Trump-Emissär besucht deutsche CEOs

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Guten Morgen,

ohne dass die Öffentlichkeit von ihm Notiz genommen hätte, bewegt sich seit Tagen ein enger Vertrauter des amerikanischen Präsidenten durch Deutschlands Chefetagen. Innerhalb der vergangenen drei Tage traf er zu vertraulichen Unterredungen mit Siemens-Chef Joe Kaeser, Telekom-Boss Tim Höttges und dem Daimler-Statthalter in Berlin, Eckart von Klaeden, zusammen. Am gestrigen Abend suchte und fand er am Abendbrottisch von Deutsche Bank-Aufsichtsratschef Paul Achleitner die Nähe zu BMW-Chef Oliver Zipse.

Der Name des Trump-Emissärs: Keith Krach. Seine Position: Staatssekretär im US-Außenministerium. Seine Mission: Die Säuberung der deutschen Kommunikationsnetze von chinesischen Komponenten.

Keith Krach © dpa

Die „Mission Clean Network“ ist von allen wirtschaftlichen Projekten des Donald Trump das ambitionierteste. Keith Krach ist wie Trump ein Milliardär und Selfmademan, der seit dem 18. Januar 2019 der Regierung angehört. Lautlos sammelte er die Zusagen von Ländern wie Kanada, Singapur und Großbritannien ein. Diese verpflichten sich, ihre bisherigen chinesischen Partner auf Nimmerwiedersehen zu verabschieden.

Keith Krach besuchte am Samstag auch unser Podcast-Studio, um durch eine gezielte Elitenkommunikation den Druck auf die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft zu erhöhen:

Die Kommunistische Partei Chinas hat keine Achtung vor dem menschlichen Leben. Sie steht im Widerspruch zu allem. Letztlich läuft es auf den Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes hinaus. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Alle Augen sind nun auf Deutschland gerichtet.

Eine Infografik mit dem Titel: Huawei vorn

Marktanteile der Anbieter am Umsatz mit Netzwerktechnik weltweit in 2019, in Prozent

Mit Blick auf das chinesische Technologieunternehmen Huawei sagt er:

Es geht um die Frage, wem Sie vertrauen. Vertrauen Sie einem Unternehmen, das aus einem Land kommt, in dem es ein Gesetz gibt, das von jedem chinesischen Unternehmen verlangt, geistiges Eigentum und private Daten auf Anfrage der Kommunistischen Partei Chinas oder der Volksbefreiungsarmee zu übergeben.

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Was wir sehen, ist eine echte und dringende Bedrohung der Demokratien weltweit durch einen Big-Brother-Überwachungsstaat. Und Huawei ist das Rückgrat dieses Überwachungsstaates.

Die Technik von Huawei wird in den Umerziehungslagern von Xinjiang eingesetzt, wo man schlimmste Menschenrechtsverletzungen begeht: Sterilisation, Abtreibung, Folter, Behandlung mit Psychopharmaka und Zwangsarbeit.

Fazit: Dieser Mann spricht wie sein Chef Klartext. Man muss nicht mögen, was er sagt. Aber man sollte es hören.

John B. Emerson © Credit: Anne Hufnagl

Der Hannah-Arendt-Satz „Wahrheit gibt es nur zu zweien“ beschreibt den auf Erkenntnisgewinn ausgerichteten Zweck unserer journalistischen Expedition. Deshalb habe ich mich auch mit John B. Emerson über China unterhalten. Der Demokrat war von 2013 bis 2017 Barack Obamas Botschafter in Berlin und leitet heute als Vorsitzender das American Council on Germany. Diese Wirtschaftsvereinigung vertritt die Interessen der transatlantisch engagierten Unternehmen.

Was er zu sagen hat, klingt im Ton versöhnlicher, aber in der Sache gefestigt. Auch die Demokraten wollen den Kurswechsel in der China-Politik.

Ich denke, es wäre ein Fehler, wenn Deutschland in Bezug auf China seinen eigenen Weg gehen würde und sich nicht den Vereinigten Staaten anschließt.

Eine Infografik mit dem Titel: Huawei-Gegner überwiegen

Umfrage, ob die Deutschen Huawei am Ausbau von 5G beteiligen würden oder nicht

Alle amerikanischen Geheimdienstakteure sagen, dass der chinesische Staat und Huawei gefährlich sind und eine Art Hintertür zur Überwachung installiert haben. Ich kenne die Deutschen: Sie sind sehr um ihre Privatsphäre besorgt. Und da kann ich nur sagen: Passen Sie auf. Wenn Sie Huawei ins Internet und damit in Ihr Haus lassen.

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Fazit: Politik und Wirtschaft hierzulande müssen sich auf ein verändertes Amerika einstellen. Die alte Normalität der Obama-Jahre wird nicht die neue sein.

