Union: k.o.?

Teilen
Merken

Guten Morgen,

gestern um 12.30 Uhr gab Forsa bekannt, dass die Union in der Sonntagsfrage des Instituts erstmals seit Bestehen der Bundesrepublik unter die 20-Prozent-Marke rutschte. Damit ist der Kandidat Armin Laschet beim Publikum de facto durchgefallen. Die Union hat, so viel kann man jetzt schon sagen, aus Sicht der Befragten den falschen Mann auf den Schild gehoben.

Aber, und jetzt kommt das große Aber: Auch ein desaströses Wahlergebnis bedeutet nicht automatisch den Untergang der Konservativen als Regierungspartei. Man kann am Wahltag führen – wie Strauß gegen Schmidt – und trotzdem verlieren. Man kann parteiintern verlieren – wie Kohl gegen Strauß – und dennoch später Kanzler werden. Das deutsche Wahlsystem gehorcht einer politischen Rationalität – und keiner mathematischen Logik. Das bedeutet:

1. Olaf Scholz ist relativ gesehen stärker als Laschet, aber nicht wirklich stark. Auch mit den Grünen kann er, anders als seinerzeit Gerhard Schröder, keine Koalition bilden. Es reicht hinten und vorne nicht. 399 Sitze braucht man laut Forsa zur Kanzler-Werdung. Rot-Grün schafft derzeit nur 366 Sitze.

2. Einem rot-grün-roten Bündnis fehlt nicht nur die wirtschafts- und finanzpolitische Vernunft, sondern auch die gesellschaftliche Akzeptanz. Mit 418 Mandaten ließe sich eine solche Regierung bilden, aber keine stabile. Oder um es mit dem kolumbianischen Philosophen Nicolás Gómez Dávila zu sagen:

Das wahre Ausmaß des Desasters wird sichtbar, wenn die Linke hält, was sie verspricht.

Eine Infografik mit dem Titel: Die rot-grün-rote Koalition

Sitzverteilung laut aktueller Forsa-Umfrage zur Bundestagswahl

3. Die FDP – und hier insbesondere Parteichef Christian Lindner – ist Laschets treuester Verbündeter. Man kennt und schätzt sich aus der Zusammenarbeit in NRW, wo man am 27. Juni 2017 eine schwarz-gelbe Koalition installierte. Als Trauzeuge einer politischen Liebesheirat des Paares Scholz-Baerbock will einer wie Lindner nur ungern die Kerze halten.

4. Die FDP wäre im Bündnis mit einer nach links verrutschten SPD und einer in Teilen wirtschaftsfeindlichen Umweltpartei nur der nützliche Idiot. Wichtige Elemente einer liberalen Agenda wie die Senkung der Unternehmenssteuern, das Zurückdrängen des Staates und die private Altersvorsorge werden von Rot-Grün nicht nur abgelehnt, sondern bekämpft. Die rechnerische Mehrheit von Rot-Grün-Gelb (479 Mandate) übersetzt sich daher nicht in eine Gestaltungsmehrheit, auch wenn das Team Scholz mit dem Terminus eines „progressiven Modernisierungsbündnisses“ um die Gunst der FDP wirbt.

Eine Infografik mit dem Titel: Die Ampel-Koalition

Sitzverteilung laut aktueller Forsa-Umfrage zur Bundestagswahl

5. Die eigentliche Machtbasis der FDP, der soziologische Mittelstand und die Familienunternehmer, würde die Unterstützung einer rot-grünen Regierung als Verrat betrachten. Deshalb dürfte Lindner vieles tun, um Jamaika neu zu beleben oder eine Deutschland-Koalition aus SPD, Union und FDP zu schmieden. Die wäre der liberalen Klientel bekömmlicher, weil bürgerlicher, selbst wenn der Kanzler dann Scholz hieße und Laschet in Düsseldorf bliebe.

6. Solange die FDP mit ihren Stimmen die Schwäche von CDU und CSU ausgleichen kann, ist die Jamaika-Koalition, ein Bündnis zwischen Union, Grünen und Liberalen, nicht vom Tisch. Derzeit reicht es für 430 Mandate. Der Pluspunkt dieser Kombination: Der bürgerliche Teil der grünen Wähler, also jene, die zwischen 2017 (Grüne: 8,9 Prozent) und heute (Grüne: 17 Prozent) neu hinzugekommen sind, hat wenig Lust auf die Traditionsbataillone der SPD. Sie schätzen Scholz – aber fürchten seine linken Freunde.

Eine Infografik mit dem Titel: Die Jamaika-Koalition

Sitzverteilung laut aktueller Forsa-Umfrage zur Bundestagswahl

7. Der soeben von Forsa gemessene Tiefpunkt für die Union wird im konservativen Lager, also bei Unternehmern, Kirchen und Senioren, als Weckruf verstanden. Diese Kernklientel will Laschet, Merz, Söder und Co. jetzt nicht lamentieren, sondern kämpfen sehen. Oder um es mit Peter Sloterdijk zu sagen:

Die Miene muss heiterer sein als die Lage – das versteht jeder, der von Berufs wegen lächelt.

