auf Notfallzulassung und Extra-Bestellungen. Aus dem First Mover Deutschland wurde ein Follower.
AstraZeneca. Knapp 1,5 Millionen Impfdosen liegen ungeöffnet in den Impfzentren, weil die Aufklärungsarbeit des Robert-Koch-Instituts zu spät einsetzte. Noch immer kann das Ministerium sich nicht zu einer Neujustierung der Impfreihenfolge durchringen. Warum wird der Impfstoff, der nicht zwingend vor der Infektion, aber immerhin doch vor ihrem schweren, tödlichen Verlauf schützt, nicht den Willigen aller Altersgruppen angeboten?
Kanzlerin. Die Regierungschefin fuhr ihrem Minister, dessen Ehrgeiz mehrfach ihre Bahnen kreuzte, in die Parade. So kassierte sie sein Versprechen, dass Deutschland Anfang März kostenlose Schnelltests für jedermann und damit eine Öffnungsperspektive für die Volkswirtschaft erhält.
Transparenz. Jens Spahn fordert Achtsamkeit und Abstand, doch galt diese Zurückhaltung nicht für ihn als er am 20. Oktober zu einem CDU-Spendendinner nach Sachsen aufbrach. Tags darauf wurde er positiv getestet. Die Veranstaltung mit 12 Gästen bei einer lokalen Inzidenz von 17 war regelkonform, aber politisch unklug.
Fazit: In den Umfragen sackt Spahn nun ab. Er muss jetzt das tun, was er zeitlebens tat: kämpfen.
Die Lage am heutigen Morgen:
Die deutschen Gesundheitsämter haben dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 4732 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Zudem wurden 60 weitere Todesfälle registriert.
Andreas Pinkwart, Wirtschaftsminister in Nordrhein-Westfalen, fordert einen „Strategiewechsel“ in der Pandemiebekämpfung. Der FDP-Politiker wirbt im Interview mit dem „Handelsblatt“ für Öffnungen von Einzelhandel und Gastronomie schon in den kommenden Wochen.
Im Unterschied zu ihrer Co-Vorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow verzichtet die neue Linken-Chefin Janine Wissler auf Annäherungsversuche an die politische Mitte. Regieren statt opponieren? Lieber nicht, wenn es nach der 39-Jährigen geht.
Zwar erteilt sie einer Regierungsbeteiligung ihrer Partei im Bund keine klare Absage, sondern gibt sich gesprächsbereit. Zusammen mit SPD und Grünen würde sie – Tochter einer DKP-Aktivistin – gerne Besserverdiener und Vermögende härter rannehmen. Gelernt ist gelernt:
Ganz vorne steht die soziale Gerechtigkeit, die Umverteilung von gesellschaftlichem Reichtum.
Das stößt bei SPD und Grünen auf offene Ohren. Doch mit Wisslers außenpolitischen Positionen ist keine Koalition zu machen. Auslandseinsätze der Bundeswehr lehnt sie kategorisch ab:
Ich kann mir überhaupt keine Konstellation vorstellen, in der ich einem Bundeswehreinsatz zustimmen würde.
Fazit: Die linke Machtperspektive des Olaf Scholz ist keine. Je deutlicher Rot-Rot-Grün im Wahlkampf ausgeleuchtet wird, desto klarer dürfte werden: Dieser Weg ist kein Highway ins Kanzleramt, sondern eine Sackgasse für die Sozialdemokratie.
Robert Habeck, der 2018 mit Annalena Baerbock den Chefposten bei den Grünen übernahm, widersetzt sich in Rhetorik und Habitus den Gepflogenheiten der Bundespolitik. Seine Fans empfinden ihn als authentisch. Christian Lindner nennt ihn „cremig“. In den Umfragen fliegt er hoch.
