VW-CEO Herbert Diess: Klimawandel lässt sich mit Marktwirtschaft allein nicht stoppen

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Herbert Diess © Anne Hufnagl

Guten Morgen,

VW-Konzernchef Herbert Diess befindet sich in einer unbequemen Sandwichposition. Seine Kritiker greifen aus den unterschiedlichsten Richtungen an:

  • Branchenexperten wie der Ex-BMW-Vorstand und heutige Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle kritisieren die Fixierung auf die Elektromobilität und plädieren für Technologieoffenheit. Auf dem FDP-Parteitag vom Sonntag, wo der parteilose Reitzle als Gastredner auftrat, erntete er dafür donnernden Applaus.

  • Linke und Öko-Aktivisten feinden Herbert Diess an. Auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) bezichtigte Greenpeace den „Vertreter des deutschen Autokapitals“ des Greenwashings. Von Unbekannten wurde sein Privathaus mit Farbe verunstaltet – „Diess enteignen“ habe auf der Tür gestanden, heißt es.

  • Nicht alle, aber viele Analysten und Investoren schauen skeptisch auf das Wolfsburger Treiben. Der ewige Rivale Toyota, der annähernd gleich viele Autos absetzt – darunter viele Benziner, einige Elektrofahrzeuge und Hybride und wenige Wasserstoff-Auto – ist an der Börse doppelt so viel wert.

Eine Infografik mit dem Titel: Volkswagen vs. Toyota

Marktkapitalisierung von Toyota und VW sowie deren Aktienkurse seit dem Amtsantritt von VW-Chef Herbert Diess am 13. April 2018, in Euro

Grund genug für unser Medienschiff PioneerOne direkt vor der Autostadt in Wolfsburg – dem Museum, Auslieferungszentrum und Freizeitpark der Volkswagen AG – zu ankern. Herbert Diess kam gestern Abend an Bord, um im Beisein von rund 70 geladenen Pioneers den Stand der Transformation zu debattieren.

Gabor Steingart und Herbert Diess im Gespräch auf der PioneerOne © Anne Hufnagl

Diess gab sich angesichts des binnen Jahresfrist verdoppelten Absatzes von Elektromobilen optimistisch. Eine Million sind für 2021 geplant – knapp 11 Millionen Fahrzeuge lieferte VW 2019 weltweit aus.

20 Prozent unseres Absatzes in Deutschland sind Elektroautos. Deutschland entwickelt sich zum Heimatmarkt der Elektromobilität.

Die Politik forderte er auf, konsequent eine klimaneutrale Wirtschaft anzustreben und eine höhere Steuer auf CO2-Emissionen einzuführen.

Wir brauchen eine CO2-Steuer. 100 Euro. Das wird das Verbraucherverhalten verändern.

Und er setzte nach. Der Kohleausstieg 2038 ist für ihn ein politischer Fehler:

Es ist traurig hier in Deutschland, dass wir noch so viel Kohlestrom haben. Das macht uns angreifbar, wenn wir elektrisch fahren. Es kann nicht sein, dass wir bis 2038 noch Kohlekraftwerke betreiben.

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Dass die SUVs in eine ökologisch nachhaltige Welt nicht mehr passen, bestritt er. Die Autos gebe es inzwischen ja auch elektrisch. Und es sei eben ein Kundenbedürfnis:

Weltweit wollen alle Menschen höher sitzen.

Für den Elektropionier Tesla hat Diess Worte der Anerkennung zur Hand. Elon Musk sei zwar kein Vorbild für VW, dafür sei ein traditionsreiches Unternehmen mit zwölf Marken zu komplex, aber dennoch gelte für ihn:

Der wahre Maßstab ist Tesla. Wir müssen uns jetzt darauf konzentrieren, dem Wettbewerb mit Tesla standzuhalten.

Für die Zeit nach der Bundestagswahl wünscht sich Diess, dessen Unternehmen gut 41 Prozent aller weltweit verkauften Autos in China absetzt, von der Politik das Folgende:

Wir können mit allen Konstellationen arbeiten. Aber je nach Zusammensetzung habe ich Sorge wegen des Umgangs mit China. Rationale China-Beziehungen sind wichtig.