Bernd Osterloh © imago

Es geht um den Verdacht einer dazugekauften Loyalität bei Volkswagen: Seit gestern verhandelt das Landgericht Braunschweig im Prozess gegen drei frühere und einen amtierenden Personalmanager des Autokonzerns. Angeklagt sind unter anderem die beiden ehemaligen Personalvorstände Karlheinz Blessing und Horst Neumann. Ihnen wird vorgeworfen, durch überhöhte Gehälter und Boni führende Belegschaftsvertreter unrechtmäßig begünstigt zu haben.

Ex-Betriebsratschef Bernd Osterloh, um ein Beispiel zu nennen, verdiente in guten Bonus-Jahren bis zu 750.000 Euro. Weil dies den Konzerngewinn verringert und somit auch zu niedrigeren Steuerzahlungen geführt habe, lautet der offizielle Vorwurf der Staatsanwaltschaft „Untreue zulasten des Autoherstellers“.

Karlheinz Blessing © imago

Die Angeklagten, was bleibt ihnen auch anderes übrig, wiesen den Vorwurf am ersten Verhandlungstag zurück. Man habe ihm mitgeteilt, beim Thema Gehaltseingruppierung sei „alles rechtlich geprüft und in Ordnung“, sagte Blessing. Er ist – wie Osterloh – ein langjähriges Doppelmitglied bei SPD und IG Metall. In seinen besseren Zeiten war er SPD-Generalsekretär.

Der deutsche Volkskongress

Der nächste Bundestag wird der größte und teuerste aller Zeiten - eine echte Reform steht an.

Briefing lesen

Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Michael Bröcker Gordon Repinski .

Briefing

EZB © dpa

Von der Nullzinspolitik der EZB profitieren vor allem Immobilienbesitzer und Aktionäre, derweil Mietern und Geringverdienern der finanzielle Aufstieg erschwert wird. Das analysierten die Experten des Instituts der deutschen Wirtschaft im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen. In der Studie heißt es:

Von der expansiven Geldpolitik haben vor allem die Haushalte profitiert, die in der Vorkrisenzeit eine Immobilie erworben und finanziert haben und die bei sinkenden Zinsen ihre Kreditkosten senken konnten und gleichzeitig von steigenden Immobilienpreisen profitiert haben.

Eine Infografik mit dem Titel: Geringe Zinsen

Kredit- und Einlagezinsen, in Prozent

Zugleich leiden Sparer, die sich auf risikoarme Anlageformen verlassen haben. Sparkonten und viele Lebensversicherungen werfen unter dem Regime der Nullzinspolitik kaum Rendite ab und die hohen Immobilienpreise machen einen Markteinstieg trotz günstiger Finanzierungsbedingungen schwer.

Eine Infografik mit dem Titel: Die Mietenexplosion

Entwicklung des Mietpreisindex für Deutschland seit 1995, 2015 = Index 100

Einen Ausweg würde eine Veränderung des Sparverhaltens in Deutschland bieten. Neben einer Anpassung der Arbeitnehmersparzulage schlagen die Autoren vor, die Aktienkultur in Deutschland konsequenter zu fördern. Oder wie der ehemalige Chef der Wirtschaftsweisen, Prof. Bert Rürup, in der „Süddeutschen“ neulich schrieb:

Die Deutschen sparen viel, aber falsch.

Eine Infografik mit dem Titel: Sparvermögen: Der organisierte Stillstand

Termineinlagen, Spareinlagen und Sparbriefe der Deutschen im Jahr 2000 und 2020, in Milliarden Euro

Eine Infografik mit dem Titel: Der große Wachstumsschub

Entwicklung von Dax und Dow Jones seit Ausbruch der Finanzkrise, in Prozent

Impfen in Israel © dpa

Im April blickte die Welt auf Israel, dem damaligen Impfweltmeister. 60 Prozent der Bevölkerung hatte schon im Frühjahr mindestens eine Dosis erhalten – hierzulande waren es damals nur rund 15 Prozent und Jens Spahn hatte um jede Impfstofflieferung zu kämpfen.

Heute sieht das Bild anders aus. Seit April rutschte Israel auf den 34. Platz im Bloomberg-Tracker für vollständige Impfungen ab. Knapp 61 Prozent der dortigen Bevölkerung ist inzwischen vollständig geimpft – in Deutschland sind es den Zahlen des RKI zufolge 61,4 Prozent, während Spanien, Dänemark und Belgien laut „Our World in Data“ die 70-Prozent-Marke bereits durchbrochen haben.