Wolfgang Clement © dpa

Am frühen Sonntagmorgen ist der ehemalige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und frühere Bundeswirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement im Alter von 80 Jahren im Kreise seiner Familie friedlich entschlafen. Seine politische Laufbahn, seine Erfolge und Niederlagen, spiegeln Aufstieg und Fall der SPD wider.

Der ehemalige Journalist, der als Chefredakteur einer Hamburger Boulevardzeitung das Handwerk der kalkulierten Zuspitzung lernte, stieg vom Kronprinzen des NRW-Landesvaters Johannes Rau zu dessen Nachfolger auf – bis die Partei bei den Kommunalwahlen und schließlich auch bei den Landtagswahlen zu schwächeln begann. Gerhard Schröder holte ihn 2002 als Superminister für Wirtschaft- und Arbeit nach Berlin.

Gerhard Schröder und Wolfgang Clement © dpa

Der politische Rauhbautz Clement sollte die Arbeitsmarktreformen Hartz I bis Hartz IV in Deutschland umsetzen. Ein Job, der für ihn wie gemacht schien. Wolfgang Clement liebte Reibung und Provokation. Widerstand schreckte ihn nicht. Er beflügelte ihn.

Im Juli hatte mein Kollege Rasmus Buchsteiner die Gelegenheit, Clement zu seinem 80. Geburtstag zu interviewen. Es sollte seine letzte zeitgenössische Intervention werden:

Ich habe große Bedenken, wie in Deutschland – unabhängig von Corona – der Staat in immer weitere Bereiche vordringt. Wir haben eine Tendenz zur Staatswirtschaft, die ich nicht für möglich gehalten hätte.

Er wirkte klarer und hellsichtiger als viele der heutigen Minister und Ministerinnen:

Ich habe Sorge, dass wenn Corona zu Ende geht und wir wieder in den Normalzustand zurückgehen, dass dieser Normalzustand nicht gesund sein wird.

Seine Begründung:

Es kann nicht gesund sein, wenn wir die Sozialpolitik vor die Förderung der Wirtschaft setzen. Es muss klar sein, dass das Geld, das ausgegeben wird, erst erarbeitet werden muss. Das ist ein simpler Grundsatz, den in Berlin jeder sagt und keiner beherzigt.

Wolfgang Clement wird fehlen, nicht nur der SPD. Seine Kämpfernatur, seine innere Unabhängigkeit und seine Menschlichkeit leuchten aus dem Jenseits zu uns herüber. Menschen sterben, Vorbilder bleiben.

Armin Laschet © dpa

Die SPD hat Düsseldorf an die CDU verloren: In der NRW-Landeshauptstadt konnte der Christdemokrat Stephan Keller den SPD-Amtsinhaber Thomas Geisel in der Stichwahl besiegen. Für NRW-Ministerpräsident Armin Laschet die erhoffte Bestätigung:

Die CDU ist auch großstadtfähig.

Auch andernorts weht der Wind nun aus anderer Richtung: Bonn und Aachen werden künftig von grünen Oberbürgermeisterinnen regiert. In Bonn setzte sich die Bundestagsabgeordnete Katja Dörner mit 56,3 Prozent gegen den Amtsinhaber durch. In Aachen – der Heimatstadt von Ministerpräsident Laschet – ließ die grüne Sibylle Keupen mit 67,4 Prozent der Stimmen ihren CDU-Konkurrenten alt aussehen.

Fazit: Eine neue Zeit wirft ihre Schatten voraus.

Markus Söder © dpa

Dazu passt: Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder möchte ab 2035 keine Neufahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr zulassen. Nach dem Vorbild Kaliforniens setzt er auf die beschleunigte Ökologiesicherung der Volkswirtschaft. Für die alte Industriegesellschaft ist Söder der Sturmvogel, der von einer neuen Zeit kündet.

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Es ist die größte industriepolitische Offensive in der Geschichte Europas. Mit dem Green New Deal wollen Ursula von der Leyen und ihre Kommission Milliarden Euro von Anlegern, Investoren und Fonds in nachhaltige, ökologische Wirtschaftsinitiativen lenken („Taxonomie“).

Doch der Bundesrechnungshof hält das Wirken der Brüsseler Beamten für zu aggressiv. Die Eingriffe in die Wirtschaft seien „bedenklich“, die Kriterien für ökologische Projekte dürfte nicht nur Brüssel definieren, heißt es in einem Bericht an den Haushaltsausschuss, der meinen Kollegen des Hauptstadt-Newsletters vorliegt.

Außerdem lesen Sie im Newsletter „Hauptstadt Das Briefing“, dass in Deutschland 90 Standorte die neuen Gorlebens sein könnten. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung hat nach einer dreijährigen Untersuchung Regionen definiert, wo aus streng wissenschaftlicher Sicht der Atommüll für eine Million Jahre eingelagert werden könnte. Nur Gorleben gehört nicht mehr dazu.

Anmeldung unter thepioneer.de/hauptstadt.