Herbert Diess © Anne Hufnagl

Die mangelnde Technologieoffenheit, die ihm Wettbewerber vorhalten, verteidigte der VW-Chef mit dem Wort „Technologieklarheit“. Er sagte:

Wir haben uns ganz klar für Elektromobilität entschieden, weil es effizienter ist. Das ist die Faktenlage.

Auf Wolfgang Reitzles Einwand, Deutschland vernachlässige durch die zu frühe Festlegung auf die Elektromobilität die Wasserstoff-Technologie, erwiderte er:

Der Wasserstoffantrieb macht nur Sinn, wenn es grüner Wasserstoff ist, der eingesetzt wird. Sonst funktioniert es nicht.

Eine Infografik mit dem Titel: Die Zukunft des Verbrenners

Prognostizierte Verteilung von Antriebstechnologien bei neuen Fahrzeugen in der EU, China und den USA, in Prozent

Die Brennstoffzelle hält er für ungeeignet, um damit kostengünstig Fahrzeuge betreiben zu können:

Ich bin froh, wenn Toyota oder Hyundai weiter Geld in die Brennstoffzelle investieren – bitte mehr – aber für uns schließe ich das aus.

PioneerOne © Anne Hufnagl

Bis der Strom im Auto ist und in Bewegung umgesetzt wird, brauchen Sie dreimal soviel Energie wie im Elektroauto.

Diess, das machte er unmissverständlich deutlich, setzt auf den Staat als Regulator und Rahmensetzer:

Der Klimawandel lässt sich nicht mit der Marktwirtschaft alleine stoppen.

Auch auf Nachfrage ließ er sich nicht davon abbringen:

Wenn wir den Klimawandel aufhalten wollen, dann müssen wir regulieren.

Eine Infografik mit dem Titel: Hitparade der Klimasünder

Die acht größten CO2-emittierenden Länder nach Anteil an weltweiten CO2-Emissionen sowie der Rest der Welt 2019, in Prozent

Fazit: Hier spricht einer, der seine Entscheidung getroffen hat. Erstmals seit langer Zeit wird bei VW nicht finassiert und taktiert, sondern geführt. Jetzt kann man nur hoffen, dass die Richtung stimmt.

Wichtige Auszüge des Gespräches gibt es heute Morgen im Morning Briefing-Podcast. Die gesamte Unterhaltung, inklusive der pfiffigen Fragen unserer Pioneers, hören Sie am Samstag als Morning Briefing-Sonderpodcast.

"Wir brauchen eine CO2-Steuer: 100 Euro" – Klartext von Herbert Diess

Die PioneerOne auf Deutschland-Expedition in Wolfsburg: Das Auto, das Schiff - und der Volkswagen-CEO über die E-Zukunft im VIDEO.

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Veröffentlicht in The Pioneer Briefing Business Class Edition von Noemi Mihalovici.

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Armin Laschet © imago

Fünf Tage noch bis zur Bundestagswahl und die Union legt in zwei aktuellen Umfragen zu. Wie unsere Hauptstadt-Redaktion erfahren hat, will der Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet auch dann ein Jamaika-Bündnis schmieden, wenn er knapp hinter der SPD von Olaf Scholz ins Ziel läuft. Das enge Verhältnis Laschets zu Lindner ist ein Teil dieses Plans, die Angebote an die Grünen sollen umfassend und großzügig ausfallen.

Olaf Scholz © imago

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat dagegen mit Annalena Baerbock bereits einen Plan entwickelt, wie Lindner ein Ampel-Bündnis schmackhaft gemacht werden kann. Der Soli könne komplett abgeschafft werden, die Vermögensteuer müsse nicht kommen und die Aktienrente als neue private Säule für die Altersvorsorge sei ebenfalls denkbar, heißt es im Umfeld des SPD-Kandidaten.