Das Land, von dem einst vorhergesagt wurde, dass es als erstes seine gesamte Bevölkerung impfen würde, hatte in der Woche bis zum 4. September die relativ höchste Zahl an Erkrankten aller Länder, ermittelte die Johns-Hopkins-Universität. Dazu gilt es zu wissen:

  • Verantwortlich für den rasanten Anstieg der Fallzahlen ist vor allem der ungeimpfte Teil der Bevölkerung – besonders unter Kindern breitet sich die Delta-Variante derzeit aus. Zugleich erlebt Israel auch Infektionen innerhalb der vollständig geimpften Bevölkerung.

Naftali Bennett © dpa
  • Entscheidend ist nicht mehr die Infektion allein, sondern ob ein kritischer Krankheitsverlauf eintritt. Ernsthafte Fälle sind unter Ungeimpften zehnmal wahrscheinlicher als unter jenen, die zwei Spritzen erhalten haben. Die Zahl der Hospitalisierungen – der letzte Höchststand lag Ende August bei 751 – liegt noch weit unter den 1.183 von Mitte Januar.

  • Die Immunität der Impfungen nimmt mit der Zeit ab. 100.000 Israelis werden derzeit täglich geimpft, die überwiegende Mehrheit mit einer dritten Booster-Impfung. 28 Prozent der Bevölkerung hat inzwischen drei Dosen erhalten. Ran Balicer, Vorsitzender des beratenden Expertengremiums für die israelische Regierung, warnt:

Schwindende Immunität ist eine echte Herausforderung, für die jedes Land einen Notfallplan ausarbeiten muss.

Lockdown im Einzelhandel © dpa

Die deutsche Wirtschaft im Allgemeinen und der Einzelhandel im Speziellen haben einen großen Wunsch: den nächsten Lockdown, egal wie er heißt, unbedingt zu vermeiden.

Darum starten über 30 deutsche Handelsunternehmen eine Impf-Initiative unter dem Slogan „Leben statt Lockdown“, um gegen die stagnierende Impfquote – derzeit liegt sie bei 61,4 Prozent – für vollständige Impfungen in Deutschland zu werben. An tausenden Standorten in der gesamten Republik werden mehrsprachige Plakate geklebt und Informationsbroschüren verteilt. Zudem können sich die Kunden an ausgewählten Standorten impfen lassen. Gesundheitsminister Jens Spahn und RKI-Präsident Lothar Wieler stellen das Projekt heute in Berlin vor.

Patrick Zahn © dpa

Mit an Bord ist der Chef des Textildiscounters KiK, Patrick Zahn. Er sagt im heutigen Morning Briefing-Podcast, dass der letzte Lockdown das Unternehmen hart getroffen hat:

Wir rennen 250 Millionen Euro Umsatz von Anfang des Jahres hinterher.

Klick aufs Bild führt zur Podcast-Page
Mario Adorf © dpa

Mario Adorfs Biografie gleicht der Erzählung von Oliver Twist aus dem gleichnamigen Roman von Charles Dickens. Geboren als nichteheliches Kind einer deutschen Schneiderin und eines italienischen Arztes, wuchs der kleine Mario in Mayen in der Eifel auf. Zeitweilig musste er in ein katholisches Kinderheim ziehen, weil seiner Mutter das Geld für die Ernährung des Knaben fehlte.

Im Jahr 1953 brach er nach nur wenigen Semestern sein Studium ab und widmete sich einer Schauspielausbildung an der Otto Falckenberg-Schule in München. Mit der Rolle des angeblichen Massenmörders „Bruno Lüdke“ in „Nachts, wenn der Teufel kam“ gelang ihm schließlich 1957 der internationale Durchbruch. Erst kürzlich hat er Lüdke, der ein Opfer des Nationalsozialismus war, zusammen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier durch die Verlegung eines Stolpersteins geehrt. In seiner Schrankwand stehen zahlreiche Bambis, der Grimme-Preis und drei Goldene Kameras.

Mario Adorf © dpa

Heute feiert Mario Adorf seinen 91. Geburtstag. Mit meinem Kollegen Marc Saha spricht er im Morning Briefing-Podcast über sein Leben, die Politik und seinen Rat, jungen Menschen keinen Rat zu erteilen.

Klick aufs Bild führt zur Podcast-Page

Ich habe sehr früh entdeckt, dass wenn man jungen Leuten Ratschläge gibt, werden die meistens nicht befolgt. Da entsteht eine innige Protesthaltung und es kommt zum Gegenteil.

Seine Schlussfolgerung:

Man sollte lieber schlechte Ratschläge geben. Damit am Ende etwas Gutes dabei herauskommt.

Ich wünsche Mario Adorf und Ihnen einen fulminanten Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Gründer & Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Gründer & Herausgeber The Pioneer

Abonnieren

Abonnieren Sie den Newsletter The Pioneer Briefing