Ulrich Matthes © dpa

Ein Tipp für kurzentschlossene Pioneers. Heute um 13 Uhr diskutiert ThePioneer-Vizechefredakteur Gordon Repinski mit dem Schauspieler und Dramaturg Ulrich Matthes („Der Untergang“, „Das Boot“). Wie viel Politik steckt im Theater? Und wie viel Theater in der Politik?

Ich habe einige der begehrten Karten für die Leserinnen und Leser des Morning Briefing zurücklegen können. Schreiben Sie mir. Das Los entscheidet.

Jan Josef Liefers © dpa

Am Freitag besucht mit Jan Josef Liefers ein weiterer Ausnahmeschauspieler die Pioneer One. Anlass sind 30 Jahre Deutsche Einheit. Liefers hat sich in diesem historischen Prozess mit einer Rede am 4. November 1989 verewigt. An diesem Tag organisierten Berliner Theatermacher eine Kundgebung auf dem Alexanderplatz. Es kamen 500.000 Menschen – es war die größte Protestdemonstration der DDR-Geschichte.

Der damals 25-jährige Liefers hielt die Rede seines Lebens:

Die vorhandenen Strukturen, die immer wieder übernommenen prinzipiellen Strukturen, lassen Erneuerung nicht zu. Deshalb müssen sie zerstört werden.

Jan Josef Liefers © rbb/berlin-mauer

Am Freitagabend, dem Vorabend des dreißigsten Einheitstages, wollen wir den damaligen Ereignissen gedenken und die Zukunft besprechen. Jan Josef Liefers hat an Erfahrung gewonnen, aber nichts an politischem Elan verloren. Ich freue mich auf ihn - und Sie.

Dieter Zetsche © dpa

Mächtige Spieler der Banken- und Industriewelt haben bis zum Schluss für ihn die Trommel geschlagen. Doch es hat nichts genutzt. Das Comeback von Ex-Vorstandschef Dieter Zetsche als Daimler Aufsichtsratschef fällt aus.

Die Lebensleistung Zetsches – der Wiederaufstieg der Daimler AG und die Bewältigung des amerikanischen Traumas, das mit der fehlgeschlagenen Übernahme von Chrysler einherging – wurde zunehmend in Frage gestellt: von der Börse, von den Investoren und auch von der Wirklichkeit. Zetsche hinterließ, das war nach multiplen Gewinnwarnungen und einer fehlenden Elektro-Strategie deutlich geworden, einen Sanierungsfall.

Eine Infografik mit dem Titel: Verlorener Anschluss

Aktienkurs von Daimler unter den CEOs Dieter Zetsche und Ola Källenius gegenüber Dax, indexiert in Prozent

Schließlich reichte der Respekt der Investoren nur noch für eine letzte Gunsterweisung: Zetsche durfte den verweigerten Wiederaufstieg in den Daimler-Olymp als freiwilligen Rückzug tarnen. Im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ sagt er scheinbar gelassen:

Ich muss mir nichts mehr beweisen.

Bitterkeit klang dennoch durch, zum Beispiel in Sätzen wie diesen: Er habe den Eindruck, dass er von einigen Investoren von vornherein „nicht als Hoffnungsträger, sondern als Belastung“ angesehen wurde.

Das brauche ich nicht.

Fazit: Großer Mann, ganz klein. Dieter Zetsche kam als Sanierer und geht als beleidigte Leberwurst.

Mia Florentine Weiss © Credit: Markus HurekMia Florentine Weiss © Credit: Markus HurekGabor Steingart, Mia Florentine Weiss und Christian Wulff © Credit: Markus Hurek

„Kunst ist systemrelevant”, hatte die Künstlerin Mia Florentine Weiss in Großbuchstaben draußen auf die Pioneer One geschrieben. Drinnen führte sie durch ihr Werk und via Live-Stream durch ihr Atelier. Auf der im Unterdeck unseres Redaktionsschiffs aufgebauten Bühne waren zahlreiche Lichtinstallationen der Künstlerin zu sehen, die die Ambiguität unserer Zeit verdeutlichen. Ähnlich ihrer berühmten „Love-Hate“-Skulptur …

 © imago

… hat Mia Florentine Weiss leuchtende Schriftzüge designt, die, je nach Stromfluss, unterschiedliche Wörter zeigen. So wird aus „Lover” „Loser”, aus „Art“ wird „War”, aus „Make” wird „Break”, aus „Lie“ ein „Die“.

Wie ernst es der Künstlerin mit dem Motto des Abends war, zeigte sie mit einer das Publikum – darunter auch der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff – schockierenden Performance: Auf der Bühne ließ sie sich Blut abnehmen, um auch ganz physisch zu verdeutlichen:

Kunst ist systemrelevant.

Mia Florentine Weiss © Credit: Markus HurekChristian Wulff © Markus Hurek

Ich wünsche Ihnen einen nachdenklichen Start in die neue Woche. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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