Unser Hauptstadt-Team hat die verschiedenen Szenarien für den Wahlabend in den Parteizentralen recherchiert und spannende Details zu Tage gefördert. Hier können Sie die ganze Geschichte lesen.

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Wladimir Putin © dpa

Keine Entspannung am Gasmarkt: Die Preise sind weiterhin auf Rekordhoch – ein Ende des Anstiegs ist nicht absehbar. Das bedroht vor allem die europäische Industrie, die folglich mit höheren Produktionskosten zu kämpfen hat.

Als erste globale Organisation schließt sich die Internationale Energieagentur (IEA) nun dem Vorwurf an, Russland würde die Gasversorgung künstlich verknappen, um die Pipeline Nord Stream 2 schneller in Betrieb nehmen zu können. Die Agentur fordert Russland dazu auf, den Gasexport zu erhöhen:

Dies ist auch eine Gelegenheit für Russland, seine Glaubwürdigkeit als zuverlässiger Lieferant für den europäischen Markt zu unterstreichen.

Nord Stream 2 © dpa

Dass Putin den Europäern aus strategischen Gründen Angst vor kalten Füßen im Winter machen möchte, ist dennoch nur einer von mehreren Gründen für die Gaspreisexplosion:

  • Der vergangene Winter war überdurchschnittlich kalt. Das Auffüllen der leeren Gasspeicher treibt nun die Nachfrage und auch die Preise stärker als in den Vorjahren.

  • Dies betrifft Europa genauso wie Russland. Laut dem Oxford Institute for Energy Studies (OIES) hat Gazprom seine maximale Produktionskapazität nahezu erreicht, dennoch verknappt der Inlandsbedarf die Verfügbarkeit von Gas für den europäischen Markt.

  • Die Gasnachfrage aus Asien ist überproportional gestiegen und liegt auf Vor-Pandemie-Niveau. Dies zieht vor allem Exporteure von verflüssigtem Erdgas auf den asiatischen Markt, wo sie die höchsten Preise erzielen können. Das Resultat: Kaum ein Tropfen von verflüssigtem Erdgas gelangt nach Europa.

Nach 8 Orten, 18 Veranstaltung und über 30 prominenten Gästen aus Politik, Wirtschaft und Kultur endet am Samstag unsere große Deutschland-Expedition – aber natürlich nicht ohne einen farbenfrohen Schlussakt. Ihre Flaschenpost-Wünsche an die neue Regierung, die Sie uns zu Hunderten übermittelt haben und hier immer noch absenden können, bringen wir um ca. 20.45 Uhr direkt vor dem Reichstag zum Schwimmen und Leuchten.

5x2 Leserinnen und Leser dürfen bei unserem internen Pioneer-Event an Bord dabei sein und den besten Blick auf die Inszenierung genießen. Senden Sie uns einfach eine Mail inklusive Name, Telefonnummer und einem persönlichen Satz an events@mediapioneer.com. Wir freuen uns aber auch, wenn Sie unsere Crew vom Ufer aus grüßen!

Plötzlich wird Merkel sentimental

Die Kanzlerin und der Abschied von ihrem Wahlkreis an der Ostsee-Küste.

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Veröffentlicht von Rasmus Buchsteiner.

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Finanzministerium in Berlin © imago

Im August sind die Steuereinnahmen wieder deutlich gestiegen. Insgesamt nahmen Bund und Länder 55,7 Milliarden Euro ein – eine Steigerung von 8,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Seit Jahresbeginn hat der Staat 462,8 Milliarden Euro eingenommen.

 © imago

Nach einem turbulenten Montag an den internationalen Börsen aufgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit des chinesischen Immobilienkonzerns Evergrande scheint die Angst vor einer Kettenreaktion bei der Mehrzahl der Wall Street-Experten verflogen zu sein. Judy Zhang von Citigroup schreibt:

Wir sehen die Evergrande-Krise nicht als Chinas Lehman-Moment, da die politischen Entscheidungsträger wahrscheinlich daran festhalten werden, systematische Risiken zu vermeiden.