Der promovierte Philosoph und ehemalige Kinderbuchautor aus Lübeck will die Grünen – die zur Zeit auf Position zwei im Parteienwettstreit liegen – am liebsten ins Kanzleramt führen. Zumindest erhebt er offiziell diesen Anspruch, was allerdings, so wie die Dinge liegen, nur durch einen Erdrutschsieg über die Union oder durch das Schmieden eines grün-rot-roten Bündnisses zu bewerkstelligen wäre. „Macht kommt von machen“, sagt Habeck. Aber wie will er dieses Land verändern?
© Anne HufnaglIm Gespräch, das Jagoda Marinić und Michael Bröcker in unserem Pioneer-Feierabend-Format „Die Überstunde - eine Stunde, ein Gast, ein Thema“ mit dem Grünen-Vorsitzenden geführt haben, geht es um „Wandel“. Habeck skizziert das Deutschland, in dem er leben möchte. Die Veränderung hinter dem Farbschema Schwarz-Grün gewinnt Konturen. Pioneers wissen mehr:
David Solomon, Chef der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs, will seine Angestellten möglichst schnell in die Büroräume zurückholen. Wie die britische Zeitung „The Guardian“ berichtet, glaube Solomon an persönliche Vernetzung und eine gemeinsam erlebte Unternehmenskultur – Homeoffice sei lediglich eine „Abweichung“, um nicht zu sagen Verirrung, die es „so schnell wie möglich“ zu korrigieren gelte. Im Rahmen einer digitalen Konferenz erklärte er:
Ich bin sehr fokussiert darauf, dass nicht weitere junge Leute im Sommer aus der Ferne bei Goldman Sachs zu arbeiten beginnen.
Eine Infografik mit dem Titel: Unternehmenskultur entsteht vor Ort
Antworten von 133 US-Führungskräften auf die Frage: Wie häufig müssen Mitarbeiter im Büro vor Ort sein, um eine eigene Unternehmenskultur zu gewährleisten?, in Prozent
Unterstützung findet David Solomon beim Konkurrenten J.P. Morgan, der Berichten des „Guardian“ zufolge Probleme bei der Einarbeitung neuer Mitarbeiter sowie eine geringere Produktivität an Montagen und Freitagen beklagt.
Derweil kündigte erst vergangene Woche die Bank HSBC an, in den kommenden Jahren 40 Prozent ihrer Büroplätze abzubauen und auf Homeoffice zu setzen. Auch Rivale Lloyds plant, die eigenen Schreibtische langfristig um ein Fünftel zu reduzieren.
In Deutschland beobachten wir dieselbe paradoxe Debatte: Viele Firmen wollen ihre Büroflächen (und damit ihre Fixkosten) reduzieren und zugleich verweisen Vorstandschefs wie Theodor Weimer von der Deutschen Börse AG und andere auf ernste Produktivitätsrückgänge und spürbare Kreativitätsdefizite im Gefolge der Homeoffice Saison 2020. Nicht wenige Beschäftigte verstehen die Idee des Homeoffice als eine Vorstufe zum bedingungslosen Grundeinkommen. Für das Geld sorgt die EZB, für den Wohlstand der Nachbar.
Heute vor genau 100 Jahren erscheint erstmals „Die Geschicke des braven Soldaten Schwejk“. Ein friedlich gestimmter Antiheld hat seinen Auftritt, der über die Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges tölpelt. Seine Waffe ist der Humor:
Melde gehorsamst, daß ich wirklich manchmal an mir selbst bemerk', daß ich schwachsinnig bin, besonders so gegen Abend …
Dieser Soldat Schwejk ist ein Held, weil er kein Held sein will. Um ihn herum ist Krieg. In ihm aber brennt die Kerze der Zuversicht. Als er eingezogen wird, ruft er den Saufkumpanen in seiner Prager Stammkneipe „Kelch“ zu:
Also dann, nach dem Krieg um halb sechs im Kelch!
Vielleicht sollten wir diese heitere Gemütsverfassung von ihm lernen. Damit würden wir besser durch diese Pandemie-Zeit kommen – und den 100. Geburtstag des braven Soldaten würdig begehen.
Ich wünsche Ihnen einen beherzten Start in die neue Woche. Es grüßt Sie auf das Herzlichste
Ihr