Nach nationalen Feiertagen am Montag und Dienstag wird der chinesische Finanzmarkt heute seine Arbeit wiederaufnehmen. Dann warten Analysten auf ein Signal der chinesischen Zentralbank: Eine umfangreiche Geldspritze an den Kapitalmarkt könnte Pekings Absicht signalisieren, den systemischen Stress zu verringern.

Peking: Evergrande-Projekte vor dem Aus © dpa
Paul Achleitner, Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank © dpa

Paul Achleitner bleibt der bestbezahlte Aufsichtsratschef Deutschlands, trotz eines teilweisen Vergütungsverzichts. Im Corona-Jahr 2020 erhielt der Chefkontrolleur der Deutschen Bank rund 802.000 Euro – 10,9 Prozent weniger als im Jahr 2019. Auf dem zweiten Platz landet Siemens-Chefkontrolleur Jim Hagemann Snabe. Er liegt mit einer Vergütung von rund 632.000 Euro ebenfalls oberhalb der Armutsgrenze. Bronze geht an den BMW-Aufsichtsratschef Norbert Reithofer mit 610.000 Euro.

Zählt man jedoch auch die Vergütungen aus Mandaten bei Tochtergesellschaften hinzu, ist der VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch mit 900.000 Euro unangefochtener Spitzenreiter. Pötsch, einst als Finanzchef von Martin Winterkorn der treue Diener seines Herrn, weiß, wie man monetarisiert. Erst die Autos und dann sich.

Hans Dieter Pötsch © dpa
Helmut Kohl © dpa

Die Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung kommt, drei Millionen Euro pro Jahr sind dafür bereits im Bundeshaushalt reserviert. Die Stiftung soll erinnern, dokumentieren, aufarbeiten. Doch Altkanzler-Witwe Maike Kohl-Richter passt das nicht.

Die heute 57-Jährige, die mit Kohl von 2008 bis zu dessen Tod 2017 verheiratet war, hat eine eigene Stiftung zur Erinnerung an ihren Mann gegründet und will gegen die des Bundes klagen. ThePioneer-Chefkorrespondent Rasmus Buchsteiner berichtete darüber am Dienstag als Erster. Die Hintergründe lesen Sie hier:

Kohl-Witwe gründet eigene Kohl-Stiftung

Der Streit um die Erinnerung an das Lebenswerk des Altkanzlers spitzt sich weiter zu.

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Veröffentlicht von Rasmus Buchsteiner.

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“Wir Deutschen sind die Weltmeister des Heuchelns”

Alev Doğan spricht mit Schauspieler Hannes Jaenicke

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Veröffentlicht in Der 8. Tag von Alev Doğan.

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Wolfgang Petry 2003 © imago

Die Deutschen und der Schlager, das ist eine Hassliebe. Jeder kann die ein oder andere Zeile mitsingen, doch keiner will es so recht zugeben. Auf Partys sorgen die einfachen Texte über Liebe, Heimat und Sentimentalität für gute Stimmung, richtig laut gedreht werden sie meist erst zum Schluss.

Einer, der dieses Genre in Deutschland wesentlich mitgeprägt hat, feiert heute seinen 70. Geburtstag. Zu seinen bekanntesten Titeln gehören Lieder wie „Der Himmel brennt“, „Wahnsinn“ und „Verlieben, verloren, vergessen, verzeih’n“. Neben seinen eingängigen Textzeilen gehören Zottelhaar auf dem Kopf und Freundschaftsbänder am Handgelenk zu seinen Markenzeichen.

Wolfgang Petry 1998 © dpa

Der Stil blieb gleich, neue Lieder kamen wie am Fließband dazu. Bis zum Jahr 2006, in dem Wolfgang Petry nach 34 Bühnenjahren und rund 18 Millionen verkauften Tonträgern das Ende seiner Karriere bekanntgab.

Doch noch immer werden die Petry-Lieder gesummt, gesungen und gegrölt. Kurt Tucholsky wusste, warum:

Alles am Schlager ist echt, weil er so wunderschön falsch ist.

Ich wünsche Ihnen einen gefühlvollen Start in den Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Gründer & Herausgeber The Pioneer
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